Völler: "Das war ein unbeschreibliches Gefühl"

Zum Fest der Weltmeister Gespräche mit Weltmeistern. Rudi Völler erinnert sich exklusiv für DFB.de an die WM 1990 in Italien.

DFB.de: Herr Völler, das Ticket für Italien löste die Nationalmannschaft im letzten Qualifikationsspiel in Köln gegen Wales. Die Partie fiel in eine historisch besondere Zeit, November 1989, in Berlin stürzte die Mauer. Wie schwer ist es ihnen und der Mannschaft damals gefallen, sich auf den Sport zu konzentrieren?

Rudi Völler: : Die ganze Woche war sehr aufregend. In Berlin haben sich die Ereignisse überschlagen, die Welt hat sich verändert. Für uns war es daneben nicht leicht, mit dem Kopf voll beim Fußball zu sein. Die Zeit war insgesamt sehr speziell. Politisch hat sich viel bewegt, aber auch sportlich stand viel auf dem Spiel. Heute wird gerne übersehen, wie eng die Konstellation gewesen ist. Obwohl wir eine tolle Mannschaft hatten, haben wir uns in der Qualifikation sehr schwer getan. Im Spiel gegen Wales stand alles auf der Kippe. Ich vergesse nie, dass Mark Hughes kurz vor Ende noch einmal knapp übers Tor geköpft hat. Wäre dieser Ball drin gewesen, wären wir draußen gewesen.

DFB.de: Beim Blick auf das Spiel gegen Wales wird fast immer über das 2:1 von Thomas Häßler gesprochen. Dabei gab es daneben einen weiteren Schützen, ohne dessen Tor Deutschland nicht zur WM gefahren wäre.

Völler: Es ist halt so, dass die entscheidenden Tore immer mehr gefeiert werden als ein zwischenzeitlicher Ausgleich. Aber damit kann ich gut leben. (lacht) Ich habe selber oft genug die Lorbeeren für entscheidende Tore geerntet, die nur entscheidend seien konnten, weil ein anderer zuvor getroffen hatte. Mein Tor gegen Wales war aber sehr wichtig. Ohne das 1:1 kurz vor der Halbzeit wäre es in den zweiten 45 Minuten gegen defensivstarke Waliser noch viel schwerer geworden.

DFB.de: Vom Trainingslager in Malente und den Tagen im Teamquartier am Comer See sagt Jürgen Kohler, dass er innerhalb einer Mannschaft in seiner Karriere nie eine bessere Atmosphäre erlebt habe – teilen Sie diese Einschätzung?

Völler: Ja. Und das würden wir auch nicht anders sehen, wenn wir am Ende nicht Weltmeister geworden wären. Über die Vorbereitung bis zum letzten Spiel war es einfach wahnsinnig harmonisch. Es war nicht jeder mit jedem befreundet, es gab auch Meinungsverschiedenheiten - der Umgang war aber immer offen, fair und von großem Respekt geprägt. Wir hatten wahnsinnig viel Spaß, waren dennoch immer konzentriert und wussten, worum es geht. Hilfreich war, dass wir eine gute Hierarchie in der Gruppe hatten, die Rollen waren klar verteilt. Alle wussten, wer spielen würde und wer hintendran war. Die Reservisten haben eine sehr gute Rolle gespielt. Sie haben im Training alles gegeben und sich immer so verhalten, wie es für die gesamte Gruppe am Besten war. Das war wirklich vorbildlich. Der Anteil, den diese Spieler am Erfolg haben, kann nicht hoch genug geschätzt werden.

DFB.de: Los ging das Turnier für die deutsche Nationalmannschaft mit dem Spiel gegen Jugoslawien – der nominell schwersten Aufgabe. Wie hat die Mannschaft diesen Spielplan aufgefasst?



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Zum Fest der Weltmeister Gespräche mit Weltmeistern. Rudi Völler erinnert sich exklusiv für DFB.de an die WM 1990 in Italien.

DFB.de: Herr Völler, das Ticket für Italien löste die Nationalmannschaft im letzten Qualifikationsspiel in Köln gegen Wales. Die Partie fiel in eine historisch besondere Zeit, November 1989, in Berlin stürzte die Mauer. Wie schwer ist es ihnen und der Mannschaft damals gefallen, sich auf den Sport zu konzentrieren?

