Ur-Kieler Siedschlag: "Erst mal nichts vom Fußball hören"

In der Kieler In-Location "Treibgut", direkt an der weltberühmten Förde gelegen, feierten Spieler, Trainer und Verantwortliche des Drittliga-Dritten Holstein Kiel ihren Saisonabschluss. Keine 24 Stunden nach dem dramatischen Scheitern in der Relegation zur 2. Bundesliga beim TSV 1860 München (0:0 und 1:2 durch ein Gegentor in der Nachspielzeit) waren zwar die bitteren Tränen der Störche getrocknet. "Richtige Freude über unsere grandiose Saison wollte aber auch nicht aufkommen", sagt Mittelfeldspieler Tim Siedschlag (27) im Gespräch mit DFB.de: "Dafür sind die Erinnerungen einfach noch zu frisch."

Als krasser Außenseiter waren die Kieler in die Spielzeit 2014/2015 gestartet, legten dann aber vor allem eine grandiose Rückserie hin, blieben vom 22. bis zum 37. Spieltag unbesiegt und waren schon während der regulären Saison ganz nah dran an der Rückkehr in die 2. Bundesliga nach 34 Jahren Abstinenz. Am Ende standen die Nordlichter jedoch mit leeren Händen da und müssen in der kommenden Saison einen neuen Anlauf starten.

"Wir wollen aus dieser bitteren Erfahrung neue Stärke ziehen", so der Ur-Kieler Siedschlag, der kein einziges der insgesamt 44 Pflichtspiele in dieser Saison verpasst hatte und bis auf eine Ausnahme immer zur Startformation von KSV-Trainer Karsten Neitzel gehörte.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Tim Siedschlag mit dem Journalisten Ralf Debat über den hauchdünn verpassten Aufstieg, den Vergleich mit Bayern München und die neue Fußball-Euphorie in Kiel.

DFB.de: Wie haben Sie die ersten Stunden nach dem fast in letzter Sekunde zerplatzten Zweitliga-Traum verbracht, Herr Siedschlag?

Tim Siedschlag: Auf jeden Fall hatte ich lange Zeit kein Auge zugemacht. Nach dem Spiel in München sind wir mit dem Bus - bis auf zwei Pausen - die ganze Nacht durchgefahren, waren erst kurz vor Mittag zurück in Kiel. Einige Stunden später haben wir uns schon wieder zu einer Autogrammstunde und dann zur Saisonabschlussfeier getroffen. Sie können sich vorstellen, dass dabei allerdings keine richtige Freude aufkommen wollte.

DFB.de: Bis in die Schlussphase der Partie in der Allianz Arena sah Holstein Kiel nach dem frühen Führungstreffer von Kapitän Rafael Kazior wie der sichere Zweitliga-Aufsteiger aus. Was ist dann passiert?

Siedschlag: Eigentlich war der Spielverlauf wirklich optimal für uns. Mehrfach habe ich mich dabei erwischt, wie ich auf die Anzeigetafel geschaut und gesehen habe, dass die Uhr für uns tickte. Selbst die 1860-Fans haben ja schon nicht mehr an eine Wende geglaubt. Erst nach dem 1:1 wurden die Zuschauer wieder wach und wir sind plötzlich nicht mehr hinten rausgekommen. Als dann das zweite Gegentor fiel, kam es mir vor, als würde uns der Boden unter den Füßen weggezogen. Obwohl noch zwei oder drei Minuten zu spielen waren, konnten wir dann nicht mehr reagieren.



In der Kieler In-Location "Treibgut", direkt an der weltberühmten Förde gelegen, feierten Spieler, Trainer und Verantwortliche des Drittliga-Dritten Holstein Kiel ihren Saisonabschluss. Keine 24 Stunden nach dem dramatischen Scheitern in der Relegation zur 2. Bundesliga beim TSV 1860 München (0:0 und 1:2 durch ein Gegentor in der Nachspielzeit) waren zwar die bitteren Tränen der Störche getrocknet. "Richtige Freude über unsere grandiose Saison wollte aber auch nicht aufkommen", sagt Mittelfeldspieler Tim Siedschlag (27) im Gespräch mit DFB.de: "Dafür sind die Erinnerungen einfach noch zu frisch."

