VfB gegen Nürnberg: Klassenkameraden im 48. Jahr

Es sind Duelle, die sich ins kollektive Gedächtnis der Fußballfans eingebrannt haben. Spiele für die ganz großen Emotionen - Begeisterung und Entsetzen, Siegestaumel und tiefe Trauer. Begegnungen, die Millionen von Menschen in ihren Bann ziehen, jedes Mal aufs Neue. Unvergessene Momente der Bundesligahistorie, 90 Minuten für die Ewigkeit, die normale Partien zu Klassikern gemacht haben.

Ein Spiel und seine Geschichte: In einer neuen Serie schaut der DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras immer freitags während der Saison in die Chronik von ganz besonderen Bundesliga-Duellen, die aktuell anstehen. Heute: VfB Stuttgart gegen den 1. FC Nürnberg.

Gute alte Bekannte, keine Erzrivalen

Rivalen sind sie nicht, Feinde schon gar nicht – eher gute alte Bekannte. Klassenkameraden trifft es vielleicht am besten: Der VfB Stuttgart und der 1. FC Nürnberg spielen bereits ihre 48. gemeinsame Saison in einer Liga. Direkt nach Kriegsende spielten sie ununterbrochen 18 Jahre gemeinsam in der Oberliga Süd, in der Bundesliga ist es die 28. Saison Seite an Seite. Und sogar in der Zweiten Liga (von 1975 bis 1977) verbrachten sie zwei Jahre miteinander.

Inklusive der Endrundenspiele um die Süddeutsche Meisterschaft vor dem Krieg, als man sich in K.o.-Duellen maß, und des DFB-Pokals haben sie 109 Pflichtspiele gegeneinander bestritten. Am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) folgt das 110.

Die bisherigen Duelle steigen unter mehrmals wechselnden Vorzeichen – mal war der eine größer, mal der andere. Heute sind sie auf Augenhöhe, auch wenn sie gut darauf verzichten könnten, sich im Abstiegskampf gegenüber zu stehen. Ein kleiner Streifzug durch den Süd-Schlager VfB gegen Club.

Premiere mit VfB-Zuschauerrekord

Die Premiere lieferte gleich einen Rekord: Als sich der VfB und der Club am 6. Februar 1927 in der Süddeutschen Meisterschaft gegenüber standen, sprengte das Interesse die Ausmaße des VfB-Platzes, des „Wasen“. 18.000 Zuschauer waren noch nie zu einem VfB-Spiel gekommen. Kein Wunder, der Club war die ruhmreichste Elf der Goldenen Zwanziger, und er siegte standesgemäß 3:0. „Die Erfolglosigkeit des VfB dürfte wohl in erster Linie auf das Lampenfieber zurückzuführen sein“ schreibt der „Fußball“ tags darauf. Nationalspieler Heiner Träg schießt das erste Tor von mittlerweile 347 Toren (184:163 für den VfB).

Es kam noch schlimmer in den Anfangsjahren: Die ersten sechs Spiele gewann der Club, in der Regel leicht und locker (u.a. mit 5:1, 7:1, 6:0, 6:2), ehe der VfB am 6. März 1932 erstmals einen Punkt holte. In der Süddeutschen Meisterschaft trotzte der VfB dem damaligen Rekordmeister ein 2:2 ab. 14 Jahre sah man sich darauf nicht wieder, aber dann konnten sie gar nicht mehr voneinander lassen.

Das erste Nachkriegsspiel ging noch an den Club (3:0), aber im neunten Anlauf seit 1927 jubelte endlich der VfB – 1:0 am letzten Spieltag 1945/1946 vor neuer Rekordkulisse für dieses Duell: 50.000 kamen ins Stuttgarter Neckar-Stadion und sahen einen doppelt bedeutenden Treffer von Otto Bökle. Denn der Spielplan wollte es, dass es sich quasi um ein Endspiel handelte. Zweiter gegen Erster – und durch das 1:0 wurde der VfB erster Süddeutscher Meister nach dem Krieg. Kurios: Bei Nürnberg spielten gleich drei Spieler mit Namen Uebelein, alles Brüder.

