TSG-Trainer Stephan Lerch: "Entscheidung mit Kopf und Herz"

Dreimal Deutscher Meister, viermal DFB-Pokalsieger, zwei Teilnahmen am Finale der Champions League: In vier Jahren als Cheftrainer des VfL Wolfsburg eilte Stephan Lerch von Erfolg zu Erfolg. Seit wenigen Tagen ist der 38 Jahre alte Fußball-Lehrer zurück in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga, betreut die TSG Hoffenheim. Im DFB.de-Interview spricht Lerch mit Mitarbeiter Ralf Debat über seine Rückkehr.

DFB.de: Wie hat es sich angefühlt, nach knapp zwei Jahren erstmals wieder in der FYLERALARM Frauen-Bundesliga auf der Bank Platz zu nehmen, Herr Lerch?

Stephan Lerch: Für mich persönlich war die Rückkehr sehr schön, der Rahmen war mit dem Freiburger Dreisamstadion auch nicht gerade schlecht. Ich war am Ende natürlich sehr erleichtert, dass auch das Ergebnis gestimmt hat. Es geht dabei aber immer um das Team und den Verein, nicht um mich. Nach einem sehr guten Beginn in der ersten Halbzeit war es insgesamt nicht unser bestes Spiel. Dennoch war der Lucky Punch durch Melissa Kössler in der Schlussminute aus meiner Sicht nicht unverdient.

DFB.de: Sie wirkten an der Linie sehr aktiv. War das schon immer Ihre Art oder hat sich da durch Ihre zwischenzeitliche Tätigkeit im männlichen Juniorenfußball etwas verändert?

Lerch: Kam ich wirklich so rüber? (lacht) Richtig ist auf jeden Fall, dass ich direkt voll im Spiel war und dass es als Trainer meine Aufgabe ist, dem Team auf dem Platz so gut wie möglich zu helfen. Durch verschiedene Tätigkeiten macht jeder Mensch Entwicklungsschritte und verändert sich bestimmt auch ein wenig. Ich würde das jetzt aber nicht unbedingt an meinen Jobs als U 17- und U 19-Trainer der TSG festmachen.

DFB.de: Täuscht der Eindruck oder wollten Sie besonders in der Schlussphase dem Team vorleben, dass der Siegtreffer noch möglich ist?

Lerch: Es wäre ja schlimm, wenn das nicht der Fall wäre. Ich hatte den Spielerinnen vor der Partie mit auf den Weg gegeben, bis zum Ende offensiv zu denken. Dass es mit dem späten Tor geklappt hat, war vom Zeitpunkt her sicherlich glücklich. Aber die Mannschaft hat bis zum Schluss an sich geglaubt und wurde dafür belohnt.

DFB.de: Wie bewerten Sie die aktuelle Tabellensituation im Rennen um die Teilnahme an der Qualifikation zur Champions League?

Lerch: Aktuell sieht es danach aus, dass Eintracht Frankfurt und wir die besten Chancen haben, Platz drei zu erreichen. Das ist eine sehr gute Ausgangsposition für uns, mit der vor einigen Wochen sicherlich noch nicht so zu rechnen war.

DFB.de: Wird die Partie beim direkten Konkurrenten Eintracht Frankfurt am Samstag, 1. April, zu einem echten "Endspiel"?

Lerch: So weit würde ich nicht gehen. Es kann sicherlich ein richtungweisendes Spiel werden. Aber dafür müssen wir erst einmal am Sonntag gegen die SGS Essen unsere Hausaufgaben machen und unsere Serie fortsetzen. Auch nach dem Frankfurt-Spiel müssen beide Teams noch fünf weitere schwierige Begegnungen bestreiten. Unser Ziel muss es sein, das Rennen im besten Fall bis zum Saisonfinale offen zu gestalten.

DFB.de: Genau wie bei Ihrem Debüt in Freiburg treffen Sie auch gegen die SGS Essen auf einen früheren Assistenten. Eine kuriose Konstellation, oder?

Lerch: Das kann ich nicht abstreiten. Mit Freiburgs Trainerin Theresa Merk habe ich beim VfL Wolfsburg ebenso zusammengearbeitet wie mit Markus Högner von der SGS Essen. Ich muss mal überlegen, wen ich als nächstes treffe. (lacht) Aber Spaß beiseite: Markus und ich waren zwar nur sechs Monate zusammen in Wolfsburg, sind aber auch danach noch in Kontakt geblieben. Ich freue mich, einen sympathischen Kollegen bei uns in Hoffenheim zu begrüßen. Ich weiß aber auch, dass Markus mit seinem Team alles tun wird, um uns das Leben schwerzumachen. Es könnte ein Geduldspiel werden.

DFB.de: Mal Hand aufs Herz: Wie lange mussten Sie überlegen, als Ihnen der Verein nach der Trennung von Gabor Gallai im Winter den Job als Cheftrainer des Frauen-Teams angeboten hatte?

