Uwe Harttgen: "Psychologie ist schon im Nachwuchsbereich wichtig"

Um seine Talentförderung wird der deutsche Fußball in der ganzen Welt beneidet. Leistungszentren, Eliteschulen, Stützpunkte, Amateurvereine - je nach individuellem Leistungsniveau und Entwicklungsstand erfährt jedes Talent die bestmögliche Ausbildung. Doch wie funktioniert die Talentförderung im Detail? Wie werden aus den Kindern und Jugendlichen von heute die Weltmeister von morgen? Wie sieht die Arbeit an Leistungszentren, Eliteschulen und Stützpunkten aus? DFB.de wirft einen Blick hinter die Kulissen.

In der vergangenen Woche haben sich in Köln die psychologischen Mitarbeiter der Nachwuchsleistungszentren getroffen. Zu den Initiatoren der Tagung gehörten Frank Engel, Sportlicher Leiter der Talentförderung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), und Diplom-Psychologe Dr. Uwe Harttgen, der im Januar 2013 bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) das Amt des Vorsitzenden der Kommission Leistungszentren übernommen hat.

Gerade im Nachwuchsbereich sei es besonders wichtig, die Talente bereits psychologisch zu betreuen. "In Zukunft werden die Drucksituationen für die Talente noch zunehmen", sagt Engel, "unsere Aufgabe ist es, sie darauf vorzubereiten und ihnen den Umgang mit Stress zu lehren." Dabei gehe es nicht nur darum, die Spieler mental auf den Leistungsfußball vorzubereiten. "Wichtig ist auch, den ehrlichen Umgang zu pflegen. Auch wenn es mit einer Profikarriere nichts werden sollte, müssen die Jungs und Mädchen alles Positive aus der Zeit im Leistungszentrum mitnehmen und erkennen, dass sie nicht gescheitert sind, keine Verlierer sind", so Engel.

Dies bestätigt auch Drf. Uwe Harttgen: "Hier sollten die positiven Auswirkungen deutlicher gemacht werden", sagt der 50 Jahre alte Ex-Profi, "man muss eben neue und attraktive Wege aufzeigen, wie es weitergehen kann". Im DFB.de-Interview spricht Harttgen über die Bedeutung der Psycholgie in der Talentförderung, mögliche Aufgaben eines Psychologens im Nachwuchsleitungszentrum und zieht ein Fazit unter das Treffen im Geißbockheim des 1. FC Köln.

DFB.de: Herr Harttgen, worum ging es beim Treffen der psychologischen Mitarbeiter in Köln?

Dr. Uwe Harttgen: Es war ein sehr konstruktiver Tag, der allen in ihrer täglichen Arbeit helfen wird. Das Feedback war durchweg positiv und die Veranstaltung wurde sehr gut angenommen. Fast alle eingeladenen Kollegen sind nach Köln gekommen. Inhaltlich ging es ganz grob gesagt darum, dass wir einen Erfahrungsaustausch gestalten wollten, der es den Psychologen in den Leistungszentren ermöglicht, die alltägliche Arbeit darzulegen und Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten herauszufiltern. Ziel ist es, die Rolle des Psychologen klarer zu formulieren und gewisse Standards festzulegen, um inhaltliche und strukturelle Rahmenbedingungen zu konkretisieren. Psychologische Themen und Interventionen müssen noch stärker in den Alltag eines Leistungszentrums eingebettet werden.

DFB.de: Worum ging es konkret?

Harttgen: Wir haben ganz verschiedene Themen in Workshops angesprochen. Aber wir haben uns auch Fragen gestellt und darauf Antworten gesucht. Wie sieht die Rolle des psychologischen Mitarbeiters aus? Wie ist er im Verein eingebunden? An welchen Entscheidungsprozessen ist er beteiligt? Aber auch ganz konkret: Wie sieht die Wettkampf- und Trainingsbegleitung aus? Was kommt tatsächlich bei den Spielern an? Welche Rolle spielt die Familie bei der Entwicklung der Spieler?



Um seine Talentförderung wird der deutsche Fußball in der ganzen Welt beneidet. Leistungszentren, Eliteschulen, Stützpunkte, Amateurvereine - je nach individuellem Leistungsniveau und Entwicklungsstand erfährt jedes Talent die bestmögliche Ausbildung. Doch wie funktioniert die Talentförderung im Detail? Wie werden aus den Kindern und Jugendlichen von heute die Weltmeister von morgen? Wie sieht die Arbeit an Leistungszentren, Eliteschulen und Stützpunkten aus? DFB.de wirft einen Blick hinter die Kulissen.