Als krasser Außenseiter waren die Kieler in die Spielzeit 2014/2015 gestartet, legten dann aber vor allem eine grandiose Rückserie hin, blieben vom 22. bis zum 37. Spieltag unbesiegt und waren schon während der regulären Saison ganz nah dran an der Rückkehr in die 2. Bundesliga nach 34 Jahren Abstinenz. Am Ende standen die Nordlichter jedoch mit leeren Händen da und müssen in der kommenden Saison einen neuen Anlauf starten.

"Wir wollen aus dieser bitteren Erfahrung neue Stärke ziehen", so der Ur-Kieler Siedschlag, der kein einziges der insgesamt 44 Pflichtspiele in dieser Saison verpasst hatte und bis auf eine Ausnahme immer zur Startformation von KSV-Trainer Karsten Neitzel gehörte.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Tim Siedschlag mit dem Journalisten Ralf Debat über den hauchdünn verpassten Aufstieg, den Vergleich mit Bayern München und die neue Fußball-Euphorie in Kiel.

DFB.de: Wie haben Sie die ersten Stunden nach dem fast in letzter Sekunde zerplatzten Zweitliga-Traum verbracht, Herr Siedschlag?

Tim Siedschlag: Auf jeden Fall hatte ich lange Zeit kein Auge zugemacht. Nach dem Spiel in München sind wir mit dem Bus - bis auf zwei Pausen - die ganze Nacht durchgefahren, waren erst kurz vor Mittag zurück in Kiel. Einige Stunden später haben wir uns schon wieder zu einer Autogrammstunde und dann zur Saisonabschlussfeier getroffen. Sie können sich vorstellen, dass dabei allerdings keine richtige Freude aufkommen wollte.

DFB.de: Bis in die Schlussphase der Partie in der Allianz Arena sah Holstein Kiel nach dem frühen Führungstreffer von Kapitän Rafael Kazior wie der sichere Zweitliga-Aufsteiger aus. Was ist dann passiert?

Siedschlag: Eigentlich war der Spielverlauf wirklich optimal für uns. Mehrfach habe ich mich dabei erwischt, wie ich auf die Anzeigetafel geschaut und gesehen habe, dass die Uhr für uns tickte. Selbst die 1860-Fans haben ja schon nicht mehr an eine Wende geglaubt. Erst nach dem 1:1 wurden die Zuschauer wieder wach und wir sind plötzlich nicht mehr hinten rausgekommen. Als dann das zweite Gegentor fiel, kam es mir vor, als würde uns der Boden unter den Füßen weggezogen. Obwohl noch zwei oder drei Minuten zu spielen waren, konnten wir dann nicht mehr reagieren.

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DFB.de: Ihr Trainer Karsten Neitzel, der während seiner Profikarriere schon einiges mitgemacht hat, sprach davon, dass er etwas Schlimmeres im Sport noch nicht erlebt habe. Ging Ihnen das auch so?

Siedschlag: Absolut. In solchen Momenten fällt einem nichts mehr ein, der Kopf ist total leer. Da ist es schwer, Vergleiche zu ziehen. Jetzt kann ich mir aber in etwa vorstellen, wie sich die Spieler von Bayern München nach den Niederlagen in den beiden Champions-League-Endspielen gegen Manchester United oder den FC Chelsea gefühlt haben müssen. Bitterer geht es wirklich nicht.

DFB.de: Wie sind Ihre Teamkollegen und Sie mit der Enttäuschung umgegangen?

