Tuchel: "Trainer-Ausbildung qualitativ deutlich verbessert"

Thomas Tuchel ist derzeit so etwas wie der Mann der Stunde. Obwohl er das Bundesliga-Team von Mainz 05 erst wenige Tage vor dem ersten Saisonspiel übernahm, legte der Aufsteiger unter dem neuen Trainer einen sehr guten Start hin. Elf Punkte bedeuten nach sieben Partien Platz acht.

Aus dem Abstiegskandidaten Nummer eins ist die Überraschungsmannschaft schlechthin geworden. Im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Jörg Runde spricht Tuchel über seine Ziele für die aktuelle Spielzeit, die Bedeutung von Taktik und die Fußball-Lehrer-Ausbildung in Deutschland.

Frage: Herr Tuchel, auch die Niederlage in Bremen kann nichts daran ändern, dass Sie mit Ihrer Mannschaft richtig gut in die Saison gestartet sind. Und das, obwohl Sie erst kurz vor dem ersten Bundesligaspiel den Trainerjob übernommen haben. Überrascht Sie der gute Tabellenplatz?

Thomas Tuchel: Wir haben uns nicht mit Hochrechnungen beschäftigt. Die Mannschaft nicht, das Umfeld nicht und ich auch nicht. Wir haben uns bemüht, uns gegenseitig so schnell wie möglich kennenzulernen und uns dann auf den jeweiligen Gegner vorzubereiten. Und bei aller Gegnerorientierung haben wir versucht, unseren eigenen Stil zu entwickeln. Dass das dann in den ersten Spielen so gut geklappt hat, ist natürlich sehr positiv. Das gibt uns Sicherheit für die kommenden Wochen. Mainz 05 überrascht derzeit eigentlich jede Woche mit einer neuen taktischen Ausrichtung.

Frage: Wie geht das?

Tuchel: Das machen wir nicht, nur um etwas Neues zu probieren. Es ist tatsächlich so, dass wir immer noch in der Kennenlernphase sind. Wir sind erst rund sechs Wochen zusammen, sind so gesehen also noch in der Vorbereitungsperiode. Ich versuche jetzt - das stelle ich dann auch über die Grundordnung -, jene Spieler auszuwählen, die eine gute Form haben. Die bringe ich dann auf jener Position auf dem Feld, auf der sie sich wohlfühlen. Und dennoch sollen möglichst viele Inhalte unserer Spielprinzipien abgebildet sein. So ist es halt vorgekommen, dass wir schon mehrere Grundordnungen gespielt haben.

Frage: Den Spielern bereitet das keine Schwierigkeiten?

Tuchel: Die Mannschaft hat damit überhaupt keine Probleme. Das steht uns auch ganz gut, wenn wir im Kopf flexibel bleiben. Ich schließe aber nicht aus, dass wir uns auf ein System fixieren, weil wir dort die Stärken jedes Einzelnen am besten nutzen können.



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Thomas Tuchel ist derzeit so etwas wie der Mann der Stunde. Obwohl er das Bundesliga-Team von Mainz 05 erst wenige Tage vor dem ersten Saisonspiel übernahm, legte der Aufsteiger unter dem neuen Trainer einen sehr guten Start hin. Elf Punkte bedeuten nach sieben Partien Platz acht.

Aus dem Abstiegskandidaten Nummer eins ist die Überraschungsmannschaft schlechthin geworden. Im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Jörg Runde spricht Tuchel über seine Ziele für die aktuelle Spielzeit, die Bedeutung von Taktik und die Fußball-Lehrer-Ausbildung in Deutschland.

Frage: Herr Tuchel, auch die Niederlage in Bremen kann nichts daran ändern, dass Sie mit Ihrer Mannschaft richtig gut in die Saison gestartet sind. Und das, obwohl Sie erst kurz vor dem ersten Bundesligaspiel den Trainerjob übernommen haben. Überrascht Sie der gute Tabellenplatz?

Thomas Tuchel: Wir haben uns nicht mit Hochrechnungen beschäftigt. Die Mannschaft nicht, das Umfeld nicht und ich auch nicht. Wir haben uns bemüht, uns gegenseitig so schnell wie möglich kennenzulernen und uns dann auf den jeweiligen Gegner vorzubereiten. Und bei aller Gegnerorientierung haben wir versucht, unseren eigenen Stil zu entwickeln. Dass das dann in den ersten Spielen so gut geklappt hat, ist natürlich sehr positiv. Das gibt uns Sicherheit für die kommenden Wochen. Mainz 05 überrascht derzeit eigentlich jede Woche mit einer neuen taktischen Ausrichtung.