Rudi Völler: : Die ganze Woche war sehr aufregend. In Berlin haben sich die Ereignisse überschlagen, die Welt hat sich verändert. Für uns war es daneben nicht leicht, mit dem Kopf voll beim Fußball zu sein. Die Zeit war insgesamt sehr speziell. Politisch hat sich viel bewegt, aber auch sportlich stand viel auf dem Spiel. Heute wird gerne übersehen, wie eng die Konstellation gewesen ist. Obwohl wir eine tolle Mannschaft hatten, haben wir uns in der Qualifikation sehr schwer getan. Im Spiel gegen Wales stand alles auf der Kippe. Ich vergesse nie, dass Mark Hughes kurz vor Ende noch einmal knapp übers Tor geköpft hat. Wäre dieser Ball drin gewesen, wären wir draußen gewesen.

DFB.de: Beim Blick auf das Spiel gegen Wales wird fast immer über das 2:1 von Thomas Häßler gesprochen. Dabei gab es daneben einen weiteren Schützen, ohne dessen Tor Deutschland nicht zur WM gefahren wäre.

Völler: Es ist halt so, dass die entscheidenden Tore immer mehr gefeiert werden als ein zwischenzeitlicher Ausgleich. Aber damit kann ich gut leben. (lacht) Ich habe selber oft genug die Lorbeeren für entscheidende Tore geerntet, die nur entscheidend seien konnten, weil ein anderer zuvor getroffen hatte. Mein Tor gegen Wales war aber sehr wichtig. Ohne das 1:1 kurz vor der Halbzeit wäre es in den zweiten 45 Minuten gegen defensivstarke Waliser noch viel schwerer geworden.

DFB.de: Vom Trainingslager in Malente und den Tagen im Teamquartier am Comer See sagt Jürgen Kohler, dass er innerhalb einer Mannschaft in seiner Karriere nie eine bessere Atmosphäre erlebt habe – teilen Sie diese Einschätzung?

Völler: Ja. Und das würden wir auch nicht anders sehen, wenn wir am Ende nicht Weltmeister geworden wären. Über die Vorbereitung bis zum letzten Spiel war es einfach wahnsinnig harmonisch. Es war nicht jeder mit jedem befreundet, es gab auch Meinungsverschiedenheiten - der Umgang war aber immer offen, fair und von großem Respekt geprägt. Wir hatten wahnsinnig viel Spaß, waren dennoch immer konzentriert und wussten, worum es geht. Hilfreich war, dass wir eine gute Hierarchie in der Gruppe hatten, die Rollen waren klar verteilt. Alle wussten, wer spielen würde und wer hintendran war. Die Reservisten haben eine sehr gute Rolle gespielt. Sie haben im Training alles gegeben und sich immer so verhalten, wie es für die gesamte Gruppe am Besten war. Das war wirklich vorbildlich. Der Anteil, den diese Spieler am Erfolg haben, kann nicht hoch genug geschätzt werden.

DFB.de: Los ging das Turnier für die deutsche Nationalmannschaft mit dem Spiel gegen Jugoslawien – der nominell schwersten Aufgabe. Wie hat die Mannschaft diesen Spielplan aufgefasst?

Völler: Im Nachhinein kann ich sagen, dass es sicher kein Nachteil war. Wir haben 4:1 gewonnen, dieses erste Spiel war das Beste von allen Spielen, die wir bei der WM gemacht haben. Lothar (Matthäus, Anm. d. Red.) hat das Spiel seines Lebens gemacht. Aber im Grunde waren wir an diesem Tag alle gut. Das hat uns zusätzlich Selbstvertrauen gegeben. Nicht, weil wir hoch gewonnen haben, sondern weil wir gegen eine sehr starke Mannschaft sehr stark gespielt haben. Die Jugoslawen galten vor dem Turnier als Geheimfavorit, sie hatten viele Spieler in ihren Reihen, die bei großen Vereinen prägende Rollen gespielt haben. So einen Gegner dermaßen zu dominieren - das war schon eine Ansage. Die Leistung aus diesem Spiel hat uns durch das weitere Turnier getragen.

DFB.de: Nach dem 4:1 gab es den ersten "Streit". Die Fifa schrieb das Tor zum 4:1 zunächst Andi Brehme zu, der DFB Ihnen. Wie wichtig war es für den Stürmer Rudi Völler, gleich im ersten Spiel erfolgreich gewesen zu sein?

