Völkerverständigung auf dem Fußballplatz

Der junge Schiedsrichter hat alles im Griff

Von dem traditionell schwierigen Verhältnis zwischen Palästinensern und Israelis ist im Spiel nichts zu spüren. Die drei Polizisten abseits des Spielfeldes und die zwei Mannschaftswagen, die zur Sicherheit vor der Anlage parken, wirken angesichts der lockeren Atmosphäre überflüssig, und Rinke bemerkt süffisant: "Unter Polizeischutz haben wir auch noch nicht gespielt."

Schiedsrichter Hassan, ein Schüler des Gymnasiums mit palästinensischen Wurzeln, hat keine Probleme mit dem entspannten Gekicke. "Das hat er souverän gemacht, und auch dem Rest der Mannschaft hat das sehr gut getan", sagt Lehrer Jan Ebert. Sein Kollege Stefan Paffrath, der in der ersten Halbzeit selbst mitspielt, erhofft sich von dem Aufeinandertreffen nachhaltige Erfolge. "Vorurteile sind immer da am größten, wo es keinen Kontakt gibt", sagt er. "Daher war es wichtig, dass die Jungs Israelis mal persönlich kennengelernt haben."

Gerspräche über Sport, Religion und den Nahostkonflikt

Das angenehme Miteinander setzt sich eine Stunde später in der Schule fort. Der Großteil der Autoren hat den etwa zehnminütigen Fußweg gemächlich auf sich genommen. Die Schritte werden nach dem Spiel gegen die deutlich jüngeren Schüler zwar immer schwerer, vorbei an arabischen Geschäften, neuen Studentenkneipen und Dönerläden geht es aber in die Sonnenallee. Im Zeichensaal des Ernst-Abbe-Gymnasiums entwickelt sich eine lebhafte Diskussion. Etwa 20 Schüler sind lange nach dem regulären Schulschluss noch da und sprechen mit den Schriftstellern über Israelis in Berlin, den Nahostkonflikt und Religion. Das Gespräch verläuft erfreulich differenziert und ist nicht von Vorurteilen geprägt.

Kron und Shalev hatten sich im Vorfeld ganz bewusst für das sehr starke muslimisch geprägte Neukölln entschieden, um "Brücken auf- und Vorurteile abzubauen". Aus Sicht von Lehrer Ebert ist das gut gelungen: "Das war eine tolle Aktion und solche Aufeinandertreffen sollte man häufiger wiederholen."

Nach etwa vier Stunden trennen sich die Wege von Schülern, Lehrern und Schriftstellern. Kron ruft seine einige Meter zurückgebliebenen Kollegen mit einem lauten "Yalla" und bestätigt den Eindruck des gesamten Nachmittags: So unterschiedlich sind deutsche sowie israelische Autoren und Schüler aus Neukölln eigentlich gar nicht.

[jul]


Fußball als Völkerverständigung. Unter diesem Motto stand am Montag ein Spiel eines deutsch-israelischen Autorenteams in Neukölln gegen eine Auswahl von Schülern und Lehrern des Ernst-Abbe-Gymnasiums. Für DFB.de hat Mitarbeiter Julian Graeber in Berlin zugeschaut.

Ein Dutzend junger Männer in rot-weißen Trikots läuft ungeordnet im Strafraum umher. Immer wieder flanken sie den Ball, der bei dem böigen Wind eine teilweise unberechenbare Flugkurve einschlägt, in Richtung Elfmeterpunkt und schießen auf das Tor. "Wallah, den konnte ich niemals halten", ruft der chancenlose Schlussmann dem Schützen zu und schlägt den Ball trotzig nach vorne.

Es sind Szenen, wie sie auf dem Sportplatz am Maybachufer tagtäglich zu sehen sind. Wie die ausgelassen kickenden Oberstufenschüler des benachbarten Ernst-Abbe-Gymnasiums haben die meisten Kinder und Jugendlichen, die hier auf dem großen Kunstrasen im Norden von Berlin-Neukölln Fußball spielen, einen Migrationshintergrund. Unter den Schülern sind viele Jungs mit türkischen oder arabischen Wurzeln.

"Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen": Kulturstiftung fördert Projekt

An diesem ungemütlichen Montagmittag spielen sie aber nicht gegen eine andere Berliner Schule oder eine Vereinsmannschaft aus Pankow, Spandau oder Kreuzberg. Sie treffen auf ein Team aus deutschen und israelischen Schriftstellern. Im Rahmen des Projekts "Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen" und mit Unterstützung der DFB-Kulturstiftung haben die Autoren Norbert Kron und sein israelischer Kollege Amichai Shalev das Aufeinandertreffen organisiert.