Am 5. Februar 1950 beim 1:1 riss die Heimserie der Nürnberger, die zuvor stets gegen den VfB gewonnen hatten. Zwei Minuten vor Schluss glich der einarmige Robert Schlienz die Führung durch Max Morlock aus, sehr zum Ärger der 20.000 Zuschauer. Im Sport Magazin liest man: „Mehr als der Punktverlust bekümmerte den 1. FC Nürnberg der Exzeß eines Haufens von Rohlingen, der nach dem Schlußpfiff das Spielfeld stürmte. Nur mühsam und mit Mut konnte das Polizeiaufgebot Spieler und Schiedsrichter decken und durch die Randalierenden in die Kabine geleiten.“ Auslöser des Tumults: Der Freistoß vor dem 1:1 war angeblich eine Fehlentscheidung gewesen.

Kein Sieger beim torreichsten Duell

Unentschieden endete auch das torreichste Duell im Jahr darauf: Am 21. Januar 1951 trennte man sich in Stuttgart 4:4. Wieder ging es nicht ohne Drama: der VfB, amtierender Meister, führte schnell mit 2:0, und „12000 erwarteten eine Katastrophe“ (Sport Magazin) für den Gast, doch der glich noch dreimal aus an diesem nebligen Wintertag. Einmal half ein 30-Meter-Schuss von Ucko und nach dem 4:3 von Schlienz in der 85. Minute ein VfB-Spieler: Otterbachs Rettungsversuch mit dem Hinterkopf geriet zum Eigentor. „Alte Club-Anhänger hätten hier in Reminiszensen geschwelgt. So gut haben wir den siebenfachen Altmeister lange nicht mehr gesehen“, lobte das Fachmagazin.

Erfolgreicher war in den ersten Jahren der BRD jedoch der VfB, der 1950 und 1952 seine ersten Deutschen Meisterschaften gewann, während der Club nur den ersten Titel nach dem Krieg (1948) holte. Ein Kassenschlager blieben die Franken allemal; 72.000 kamen im April 1952 ins Neckar-Stadion und markierten einen Zuschauerrekord für ein Punktspiel auf deutschem Boden. Die meisten davon feierten ihren VfB, denn die Geschichte wiederholte sich an diesem Tag: wieder war es ein Endspiel, wieder entthronte der VfB Tabellenführer Nürnberg im letzten Spiel - und wieder wurde er daheim Süddeutscher Meister. Nur der Torschütze war ein anderer als 1946: Roland Wehrle traf unter den Augen Sepp Herbergers doppelt zum 2:0.

Generell lässt sich sagen: In den Fünfzigern musste der VfB den Club nicht fürchten, acht Jahre konnte Nürnberg in Stuttgart nicht gewinnen und kehrte zuweilen mit deftigen Pleiten (1955 0:6, 1956 0:5) zurück. Im Oktober 1955 gab es in Nürnberg das erste von nur sieben torlosen Duellen. Das allererste Pokalspiel ging an die Schwaben, die sich im Juni 1958 vor nur 8000 Zuschauern behaupteten.

Meisterliche Franken in den 60er-Jahren

Zu Beginn der Sechziger war der Club wieder obenauf, 1961 wurde er Deutscher Meister. Als solcher fertigte er den VfB am 17. September 1961 am Zabo mit 5:0 ab, wobei den Franken ein seltenes Kunststück gelang: Nach der Pause schossen sie innerhalb von zwei Minuten drei Tore. Haseneder (zwei Tore) und Rost überwanden den VfB-Torwart Günter Sawitzki, damals im Kreis der Nationalmannschaft. Weltmeister Max Morlock ging zwar leer aus an diesem heißen Spätsommer-Sonntag, für das Sport Magazin aber avancierte er „zur großen Spielerpersönlichkeit auf dem Felde (bravo Max, für diese überzeugende Leistung)“.

Höher hat der Club seitdem nicht mehr gegen den VfB gewonnen. Als die Bundesliga 1963 angepfiffen wurde, standen beide Klubs in den Startlöchern. Am 16. November fiel das erste Bundesliga-Tor dieses Duells, ein Eigentor von Karl-Heinz Ferschl brachte Stuttgart den Sieg.