Völler: Letztlich wurde das Tor mir zugesprochen. Und heute würde es darüber keinen Zweifel geben, weil eine der vielen Kameras eingefangen hätte, dass ich den Ball über die Linie gedrückt habe. Damals gab es nur eine oder zwei Perspektiven, da war das nicht so gut zu sehen. Für mich war der Treffer nicht von elementarer Bedeutung, aber klar, für einen Stürmer sind Tore nie unwichtig.

DFB.de: Spiel zwei gegen die VAE wird heute immer eher nebenbei erwähnt. Bestand die Schwierigkeit damals vor allem darin, den Gegner nicht zu unterschätzen?

Völler: Ja, das war so. Das ist uns auch gut gelungen, wir haben gleich Druck aufgebaut und uns ein paar Chancen erspielt. Jürgen (Klinsmann, Anm. d. Red.) und ich haben am Anfang leider einige vergeben.

DFB.de: Heribert Fassbender hat das Spiel kommentiert und in Aussicht gestellt, dass sie Ehrenbürger von Abu Dhabi werden könnten.

Völler: Ich weiß. (lacht) Wir waren total überlegen und sind auch nicht unruhig geworden. Ich habe dann noch zwei Tore gemacht, wir haben 5:1 gewonnen, und die Vereinigten Arabischen Emirate waren damit noch gut bedient. Kolumbien im abschließenden Gruppenspiel war dann der erheblich schwierigere Gegner, wobei es für uns natürlich um nichts mehr ging, wir waren ja schon durch.

DFB.de: Im Achtelfinale wartete dann die Mannschaft der Niederlande.

Völler: Das war eine große Überraschung, zwei Jahre vorher waren sie Europameister geworden. Bei der WM haben sie dann enttäuscht, obwohl die Mannschaft weitgehend identisch war. In der Gruppenphase haben sie drei Mal Remis gespielt, das Achtelfinale haben sie nur als einer der vier besten Gruppen-Dritten erreicht. Wir müssen ehrlich sein: Unser Wunschgegner waren die Holländer nicht.

DFB.de: Sie mussten in der 22. Minuten nach einer skandalösen Roten Karte vom Platz, die Spuckattacke von Frank Rijkaard fehlt in keinem Rückblick auf die WM 90. Hatten Sie nach dem Platzverwei während des Spiels Kontakt zu Ihren Mitspielern?

Völler: In der Halbzeitpause war ich in der Kabine, das war ganz selbstverständlich. Erst in der zweiten Halbzeit bin ich auf die Tribüne und habe das Spiel an der Seite des damaligen Pressechefs Wolfgang Niersbach erlebt, Berti Vogts saß auch bei uns in der Nähe.

DFB.de: Kurz nach Spielende haben Sie relativ aufgeräumt Interviews gegeben. Hat der Sieg gegen die Niederlande überlagert, welche Ungerechtigkeit Ihnen persönlich widerfahren ist?

Völler: Fußballer sind Mannschaftssportler, in erster Linie habe ich mich für das Team gefreut. Die Rote Karte hat mir natürlich wahnsinnig weh getan, ich hatte schließlich überhaupt nichts gemacht. Aber ich wusste auch, dass niemandem geholfen ist, wenn ich jetzt wie wahnsinnig lospoltern würde. Es war schließlich klar, dass über eine Sperre und deren Dauer noch verhandelt werden würde. Ich habe gehofft und erwartet, dass ich in dem Turnier noch einmal eingreifen würde. Und so war es dann ja auch.

DFB.de: Mit Rijkaard haben Sie sich längst ausgesöhnt, er hat sich entschuldigt. Hat sich auch Schiedsrichter Juan Carlos Loustau bei Ihnen gemeldet und sein Fehler eingeräumt?

Völler: Nein, da kam nichts. Von ihm habe ich nie wieder etwas gehört. Was heute gern falsch gesehen wird ist, dass die Rote Karte gegen Rijkaard im Grunde auch ein Fehler war. Die Spuckerei hat der Schiedsrichter ja gar nicht wahrgenommen, und etwas anderes rotwürdiges hatte Rijkaard nicht gemacht. Meine Erklärung ist, dass der Schiedsrichter Ruhe in ein hitziges Spiel bringen wollte. An uns beiden hat er ein Exempel statuiert - so schätze ich seine Logik ein.

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DFB.de: Sie wurden von Karl-Heinz Riedle vertreten – wie war Ihr Verhältnis?

