Vor 27 Jahren: Historischer Schlussspurt gegen Ghana

Mit dem westafrikanischen Staat Ghana hatte der deutsche Fußball bis zu jenem 14. April 1993, heute vor 27 Jahren, nur wenige Berührungspunkte. Ghana hatte im Fußball bis dahin keine große Rolle gespielt, bei Weltmeisterschaften war man sich nie begegnet, denn Ghana spielte bis zum Turnier in Deutschland 2006 nie mit. Erst wenige Wochen vor dem Spiel hatte Ghana auch die Qualifikation für die WM in den USA 1994 verpasst, weshalb der deutsche Auswahltrainer Otto Pfister gehen musste. Bei Kontinentalturnieren war ein Treffen natürlich schlicht unmöglich.

Es musste also ein Testspiel sein, das den Startschuss gab. In Bochum füllten 37.000 Zuschauer das Ruhrstadion, durchaus neugierig auf in der Bundesliga längst bekannte Spieler wie Anthony Baffoe (damals beim FC Metz), Frankfurts Anthony Yeboah, der zwei Monate später als erster Afrikaner Torschützenkönig werden sollte, Ali Ibrahim (SG Wattenscheid) oder Charles Akonnor (Fortuna Köln). Zudem hatte man Wunderdinge von den Talenten Nii Lamptey (RSC Anderlecht) und Abedi Pele (Olympique Marseille) gehört. 1991 war Ghana U 17-Weltmeister geworden, einige der Talente waren nun oben angekommen. 

Fußball ist keine Mathematik

Yeboah hatte in Frankfurt längst einen eigenen Fanklub aus Landsleuten, die sich Karten gesichert hatten. Yeboah versprach: "Bochum wird eine afrikanische Nacht erleben. Meine Landsleute kommen aus ganz Europa. Deutschland muss aufpassen!" Der Heimvorteil war also nicht so ganz selbstverständlich wie sonst, aber natürlich stand außer Frage dass der amtierende Weltmeister der große Favorit dieser Partie war. Der Kicker warnte dennoch auf der Titelseite: "Gelbe Gefahr vom Schwarzen Kontinent". Gelb waren die Trikots der Ghanaer.

Doch würde die Einstellung auch stimmen? Bundestrainer Berti Vogts, seit dem verlorenen EM-Finale 1992 gegen Dänemark zunehmend in der Kritik, appellierte an das Ehrgefühl: "Ich kann es nicht mehr hören, wenn es heißt: Das ist doch nur ein Freundschaftsspiel. Es muss doch das Größte für einen Spieler sein, das Nationaltrikot zu tragen."  Mit sieben Weltmeistern ging Deutschland in die Partie, die Länderspielerfahrung betrug 35,5 Spiele im Schnitt – auch weil das eingeplante Debüt des Frankfurters Ralf Weber kurzfristig ausfiel. Dafür gab sein Klubkollege Uwe Bein nach 13 Monaten sein Comeback. Ghana schickte drei Teenager aufs Feld, kam auf insgesamt 125 Spiele (Schnitt: 11,4).

Wer also bitte sollte dieses Spiel gewinnen? Dass Fußball keine Mathematik ist, zeigte sich freilich in der ersten Hälfte. Während den Deutschen bei allem Eifer nur ein zu Recht annulliertes Handtor von Jürgen Klinsmann glückte, legte Ghana nach 44 Minuten vor: Abedi Peles Schuss wurde von Thomas Helmer an die Latte gelenkt, Prince Polley staubte ab. 0:1 zur Pause – das entsprach nicht dem Spielverlauf, aber auch nicht den Ansprüchen. Auf den Rängen wurde es unruhig, schon nach 30 Minuten hatte es "Berti raus"-Ruf gegeben, nachdem Polley allein auf Torwart Andreas Köpke zugesteuert war. Der Kicker tadelte: "Eine überzogene Reaktion angesichts des Bemühens der deutschen Mannschaft und der ansehnlichen ersten 30 Minuten."

Historische "Six-Pack" nach der Pause

Vogts wechselte in der Halbzeit Ulf Kirsten für Karl-Heinz Riedle ein – und damit den Ausgleich. Joker Kirsten stach nach 69 Minuten und löste einen nie gesehenen Schlussspurt einer deutschen Nationalmannschaft ein. In den folgenden 19 Minuten fielen fünf weitere Tore, am Ende hieß es 6:1 und das Publikum feierte die Sieger. Die Tore erzielten der überragende Stefan Effenberg (70., 82.), damals bei der AC Florenz, Jürgen Klinsmann (70., 86.) von der AS Monaco und Joker Andy Möller (88.) von Juventus Turin. Fertig war der historische "Six-Pack" der Nationalelf. Historisch wegen des rasanten Endspurts. 1969 fielen beim 12:0 gegen Zypern sechs Tore zwar sogar binnen elf Minuten, aber das fühlte sich nicht so an, weil die Halbzeit dazwischen lag. Und: in den letzten 21 Minuten hat keine DFB-Elf sonst sechs Tore geschossen – das gab es nur in Bochum anno 1993 gegen Ghana.

Ein halbes Dutzend Argumente gegen die Krakeeler, deren Rufe Vogts "sehr weh getan" hatten. Hinterher durfte er sagen: "Diese Leute haben sich selbst abqualifiziert. Es war das beste Länderspiel seit eineinhalb Jahren." Und eins für die Geschichtsbücher.