Es dauerte vier Jahre, ehe auch Nürnberg feiern durfte: am 14. Oktober 1967 wurde der VfB auf dem Weg zur bis dato letzten Meisterschaft des Clubs aus dem Weg geräumt – 5:1. Dem späteren VfB-Stürmer Georg Volkert und Heinz Strehl glückten jeweils zwei Tore. Während die 45.000 Zuschauer schon Meisterlieder sangen, lieferte der grantelnde Club-Trainer Max Merkel eines der kürzesten Statements der Ligahistorie: „Zufrieden, manches kann noch besser werden. VfB war schwach.“

Club-Abstieg verhindert Aufeinandertreffen

Im Folgejahr gingen die Wege auseinander, denn Nürnberg schaffte es als Meister abzusteigen. Selbst ein 3:2 im April 1969 beim VfB reichte am Ende nicht für den Klassenerhalt. So gab es erstmals seit 1946 keine Duelle zwischen dem VfB und dem Club. Fünf Jahre währte der unhaltbare Zustand, dann stieg auch Stuttgart ab und man lieferte sich in der 2. Liga Süd außerordentlich gut besuchte Schlachten. 1976/1977 gewann der VfB zweimal mit 4:0, insgesamt 90.000 Zuschauer sahen die einseitigen Begegnungen. Unter den Torschützen finden sich große Namen: Ottmar Hitzfeld, Hansi Müller, Dieter Hoeneß.

Wieder gab es ein Jahr Pause, dann stieg der Club auch auf. Am 20. Januar 1979 gewann er auf schneebedecktem Boden mit 1:0. Ein Weltmeister leistete Hilfestellung beim Aufsteiger, es war das Debüt von Uli Hoeneß, der im Zorn von seinem FC Bayern geschieden war, wo er nur noch auf der Bank gesessen hatte.

Auch Uli Hoeneß konnte den Wiederabstieg nicht verhindern, Nürnberg fuhr fortan häufiger im Fahrstuhl zwischen erster und zweiter Liga. Wenn der Club mal wieder oben war, traf er den VfB garantiert wieder. Denn die Schwaben spielen seit 1977 ununterbrochen im Oberhaus, eine längere Serie weisen nur der HSV (1963), Bayern (1965) und Dortmund (1976) auf.

Deutliche Kräfteverhältnisse zu Gunsten des VfB

So verschoben sich die Kräfteverhältnisse endgültig Richtung Stuttgart. Am deutlichsten wurde das 1983/1984, als der VfB Meister und Nürnberg Letzter wurde. Die Spiele endeten dementsprechend – 7:0 und 6:0 für den VfB. Kurios beim ersten Schützenfest in Stuttgart: Zur Pause stand es noch 0:0, Karl Allgöwer scheiterte gar an Elfmeter-Töter Rudi Kargus, aber mit drei Toren schoss er sich später den Frust von der Seele. Es lief ähnlich wie 1961, nur andersherum: Nun schoss der VfB drei Tore in vier Minuten.

Club-Trainer Rudi Kröner verhinderte Schlimmeres und gab in der Schlussphase an Libero Horst Weyerich die Order aus, hinten dicht zu machen: „Ich wollte nicht noch zweistellig verlieren. Manchmal stand der Horst ja fast alleine hinten drin.“ Bis heute hat Nürnberg in der Bundesliga nicht so hoch verloren wie an jenem 5. November 1983 in Stuttgart.

Das 0:6 im Rückspiel war zu allem Übel dann noch die höchste Nürnberger Bundesliga-Heimniederlage aller Zeiten. Zweimal schrieb der VfB also Club-Geschichte. Ergebnisse in dieser Höhe hat es danach nicht mehr gegeben. Immerhin zweimal gewann der VfB noch mit 4:0 (1988 und 1990) im eigenen Stadion und auch 1988 brach der Club nach torlosem Pausenstand noch ein – zwei Klinsmann-Treffer sorgten für die Entscheidung.

Fast immer unter den Torschützen in den Achtzigern: VfB-Mittelfeldspieler Karl Allgöwer, der in 22 Einsätzen auf 14 Toren gegen Nürnberg kam und somit Rekordschütze des Süd-Evergreens ist (in der Bundesliga). Beim nächsten Drama im Oktober 1991 war er nicht mehr am Ball. Tore fielen trotzdem viele, und am Ende feierte der Club zu Hause ein 4:3 gegen den kommenden Meister. Dieter Eckstein überragte mit zwei Toren, doch die Entscheidung war dem 18-jährigen Christian Wück vergönnt, der in jenen Tagen zum Inbegriff des Jokers wurde: Schon zum dritten Mal traf er nach einer Einwechslung.