Siedschlag: Das muss jeder erst einmal für sich verarbeiten. Es wird mit Sicherheit auch noch einige Zeit dauern, bis dieser Prozess abgeschlossen ist. Ganz klar: Direkt nach dem Spiel sind einige Tränen geflossen. Später haben wir noch lange in der Kabine zusammengesessen, viel gesprochen wurde aber nicht. Der Trainer hat versucht, aufmunternde Worte zu finden. Die Enttäuschung war aber einfach zu groß. Einige Spieler saßen auf der Rückfahrt im Bus zusammen und haben geredet. Andere waren in sich gekehrt und wollten einfach nur in Ruhe gelassen werden.

DFB.de: Gab es nach dem Scheitern viel Zuspruch?

Siedschlag: Auf jeden Fall. Zunächst kamen auf meinem Handy nahezu minütlich Nachrichten an, die uns trösten sollten. Doch auf Worte wie "schade" oder "Kopf hoch" hat in einer solchen Situation niemand Bock. Was uns dann aber in Kiel erwartet hat, war grandios. Bei der schon länger geplanten Autogrammstunde in einem Einkaufszentrum standen die Menschen Spalier, haben applaudiert und uns gefeiert. Das hat unglaublich gut getan. Ich bin schon sehr lange bei Holstein. Aber eine solche Stimmung wie in den letzten Wochen habe ich in Kiel noch nicht erlebt. An jeder Ecke werden wir angesprochen, alle haben uns die Daumen gedrückt, jeder ist heiß auf Fußball. Das war für mich ein ganz neues Gefühl.

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DFB.de: Sie stammen aus dem nur rund 35 Kilometer entfernten Neumünster, spielten schon als Jugendlicher für Holstein und sind - abgesehen von einer einjährigen Unterbrechung - seit 2005 im Verein. Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Ihrem Klub beschreiben?

Siedschlag: Keine Frage: Für mich ist die KSV Holstein ein besonderer Verein, das Gleiche gilt aber auch für die Stadt Kiel insgesamt. Ich fühle mich hier wohl und zu Hause. Meine Familie ist nicht weit entfernt. Auch während der einen Saison beim VfB Lübeck habe ich deshalb immer in Kiel gewohnt.

DFB.de: Zurück zu Bayern München: Nach den Finalniederlagen gegen ManUnited und Chelsea gelang jeweils nur wenig später doch noch der Triumph in der Königsklasse.

Siedschlag: Auch wir werden selbstverständlich versuchen, aus dieser traurigen Erfahrung neue Stärke zu ziehen und in der nächsten Saison wieder anzugreifen.

DFB.de: Die Messlatte liegt jetzt sehr hoch, oder?

Siedschlag: Die Erwartungen sind sicher höher gesteckt, dürfen aber auch nicht in den Himmel wachsen. In dieser starken 3. Liga werden wir bestimmt auch in der nächsten Saison kein Top-Favorit sein. Mit unserem Kapitän Rafael Kazior, Patrick Breitkreutz, Marcel Gebers oder auch Fiete Sykora und Patrick Auracher verlassen uns einige Spieler, die hier über viele Jahre wichtige Bestandteile der Mannschaft waren. Sie müssen erst einmal ersetzt werden. Außerdem gehört auch immer etwas Glück dazu, um erneut einen solchen Positivlauf zu erwischen. Wir werden jedoch alles geben, um uns und unseren Fans den Traum zu erfüllen. Irgendwann will ich in der 2. Bundesliga spielen - am liebsten mit Holstein Kiel.

DFB.de: Wie geht es jetzt zunächst weiter?

Siedschlag: Der Urlaub wird kurz, schon am 24. Juni ist wieder Training. Bis dahin werden wir zunächst mit einigen Spielern ein paar Tage auf Mallorca verbringen und uns dann richtig erholen. Spätestens nach dem Champions-League-Finale am Samstag will ich erst einmal mindestens zwei Wochen lang nichts vom Fußball hören, um Abstand zu gewinnen. Danach wird dann aber mit Sicherheit die Vorfreude auf die neue Saison täglich wachsen.