Lerch: Die eine oder andere Nacht habe ich schon drüber geschlafen. Am Ende hatte ich jedoch ein sehr gutes Gefühl, weil das Gesamtpakt bei der TSG stimmt. Ich hatte schon bei meinem Abschied aus Wolfsburg gesagt, dass ich mir eine Rückkehr zum Frauenfußball durchaus vorstellen kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, beispielsweise in Bezug auf die Professionalität, die Trainingsmöglichkeiten und die Kompetenzen im sportlichen Bereich. Das passt für mich. Deshalb war es am Ende eine Entscheidung mit Kopf und Herz.

DFB.de: Hatte der aktuelle Boom im Frauenfußball Auswirkungen auf Ihre Entscheidung?

Lerch: Nein, das hat keine große Rolle gespielt. Denn für mich kommt die Entwicklung auch nicht überraschend. Es war schon vor zwei Jahren absehbar, dass wir bei den Zuschauerzahlen, beim Medieninteresse und bei den professionellen Bedingungen viel Luft nach oben haben und dass sich einiges bewegen wird. Vor allem nach der EM in England ist viel passiert. Dennoch sind wir noch lange nicht da, wo es noch hingehen kann und muss.

DFB.de: Warum haben Sie trotz des schon vereinbarten Wechsels zu den Frauen die U 19 noch bis zum regulären Saisonende in der A-Junioren-Bundesliga trainiert?

Lerch: Es war nach den gemeinsamen Gesprächen im Winter für den Verein die beste Lösung, dass wir den Wechsel erst nach dem Saisonfinale der U 19 vollziehen. Das habe ich akzeptiert, auch wenn es schon eine besondere Herausforderung ist, mitten im laufenden Wettbewerb einzusteigen. Aber wir haben das gut hinbekommen.

DFB.de: Wie fällt Ihr Fazit nach jeweils einer Saison als U 17- und U 19-Trainer aus?

Lerch: Sportlich auf jeden Fall sehr positiv. Mit dem dritten Platz mit der U 17 und Rang vier mit der U 19 haben wir gute Ergebnisse erzielt, viele Spieler weiterentwickelt.

DFB.de: Sind Sie jetzt ein anderer, vielleicht auch besserer Trainer?

Lerch: Klares Ja! Für mich persönlich war der Schritt von Wolfsburg nach Hoffenheim auch deshalb wichtig, um meine Komfortzone zu verlassen und einen anderen Blickwinkel auf viele Dinge zu bekommen. Mit jeder neuen Tätigkeit kommen zusätzliche Kompetenzen, andere Anforderungen und angepasste Trainingsgestaltungen hinzu. Daher hat mich das definitiv vorangebracht. Und dieses Wissen werde ich auch in die neue Tätigkeit einbringen.

DFB.de: Was können Spitzenspielerinnen in der Frauen-Bundesliga vielleicht auch von aufstrebenden Talenten im Juniorenfußball lernen?

Lerch: Wir alle können und sollten voneinander lernen. Grundsätzlich geht es in beiden Fällen um Fußball, auch wenn die Schwerpunkte sicherlich verschieden sind. Der größte Unterschied ist die Dynamik des Spiels, was auch genetisch bedingt ist. Was das Verhalten auf dem Platz betrifft, aber auch mit Blick auf das ganze Drumherum, können sich die Jungs von den Frauen etwas abschauen. Manchmal stand ich bei der U 17 oder der U 19 auf dem Platz und habe gesagt: "Das läuft bei den Frauen anders und meiner Meinung nach besser."

DFB.de: Unter der Regie Ihrer aktuellen Assistentin Nadine Rolser eilte das Team in der Bundesliga von Sieg zu Sieg, musste nur durch das Aus im DFB-Pokal einen Rückschlag hinnehmen. Hat sie Ihnen den Einstieg dadurch schwieriger oder sogar leichter gemacht?

Lerch: Es geht um den Erfolg der Mannschaft. Durch die Siegesserie und die gute Arbeit des Trainerteams haben wir einen wichtigen Schritt gemacht, um unsere Ziele zu erreichen. Ich durfte ein hervorragendes und funktionierendes Team übernehmen, musste nicht bei Null anfangen. Das hat man direkt in den Trainingseinheiten gespürt. Dennoch muss ich zugeben, dass der Druck vor dem ersten Spiel in Freiburg nicht gerade gering war. Es wäre nicht optimal gewesen, wenn die Serie gleich in meiner ersten Partie gerissen wäre.

DFB.de: Wie sehr hatten Sie schon vor Ihrer Amtsübernahme Kontakt zum Team?

Lerch: Mit dem Trainerteam um Nadine sowie Abteilungsleiter Ralf Zwanziger war ich ständig im Austausch. Es gab auch das eine oder andere Treffen mit der Mannschaft zum Kennenlernen sowie einige Gespräche mit einzelnen Spielerinnen. Sonst habe ich mir aber eher zurückgehalten.

