Vor 121 Jahren: Der DFB wird gegründet

Wann genau der Fußball nach Deutschland kam, das ist umstritten. Gemeinhin nennen Historiker das Jahr 1874, als der Lehrer Konrad Koch das Spiel an einem Braunschweiger Gymnasium einführte. Als Monat wird der Oktober genannt, aber kein Tag, keine Stunde - wie unbefriedigend. Ganz anders verhält es sich da mit der Gründung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), die heute vor genau 121 Jahren stattfand.

Die "Geburt", so wurde vermerkt, zog sich an jenem Sonntag des 28. Januar 1900 von 10.40 Uhr bis 17.05 Uhr hin, und die Wiege stand im Leipziger Mariengarten. Ein großes Restaurant in Bahnhofsnähe, in dessen Innenhof Bäume standen, 1914 wurde es abgerissen. An selber Stelle in der Büttnerstraße 10 erstand ein Verlagsgebäude, heute gehört es zu einem Nobel-Wohnquartier. Immerhin: Eine Gedenktafel erinnert seit 20 Jahren an den historischen Moment.

Zentrale Fußballorganisation: Auch Konrad Koch scheitert

Wie kam es zu diesem? Organisiert Fußball gespielt wurde schon im ausgehenden 19. Jahrhundert, es gab Vereine, Verbände, regionale Meister und sogar Länderspiele - die sogenannten "Ur-Länderspiele". Doch alles blieb im Ungefähren, die Zukunft des neuen und keineswegs allseits geliebten Sports, der aus England - "dem perfiden Albion" - kam, war nicht gesichert. Es bedurfte einer zentralen Organisation, wie sie Turner, Ruderer oder Radfahrer längst hatten, auch um den Widerständen aus der Gesellschaft zu trotzen.

Konrad Koch versuchte es 1886 auf einer Tagung in Hannover vergeblich, ebenso erfolglos blieb ein zweiter Versuch 1890, der vom Deutschen Fußballverein 1878 in Hannover ausging. In Berlin entstand im November 1890 ein "Bund Deutscher Fußballspieler", der nie volle Akzeptanz erhielt, auf Berlin, damals die Fußballhochburg, beschränkt war und sich 1892 wiederauflöste. Etwas länger lebte der Deutsche Fußball und Cricket-Bund (1891 bis 1903), aber auch sein Name verhieß mehr, als er hielt, vor allem die mächtigen süddeutschen Vereine verweigerten die Teilnahme. Auch das Unterfangen, das 1893 von der "Deutschen Sportbehörde für Athletik" in Berlin ausging, scheiterte. Aber mit der Jahrhundertwende kam der Durchbruch für den Fußball.

Leichtathleten unterstützen Fußballer

Der entscheidende Anstoß kam aus Leipzig. Nicht im trüben Januar, sondern schon ein halbes Jahr zuvor: Am 30. Juli 1899, auf dem "Allgemeinen Deutschen Sportfest" in Leipzig, wo sich auch die besten Leichtathleten des Landes tummelten, begleitet von ihren Vereinsvertretern. "Wer weiß, ob der DFB an jenem 28. Januar 1900 im Leipziger Mariengarten gegründet worden wäre, wenn sich nicht die in der Leichtathletik führenden Männer um einen Zusammenschluß der weit zahlreicheren Fußballer bemüht hätten", schrieb der der damalige DFB-Pressechef Dr. Wilfried Gerhardt in der Festschrift "60 Jahre DFB". Am Rande der Leipziger Radrennbahn kam die Idee in die Welt. Sechs der dort anwesenden Vertreter, in deren Vereinen Fußball gespielt wurde, setzten sich also zusammen und kamen überein, eine Gründungsversammlung für einen "Allgemeinen Deutschen Fußball-Bund" einzuberufen. Drei aus Berlin, zwei aus Leipzig und einer aus Prag.