Seltsame Serie ohne Heimsiege

Seinen Trainer Willi Entenmann brachte er damit in Gewissensnöte, denn der war und ist ein alter VfBer: „Ich weiß gar nicht, wie ich das nächste Mal heim nach Schwaben fahren soll.“ Kollege Christoph Daum dagegen sah schon die Meisterschaft den Neckar hinab schwimmen: „Sehr, sehr eng wird es jetzt, wenn man sich die Tabelle ansieht.“

Doch letztlich reichte es für den VfB, auch dank des 2:0 im Rückspiel, das in eine Periode von sechs VfB-Heimsiegen (1988 bis 1993) fiel. Nürnberg verabschiedete sich für längere Zeit und war gar kurz drittklassig, ehe Felix Magath eines seiner gelegentlichen Wunder vollbrachte und 1998 den Durchmarsch zurück schaffte.

Nun begann eine seltsame Serie von neun Spielen ohne Heimsieg in diesem Duell. Dreimal gewann Stuttgart in Nürnberg, dreimal gewann Nürnberg in Stuttgart und dreimal teilte man sich die Punkte zwischen 1998 und 2005. Auch Felix Magath litt unter diesem Phänomen: Mittlerweile VfB-Trainer geworden, verlor er beide Heimspiele gegen seinen Ex-Verein – 0:2 und 2:3.

Der Däne Jon Dahl Tomasson beendete am 8. April 2006 den mysteriösen Heimkomplex und schoss den VfB zu einem 1:0. Aber schon am ersten Spieltag der Saison 2006/2007 gab es einen Rückfall: Die von Hans Meyer trainierten Nürnberger stürmten das Gottlieb-Daimler-Stadion und mit einem 3:0 an die Tabellenspitze. Ein gutes Omen für eine erfolgreiche Saison, in der der Club den kommenden Meister VfB gleich dreimal schlug: Im Rückspiel setzte es ein 4:1.

Nürnberger DFB-Pokaltriumph in Berlin

Und am 26. Mai 2007 gewann Nürnberg auch das bedeutendste aller 110 Duelle mit dem VfB: das DFB-Pokalfinale zu Berlin – es ging als eins der besten und rassigsten in die Geschichte ein. Der VfB, kurz zuvor Meister geworden, war natürlich Favorit an jenem Samstag vor Pfingsten, und 67,7 Prozent der Teilnehmer an einer Kicker-Umfrage glaubten an das Double. Hans Meyer stichelte dennoch in Erinnerung an die Ligasiege: „Einige Stuttgarter werden vor Angst zu Hause bleiben!“

Eine kleine Frechheit, die siegte. Erstmals nach 39 Jahren gewann Nürnberg wieder einen Titel. Und das kam so: Der VfB geht durch den Ex-Nürnberger Cacau in Führung (20.), Marek Mintal gleicht aus (27.). Dann leistet sich Cacau eine Tätlichkeit an Andreas Wolf und fliegt vom Platz (31.). Marco Engelhardt schießt Nürnberg in Führung (47.), doch ein Foulelfmeter durch Pardo (80.) rettet den Meister in die Verlängerung.

Die sieht eines der schönsten Siegtore der Pokal-Geschichte durch den Dänen Jan Kristiansen (109.) aus 25 Metern. „Tore schießt der doch sonst nur in Dänemark“, amüsiert sich Hans Meyer über das Erstlingswerk Kristiansens, der in der Bundesliga nie traf. Dann ist Schluss, und in Berlin findet eine rot-schwarze Fete statt, die am nächsten Tag in Nürnberg fortgesetzt wird: 200.000 Club-Fans strömen auf dem Rathaus-Platz zusammen.

Prognose für Samstag? Absolut unmöglich!

Die meisten sind zu jung, um so etwas wie Genugtuung zu verspüren für die zwei einst vom VfB verdorbenen Meisterschaften, aber ausgelassen gefeiert wird trotzdem. Sündenbock Cacau, der sich beim Team entschuldigte für seinen Blackout, konnte die Gelegenheit zur Genugtuung kaum erwarten und schoss bereits nach drei Minuten im nächsten Spiel ein Tor. Zwei Jahre lang blieb Nürnberg in der Folge sieglos und schoss nur ein Tor gegen den VfB.

Im Hinspiel dieser Saison jedoch schafften sie nach Andreas Wolfs Platzverweis in Unterzahl einen Last-Minute-Sieg (2:1). Der Club und der VfB – eine leidenschaftliche Dauerbeziehung mit vielen Höhen und Tiefen. Prognose für den Samstag? Absolut unmöglich!

