Urs Siegenthaler "legt großen Wert auf Objektivität"

Die Angelegenheit ist top secret. "Zu Inhalten darf ich nichts sagen, das ist streng vertraulich", erklärt Urs Siegenthaler und bittet nachhaltig um Verständnis. Der Schweizer ist kurz vor dem WM-Eröffnungsspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Costa Rica am Freitag der größte Geheimnisträger im DFB-Tross.

"Verrate uns, wie wir den Gegner schlagen", lautet die klare Anweisung von Bundestrainer Jürgen Klinsmann an seinen Spion, der seit dem FIFA Confederations Cup im vergangenen Sommer als Chefscout und Analytiker für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) arbeitet. Am Montag und Dienstag stimmte der 59-Jährige, dessen Vertrag zunächst bis zum WM-Ende läuft, im deutschen WM-Quartier Schlosshotel im Grunewald die Mannschaft auf die "Ticos" ein.

"Kurze und prägnante Ansprachen"

"Das sind kurze, prägnante und vor allem zielgerichtete Ansprachen. Die Vorträge dürfen nicht zu lang werden, sonst ermüden die Spieler, und das wollen wir auf alle Fälle verhindern", erklärte der gelernte Ingenieur im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (sid). Wichtig sei ihm bei all seinen Einlassungen, "dass die Detailinfos ein Höchstmaß an Objektivität haben. Ich sage, wie es ist, und nicht, wie es sein könnte".

Maximal zehn bis 15 Minuten dauern die diversen Vorträge, in denen er den deutschen Profis unter anderem anhand von Videosequenzen die Stärken und Schwächen des Auftaktgegners vermitteln will. "Wir werden über die Mannschaft sprechen, aber auch einzelne Spieler genauer mit ihren individuellen Eigenschaften vorstellen", verrät Siegenthaler, der in den letzen Wochen Tausende von Flugkilometern zurückgelegt und laut Klinsmanns Assistenztrainer Joachim Löw "Unmengen von Material" gesammelt hat.

So hat er im Vorfeld der WM nicht nur Costa Rica unter anderem vor einigen Tagen beim 0:4 gegen die Ukraine in Kiew, sondern auch die weiteren Gruppengegner Polen und Ecuador in Augenschein genommen. In Costa Rica hat Siegenthaler unter anderem vier Ligaspiele besucht, um sich einen Eindruck zu verschaffen.

Siegenthaler kommt es aber neben fußball-spezifischen Dingen wie taktisches Verhalten oder Standard-Situationen darauf an, die DFB-Kicker auch mit den Charaktereigenschaften des jeweiligen Gegners vertraut zu machen. "Psychologische und soziologische Komponenten sind ebenso wichtig. Sie nehmen auf das Spiel einer Mannschaft Einfluss", sagt er und fügt hinzu: "Costa Rica ist ein stolzes Volk und ein fortschrittliches Land. Mit diesem Bewusstsein werden auch die Spieler auftreten, also äußerst selbstsicher."

Zur Einstimmung auf den ersten Gegner wurde am Montagabend ein dreiminütiger Kurzfilm über Land und Leute gezeigt, der nach Angaben von DFB-Kapitän Michael Ballack "äußerst interessant" war. Über die weiteren deutschen Gegner Polen und Ecuador wird er die DFB-Auswahl zu gegebenem Zeitpunkt informieren. "Jürgen bestimmt, wann und wo ich zum Einsatz komme. Sein Wunsch ist mir Befehl", so der gebürtige Baseler.

Bei seinen Besuchen in Polen habe auf jeden Fall eine Aufbruchstimmung festmachen können, die sich auch auf die Mannschaft auswirke. Und von Ecuador erwartet der frühere Schweizer Profi, dass sich die Mannschaft als "verschworene Gemeinschaft" präsentiert, die verbissen und kämpferisch auftreten wird, wie es dem Naturell der Menschen in diesem gebeutelten Land Lateinamerikas entspreche.