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Mit dem westafrikanischen Staat Ghana hatte der deutsche Fußball bis zu jenem 14. April 1993, heute vor 27 Jahren, nur wenige Berührungspunkte. Ghana hatte im Fußball bis dahin keine große Rolle gespielt, bei Weltmeisterschaften war man sich nie begegnet, denn Ghana spielte bis zum Turnier in Deutschland 2006 nie mit. Erst wenige Wochen vor dem Spiel hatte Ghana auch die Qualifikation für die WM in den USA 1994 verpasst, weshalb der deutsche Auswahltrainer Otto Pfister gehen musste. Bei Kontinentalturnieren war ein Treffen natürlich schlicht unmöglich.

Es musste also ein Testspiel sein, das den Startschuss gab. In Bochum füllten 37.000 Zuschauer das Ruhrstadion, durchaus neugierig auf in der Bundesliga längst bekannte Spieler wie Anthony Baffoe (damals beim FC Metz), Frankfurts Anthony Yeboah, der zwei Monate später als erster Afrikaner Torschützenkönig werden sollte, Ali Ibrahim (SG Wattenscheid) oder Charles Akonnor (Fortuna Köln). Zudem hatte man Wunderdinge von den Talenten Nii Lamptey (RSC Anderlecht) und Abedi Pele (Olympique Marseille) gehört. 1991 war Ghana U 17-Weltmeister geworden, einige der Talente waren nun oben angekommen. 

Fußball ist keine Mathematik

Yeboah hatte in Frankfurt längst einen eigenen Fanklub aus Landsleuten, die sich Karten gesichert hatten. Yeboah versprach: "Bochum wird eine afrikanische Nacht erleben. Meine Landsleute kommen aus ganz Europa. Deutschland muss aufpassen!" Der Heimvorteil war also nicht so ganz selbstverständlich wie sonst, aber natürlich stand außer Frage dass der amtierende Weltmeister der große Favorit dieser Partie war. Der Kicker warnte dennoch auf der Titelseite: "Gelbe Gefahr vom Schwarzen Kontinent". Gelb waren die Trikots der Ghanaer.

Doch würde die Einstellung auch stimmen? Bundestrainer Berti Vogts, seit dem verlorenen EM-Finale 1992 gegen Dänemark zunehmend in der Kritik, appellierte an das Ehrgefühl: "Ich kann es nicht mehr hören, wenn es heißt: Das ist doch nur ein Freundschaftsspiel. Es muss doch das Größte für einen Spieler sein, das Nationaltrikot zu tragen."  Mit sieben Weltmeistern ging Deutschland in die Partie, die Länderspielerfahrung betrug 35,5 Spiele im Schnitt – auch weil das eingeplante Debüt des Frankfurters Ralf Weber kurzfristig ausfiel. Dafür gab sein Klubkollege Uwe Bein nach 13 Monaten sein Comeback. Ghana schickte drei Teenager aufs Feld, kam auf insgesamt 125 Spiele (Schnitt: 11,4).

Wer also bitte sollte dieses Spiel gewinnen? Dass Fußball keine Mathematik ist, zeigte sich freilich in der ersten Hälfte. Während den Deutschen bei allem Eifer nur ein zu Recht annulliertes Handtor von Jürgen Klinsmann glückte, legte Ghana nach 44 Minuten vor: Abedi Peles Schuss wurde von Thomas Helmer an die Latte gelenkt, Prince Polley staubte ab. 0:1 zur Pause – das entsprach nicht dem Spielverlauf, aber auch nicht den Ansprüchen. Auf den Rängen wurde es unruhig, schon nach 30 Minuten hatte es "Berti raus"-Ruf gegeben, nachdem Polley allein auf Torwart Andreas Köpke zugesteuert war. Der Kicker tadelte: "Eine überzogene Reaktion angesichts des Bemühens der deutschen Mannschaft und der ansehnlichen ersten 30 Minuten."

Historische "Six-Pack" nach der Pause

Vogts wechselte in der Halbzeit Ulf Kirsten für Karl-Heinz Riedle ein – und damit den Ausgleich. Joker Kirsten stach nach 69 Minuten und löste einen nie gesehenen Schlussspurt einer deutschen Nationalmannschaft ein. In den folgenden 19 Minuten fielen fünf weitere Tore, am Ende hieß es 6:1 und das Publikum feierte die Sieger. Die Tore erzielten der überragende Stefan Effenberg (70., 82.), damals bei der AC Florenz, Jürgen Klinsmann (70., 86.) von der AS Monaco und Joker Andy Möller (88.) von Juventus Turin. Fertig war der historische "Six-Pack" der Nationalelf. Historisch wegen des rasanten Endspurts. 1969 fielen beim 12:0 gegen Zypern sechs Tore zwar sogar binnen elf Minuten, aber das fühlte sich nicht so an, weil die Halbzeit dazwischen lag. Und: in den letzten 21 Minuten hat keine DFB-Elf sonst sechs Tore geschossen – das gab es nur in Bochum anno 1993 gegen Ghana.

Ein halbes Dutzend Argumente gegen die Krakeeler, deren Rufe Vogts "sehr weh getan" hatten. Hinterher durfte er sagen: "Diese Leute haben sich selbst abqualifiziert. Es war das beste Länderspiel seit eineinhalb Jahren." Und eins für die Geschichtsbücher.

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