Völler über Rehhagel: "Ein Menschenkenner und Menschenfreund"

Die Hall of Fame des deutschen Fußballs im Fußballmuseum in Dortmund wird um sechs Prominente reicher. Sie gehören zu den Größten, die je in unserem Sport aktiv waren. Heute hält Rudi Völler auf DFB.de eine Laudatio auf Trainer-Ikone Otto Rehhagel, einen der Neuen in der Hall of Fame - und jener Coach, der den späteren Weltmeister zum Nationalspieler formte.

Otto Rehhagel hat dem Fußball viele Sprüche und Weisheiten geschenkt, er hat Titel gewonnen, er hat Abstiege verhindert, Aufstiege gefeiert und so manches Wunder vollbracht. Es gibt unzählige Anekdoten, die den Menschen Otto Rehhagel beschreiben, es gibt wunderbare Geschichten von und über ihn, Otto wurde als König gekrönt und zum Philosophen erklärt. All das hat große Berechtigung. Und doch finde ich, dass bei all dem manchmal der Kern übersehen wird - und daher möchte ich damit beginnen, was mitunter ein wenig zu wenig gewürdigt wird: Was für ein herausragender Trainer Otto Rehhagel gewesen ist. Für mich ist klar – seine größte Qualität bestand in der Arbeit auf dem Platz, mit seinen Mannschaften, mit seinen Spielern.

Die Aufgabe von Fußballtrainern besteht darin, aus Fußballern bessere Fußballer zu machen. Und darin war Otto ein Meister. Er hat es verstanden, zu motivieren und zu begeistern, Kleinigkeiten zu sehen und zu verbessern. Als junger Spieler in Bremen habe ich davon extrem profitiert. Nach meinem Wechsel nach Bremen hat er mich zum Mittelstürmer gemacht, Otto machte mich vom Vorbereiter zum Vollstrecker. Er hat mich immer unterstützt und gefördert, 137-mal habe ich in der Bundesliga unter ihm für Werder Bremen gespielt, 136-mal von Beginn an. Durch ihn, durch seine Arbeit mit mir und sein Vertrauen in mich, wurde ich ein besserer Stürmer und ein kompletterer Fußballer. Unter Otto Rehhagel wurde ich in Bremen zum deutschen Nationalspieler – so viel ist sicher: An allem, was ich als Fußballer erreicht habe, hat er seinen Anteil. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein.

Rekordtrainer der Bundesliga

So wie mir geht es vielen. Zusätzlich zu dem, was Otto Rehhagel als Fußballfachmann mitbrachte und mitbringt, zeichnet ihn eine weitere große Qualität aus: Er ist ein großer Menschenkenner und Menschenfreund. Fußballtrainer leben mit dem Schicksal, dass sie Spieler enttäuschen müssen. Nur elf können spielen, mit ihren Entscheidungen machen sich Trainer auch intern nicht nur Freunde. Bei Otto war es anders. Wenn ich jetzt seine vielen Titel aufzähle, dann befindet sich sein größter Erfolg gar nicht darunter. Otto wurde als Trainer dreimal Deutscher Meister, darunter die Sensationsmeisterschaft als Aufsteiger mit Kaiserslautern, er gewann dreimal den DFB-Pokal, ihm gelangen drei Aufstiege, er gewann den Europapokal der Pokalsieger und in meiner Zählung auch den UEFA-Pokal.

Und dann war da natürlich noch das wohl größte Ding von allen, der Triumph mit Griechenland bei der EM 2004 in Portugal, als schon die Teilnahme Griechenlands ein kleines Wunder war. Die Liste seiner Erfolge ist lang und beeindruckend, in ihr finden sich unglaubliche Rekorde und Leistungen. Nur ein Beispiel, eine Zahl von vielen: Otto stand bei 837 Spielen in der Bundesliga an der Seitenlinie, er ist damit mit deutlichem Abstand Rekordtrainer der Bundesliga.