Von Letzterem soll der unmittelbare Anstoß gekommen sein. Er hörte auf den höchst aristokratischen Namen Robert Ignaz Lendlmayer Edler on Lendenfeld, war Zoologie-Professor und begeisterter Bergsteiger. Aber wieso Prag? Das war die Hauptstadt des Königreichs Böhmen, das wiederum zum Habsburger Reich gehörte - und mit Vereinen aus "Deutsch-Österreich" wurde damals Sportverkehr betrieben. In Prag gab es nämlich einen hohen deutschstämmigen Bevölkerungsanteil und rein deutsche Sportvereine wie den DFC und Germania Prag - weshalb sie an dem Sportfest teilnehmen durften.

Die kleine Männerrunde in Leipzig einigte sich an jenem 30. Juli auf die Einberufung des "1. allgemeinen deutschen Fußballtags". Der sollte am 30. September 1899 stattfinden, der "Vorbereitungsausschuss" verschickte Einladungen an "alle Fußballvereine des Reiches und von Deutsch-Österreich". Allerdings erst 14 Tage vorher, was den meisten Vereinen zu kurzfristig war, sie "erbaten sich eine längere Zeit zum Überlegen", schrieb Carl Koppehel in seiner "Geschichte des Deutschen Fußballsports" (1958).

"Ernsthafter Widerstand wird sich wohl kaum erheben"

Es gab also einen zweiten Anlauf, und eine passende Gelegenheit dazu fand sich auch: Am letzten Januar-Wochenende 1900, das wegen des Kaiser-Geburtstages am 27. Januar ohnehin ein besonderes war, fand in Leipzig die 3. Wahlversammlung der "Deutschen Sportbehörde für Athletik" statt. Da Fußballvereine oft eine Leichtathletikabteilung hatten, konnten die Vereinsvertreter zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Am Vortag noch bei den Leichtathleten, fanden sie sich am Morgen des 28. Januar gegen 8.30 Uhr im Mariengarten ein, um darüber zu diskutieren, "ob und wie eine Einigung sämtlicher deutscher Fußballverbände und -vereine möglich ist."

So hatte es der Ausschussvorsitzende Johannes E. Kirmse in der Einladung formuliert, die am 4. Januar 1900 auf der Titelseite des Fachblatts Deutsche Sport-Nachrichten stand. "Ernsthafter Widerstand wird sich gegen die Gründung eines solchen Bundes wohl kaum erheben; reiflicher Ueberlegung bedarf jedoch die Organisation des großen Werkes", stand zwei Wochen später in der nächsten Ausgabe des Blattes.

36 Personen hatten sich schließlich auf dem "1. Allgemeinen Fußballtag" eingefunden, die 86 Vereine vertraten. Dr. Gustav Manning beispielsweise sprach und stimmte für den Verband süddeutscher Fußballvereine, damals waren es erst sieben. Fritz Boxhammer vertrat den Verband deutscher Ballspielvereine mit elf Vereinen, vornehmlich aus Berlin. Westdeutschland, Schlesien und Ostpreußen fehlten ganz. Es wimmelte zwar vor Akademikern im Mariengarten, und doch waren es keine alten Männer. Vielmehr war es die Geisteselite der ersten Fußballergeneration auf deutschem Boden, die ja vornehmlich aus Studenten bestanden hatte. Die meisten Herren waren zwischen 25 und 30 Jahre alt. Nur der Prager Prof. Dr. Ferdinand Hueppe (47) ging schon auf die 50 zu. In kleinen Gruppen wurde schon heftig debattiert, ehe der Leipziger Johannes Kirmse die Versammlung offiziell um 10.40 Uhr eröffnete.

"Das Mittagessen wartet"

Es war keineswegs sicher, ob der DFB schon an diesem Tag gegründet werden würde, wie der Einladung zu entnehmen ist. Die Frage "ob überhaupt" führte zu diversen Meinungsäußerungen, die "erheblich voneinander abwichen und zum Teil sogar hart aufeinander prallten." So steht es in der DFB-Festschrift von 1960. Unter anderem ging es um die Teilnahmeberechtigung der Prager Vereinsvertreter, die die Berliner nicht dabei haben wollten. Das Ansinnen wurde mit 69:16 Stimmen abgelehnt, bemerkenswert für die Ära der "vaterländischen Gesinnung".