Das Projekt, zu dem auch die gleichnamige Anthologie mit Geschichten von 19 Schriftstellern gehört, beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Deutschen und Israelis. Anlass ist das 50. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen der beiden Staaten. Dieses soll durch das Projekt eher auf der persönlichen als auf der politischen Ebene betrachtet werden. Krons Lieblingsbegriff in diesem Kontext ist "Lässigkeit". Lässigkeit im Umgang miteinander - und amn diesem Tag in Neukölln auch Lässigkeit auf dem Fußballplatz.

"Das sieht aus wie Straßenfußball gegen Altherrenfußball"

Denn hier ist Fairplay Trumpf. Beide Mannschaften laufen zusammen ein, Kron übergibt den Schülern ein signiertes Trikot und während des Spiels herrscht eine fast freundschaftliche Atmosphäre. Das fußballerische Niveau vor etwa 35 zuschauenden Schülern und Lehrern ist nicht allzu hoch. Oder um es mit Moritz Rinke, dem verletzten Stürmer der deutschen Autorennationalmannschaft, zu sagen: "Das sieht aus wie Straßenfußball gegen Altherrenfußball." Das sportliche Ergebnis - die Schüler-/Lehrer-Kombination gewinnt 3:1 - ist ohnehin nebensächlich. Es geht in erster Linie um Völkerverständigung, Spaß beim Fußball und den Abbau von Vorurteilen.

Für Norbert Kron schließt sich mit dem Spiel der Kreis. 2008 lernte er beim ersten Aufeinandertreffen der Autorennationalmannschaften von Deutschland und Israel Amichai Shalev kennen. Weitere Spiele und mehrere Reisen nach Israel folgten, es entwickelte sich eine Freundschaft, die in "Wir vergessen nicht, wie gehen tanzen" mündete. Shalev steht verletzungsbedingt nicht auf dem Platz, doch Innenverteidiger Kron schießt vom Elfmeterpunkt das einzige Tor der Schriftsteller.

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Der junge Schiedsrichter hat alles im Griff

Von dem traditionell schwierigen Verhältnis zwischen Palästinensern und Israelis ist im Spiel nichts zu spüren. Die drei Polizisten abseits des Spielfeldes und die zwei Mannschaftswagen, die zur Sicherheit vor der Anlage parken, wirken angesichts der lockeren Atmosphäre überflüssig, und Rinke bemerkt süffisant: "Unter Polizeischutz haben wir auch noch nicht gespielt."

Schiedsrichter Hassan, ein Schüler des Gymnasiums mit palästinensischen Wurzeln, hat keine Probleme mit dem entspannten Gekicke. "Das hat er souverän gemacht, und auch dem Rest der Mannschaft hat das sehr gut getan", sagt Lehrer Jan Ebert. Sein Kollege Stefan Paffrath, der in der ersten Halbzeit selbst mitspielt, erhofft sich von dem Aufeinandertreffen nachhaltige Erfolge. "Vorurteile sind immer da am größten, wo es keinen Kontakt gibt", sagt er. "Daher war es wichtig, dass die Jungs Israelis mal persönlich kennengelernt haben."

Gerspräche über Sport, Religion und den Nahostkonflikt

Das angenehme Miteinander setzt sich eine Stunde später in der Schule fort. Der Großteil der Autoren hat den etwa zehnminütigen Fußweg gemächlich auf sich genommen. Die Schritte werden nach dem Spiel gegen die deutlich jüngeren Schüler zwar immer schwerer, vorbei an arabischen Geschäften, neuen Studentenkneipen und Dönerläden geht es aber in die Sonnenallee. Im Zeichensaal des Ernst-Abbe-Gymnasiums entwickelt sich eine lebhafte Diskussion. Etwa 20 Schüler sind lange nach dem regulären Schulschluss noch da und sprechen mit den Schriftstellern über Israelis in Berlin, den Nahostkonflikt und Religion. Das Gespräch verläuft erfreulich differenziert und ist nicht von Vorurteilen geprägt.

Kron und Shalev hatten sich im Vorfeld ganz bewusst für das sehr starke muslimisch geprägte Neukölln entschieden, um "Brücken auf- und Vorurteile abzubauen". Aus Sicht von Lehrer Ebert ist das gut gelungen: "Das war eine tolle Aktion und solche Aufeinandertreffen sollte man häufiger wiederholen."

Nach etwa vier Stunden trennen sich die Wege von Schülern, Lehrern und Schriftstellern. Kron ruft seine einige Meter zurückgebliebenen Kollegen mit einem lauten "Yalla" und bestätigt den Eindruck des gesamten Nachmittags: So unterschiedlich sind deutsche sowie israelische Autoren und Schüler aus Neukölln eigentlich gar nicht.