"Otto war und ist ein Menschenfänger - im besten Sinne"

Sein größter Erfolg aber lässt sich nicht in Vitrinen ausstellen, in Nachthimmel recken oder in Tabellen ablesen. Für mich, und ich weiß, dass er das auch so sieht, sind sein größter Erfolg die Menschen, die er für sich gewonnen hat, die Herzen, neben meinem noch unendlich viele andere. Ich nehme Wetten an: Auf all seinen Stationen findet sich kein Spieler, der ein schlechtes Wort über Otto Rehhagel verliert. Das zeigt eine weitere Gabe des Trainers Rehhagel: Otto war und ist ein Menschenfänger - im besten Sinne. Weil er zuhören kann, weil sein Interesse ehrlich ist. Immer konnten seine Spieler zu ihm kommen, auch bei Anliegen außerhalb des Fußballs war er ein guter Gesprächspartner und weiser Ratgeber. Vor allem, weil er dabei immer aufrichtig war und den Spielern nicht sagte, was sie hören wollten, sondern was sie hören sollten. Seine Spieler gingen für ihn durchs Feuer, auch weil er sie öffentlich schützte und jeden zu nehmen wusste, wie er war.

Otto brauchte keinen Laptop, alles, was er benötigte, waren sein Bauch, seine Beate und seine Befugnisse. Erfolg hatte er überall, aber besonders überall dort, wo man ihn machen ließ. Die Otto-Kratie wurde zum Erfolgsmodell, ob in Bremen, Lautern oder Griechenland. "Hier kann jeder sagen, was ich will", gehört zu seinen vielzitierten Weisheiten. Sie zeigt: Otto kann sehr lustig sein, vor allem ist er ein Typ, ein Unikat. Dabei hat er sich nie verstellt, der öffentliche Otto Rehhagel ist so, wie ich ihn auch privat erlebt habe. Ich erinnere mich noch gut an die Episode, als meine Frau Sabrina ihn kennenlernte. Sie hat ihn lange gesiezt, ihr fiel es schwer, auf das höfliche "Herr Rehhagel" zu verzichten. Bis es Otto irgendwann reichte und es aus ihm rausplatzte: "Jetzt habe ich aber genug – Sabrina, du kannst 'Trainer' zu mir sagen."

Das ist er auch für mich immer geblieben – Trainer. Einer der größten von allen und jemals. Und so passt es, dass er nun für seine Erfolge und Leistungen als Trainer in die Ruhmeshalle des deutschen Fußballs aufgenommen wurde. Meine Gratulation geht dabei in zwei Richtungen: An Otto Rehhagel – und an die Ruhmeshalle des deutschen Fußballs, die mit dieser Entscheidung um eine große Figur bereichert wurde. Herzlichen Glückwunsch.

[sl]

Die Hall of Fame des deutschen Fußballs im Fußballmuseum in Dortmund wird um sechs Prominente reicher. Sie gehören zu den Größten, die je in unserem Sport aktiv waren. Heute hält Rudi Völler auf DFB.de eine Laudatio auf Trainer-Ikone Otto Rehhagel, einen der Neuen in der Hall of Fame - und jener Coach, der den späteren Weltmeister zum Nationalspieler formte.

Otto Rehhagel hat dem Fußball viele Sprüche und Weisheiten geschenkt, er hat Titel gewonnen, er hat Abstiege verhindert, Aufstiege gefeiert und so manches Wunder vollbracht. Es gibt unzählige Anekdoten, die den Menschen Otto Rehhagel beschreiben, es gibt wunderbare Geschichten von und über ihn, Otto wurde als König gekrönt und zum Philosophen erklärt. All das hat große Berechtigung. Und doch finde ich, dass bei all dem manchmal der Kern übersehen wird - und daher möchte ich damit beginnen, was mitunter ein wenig zu wenig gewürdigt wird: Was für ein herausragender Trainer Otto Rehhagel gewesen ist. Für mich ist klar – seine größte Qualität bestand in der Arbeit auf dem Platz, mit seinen Mannschaften, mit seinen Spielern.

Die Aufgabe von Fußballtrainern besteht darin, aus Fußballern bessere Fußballer zu machen. Und darin war Otto ein Meister. Er hat es verstanden, zu motivieren und zu begeistern, Kleinigkeiten zu sehen und zu verbessern. Als junger Spieler in Bremen habe ich davon extrem profitiert. Nach meinem Wechsel nach Bremen hat er mich zum Mittelstürmer gemacht, Otto machte mich vom Vorbereiter zum Vollstrecker. Er hat mich immer unterstützt und gefördert, 137-mal habe ich in der Bundesliga unter ihm für Werder Bremen gespielt, 136-mal von Beginn an. Durch ihn, durch seine Arbeit mit mir und sein Vertrauen in mich, wurde ich ein besserer Stürmer und ein kompletterer Fußballer. Unter Otto Rehhagel wurde ich in Bremen zum deutschen Nationalspieler – so viel ist sicher: An allem, was ich als Fußballer erreicht habe, hat er seinen Anteil. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein.