In der vergangenen Woche haben sich in Köln die psychologischen Mitarbeiter der Nachwuchsleistungszentren getroffen. Zu den Initiatoren der Tagung gehörten Frank Engel, Sportlicher Leiter der Talentförderung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), und Diplom-Psychologe Dr. Uwe Harttgen, der im Januar 2013 bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) das Amt des Vorsitzenden der Kommission Leistungszentren übernommen hat.

Gerade im Nachwuchsbereich sei es besonders wichtig, die Talente bereits psychologisch zu betreuen. "In Zukunft werden die Drucksituationen für die Talente noch zunehmen", sagt Engel, "unsere Aufgabe ist es, sie darauf vorzubereiten und ihnen den Umgang mit Stress zu lehren." Dabei gehe es nicht nur darum, die Spieler mental auf den Leistungsfußball vorzubereiten. "Wichtig ist auch, den ehrlichen Umgang zu pflegen. Auch wenn es mit einer Profikarriere nichts werden sollte, müssen die Jungs und Mädchen alles Positive aus der Zeit im Leistungszentrum mitnehmen und erkennen, dass sie nicht gescheitert sind, keine Verlierer sind", so Engel.

Dies bestätigt auch Drf. Uwe Harttgen: "Hier sollten die positiven Auswirkungen deutlicher gemacht werden", sagt der 50 Jahre alte Ex-Profi, "man muss eben neue und attraktive Wege aufzeigen, wie es weitergehen kann". Im DFB.de-Interview spricht Harttgen über die Bedeutung der Psycholgie in der Talentförderung, mögliche Aufgaben eines Psychologens im Nachwuchsleitungszentrum und zieht ein Fazit unter das Treffen im Geißbockheim des 1. FC Köln.

DFB.de: Herr Harttgen, worum ging es beim Treffen der psychologischen Mitarbeiter in Köln?

Dr. Uwe Harttgen: Es war ein sehr konstruktiver Tag, der allen in ihrer täglichen Arbeit helfen wird. Das Feedback war durchweg positiv und die Veranstaltung wurde sehr gut angenommen. Fast alle eingeladenen Kollegen sind nach Köln gekommen. Inhaltlich ging es ganz grob gesagt darum, dass wir einen Erfahrungsaustausch gestalten wollten, der es den Psychologen in den Leistungszentren ermöglicht, die alltägliche Arbeit darzulegen und Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten herauszufiltern. Ziel ist es, die Rolle des Psychologen klarer zu formulieren und gewisse Standards festzulegen, um inhaltliche und strukturelle Rahmenbedingungen zu konkretisieren. Psychologische Themen und Interventionen müssen noch stärker in den Alltag eines Leistungszentrums eingebettet werden.

DFB.de: Worum ging es konkret?

Harttgen: Wir haben ganz verschiedene Themen in Workshops angesprochen. Aber wir haben uns auch Fragen gestellt und darauf Antworten gesucht. Wie sieht die Rolle des psychologischen Mitarbeiters aus? Wie ist er im Verein eingebunden? An welchen Entscheidungsprozessen ist er beteiligt? Aber auch ganz konkret: Wie sieht die Wettkampf- und Trainingsbegleitung aus? Was kommt tatsächlich bei den Spielern an? Welche Rolle spielt die Familie bei der Entwicklung der Spieler?

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DFB.de: Wie ist denn der Ist-Zustand?

Harttgen: Grundsätzlich muss man sagen, dass DFB und DFL in den vergangenen Jahren wegweisende Entscheidungen in diesem Bereich getroffen haben. Da hat sich wirklich sehr, sehr viel zum Positiven entwickelt. Nicht ohne Grund haben wir eine gewisse Vorbildfunktion in ganz Europa. Bei unseren Nachbarn wird sehr genau beobachtet, was bei uns passiert. Und meist wird dann entsprechend nachgezogen. Es wäre allerdings ein großer Fehler, wenn wir uns jetzt ausruhen würden – trotz des Gewinns der Weltmeisterschaft im vergangenen Sommer und den zahlreichen Erfolge der Nachwuchs-Nationalmannschaften des DFB gibt es immer noch viel zu tun.

DFB.de: Woran merken Sie das?

Harttgen: Wir müssen weiterhin daran arbeiten, dass Psychologie im Sport wichtig und gar nichts Ungewöhnliches ist. Die Schwierigkeit besteht immer noch darin, dass die Vereine oftmals noch keine klaren Vorstellungen davon haben, welche Anforderungen sie an einen Psychologen stellen können bzw. müssen; andererseits verfolgen Psychologen aufgrund unterschiedlicher Ausbildungsschwerpunkte noch kein berufliches Selbstverständnis für die Funktion in einem Verein. Die Funktion des Psychologen hat noch nicht den selbstverständlichen Stellenwert wie beispielsweise der eines Trainers oder eines Physiotherapeuten.

DFB.de: Wie gut sind denn die Nachwuchsleistungszentren in Deutschland in diesem Bereich aufgestellt?