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Es sind Duelle, die sich ins kollektive Gedächtnis der Fußballfans eingebrannt haben. Spiele für die ganz großen Emotionen - Begeisterung und Entsetzen, Siegestaumel und tiefe Trauer. Begegnungen, die Millionen von Menschen in ihren Bann ziehen, jedes Mal aufs Neue. Unvergessene Momente der Bundesligahistorie, 90 Minuten für die Ewigkeit, die normale Partien zu Klassikern gemacht haben.

Ein Spiel und seine Geschichte: In einer neuen Serie schaut der DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras immer freitags während der Saison in die Chronik von ganz besonderen Bundesliga-Duellen, die aktuell anstehen. Heute: VfB Stuttgart gegen den 1. FC Nürnberg.

Gute alte Bekannte, keine Erzrivalen

Rivalen sind sie nicht, Feinde schon gar nicht – eher gute alte Bekannte. Klassenkameraden trifft es vielleicht am besten: Der VfB Stuttgart und der 1. FC Nürnberg spielen bereits ihre 48. gemeinsame Saison in einer Liga. Direkt nach Kriegsende spielten sie ununterbrochen 18 Jahre gemeinsam in der Oberliga Süd, in der Bundesliga ist es die 28. Saison Seite an Seite. Und sogar in der Zweiten Liga (von 1975 bis 1977) verbrachten sie zwei Jahre miteinander.

Inklusive der Endrundenspiele um die Süddeutsche Meisterschaft vor dem Krieg, als man sich in K.o.-Duellen maß, und des DFB-Pokals haben sie 109 Pflichtspiele gegeneinander bestritten. Am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) folgt das 110.

Die bisherigen Duelle steigen unter mehrmals wechselnden Vorzeichen – mal war der eine größer, mal der andere. Heute sind sie auf Augenhöhe, auch wenn sie gut darauf verzichten könnten, sich im Abstiegskampf gegenüber zu stehen. Ein kleiner Streifzug durch den Süd-Schlager VfB gegen Club.

Premiere mit VfB-Zuschauerrekord

Die Premiere lieferte gleich einen Rekord: Als sich der VfB und der Club am 6. Februar 1927 in der Süddeutschen Meisterschaft gegenüber standen, sprengte das Interesse die Ausmaße des VfB-Platzes, des „Wasen“. 18.000 Zuschauer waren noch nie zu einem VfB-Spiel gekommen. Kein Wunder, der Club war die ruhmreichste Elf der Goldenen Zwanziger, und er siegte standesgemäß 3:0. „Die Erfolglosigkeit des VfB dürfte wohl in erster Linie auf das Lampenfieber zurückzuführen sein“ schreibt der „Fußball“ tags darauf. Nationalspieler Heiner Träg schießt das erste Tor von mittlerweile 347 Toren (184:163 für den VfB).

Es kam noch schlimmer in den Anfangsjahren: Die ersten sechs Spiele gewann der Club, in der Regel leicht und locker (u.a. mit 5:1, 7:1, 6:0, 6:2), ehe der VfB am 6. März 1932 erstmals einen Punkt holte. In der Süddeutschen Meisterschaft trotzte der VfB dem damaligen Rekordmeister ein 2:2 ab. 14 Jahre sah man sich darauf nicht wieder, aber dann konnten sie gar nicht mehr voneinander lassen.

Das erste Nachkriegsspiel ging noch an den Club (3:0), aber im neunten Anlauf seit 1927 jubelte endlich der VfB – 1:0 am letzten Spieltag 1945/1946 vor neuer Rekordkulisse für dieses Duell: 50.000 kamen ins Stuttgarter Neckar-Stadion und sahen einen doppelt bedeutenden Treffer von Otto Bökle. Denn der Spielplan wollte es, dass es sich quasi um ein Endspiel handelte. Zweiter gegen Erster – und durch das 1:0 wurde der VfB erster Süddeutscher Meister nach dem Krieg. Kurios: Bei Nürnberg spielten gleich drei Spieler mit Namen Uebelein, alles Brüder.