Dass es danach zur Gründung des DFB kam, ist, so will es die Legende, dem menschlichen Bedürfnis einiger Herren geschuldet, die nach mehr als zweistündiger Debatte der Hunger plagte. Bevor es zu Tisch ging, sollte Klarheit geschafft werden. Der Frankfurter Albert Wamser, der für die Gründung war, zitierte den gerade verstorbenen Reichskanzler Otto von Bismarck: "Man setze Deutschland nur in den Sattel; reiten wird es schon können!" Gemeinsam mit Fred Manning, Walter Sommermeyer und Ferdinand Hueppe stellte er mit eindeutiger Begründung - "das Mittagessen wartet" - den Antrag auf "Gründung eines allgemeinen deutschen Fußballverbandes durch die heutige Versammlung".

Wie Gerhardt 1960 feststellte, wäre das nach streng "parlamentarischen Gepflogenheiten" wohl kaum möglich gewesen, denn "da waren Vertreter ohne Vollmachten, die aber trotzdem mitabstimmten, da waren andere, deren Vollmachten beschränkt waren." Doch sie hatten ein großes Ziel vor Augen, jedenfalls die meisten von ihnen. Mit 64:22 Stimmen wurde der Antrag angenommen und der DFB gegründet, gegen die Stimmen des Verbandes Deutscher Ballspielvereine aus Berlin und einiger anderer Vertreter, die erst mal ein einheitliches Regelwerk und den Beitritt aller Verbände forderten. Doch Aufschub wurde nicht gewährt, der DFB kam rechtzeitig zum Mittagessen auf die Welt.

Hueppe zum ersten Präsidenten bestimmt

Noch hieß er aber nicht so, denn auch in diesem Fall folgte die Taufe, wie es sich gehört, nach der Geburt. Nach Aufhebung der Mittagstafel, "die den zum Teil doch etwas erhitzten Gemütern Gelegenheit gab, sich abzukühlen", wie es in der Festschrift von 1960 heißt, ging es an die Namensfindung. Der Prager Dr. Brandeis plädierte für "Allgemeiner Deutscher Fußball-Bund", doch der spätere Kicker-Gründer Walther Bensemann (Karlsruhe) hielt die kürzere Form "Deutscher Fußball-Bund" für besser. Dieser Vorschlag wurde ohne Gegenstimmen angenommen.

Nun tagten die Herren in heiterer Stimmung weiter, obwohl der einzige Tagesordnungspunkt abgehakt worden war. Da fragte der Naumburger Dr. Beyer nicht ganz zu Unrecht, ob man sich eigentlich noch auf dem 1. Deutschen Fußballtag befände oder schon auf dem 1. Bundestag des DFB. Daraufhin schloss Versammlungsleiter Kirmse um 17.05 Uhr den Fußballtag und eröffnete umgehend den ersten Bundestag unter Vorsitz des Ältesten der Runde, Ferdinand Hueppe, der somit zum ersten DFB-Präsidenten avancierte.

Die erste Elf ist eine Zehn

Noch am selben Tag wurde ein elfköpfiger Ausschuss gegründet, der die nun anfallenden organisatorischen Arbeiten übernehmen sollte. Die Zahl elf war wohl nicht ganz zufällig gewählt, hat sie im Fußball doch eine magische Bedeutung und steht für den Zusammenhalt eines Teams. Die Elf fand sich schnell zusammen und verdient Erwähnung, auch wenn es erst nur eine Zehn war:

Dr. Paul Albrecht (Magdeburg)
Franz Behr (Hamburg)
Oskar Büttner (Leipzig)
Ferdinand Wilhelm Fricke (Hannover)
Dr. Ferdinand Hueppe (Prag)
Johannes Kirmse (Leipzig)
Gustav Manning (Straßburg)
Hermann Stasny (Frankfurt)
H. Thomas (Dresden)
Albert Karl Werkmüller (Berlin).
Der elfte Platz wurde freigehalten für einen Vertreter aus dem VBDS (Berlin), der sich ja noch sträubte.