Frage: Wie geht das?

Tuchel: Das machen wir nicht, nur um etwas Neues zu probieren. Es ist tatsächlich so, dass wir immer noch in der Kennenlernphase sind. Wir sind erst rund sechs Wochen zusammen, sind so gesehen also noch in der Vorbereitungsperiode. Ich versuche jetzt - das stelle ich dann auch über die Grundordnung -, jene Spieler auszuwählen, die eine gute Form haben. Die bringe ich dann auf jener Position auf dem Feld, auf der sie sich wohlfühlen. Und dennoch sollen möglichst viele Inhalte unserer Spielprinzipien abgebildet sein. So ist es halt vorgekommen, dass wir schon mehrere Grundordnungen gespielt haben.

Frage: Den Spielern bereitet das keine Schwierigkeiten?

Tuchel: Die Mannschaft hat damit überhaupt keine Probleme. Das steht uns auch ganz gut, wenn wir im Kopf flexibel bleiben. Ich schließe aber nicht aus, dass wir uns auf ein System fixieren, weil wir dort die Stärken jedes Einzelnen am besten nutzen können.

Frage: Sie stellen recht hohe Anforderungen an Ihre Spieler.

Tuchel: Ja, das muss uns auch auszeichnen, das müssen wir uns bewahren. Wir sind eine junge, flexible Mannschaft. Das kann unterm Strich ein Wettbewerbsvorteil sein, weil wir somit unberechenbar sind.

Frage: Was erwarten Sie vom restlichen Saisonverlauf?

Tuchel: Wir wollen den Klassenverbleib mit einer klaren Handschrift erreichen. Man soll sagen können: Mainz 05 steht für erfrischenden Offensivfußball und aggressives Spiel gegen den Ball.

Frage: Angst, dass Ihre jungen Spieler angesichts des Erfolges abheben könnten, haben Sie nicht?

Tuchel: Im Moment bin ich diesbezüglich sehr zuversichtlich. Ich beobachte mit Freude, wie bescheiden die Spieler mit den Erfolgen umgehen. Und da ich außerdem sehe, mit wie viel Engagement gearbeitet wird, gibt es keinen Anlass einzuschreiten.

Frage: Von Trainern hört man immer mal wieder, man habe ja so viele junge Spieler in der Mannschaft. Sie lassen das nicht als Ausrede gelten?

Tuchel: Junge Spieler einzusetzen, ist kein Mittel zum Zweck. Das soll auch nicht als vorauseilende Entschuldigung dienen. Die Jungs haben sich den Einsatz durch Leistung verdient. Wir haben den Anspruch, dass sie mit ihren Qualitäten der Mannschaft weiterhelfen. Dadurch entsteht auch ein hoher Anspruch an die Spieler. Das machen diejenigen, die bisher die Chance bekommen haben, sehr gut. Das haben wir aber auch erwartet, denn die Eindrücke haben letztendlich entschieden.

Frage: Sind die jungen Spieler generell heute besser ausgebildet als noch vor zehn Jahren?

Tuchel: Das glaube ich schon. Wer die Leistungszentren in der Bundesliga kennt und weiß, wie da gearbeitet wird, kann das nur bestätigen. Die Spieler sind heute technisch und taktisch hervorragend geschult und auf einem sehr hohen Niveau. Sie bringen auch ein hohes Maß an Verständnis mit für Video-Analysen oder Athletik-Training.

Frage: Die Spieler sind also generell besser vorbereitet auf den Beruf als Fußballprofi?

Tuchel: Sie sind den größeren Aufwand, den das Dasein als Profi mit sich bringt, gewohnt. Die jungen Spieler werden diesen Ansprüchen besser gerecht als noch vor zehn Jahren.

Frage: Welche Rolle spielt bei dieser Erfolgsgeschichte DFB-Sportdirektor Matthias Sammer?

Tuchel: Mit Matthias Sammer hat ein extremes Erfolgs- und Anspruchsdenken in den Nachwuchsbereich Einzug gehalten hat. Mitspielen reicht nicht mehr aus, sondern man will beim DFB wieder die besten Mannschaften der Welt stellen. Das steht deutschen Teams gut zu Gesicht.

