"Vereinzelte Hoffnungsschimmer": Konferenz zur sozialen Rolle des Fußballs

Bereits zum zehnten Mal lud die Schwabenakademie Irsee am Wochenende zu ihrer jährlichen sporthistorischen Fachtagung, dieses Jahr erstmals nach Zürich. Mit Unterstützung der DFB-Kulturstiftung hat sich die Tagungsreihe zu einem international anerkannten wissenschaftlichen Forum der Fußballgeschichte entwickelt.

Eigentlich ist die Sache ganz einfach: "Eine Nation ist eine Nation, wenn sie eine eigene Fußball-Nationalmannschaft hat." Was der Historiker Dominik Schaller eher überspitzt-provokativ an den Beginn der Konferenz stellte, wirkte angesichts des Ausblicks vom Tagungsraum durchaus plausibel. Denn dort flatterten, ordentlich entlang eines schönen Spielfeldes aufgereiht, die Flaggen der 211 nationalen Verbände des Fußball-Weltverbandes. Erstmals kamen die Experten des renommierten Historikertreffens nämlich nicht am Sitz der Akademie im Kloster Irsee bei Kaufbeuren (Bayern) zusammen, sondern im FIFA-Hauptquartier hoch über Zürich.

Umso größer war die Freude der beiden Tagungsleiter Dr. Markwart Herzog (Direktor der Schwabenakademie Irsee) und Dr. Dominik Schaller (Universität Heidelberg), dass nicht nur jedes Jahr mehr Themenvorschläge aus aller Welt in der Schwabenakademie eingehen, sondern nach der Kulturstiftung des Deutschen Fußballbundes auch die FIFA diese Bemühungen würdigt und fördert. "Wir sehen uns als Kompetenzzentrum für alles, was mit Fußball zu tun hat. Deshalb unterstützen wir diese Konferenz sehr gerne", erläuterte Emanuel Femminis, der den Fußball-Weltverband bei der Tagung in Zürich vertrat.

Den Zusammenhalt stärken

Inhaltlich ging es unter dem Titel "Football as an Instrument of Nation-Building" zwei Tage lang um das Thema, ob und wie Fußball dazu beitragen kann, Nationen zu formen, das Nationalgefühl oder vielleicht schöner formuliert: den Zusammenhalt zu stärken – und zwar auch in Ländern, die weniger als Fußball-Hochburgen bekannt sind. Entsprechend kamen die rund 50 Teilnehmer auch aus den USA, aus Indien, aus Israel oder den ehemaligen Sowjet-Republiken.

"Wir spielen einen sehr schlechten Fußball, und ich erkläre Ihnen warum", begann Octavian Ticu von der Uni Chisinau seine Ausführungen über die Fremdbestimmung des Fußballs in Moldawien durch die Zentralregierung in Moskau. Während ein Verein mithilfe von guten Spielern aus dem gesamten Sowjetreich zum "Super-Club" aufgerüstet wurde, um der zerrissenen Republik eine neue (pro-sowjetische) Identität zu geben, wurde der Breitensport vernachlässigt. Entsprechend verheerend sei es seit dem Zusammenbruch der UdSSR sowohl um das Nationalgefühl als auch um die Fußballkultur in seinem Land bestellt, berichtete Ticu.



Bereits zum zehnten Mal lud die Schwabenakademie Irsee am Wochenende zu ihrer jährlichen sporthistorischen Fachtagung, dieses Jahr erstmals nach Zürich. Mit Unterstützung der DFB-Kulturstiftung hat sich die Tagungsreihe zu einem international anerkannten wissenschaftlichen Forum der Fußballgeschichte entwickelt.

Eigentlich ist die Sache ganz einfach: "Eine Nation ist eine Nation, wenn sie eine eigene Fußball-Nationalmannschaft hat." Was der Historiker Dominik Schaller eher überspitzt-provokativ an den Beginn der Konferenz stellte, wirkte angesichts des Ausblicks vom Tagungsraum durchaus plausibel. Denn dort flatterten, ordentlich entlang eines schönen Spielfeldes aufgereiht, die Flaggen der 211 nationalen Verbände des Fußball-Weltverbandes. Erstmals kamen die Experten des renommierten Historikertreffens nämlich nicht am Sitz der Akademie im Kloster Irsee bei Kaufbeuren (Bayern) zusammen, sondern im FIFA-Hauptquartier hoch über Zürich.

Umso größer war die Freude der beiden Tagungsleiter Dr. Markwart Herzog (Direktor der Schwabenakademie Irsee) und Dr. Dominik Schaller (Universität Heidelberg), dass nicht nur jedes Jahr mehr Themenvorschläge aus aller Welt in der Schwabenakademie eingehen, sondern nach der Kulturstiftung des Deutschen Fußballbundes auch die FIFA diese Bemühungen würdigt und fördert. "Wir sehen uns als Kompetenzzentrum für alles, was mit Fußball zu tun hat. Deshalb unterstützen wir diese Konferenz sehr gerne", erläuterte Emanuel Femminis, der den Fußball-Weltverband bei der Tagung in Zürich vertrat.