Die ersten Aufgaben lauteten:

1.) Schaffung einheitlicher Spielregeln
2.) Einrichtung von Landesverbänden
3.) Festsetzung allgemeiner deutscher Fußballregeln
4.) Ausmerzung englischer Sprachausdrücke

Punkt 1 und 3 klangen ähnlich, 1 betraf jedoch das Spiel, Punkt 3 den Spielbetrieb (Ligaorganisation).

1903: Erster Deutscher Meister kommt aus Leipzig

Die Leitung des ersten und kürzesten Bundestages war an Oskar Büttner übertragen worden, und der schloss ihn dann auch - mit einem kräftigen "Hipp hipp hurra!" Um Punkt 18.30 Uhr. Die Euphorie der Gründerväter war nicht allgemein, eben weil nicht alle Vereine in Leipzig vertreten und daher auch nicht eingetreten waren. Selbst Walther Bensemann seufzte: "Man hat das Dach gebaut, bevor das Fundament fertig ist."

Die dem Bund doch wohl gesonnenen Deutschen Sport-Nachrichten schrieben: "Wir wollen unser Urteil über den neuen Bund nicht vorschnell abgeben - leid tut uns nur, daß er auf so unsicherer Grundlage gegründet worden ist. Wir wollen dem Bund auch nicht die Lebensfähigkeit abstreiten, aber er wird unseres Erachtens zunächst nur vegetieren, und viel Arbeit (…) wird dazu gehören, um die ja nur ganz äußerlich, nur auf einen Namen gegründete Zusammengehörigkeit der deutschen Fußball-Clubs auch zu einer inneren zu gestalten."

Es dauerte noch drei Jahre, ehe der erste Deutsche Meister ausgespielt wurde. Bezeichnend für die Mühen der ersten Jahre war die Tatsache, dass der DFC Prag, ohne ein einziges Endrundenspiel ausgetragen zu haben (!), 1903 im ersten Finale stand. Dank eines von einem Anonymus gefälschten Telegramms, das seinen Halbfinalgegner Karlsruher FV von einer vermeintlichen Absage durch den DFB informierte, weshalb man nicht anreiste. Das Finale aber gewann der Klub aus der Stadt, in der alles begann: der VfB Leipzig.

[dfb]

Wann genau der Fußball nach Deutschland kam, das ist umstritten. Gemeinhin nennen Historiker das Jahr 1874, als der Lehrer Konrad Koch das Spiel an einem Braunschweiger Gymnasium einführte. Als Monat wird der Oktober genannt, aber kein Tag, keine Stunde - wie unbefriedigend. Ganz anders verhält es sich da mit der Gründung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), die heute vor genau 121 Jahren stattfand.

Die "Geburt", so wurde vermerkt, zog sich an jenem Sonntag des 28. Januar 1900 von 10.40 Uhr bis 17.05 Uhr hin, und die Wiege stand im Leipziger Mariengarten. Ein großes Restaurant in Bahnhofsnähe, in dessen Innenhof Bäume standen, 1914 wurde es abgerissen. An selber Stelle in der Büttnerstraße 10 erstand ein Verlagsgebäude, heute gehört es zu einem Nobel-Wohnquartier. Immerhin: Eine Gedenktafel erinnert seit 20 Jahren an den historischen Moment.

Zentrale Fußballorganisation: Auch Konrad Koch scheitert

Wie kam es zu diesem? Organisiert Fußball gespielt wurde schon im ausgehenden 19. Jahrhundert, es gab Vereine, Verbände, regionale Meister und sogar Länderspiele - die sogenannten "Ur-Länderspiele". Doch alles blieb im Ungefähren, die Zukunft des neuen und keineswegs allseits geliebten Sports, der aus England - "dem perfiden Albion" - kam, war nicht gesichert. Es bedurfte einer zentralen Organisation, wie sie Turner, Ruderer oder Radfahrer längst hatten, auch um den Widerständen aus der Gesellschaft zu trotzen.