Völler: Nicht nur Jürgen und ich haben uns sportlich und menschlich gut verstanden, das gilt genauso für das Verhältnis mit Kalle. Er war ein Top-Stürmer, ein Top-Teamkollege. Es gab damals weltweit keinen besseren Kopfballspieler als ihn, seine Fähigkeit in der Luft zu stehen, war einfach sensationell. Für mich war es bitter, dass ich gegen die Tschechoslowakei gesperrt war, ich wusste aber, dass die Mannschaft mit Kalle nicht schlechter aufgestellt ist. Gegen die Tschechen hat er zwar nicht getroffen, generell war dieses Spiel nicht unser Bestes. Das lag aber mit Sicherheit nicht daran, dass Kalle für mich gespielt hat.

DFB.de: Sie sind im Halbfinale gegen England nach Ihrer Sperre in die Mannschaft zurückgekehrt. Das Comeback dauerte 38 Minuten.

Völler: Ja. Ich hatte zehn Tage Pause, die größte Schwierigkeiten bestand für mich darin, den Rhythmus nicht zu verlieren. Ich bin dann voller Euphorie ins Team zurückgekommen - leider nicht sehr lange. Mein Gegenspieler Des Walker hat mich ganz blöd am Wadenbein am Nerv erwischt. Innerhalb weniger Sekunden hat sich ein Bluterguss gebildet. Ich habe es dann noch mal probiert, aber der Schmerz war zu groß und ich konnte den Fuß kaum noch bewegen. Es hatte keinen Zweck.

DFB.de: War Ihr Einsatz für das Finale gefährdet?

Völler: Ja. Es lagen nur vier Tage zwischen Halbfinale und Finale. Und ich konnte zwei Tage lang nicht bzw. nur sehr eingeschränkt trainieren. Bemerkenswert fand ich, dass Franz Beckenbauer die Entscheidung, ob ich im Finale spiele, mir überlassen hat. Er hat gesagt, `mach Dir keinen Kopf, wenn Du sagst, dass es geht, dann vertraue ich Dir, dann spielst Du auch.` Eine der großen Qualitäten vom Franz bestand, dass er seinen Spielern Vertrauen entgegengebracht hat. Er war sicher, dass ich nur spielen würde, wenn ich mir sicher bin, dass ich dem Team helfen kann. Er wusste, dass ich vernünftig genug bin, mein Schicksal nicht über das der Mannschaft zu stellen.

DFB.de: Wobei die Situation sehr speziell war. Ein WM-Finale - und dann auch noch in Rom, Ihrer Wahlheimat. Da kann man schon mal unvernünftig sein…

Völler: Da kann man schon mal unvernünftig sein, das stimmt.(lacht) Aber die Gefahr gab es nicht, weil mein körperlicher Zustand auch ganz objektiv gut genug war. Aus diesem Grunde habe ich gespielt, auch wenn es noch ein wenig wehgetan hat. Aber die Schmerzen nimmt man während eines solchen Endspiels kaum wahr, da beißt man auf die Zähne. Das WM-Finale war bestimmt nicht mein bestes Länderspiel, aber eine Katastrophe war es jetzt auch nicht.

DFB.de: Deutschland war Favorit im Finale. Auch der Favorit der Fans. Es waren viele Deutsche im Stadion, doch auch die Italiener haben den Deutschen die Daumen gedrückt.

Völler: Die Sympathien waren sehr einseitig, das haben wir schon am Tag vor dem Spiel erlebt. Die Begeisterung war gewaltig, überall. Das ging schon beim Empfang am Flughafen los, auch beim Training im Stadion war es überwältigend. Genauso bei unseren Fahrten durch die Stadt. Die Römer sind fußballverrückt, und mit mir und Thomas Berthold spielten zwei Finalisten beim populärsten Verein der Stadt. Wir hatten in Rom ein Heimspiel – das muss man schon so sagen.

DFB.de: Auch weil Argentinien im Halbfinale die Italiener aus dem Turnier geworfen hatte.