Siegenthaler, in seiner Heimatstadt Basel noch so ganz nebenbei Chef seiner eigenen Firma für Mess-, Steuer- und Regeltechnik, greift bei seinen umfangreichen Recherchen auch auf Studenten der Kölner Sport-Hochschule zurück, die Daten und Fakten rund um den Globus sammeln und zuletzt alle weltweit im TV übertragenen Spiele ausgewertet haben.

Informationen laufen in Köln zusammen

"Die Sichtung eines einzigen Spiels kann acht bis zehn Stunden dauern. Das kann ich nicht alleine bewältigen, zumal ich mich auf das Wesentliche konzentrieren will", sagt er. Unter Führung des Projektleiters Professor Jürgen Buschmann laufen in Köln derzeit alle Informationen zusammen, die dann innerhalb kürzester Zeit komprimiert auf dem Datenweg an Siegenthaler weitergeleitet werden.

"Im Fußball entscheiden Details. Also sammeln die Studenten Details, Fakten, Interna, auch aus dem persönlichen Bereich. Was manche als Geheimdienst bezeichnen, ist Standard in den Trainingsstäben der führenden Fußballnationen", erklärt Siegenthaler. Nach diesen Vorgaben werden von allen WM-Teilnehmern "Konzentrate" erstellt, die Klinsmann zur Verfügung gestellt werden.

Zudem ist Siegenthalers Fachwissen auch bei der Auswertung der deutschen Spiele und der Trainingsarbeit gefragt. Anhand von Video-Aufzeichnungen und computerunterstützten Analysen kann er Klinsmann wichtige Hinweise geben. Siegenthaler, der gerne über die WM hinaus weiter für den DFB und vor allem für Klinsmann arbeiten möchte, ist auch in den kommenden Wochen einer der wichtigsten Ansprechpartner des Bundestrainers. [sid/ar]


[bild1]Die Angelegenheit ist top secret. "Zu Inhalten darf ich nichts sagen, das ist streng vertraulich", erklärt Urs Siegenthaler und bittet nachhaltig um Verständnis. Der Schweizer ist kurz vor dem WM-Eröffnungsspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Costa Rica am Freitag der größte Geheimnisträger im DFB-Tross.



"Verrate uns, wie wir den Gegner schlagen", lautet die klare
Anweisung von Bundestrainer Jürgen Klinsmann an seinen Spion, der seit dem FIFA Confederations Cup im vergangenen Sommer als Chefscout und Analytiker für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) arbeitet. Am Montag und Dienstag stimmte der 59-Jährige, dessen Vertrag zunächst bis zum WM-Ende läuft, im deutschen WM-Quartier Schlosshotel im Grunewald die Mannschaft auf die "Ticos" ein.



"Kurze und prägnante Ansprachen"



"Das sind kurze, prägnante und vor allem zielgerichtete
Ansprachen. Die Vorträge dürfen nicht zu lang werden, sonst ermüden die Spieler, und das wollen wir auf alle Fälle verhindern", erklärte der gelernte Ingenieur im Gespräch mit dem
Sport-Informations-Dienst (sid). Wichtig sei ihm bei all seinen
Einlassungen, "dass die Detailinfos ein Höchstmaß an Objektivität haben. Ich sage, wie es ist, und nicht, wie es sein könnte".



Maximal zehn bis 15 Minuten dauern die diversen Vorträge, in
denen er den deutschen Profis unter anderem anhand von
Videosequenzen die Stärken und Schwächen des Auftaktgegners
vermitteln will. "Wir werden über die Mannschaft sprechen, aber
auch einzelne Spieler genauer mit ihren individuellen Eigenschaften vorstellen", verrät Siegenthaler, der in den letzen Wochen Tausende von Flugkilometern zurückgelegt und laut Klinsmanns Assistenztrainer Joachim Löw "Unmengen von Material" gesammelt hat.