Konrad Koch versuchte es 1886 auf einer Tagung in Hannover vergeblich, ebenso erfolglos blieb ein zweiter Versuch 1890, der vom Deutschen Fußballverein 1878 in Hannover ausging. In Berlin entstand im November 1890 ein "Bund Deutscher Fußballspieler", der nie volle Akzeptanz erhielt, auf Berlin, damals die Fußballhochburg, beschränkt war und sich 1892 wiederauflöste. Etwas länger lebte der Deutsche Fußball und Cricket-Bund (1891 bis 1903), aber auch sein Name verhieß mehr, als er hielt, vor allem die mächtigen süddeutschen Vereine verweigerten die Teilnahme. Auch das Unterfangen, das 1893 von der "Deutschen Sportbehörde für Athletik" in Berlin ausging, scheiterte. Aber mit der Jahrhundertwende kam der Durchbruch für den Fußball.

Leichtathleten unterstützen Fußballer

Der entscheidende Anstoß kam aus Leipzig. Nicht im trüben Januar, sondern schon ein halbes Jahr zuvor: Am 30. Juli 1899, auf dem "Allgemeinen Deutschen Sportfest" in Leipzig, wo sich auch die besten Leichtathleten des Landes tummelten, begleitet von ihren Vereinsvertretern. "Wer weiß, ob der DFB an jenem 28. Januar 1900 im Leipziger Mariengarten gegründet worden wäre, wenn sich nicht die in der Leichtathletik führenden Männer um einen Zusammenschluß der weit zahlreicheren Fußballer bemüht hätten", schrieb der der damalige DFB-Pressechef Dr. Wilfried Gerhardt in der Festschrift "60 Jahre DFB". Am Rande der Leipziger Radrennbahn kam die Idee in die Welt. Sechs der dort anwesenden Vertreter, in deren Vereinen Fußball gespielt wurde, setzten sich also zusammen und kamen überein, eine Gründungsversammlung für einen "Allgemeinen Deutschen Fußball-Bund" einzuberufen. Drei aus Berlin, zwei aus Leipzig und einer aus Prag.

Von Letzterem soll der unmittelbare Anstoß gekommen sein. Er hörte auf den höchst aristokratischen Namen Robert Ignaz Lendlmayer Edler on Lendenfeld, war Zoologie-Professor und begeisterter Bergsteiger. Aber wieso Prag? Das war die Hauptstadt des Königreichs Böhmen, das wiederum zum Habsburger Reich gehörte - und mit Vereinen aus "Deutsch-Österreich" wurde damals Sportverkehr betrieben. In Prag gab es nämlich einen hohen deutschstämmigen Bevölkerungsanteil und rein deutsche Sportvereine wie den DFC und Germania Prag - weshalb sie an dem Sportfest teilnehmen durften.

Die kleine Männerrunde in Leipzig einigte sich an jenem 30. Juli auf die Einberufung des "1. allgemeinen deutschen Fußballtags". Der sollte am 30. September 1899 stattfinden, der "Vorbereitungsausschuss" verschickte Einladungen an "alle Fußballvereine des Reiches und von Deutsch-Österreich". Allerdings erst 14 Tage vorher, was den meisten Vereinen zu kurzfristig war, sie "erbaten sich eine längere Zeit zum Überlegen", schrieb Carl Koppehel in seiner "Geschichte des Deutschen Fußballsports" (1958).

"Ernsthafter Widerstand wird sich wohl kaum erheben"

Es gab also einen zweiten Anlauf, und eine passende Gelegenheit dazu fand sich auch: Am letzten Januar-Wochenende 1900, das wegen des Kaiser-Geburtstages am 27. Januar ohnehin ein besonderes war, fand in Leipzig die 3. Wahlversammlung der "Deutschen Sportbehörde für Athletik" statt. Da Fußballvereine oft eine Leichtathletikabteilung hatten, konnten die Vereinsvertreter zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Am Vortag noch bei den Leichtathleten, fanden sie sich am Morgen des 28. Januar gegen 8.30 Uhr im Mariengarten ein, um darüber zu diskutieren, "ob und wie eine Einigung sämtlicher deutscher Fußballverbände und -vereine möglich ist."

So hatte es der Ausschussvorsitzende Johannes E. Kirmse in der Einladung formuliert, die am 4. Januar 1900 auf der Titelseite des Fachblatts Deutsche Sport-Nachrichten stand. "Ernsthafter Widerstand wird sich gegen die Gründung eines solchen Bundes wohl kaum erheben; reiflicher Ueberlegung bedarf jedoch die Organisation des großen Werkes", stand zwei Wochen später in der nächsten Ausgabe des Blattes.