Harttgen: Pauschal ist das kaum zu beantworten, wir sprechen hier von einem Bereich von der Bundesliga bis zur vierten Liga – also ganz krass gesagt: von der Champions League bis zur Regionalliga. Die Topklubs haben natürlich längst erkannt, dass eine psychologische Betreuung schon im Nachwuchsbereich wichtig ist. Nicht jeder Verein kann und will sich das leisten. Aber ich habe auch hier den Eindruck, dass es immer besser wird. Wir werden auch im Rahmen der Lizenzierung und der Zertifizierung weitere inhaltliche und personelle Voraussetzungen einfordern.

DFB.de: Was können genau Aufgaben eines Psychologen im Nachwuchsleistungszentrum sein?

Harttgen: Generell geht es erst einmal darum, psychologische bzw. sportpsychologische Erkenntnisse und Methoden mit den Personen, den Strukturen und den Aufgaben in einem Leistungszentrum oder Verein einzubinden. Das sind beispielsweise Themen wie Persönlichkeitsentwicklung, Teambuilding und Teamführung, diagnostische und psychoregulative Verfahren, Wettkampf- und Trainingssteuerung, aber auch motivationale, emotionale und kognitive Voraussetzungen für sportliches Handeln. Wir sprechen hier von Jugendlichen in einem komplizierten Alter. Die Probleme können sehr vielfältig sein.

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DFB.de: Nämlich?

Harttgen: Es geht dabei nicht nur ums Sportliche, auch private und soziale Komponenten sind in die Entwicklung der Spieler einzubeziehen. Schließlich wird der Alltag eines Spielers durch viele Personen und Strukturen mitbestimmt. Durch die Doppelanforderung Schule und Sport, durch Leistungsanforderungen in Schule und Verein, durch Sozialkontakte in der Klasse und in der Mannschaft, durch Trainer und Lehrer und natürlich durch die Familie. Da treffen manchmal unterschiedliche Auffassungen und Erwartungen aufeinander und es ist nicht immer leicht für die Spieler, eigene Vorstellungen und Haltungen zu entwickeln. Die Belastung ist entsprechend hoch, manchmal sogar höher als bei einem Profi. Dementsprechend sind Anforderungen und Belastungen genauso wichtig wie Regenerations- und Erholungsphasen.

DFB.de: Gleichzeitig müssen sie ihre Karriere vorantreiben. Wie wichtig sind gerade in diesem Alter die entsprechende Siegermentalität und der Wille, es unbedingt schaffen zu wollen?

Harttgen: Auch das sind entscheidende Aspekte für uns. Und wieder müssen wir von Persönlichkeit zu Persönlichkeit unterscheiden. Bei dem einen ist die Siegermentalität so stark ausgebildet, dass wir vielleicht sogar etwas bremsen müssen. Der andere muss ein wenig angeschoben werden. Aber sicherlich sind Ehrgeiz, Siegermentalität, Selbstvertrauen usw. - neben dem fußballerischen Können - wichtige Eigenschaften.

DFB.de: Und dann kommt irgendwann der Moment an dem es sich entscheidet: Schafft das Talent den Sprung in den Profifußball oder schafft er es nicht?

Harttgen: Meistens ist es nicht dieser eine, entscheidende Moment. Gerade in diesem Punkt sieht man ja schon frühzeitig eine gewisse Tendenz, ob es klappen kann. Aber eben auch, wenn es möglicherweise nicht funktionieren wird. Dann kann man frühzeitig schon entsprechende Gespräche führen und erste Maßnahmen einleiten. Da können frühzeitige und offene Gespräche und zum Beispiel die Einbindung der Eltern in die Karriereplanung sehr hilfreich sein.

DFB.de: Haben die Spieler nicht automatisch das Gefühl, gescheitert zu sein?

Harttgen: Man muss da zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild unterscheiden. Der Spieler mag diesen Eindruck gewinnen, weil es sein großes Ziel war, Fußballprofi zu werden. Und dieser Traum ist dann eben nicht mehr zu realisieren. Der Außenstehende hat nicht den Eindruck, dass der Spieler gescheitert ist. Hier sollten die positiven Auswirkungen der bisherigen Leistungen und des Verhaltens deutlicher gemacht werden. Aber dann muss man eben neue und attraktive Wege aufzeigen, wie es weitergehen kann. Es ist eben so: Nicht jedes Talent aus einem Nachwuchsleistungszentrum schafft es in die Bundesliga. Aber jeder Spieler in einem Leistungszentrum hat schon etwas geleistet.

In der nächsten Woche beleuchtet DFB.de im Rahmen der Themenreihe "Talentförderung" die Arbeit eines Koordinators an einem DFB-Stützpunkt.