Frage: Und wie schätzen Sie die Bedeutung der Nachwuchszentren ein?

Tuchel: Da kann ich erst einmal nur für Mainz sprechen. Natürlich kann man nur deutscher A-Junioren-Meister werden, wenn man über Jahre hinweg herausragende Arbeit leistet. Nur mit guten Leistungszentren kann man Spieler so gut ausbilden, dass sie den Weg in die Bundesliga-Mannschaft schaffen.

Frage: Sie sind selbst Fußball-Lehrer. Wie wichtig sind gut ausgebildete Trainer für die Entwicklung der Talente?

Tuchel: Extrem wichtig. Ich bin ein großer Verfechter dieser Berufsausbildung und des Trainerberufs. Ich glaube, dass er sich grundlegend von dem Beruf des Spielers unterscheidet. Es gibt nur sehr, sehr wenig Parallelen, die darauf schließen lassen, dass eine erfolgreiche Spielerkarriere zwangsläufig zu einer erfolgreichen Trainer-Laufbahn führt. Ich halte es für unabdingbar, dass der Beruf in Ruhe und in allen notwendigen Bereichen gelernt wird. Ich bin dankbar, dass ich die Gelegenheit dazu hatte.

Frage: Wie hat sich die Trainer-Ausbildung entwickelt?

Tuchel: Ich bin der Ansicht, dass sich die Ausbildungsstationen über die einzelnen Lizenzen qualitativ deutlich verbessert haben. Die regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen der DFB-Leistungszentren sind auf höchstem Niveau. Da gibt es viele Anregungen, die dafür sorgen, dass sehr gut ausgebildete Trainer in den Jugendmannschaften arbeiten. Die sorgen wiederum dafür, dass Talente gefördert und gut ausgebildet werden.

Frage: Sie haben mit vielen Toptrainern zusammen gearbeitet. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?

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Tuchel: Die Arbeit mit Ralf Rangnick hat mich sehr geprägt. Er hat mir eine neue Sichtweise auf den Fußball eröffnet.

Frage: Hatten Sie auch einen Mentor?

Tuchel: Herman Badstuber, der dieses Jahr leider verstorben ist, war so etwas wie mein sportlicher Ziehvater. Er hat aus meiner Euphorie für den Beruf Akribie gemacht. Er hat mir sehr viel beigebracht und mich dazu gebracht, dass ich so wissbegierig und akribisch wurde, wie ich es heute bin.

Frage: Wie bilden Sie sich heute weiter?

Tuchel: Ich halte mir jederzeit offen, aus Vorträgen von Matthias Sammer, Urs Siegenthaler, Christoph Daum oder Bernhard Peters immer wieder neue Dinge herauszuziehen. Ich will stets offen und neugierig bleiben. Ich glaube, dass genau das zu meinen Stärken gehört.

Frage: Sie haben Rangnick und Peters angesprochen. Hat die Hoffenheimer Spielweise Vorbildcharakter für Ihr Team?

Tuchel: Ein bisschen schon. Sie ist schon geprägt von der baden-württembergischen Trainerlehre, von der Idee des aggressiven Spiels gegen den Ball. Da bin ich natürlich durch meine fünfjährige Tätigkeit im VfB-Nachwuchszentrum inspiriert. Unterm Strich ist es ein Grund, warum die Spielphilosophie fast ideal zu Mainz 05 passt. Dort hatten das Jürgen Klopp und Wolfgang Frank ja so bereits eingeführt. Das passte einfach.

Frage: Wie sehen Sie denn die Entwicklung der Taktik insgesamt in Deutschland: Hinkt die Bundesliga hinterher?

Tuchel: Das ist eine große Frage für jemanden, der erst wenige Bundesligaspiele als Trainer hat. Wenn ich die internationalen Auftritte von Bayern München und Werder Bremen in den vergangenen Jahren betrachte, kann ich sagen, dass wir uns nicht zu verstecken brauchen. Es ist vielleicht ein bisschen die deutsche Mentalität, das eigene Glas eher halb leer zu sehen als halb voll. Ich glaube, dass viele Dinge von anderen Nationen einfach viel positiver verkauft werden als hier in Deutschland.