Rekordtrainer der Bundesliga

So wie mir geht es vielen. Zusätzlich zu dem, was Otto Rehhagel als Fußballfachmann mitbrachte und mitbringt, zeichnet ihn eine weitere große Qualität aus: Er ist ein großer Menschenkenner und Menschenfreund. Fußballtrainer leben mit dem Schicksal, dass sie Spieler enttäuschen müssen. Nur elf können spielen, mit ihren Entscheidungen machen sich Trainer auch intern nicht nur Freunde. Bei Otto war es anders. Wenn ich jetzt seine vielen Titel aufzähle, dann befindet sich sein größter Erfolg gar nicht darunter. Otto wurde als Trainer dreimal Deutscher Meister, darunter die Sensationsmeisterschaft als Aufsteiger mit Kaiserslautern, er gewann dreimal den DFB-Pokal, ihm gelangen drei Aufstiege, er gewann den Europapokal der Pokalsieger und in meiner Zählung auch den UEFA-Pokal.

Und dann war da natürlich noch das wohl größte Ding von allen, der Triumph mit Griechenland bei der EM 2004 in Portugal, als schon die Teilnahme Griechenlands ein kleines Wunder war. Die Liste seiner Erfolge ist lang und beeindruckend, in ihr finden sich unglaubliche Rekorde und Leistungen. Nur ein Beispiel, eine Zahl von vielen: Otto stand bei 837 Spielen in der Bundesliga an der Seitenlinie, er ist damit mit deutlichem Abstand Rekordtrainer der Bundesliga.

"Otto war und ist ein Menschenfänger - im besten Sinne"

Sein größter Erfolg aber lässt sich nicht in Vitrinen ausstellen, in Nachthimmel recken oder in Tabellen ablesen. Für mich, und ich weiß, dass er das auch so sieht, sind sein größter Erfolg die Menschen, die er für sich gewonnen hat, die Herzen, neben meinem noch unendlich viele andere. Ich nehme Wetten an: Auf all seinen Stationen findet sich kein Spieler, der ein schlechtes Wort über Otto Rehhagel verliert. Das zeigt eine weitere Gabe des Trainers Rehhagel: Otto war und ist ein Menschenfänger - im besten Sinne. Weil er zuhören kann, weil sein Interesse ehrlich ist. Immer konnten seine Spieler zu ihm kommen, auch bei Anliegen außerhalb des Fußballs war er ein guter Gesprächspartner und weiser Ratgeber. Vor allem, weil er dabei immer aufrichtig war und den Spielern nicht sagte, was sie hören wollten, sondern was sie hören sollten. Seine Spieler gingen für ihn durchs Feuer, auch weil er sie öffentlich schützte und jeden zu nehmen wusste, wie er war.

Otto brauchte keinen Laptop, alles, was er benötigte, waren sein Bauch, seine Beate und seine Befugnisse. Erfolg hatte er überall, aber besonders überall dort, wo man ihn machen ließ. Die Otto-Kratie wurde zum Erfolgsmodell, ob in Bremen, Lautern oder Griechenland. "Hier kann jeder sagen, was ich will", gehört zu seinen vielzitierten Weisheiten. Sie zeigt: Otto kann sehr lustig sein, vor allem ist er ein Typ, ein Unikat. Dabei hat er sich nie verstellt, der öffentliche Otto Rehhagel ist so, wie ich ihn auch privat erlebt habe. Ich erinnere mich noch gut an die Episode, als meine Frau Sabrina ihn kennenlernte. Sie hat ihn lange gesiezt, ihr fiel es schwer, auf das höfliche "Herr Rehhagel" zu verzichten. Bis es Otto irgendwann reichte und es aus ihm rausplatzte: "Jetzt habe ich aber genug – Sabrina, du kannst 'Trainer' zu mir sagen."

Das ist er auch für mich immer geblieben – Trainer. Einer der größten von allen und jemals. Und so passt es, dass er nun für seine Erfolge und Leistungen als Trainer in die Ruhmeshalle des deutschen Fußballs aufgenommen wurde. Meine Gratulation geht dabei in zwei Richtungen: An Otto Rehhagel – und an die Ruhmeshalle des deutschen Fußballs, die mit dieser Entscheidung um eine große Figur bereichert wurde. Herzlichen Glückwunsch.

###more###