Am 5. Februar 1950 beim 1:1 riss die Heimserie der Nürnberger, die zuvor stets gegen den VfB gewonnen hatten. Zwei Minuten vor Schluss glich der einarmige Robert Schlienz die Führung durch Max Morlock aus, sehr zum Ärger der 20.000 Zuschauer. Im Sport Magazin liest man: „Mehr als der Punktverlust bekümmerte den 1. FC Nürnberg der Exzeß eines Haufens von Rohlingen, der nach dem Schlußpfiff das Spielfeld stürmte. Nur mühsam und mit Mut konnte das Polizeiaufgebot Spieler und Schiedsrichter decken und durch die Randalierenden in die Kabine geleiten.“ Auslöser des Tumults: Der Freistoß vor dem 1:1 war angeblich eine Fehlentscheidung gewesen.

Kein Sieger beim torreichsten Duell

Unentschieden endete auch das torreichste Duell im Jahr darauf: Am 21. Januar 1951 trennte man sich in Stuttgart 4:4. Wieder ging es nicht ohne Drama: der VfB, amtierender Meister, führte schnell mit 2:0, und „12000 erwarteten eine Katastrophe“ (Sport Magazin) für den Gast, doch der glich noch dreimal aus an diesem nebligen Wintertag. Einmal half ein 30-Meter-Schuss von Ucko und nach dem 4:3 von Schlienz in der 85. Minute ein VfB-Spieler: Otterbachs Rettungsversuch mit dem Hinterkopf geriet zum Eigentor. „Alte Club-Anhänger hätten hier in Reminiszensen geschwelgt. So gut haben wir den siebenfachen Altmeister lange nicht mehr gesehen“, lobte das Fachmagazin.

Erfolgreicher war in den ersten Jahren der BRD jedoch der VfB, der 1950 und 1952 seine ersten Deutschen Meisterschaften gewann, während der Club nur den ersten Titel nach dem Krieg (1948) holte. Ein Kassenschlager blieben die Franken allemal; 72.000 kamen im April 1952 ins Neckar-Stadion und markierten einen Zuschauerrekord für ein Punktspiel auf deutschem Boden. Die meisten davon feierten ihren VfB, denn die Geschichte wiederholte sich an diesem Tag: wieder war es ein Endspiel, wieder entthronte der VfB Tabellenführer Nürnberg im letzten Spiel - und wieder wurde er daheim Süddeutscher Meister. Nur der Torschütze war ein anderer als 1946: Roland Wehrle traf unter den Augen Sepp Herbergers doppelt zum 2:0.

Generell lässt sich sagen: In den Fünfzigern musste der VfB den Club nicht fürchten, acht Jahre konnte Nürnberg in Stuttgart nicht gewinnen und kehrte zuweilen mit deftigen Pleiten (1955 0:6, 1956 0:5) zurück. Im Oktober 1955 gab es in Nürnberg das erste von nur sieben torlosen Duellen. Das allererste Pokalspiel ging an die Schwaben, die sich im Juni 1958 vor nur 8000 Zuschauern behaupteten.

Meisterliche Franken in den 60er-Jahren

Zu Beginn der Sechziger war der Club wieder obenauf, 1961 wurde er Deutscher Meister. Als solcher fertigte er den VfB am 17. September 1961 am Zabo mit 5:0 ab, wobei den Franken ein seltenes Kunststück gelang: Nach der Pause schossen sie innerhalb von zwei Minuten drei Tore. Haseneder (zwei Tore) und Rost überwanden den VfB-Torwart Günter Sawitzki, damals im Kreis der Nationalmannschaft. Weltmeister Max Morlock ging zwar leer aus an diesem heißen Spätsommer-Sonntag, für das Sport Magazin aber avancierte er „zur großen Spielerpersönlichkeit auf dem Felde (bravo Max, für diese überzeugende Leistung)“.

Höher hat der Club seitdem nicht mehr gegen den VfB gewonnen. Als die Bundesliga 1963 angepfiffen wurde, standen beide Klubs in den Startlöchern. Am 16. November fiel das erste Bundesliga-Tor dieses Duells, ein Eigentor von Karl-Heinz Ferschl brachte Stuttgart den Sieg.