So hat er im Vorfeld der WM nicht nur Costa Rica unter anderem
vor einigen Tagen beim 0:4 gegen die Ukraine in Kiew, sondern auch die weiteren Gruppengegner Polen und Ecuador in Augenschein
genommen. In Costa Rica hat Siegenthaler unter anderem vier
Ligaspiele besucht, um sich einen Eindruck zu verschaffen.



Siegenthaler kommt es aber neben fußball-spezifischen
Dingen wie taktisches Verhalten oder Standard-Situationen darauf
an, die DFB-Kicker auch mit den Charaktereigenschaften des
jeweiligen Gegners vertraut zu machen. "Psychologische und
soziologische Komponenten sind ebenso wichtig. Sie nehmen auf das Spiel einer Mannschaft Einfluss", sagt er und fügt hinzu: "Costa Rica ist ein stolzes Volk und ein fortschrittliches Land. Mit diesem Bewusstsein werden auch die Spieler auftreten, also äußerst selbstsicher."



Zur Einstimmung auf den ersten Gegner wurde am Montagabend ein
dreiminütiger Kurzfilm über Land und Leute gezeigt, der nach
Angaben von DFB-Kapitän Michael Ballack "äußerst interessant" war. Über die weiteren deutschen Gegner Polen und Ecuador wird er die DFB-Auswahl zu gegebenem Zeitpunkt informieren. "Jürgen
bestimmt, wann und wo ich zum Einsatz komme. Sein Wunsch ist mir
Befehl", so der gebürtige Baseler.



Bei seinen Besuchen in Polen habe auf jeden Fall eine
Aufbruchstimmung festmachen können, die sich auch auf die
Mannschaft auswirke. Und von Ecuador erwartet der frühere Schweizer Profi, dass sich die Mannschaft als "verschworene Gemeinschaft" präsentiert, die verbissen und kämpferisch auftreten wird, wie es dem Naturell der Menschen in diesem gebeutelten Land Lateinamerikas entspreche.



Siegenthaler, in seiner Heimatstadt Basel noch so ganz
nebenbei Chef seiner eigenen Firma für Mess-, Steuer- und
Regeltechnik, greift bei seinen umfangreichen Recherchen auch auf Studenten der Kölner Sport-Hochschule zurück, die Daten und Fakten rund um den Globus sammeln und zuletzt alle weltweit im TV übertragenen Spiele ausgewertet haben.



Informationen laufen in Köln zusammen



"Die Sichtung eines einzigen Spiels kann acht bis zehn Stunden
dauern. Das kann ich nicht alleine bewältigen, zumal ich mich auf das Wesentliche konzentrieren will", sagt er. Unter Führung des Projektleiters Professor Jürgen Buschmann laufen in Köln derzeit alle Informationen zusammen, die dann innerhalb kürzester Zeit komprimiert auf dem Datenweg an Siegenthaler weitergeleitet werden.



[bild2]"Im Fußball entscheiden Details. Also sammeln die Studenten
Details, Fakten, Interna, auch aus dem persönlichen Bereich. Was
manche als Geheimdienst bezeichnen, ist Standard in den
Trainingsstäben der führenden Fußballnationen", erklärt
Siegenthaler. Nach diesen Vorgaben werden von allen WM-Teilnehmern "Konzentrate" erstellt, die Klinsmann zur Verfügung gestellt werden.



Zudem ist Siegenthalers Fachwissen auch bei der Auswertung der
deutschen Spiele und der Trainingsarbeit gefragt. Anhand von
Video-Aufzeichnungen und computerunterstützten Analysen kann er
Klinsmann wichtige Hinweise geben. Siegenthaler, der gerne über die WM hinaus weiter für den DFB und vor allem für Klinsmann arbeiten möchte, ist auch in den kommenden Wochen einer der wichtigsten Ansprechpartner des Bundestrainers.