Völler: Ja, das war sogar der Hauptgrund. Als Argentinien gegen Italien gewonnen hatte, waren wir überzeugt, dass wir Weltmeister werden würden. Wir wussten, dass unsere Chancen gegen Argentinien größer sind, als sie dies gegen Italien gewesen wären. Weil Italien dann ein Heimspiel gehabt hätte. Und weil Italien die qualitativ bessere Mannschaft gewesen wäre. 1986 war Argentinien im gesamten Turnier die beste Mannschaft, sie haben Fußball zelebriert. 1990 nicht mehr. Sie haben sich mehr durchs Turnier gemogelt und nur selten überzeugt. Wir waren sicher, dass unsere Fähigkeiten größer waren und dass wir das Spiel im Normalfall gewinnen würden.

DFB.de: Ganz so deutlich war es dann nicht, das Spiel ging nur 1:0 aus.

Völler: Es war sehr deutlich, nur nicht im Ergebnis. Ich weiß nicht, ob es jemals ein so einseitiges WM-Finale gegeben hat. Die Argentinier hatten nicht eine einzige Torchance, Bodo Illgner musste keinen Ball halten. Und die Argentinier waren sich ihrer Unterlegenheit bewusst. Sie haben defensiv agiert, standen kompakt und haben vorne auf Maradona gehofft. Mehr wollten sie nicht. Sie haben sich gar nicht darum bemüht, das Spiel offen zu gestalten. Sie haben auf Maradona vertraut – oder auf das Elfmeterschießen.

DFB.de: Elfmeterschießen gegen Deutschland - eine gewagte Taktik…

Völler: Stimmt. Allerdings haben Sie im Laufe des Turniers gegen Jugoslawien und Italien jeweils im Elfmeterschießen gewonnen. Sie hatten also gute Erfahrungen damit.

DFB.de: Auch im Finale gab es einen Elfmeter – für Deutschland. Sie waren nicht ganz unbeteiligt.

Völler: Dass man den nicht geben muss, habe ich schon oft gesagt. Aber es hat ihn gegeben. Die Argentinier haben sich aufgeregt, das ist auch verständlich, wir hätten es nicht anders gemacht. Unter dem Strich kann man sagen, dass es doch einen Fußballgott gibt. 1986 ist die richtige Mannschaft Weltmeister geworden, 1990 auch.

DFB.de: Der Elfmeter entstand nach einem Pass von Matthäus in Ihren Lauf. Er berichtet, dass sie diese Situation im Vorfeld besprochen und einstudiert hätten.

Völler: Das haben wir uns genauso vorgestellt. Also, nicht, dass wir einen Elfmeter haben wollen. (lacht) Lothar hat es oft so gemacht, dass er mit seiner überragenden Dynamik durchs Mittelfeld geht. Alles Weitere ergibt sich dann daraus. Wenn er zum Schuss ansetzt, muss sich ein Verteidiger lösen. Mir oder Jürgen als Stürmer verschafft dies Platz. Wir haben uns darüber unterhalten, dass ich vorbereitet sein soll, wenn er in die Gasse passt. Wir haben dies noch im Abschlusstraining geübt, bestimmt 15 oder 20 Mal, auch um die Belastungsfähigkeit meines Beines zu testen. Im Spiel war es dann genau so, wie wir dies vorher einstudiert hatten.

DFB.de: Den Elfmeter hat Andi Brehme geschossen. Wie sicher waren Sie, dass er verwandeln würde?

Völler: Sehr sicher. Obwohl Sergio Goycochea die Argentinier mit seinen Reflexen in zwei Elfmeterschießen im Turnier gehalten hatte. Andi war sehr konzentriert, er war ein überragender Schütze, eiskalt, ohne Nerven. Natürlich muss man einen Elfmeter im WM-Finale erstmal verwandeln, aber ich hatte keine Zweifel.

DFB.de: Mit dem Tor war das Spiel entschieden.

Völler: Ja, in diesem Fall schon. Das war sehr untypisch. Wenn man nur 1:0 führt, zittert man oft dem Schlusspfiff entgegen, weil man erst dann weiß, ob man gewonnen hat. Im Finale von Rom wussten wir, dass nichts mehr passiert. Wir haben die letzten Minuten richtig genossen. Wir waren ohnehin die bessere Mannschaft, und die Argentinien hatten einen und später sogar zwei Spieler weniger auf dem Platz. Wir konnten den Ball laufen lassen, haben den Sieg innerlich schon auf dem Spielfeld zelebriert und Argentinien gar nicht mehr an den Ball gelassen. Die letzten Minuten waren ein einziger Genuss - wir wussten, dass wir gleich Weltmeister sein werden. Das war ein unbeschreibliches Gefühl.