Es dauerte vier Jahre, ehe auch Nürnberg feiern durfte: am 14. Oktober 1967 wurde der VfB auf dem Weg zur bis dato letzten Meisterschaft des Clubs aus dem Weg geräumt – 5:1. Dem späteren VfB-Stürmer Georg Volkert und Heinz Strehl glückten jeweils zwei Tore. Während die 45.000 Zuschauer schon Meisterlieder sangen, lieferte der grantelnde Club-Trainer Max Merkel eines der kürzesten Statements der Ligahistorie: „Zufrieden, manches kann noch besser werden. VfB war schwach.“

Club-Abstieg verhindert Aufeinandertreffen

Im Folgejahr gingen die Wege auseinander, denn Nürnberg schaffte es als Meister abzusteigen. Selbst ein 3:2 im April 1969 beim VfB reichte am Ende nicht für den Klassenerhalt. So gab es erstmals seit 1946 keine Duelle zwischen dem VfB und dem Club. Fünf Jahre währte der unhaltbare Zustand, dann stieg auch Stuttgart ab und man lieferte sich in der 2. Liga Süd außerordentlich gut besuchte Schlachten. 1976/1977 gewann der VfB zweimal mit 4:0, insgesamt 90.000 Zuschauer sahen die einseitigen Begegnungen. Unter den Torschützen finden sich große Namen: Ottmar Hitzfeld, Hansi Müller, Dieter Hoeneß.

Wieder gab es ein Jahr Pause, dann stieg der Club auch auf. Am 20. Januar 1979 gewann er auf schneebedecktem Boden mit 1:0. Ein Weltmeister leistete Hilfestellung beim Aufsteiger, es war das Debüt von Uli Hoeneß, der im Zorn von seinem FC Bayern geschieden war, wo er nur noch auf der Bank gesessen hatte.

Auch Uli Hoeneß konnte den Wiederabstieg nicht verhindern, Nürnberg fuhr fortan häufiger im Fahrstuhl zwischen erster und zweiter Liga. Wenn der Club mal wieder oben war, traf er den VfB garantiert wieder. Denn die Schwaben spielen seit 1977 ununterbrochen im Oberhaus, eine längere Serie weisen nur der HSV (1963), Bayern (1965) und Dortmund (1976) auf.

Deutliche Kräfteverhältnisse zu Gunsten des VfB

So verschoben sich die Kräfteverhältnisse endgültig Richtung Stuttgart. Am deutlichsten wurde das 1983/1984, als der VfB Meister und Nürnberg Letzter wurde. Die Spiele endeten dementsprechend – 7:0 und 6:0 für den VfB. Kurios beim ersten Schützenfest in Stuttgart: Zur Pause stand es noch 0:0, Karl Allgöwer scheiterte gar an Elfmeter-Töter Rudi Kargus, aber mit drei Toren schoss er sich später den Frust von der Seele. Es lief ähnlich wie 1961, nur andersherum: Nun schoss der VfB drei Tore in vier Minuten.

Club-Trainer Rudi Kröner verhinderte Schlimmeres und gab in der Schlussphase an Libero Horst Weyerich die Order aus, hinten dicht zu machen: „Ich wollte nicht noch zweistellig verlieren. Manchmal stand der Horst ja fast alleine hinten drin.“ Bis heute hat Nürnberg in der Bundesliga nicht so hoch verloren wie an jenem 5. November 1983 in Stuttgart.

Das 0:6 im Rückspiel war zu allem Übel dann noch die höchste Nürnberger Bundesliga-Heimniederlage aller Zeiten. Zweimal schrieb der VfB also Club-Geschichte. Ergebnisse in dieser Höhe hat es danach nicht mehr gegeben. Immerhin zweimal gewann der VfB noch mit 4:0 (1988 und 1990) im eigenen Stadion und auch 1988 brach der Club nach torlosem Pausenstand noch ein – zwei Klinsmann-Treffer sorgten für die Entscheidung.

Fast immer unter den Torschützen in den Achtzigern: VfB-Mittelfeldspieler Karl Allgöwer, der in 22 Einsätzen auf 14 Toren gegen Nürnberg kam und somit Rekordschütze des Süd-Evergreens ist (in der Bundesliga). Beim nächsten Drama im Oktober 1991 war er nicht mehr am Ball. Tore fielen trotzdem viele, und am Ende feierte der Club zu Hause ein 4:3 gegen den kommenden Meister. Dieter Eckstein überragte mit zwei Toren, doch die Entscheidung war dem 18-jährigen Christian Wück vergönnt, der in jenen Tagen zum Inbegriff des Jokers wurde: Schon zum dritten Mal traf er nach einer Einwechslung.