36 Personen hatten sich schließlich auf dem "1. Allgemeinen Fußballtag" eingefunden, die 86 Vereine vertraten. Dr. Gustav Manning beispielsweise sprach und stimmte für den Verband süddeutscher Fußballvereine, damals waren es erst sieben. Fritz Boxhammer vertrat den Verband deutscher Ballspielvereine mit elf Vereinen, vornehmlich aus Berlin. Westdeutschland, Schlesien und Ostpreußen fehlten ganz. Es wimmelte zwar vor Akademikern im Mariengarten, und doch waren es keine alten Männer. Vielmehr war es die Geisteselite der ersten Fußballergeneration auf deutschem Boden, die ja vornehmlich aus Studenten bestanden hatte. Die meisten Herren waren zwischen 25 und 30 Jahre alt. Nur der Prager Prof. Dr. Ferdinand Hueppe (47) ging schon auf die 50 zu. In kleinen Gruppen wurde schon heftig debattiert, ehe der Leipziger Johannes Kirmse die Versammlung offiziell um 10.40 Uhr eröffnete.

"Das Mittagessen wartet"

Es war keineswegs sicher, ob der DFB schon an diesem Tag gegründet werden würde, wie der Einladung zu entnehmen ist. Die Frage "ob überhaupt" führte zu diversen Meinungsäußerungen, die "erheblich voneinander abwichen und zum Teil sogar hart aufeinander prallten." So steht es in der DFB-Festschrift von 1960. Unter anderem ging es um die Teilnahmeberechtigung der Prager Vereinsvertreter, die die Berliner nicht dabei haben wollten. Das Ansinnen wurde mit 69:16 Stimmen abgelehnt, bemerkenswert für die Ära der "vaterländischen Gesinnung".

Dass es danach zur Gründung des DFB kam, ist, so will es die Legende, dem menschlichen Bedürfnis einiger Herren geschuldet, die nach mehr als zweistündiger Debatte der Hunger plagte. Bevor es zu Tisch ging, sollte Klarheit geschafft werden. Der Frankfurter Albert Wamser, der für die Gründung war, zitierte den gerade verstorbenen Reichskanzler Otto von Bismarck: "Man setze Deutschland nur in den Sattel; reiten wird es schon können!" Gemeinsam mit Fred Manning, Walter Sommermeyer und Ferdinand Hueppe stellte er mit eindeutiger Begründung - "das Mittagessen wartet" - den Antrag auf "Gründung eines allgemeinen deutschen Fußballverbandes durch die heutige Versammlung".

Wie Gerhardt 1960 feststellte, wäre das nach streng "parlamentarischen Gepflogenheiten" wohl kaum möglich gewesen, denn "da waren Vertreter ohne Vollmachten, die aber trotzdem mitabstimmten, da waren andere, deren Vollmachten beschränkt waren." Doch sie hatten ein großes Ziel vor Augen, jedenfalls die meisten von ihnen. Mit 64:22 Stimmen wurde der Antrag angenommen und der DFB gegründet, gegen die Stimmen des Verbandes Deutscher Ballspielvereine aus Berlin und einiger anderer Vertreter, die erst mal ein einheitliches Regelwerk und den Beitritt aller Verbände forderten. Doch Aufschub wurde nicht gewährt, der DFB kam rechtzeitig zum Mittagessen auf die Welt.

Hueppe zum ersten Präsidenten bestimmt

Noch hieß er aber nicht so, denn auch in diesem Fall folgte die Taufe, wie es sich gehört, nach der Geburt. Nach Aufhebung der Mittagstafel, "die den zum Teil doch etwas erhitzten Gemütern Gelegenheit gab, sich abzukühlen", wie es in der Festschrift von 1960 heißt, ging es an die Namensfindung. Der Prager Dr. Brandeis plädierte für "Allgemeiner Deutscher Fußball-Bund", doch der spätere Kicker-Gründer Walther Bensemann (Karlsruhe) hielt die kürzere Form "Deutscher Fußball-Bund" für besser. Dieser Vorschlag wurde ohne Gegenstimmen angenommen.