Den Zusammenhalt stärken

Inhaltlich ging es unter dem Titel "Football as an Instrument of Nation-Building" zwei Tage lang um das Thema, ob und wie Fußball dazu beitragen kann, Nationen zu formen, das Nationalgefühl oder vielleicht schöner formuliert: den Zusammenhalt zu stärken – und zwar auch in Ländern, die weniger als Fußball-Hochburgen bekannt sind. Entsprechend kamen die rund 50 Teilnehmer auch aus den USA, aus Indien, aus Israel oder den ehemaligen Sowjet-Republiken.

"Wir spielen einen sehr schlechten Fußball, und ich erkläre Ihnen warum", begann Octavian Ticu von der Uni Chisinau seine Ausführungen über die Fremdbestimmung des Fußballs in Moldawien durch die Zentralregierung in Moskau. Während ein Verein mithilfe von guten Spielern aus dem gesamten Sowjetreich zum "Super-Club" aufgerüstet wurde, um der zerrissenen Republik eine neue (pro-sowjetische) Identität zu geben, wurde der Breitensport vernachlässigt. Entsprechend verheerend sei es seit dem Zusammenbruch der UdSSR sowohl um das Nationalgefühl als auch um die Fußballkultur in seinem Land bestellt, berichtete Ticu.

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Berichte aus der ganzen Welt

Ganz anders gelagert war die Fußballpolitik in Rumänien zwischen den beiden Weltkriegen, auf die Catalin Parfene (Paris) einging. Weil nach Ansicht auch vieler Intellektueller die ethnischen Minderheiten des Königreichs zu stark in der Nationalmannschaft vertreten gewesen seien, wurden feste Quoten für rumänische Spieler festgelegt – mit der Folge, dass das Team sportlich in die Bedeutungslosigkeit abrutschte.

Mikayel Zolyan, der aus Armeniens Hauptstadt Eriwan angereist war, berichtete vom früheren Top-Team der Kaukasus-Republik, "Ararat", das 1973 sensationell Meisterschaft und Pokal in der ersten sowjetischen Liga holte. Diese Mannschaft spiele im Nationalbewusstsein des inzwischen unabhängigen Staates immer noch ein große Rolle – erst im vergangenen Jahr wurde ein monumentales Bronzedenkmal für die Fußballer enthüllt. Gleichzeitig stehe es inzwischen aber auch für die Sowjet-Nostalgie in Teilen der Bevölkerung.

Der Fußball als Hoffnungsschimmer

Auf die Nostalgie-Karte setze laut Luke Hodges-Ramon (London) auch der derzeitige ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Er gäbe sich nicht nur als begeisterter Fußball-Fan, der sich auch nicht scheue, einem favorisierten Klub ein 4000-Plätze-Stadion in einem 1500-Einwohner-Dorf errichten zu lassen. Fußball, und insbesondere die Erinnerung an das "Golden Team", das 1953 sogar England geschlagen hat, sei für Orban auch ein Mittel, um seinem Land eine postkommunistische, nationale Identität zu geben – obwohl die große Zeit des ungarischen Fußballs just in die Zeit des kommunistischen Regimes fiel.

Von einer von Politik und Medien beförderten, enormen Fußball-"Blase" in Ägypten während der letzten Jahre des Mubarak-Regimes berichtete Carl Rommel (London). Und Ilan Rachum (Ramat-Gan, Israel) vertrat die Ansicht, dass der Fußball als verbindendes Element im nach wie vor von großen sozialen Gegensätzen geprägten Brasilien an Bedeutung verloren habe – trotz oder gerade wegen der jüngsten Weltmeisterschaft im eigenen Land. Die Rolle der muslimischen Fußball-Klubs in Bengalen bei der Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien, aber auch bei der religiös motivierten Teilung des Subkontinents untersuchte Sudipto Mitra (Kalkutta) in seinem Vortrag.

Während es bei etlichen Vorträgen darum ging, den politischen Missbrauch des Sports, dessen Ausmaße und den Erfolg oder Misserfolg dieser Bestrebungen zu beschreiben, hatten Holly Collison und Gary Armstrong (London) ein positives Gegenbeispiel parat: Im westafrikanischen Liberia, das durch jahrzehntelangen Bürgerkrieg völlig zerrüttet ist, sahen Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen trotz größter Anstrengungen nur noch ein Mittel, um in der seit Generationen verrohten Gesellschaft wieder grundlegende soziale Kompetenzen zu vermitteln: sie verteilten Fußbälle. Es gebe vereinzelten Hoffnungsschimmer, dass dieses Konzept funktionieren könnte, berichtete Collison, die mehrere Jahre in Liberia tätig war.

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