Seltsame Serie ohne Heimsiege

Seinen Trainer Willi Entenmann brachte er damit in Gewissensnöte, denn der war und ist ein alter VfBer: „Ich weiß gar nicht, wie ich das nächste Mal heim nach Schwaben fahren soll.“ Kollege Christoph Daum dagegen sah schon die Meisterschaft den Neckar hinab schwimmen: „Sehr, sehr eng wird es jetzt, wenn man sich die Tabelle ansieht.“

Doch letztlich reichte es für den VfB, auch dank des 2:0 im Rückspiel, das in eine Periode von sechs VfB-Heimsiegen (1988 bis 1993) fiel. Nürnberg verabschiedete sich für längere Zeit und war gar kurz drittklassig, ehe Felix Magath eines seiner gelegentlichen Wunder vollbrachte und 1998 den Durchmarsch zurück schaffte.

Nun begann eine seltsame Serie von neun Spielen ohne Heimsieg in diesem Duell. Dreimal gewann Stuttgart in Nürnberg, dreimal gewann Nürnberg in Stuttgart und dreimal teilte man sich die Punkte zwischen 1998 und 2005. Auch Felix Magath litt unter diesem Phänomen: Mittlerweile VfB-Trainer geworden, verlor er beide Heimspiele gegen seinen Ex-Verein – 0:2 und 2:3.

Der Däne Jon Dahl Tomasson beendete am 8. April 2006 den mysteriösen Heimkomplex und schoss den VfB zu einem 1:0. Aber schon am ersten Spieltag der Saison 2006/2007 gab es einen Rückfall: Die von Hans Meyer trainierten Nürnberger stürmten das Gottlieb-Daimler-Stadion und mit einem 3:0 an die Tabellenspitze. Ein gutes Omen für eine erfolgreiche Saison, in der der Club den kommenden Meister VfB gleich dreimal schlug: Im Rückspiel setzte es ein 4:1.

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Nürnberger DFB-Pokaltriumph in Berlin

Und am 26. Mai 2007 gewann Nürnberg auch das bedeutendste aller 110 Duelle mit dem VfB: das DFB-Pokalfinale zu Berlin – es ging als eins der besten und rassigsten in die Geschichte ein. Der VfB, kurz zuvor Meister geworden, war natürlich Favorit an jenem Samstag vor Pfingsten, und 67,7 Prozent der Teilnehmer an einer Kicker-Umfrage glaubten an das Double. Hans Meyer stichelte dennoch in Erinnerung an die Ligasiege: „Einige Stuttgarter werden vor Angst zu Hause bleiben!“

Eine kleine Frechheit, die siegte. Erstmals nach 39 Jahren gewann Nürnberg wieder einen Titel. Und das kam so: Der VfB geht durch den Ex-Nürnberger Cacau in Führung (20.), Marek Mintal gleicht aus (27.). Dann leistet sich Cacau eine Tätlichkeit an Andreas Wolf und fliegt vom Platz (31.). Marco Engelhardt schießt Nürnberg in Führung (47.), doch ein Foulelfmeter durch Pardo (80.) rettet den Meister in die Verlängerung.

Die sieht eines der schönsten Siegtore der Pokal-Geschichte durch den Dänen Jan Kristiansen (109.) aus 25 Metern. „Tore schießt der doch sonst nur in Dänemark“, amüsiert sich Hans Meyer über das Erstlingswerk Kristiansens, der in der Bundesliga nie traf. Dann ist Schluss, und in Berlin findet eine rot-schwarze Fete statt, die am nächsten Tag in Nürnberg fortgesetzt wird: 200.000 Club-Fans strömen auf dem Rathaus-Platz zusammen.

Prognose für Samstag? Absolut unmöglich!

Die meisten sind zu jung, um so etwas wie Genugtuung zu verspüren für die zwei einst vom VfB verdorbenen Meisterschaften, aber ausgelassen gefeiert wird trotzdem. Sündenbock Cacau, der sich beim Team entschuldigte für seinen Blackout, konnte die Gelegenheit zur Genugtuung kaum erwarten und schoss bereits nach drei Minuten im nächsten Spiel ein Tor. Zwei Jahre lang blieb Nürnberg in der Folge sieglos und schoss nur ein Tor gegen den VfB.

Im Hinspiel dieser Saison jedoch schafften sie nach Andreas Wolfs Platzverweis in Unterzahl einen Last-Minute-Sieg (2:1). Der Club und der VfB – eine leidenschaftliche Dauerbeziehung mit vielen Höhen und Tiefen. Prognose für den Samstag? Absolut unmöglich!