Nun tagten die Herren in heiterer Stimmung weiter, obwohl der einzige Tagesordnungspunkt abgehakt worden war. Da fragte der Naumburger Dr. Beyer nicht ganz zu Unrecht, ob man sich eigentlich noch auf dem 1. Deutschen Fußballtag befände oder schon auf dem 1. Bundestag des DFB. Daraufhin schloss Versammlungsleiter Kirmse um 17.05 Uhr den Fußballtag und eröffnete umgehend den ersten Bundestag unter Vorsitz des Ältesten der Runde, Ferdinand Hueppe, der somit zum ersten DFB-Präsidenten avancierte.

Die erste Elf ist eine Zehn

Noch am selben Tag wurde ein elfköpfiger Ausschuss gegründet, der die nun anfallenden organisatorischen Arbeiten übernehmen sollte. Die Zahl elf war wohl nicht ganz zufällig gewählt, hat sie im Fußball doch eine magische Bedeutung und steht für den Zusammenhalt eines Teams. Die Elf fand sich schnell zusammen und verdient Erwähnung, auch wenn es erst nur eine Zehn war:

Dr. Paul Albrecht (Magdeburg)
Franz Behr (Hamburg)
Oskar Büttner (Leipzig)
Ferdinand Wilhelm Fricke (Hannover)
Dr. Ferdinand Hueppe (Prag)
Johannes Kirmse (Leipzig)
Gustav Manning (Straßburg)
Hermann Stasny (Frankfurt)
H. Thomas (Dresden)
Albert Karl Werkmüller (Berlin).
Der elfte Platz wurde freigehalten für einen Vertreter aus dem VBDS (Berlin), der sich ja noch sträubte.

Die ersten Aufgaben lauteten:

1.) Schaffung einheitlicher Spielregeln
2.) Einrichtung von Landesverbänden
3.) Festsetzung allgemeiner deutscher Fußballregeln
4.) Ausmerzung englischer Sprachausdrücke

Punkt 1 und 3 klangen ähnlich, 1 betraf jedoch das Spiel, Punkt 3 den Spielbetrieb (Ligaorganisation).

1903: Erster Deutscher Meister kommt aus Leipzig

Die Leitung des ersten und kürzesten Bundestages war an Oskar Büttner übertragen worden, und der schloss ihn dann auch - mit einem kräftigen "Hipp hipp hurra!" Um Punkt 18.30 Uhr. Die Euphorie der Gründerväter war nicht allgemein, eben weil nicht alle Vereine in Leipzig vertreten und daher auch nicht eingetreten waren. Selbst Walther Bensemann seufzte: "Man hat das Dach gebaut, bevor das Fundament fertig ist."

Die dem Bund doch wohl gesonnenen Deutschen Sport-Nachrichten schrieben: "Wir wollen unser Urteil über den neuen Bund nicht vorschnell abgeben - leid tut uns nur, daß er auf so unsicherer Grundlage gegründet worden ist. Wir wollen dem Bund auch nicht die Lebensfähigkeit abstreiten, aber er wird unseres Erachtens zunächst nur vegetieren, und viel Arbeit (…) wird dazu gehören, um die ja nur ganz äußerlich, nur auf einen Namen gegründete Zusammengehörigkeit der deutschen Fußball-Clubs auch zu einer inneren zu gestalten."

Es dauerte noch drei Jahre, ehe der erste Deutsche Meister ausgespielt wurde. Bezeichnend für die Mühen der ersten Jahre war die Tatsache, dass der DFC Prag, ohne ein einziges Endrundenspiel ausgetragen zu haben (!), 1903 im ersten Finale stand. Dank eines von einem Anonymus gefälschten Telegramms, das seinen Halbfinalgegner Karlsruher FV von einer vermeintlichen Absage durch den DFB informierte, weshalb man nicht anreiste. Das Finale aber gewann der Klub aus der Stadt, in der alles begann: der VfB Leipzig.

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