DFB.de: Als Trainer des VfL Wolfsburg waren Sie außergewöhnlich erfolgreich, gewannen drei Deutsche Meisterschaften und viermal den DFB-Pokal. Fällt es Ihnen schwer, ihre Ansprüche in dieser Beziehung zumindest ein wenig zurückschrauben zu müssen?

Lerch: Wer sagt denn, dass ich meine Ansprüche zurückschrauben muss? Diese waren auch zuvor ganz bestimmt nicht ausschließlich an Meisterschaften oder Pokalsiege geknüpft. Jede Trainertätigkeit bringt neue Aufgaben und neue Herausforderungen.

DFB.de: Wie würden Sie denn Ihre besondere Herausforderung als TSG-Trainer beschreiben?

Lerch: Wir wollen in den kommenden Jahren die nächsten Schritte gehen. Schon jetzt sind wir eine Mannschaft, die in Deutschland an guten Tagen jeden Gegner besiegen kann. Es wäre ein Ziel, das auch konstant über einen längeren Zeitraum immer wieder zu bestätigen.

DFB.de: Wollen Sie also auch in Hoffenheim ein Spitzenteam formen, das auf Dauer um Titel mitspielen kann?

Lerch: Ich werde jetzt nicht sagen, dass wir die Champions League gewinnen wollen, wenn Sie das meinen. (lacht) Auch in Deutschland werden der VfL Wolfsburg und der FC Bayern München noch über Jahre das Maß der Dinge sein. Dennoch wollen wir nicht nur in dieser Saison, sondern dauerhaft um die Teilnahme am internationalen Wettbewerb mitspielen und auf dieser Bühne auch Erfahrungen sammeln. Es ist ebenfalls kein Geheimnis, dass die TSG gerne mal ein Endspiel um den DFB-Pokal bestreiten würde. Wir alle sind hochmotiviert, uns dieser Herausforderung zu stellen.

DFB.de: In Wolfsburg konnten Sie über Jahre mit Topspielerinnen zusammenarbeiten. In Hoffenheim müssen Sie damit rechnen, dass auch Leistungsträgerinnen den Verein verlassen - wie im kommenden Sommer etwa Chantal Hagel oder Katharina Naschenweng. Wie gehen Sie damit um?

Lerch: Die Beobachtung ist richtig. Aber es spricht doch gerade für die sehr gute Arbeit, die bei der TSG Hoffenheim geleistet wird, wenn sich Spielerinnen bei uns so gut entwickeln, dass sie für die absoluten Topvereine interessant werden. Dadurch werden wir wiederum für junge und hochtalentierte Mädels attraktiv, die bei uns die Perspektive sehen und die Chance, den nächsten Schritt zu machen. Grundsätzlich sehe ich es aber auch als eine meiner Aufgaben im sportlichen Bereich an, dabei mitzuhelfen, dass es uns künftig auch gelingen kann, Leistungsträgerinnen für einen längeren Zeitraum an den Verein zu binden. Das wäre ebenfalls ein wichtiger Schritt auf unserem Weg.

[mspw]

Dreimal Deutscher Meister, viermal DFB-Pokalsieger, zwei Teilnahmen am Finale der Champions League: In vier Jahren als Cheftrainer des VfL Wolfsburg eilte Stephan Lerch von Erfolg zu Erfolg. Seit wenigen Tagen ist der 38 Jahre alte Fußball-Lehrer zurück in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga, betreut die TSG Hoffenheim. Im DFB.de-Interview spricht Lerch mit Mitarbeiter Ralf Debat über seine Rückkehr.

DFB.de: Wie hat es sich angefühlt, nach knapp zwei Jahren erstmals wieder in der FYLERALARM Frauen-Bundesliga auf der Bank Platz zu nehmen, Herr Lerch?

Stephan Lerch: Für mich persönlich war die Rückkehr sehr schön, der Rahmen war mit dem Freiburger Dreisamstadion auch nicht gerade schlecht. Ich war am Ende natürlich sehr erleichtert, dass auch das Ergebnis gestimmt hat. Es geht dabei aber immer um das Team und den Verein, nicht um mich. Nach einem sehr guten Beginn in der ersten Halbzeit war es insgesamt nicht unser bestes Spiel. Dennoch war der Lucky Punch durch Melissa Kössler in der Schlussminute aus meiner Sicht nicht unverdient.

DFB.de: Sie wirkten an der Linie sehr aktiv. War das schon immer Ihre Art oder hat sich da durch Ihre zwischenzeitliche Tätigkeit im männlichen Juniorenfußball etwas verändert?

Lerch: Kam ich wirklich so rüber? (lacht) Richtig ist auf jeden Fall, dass ich direkt voll im Spiel war und dass es als Trainer meine Aufgabe ist, dem Team auf dem Platz so gut wie möglich zu helfen. Durch verschiedene Tätigkeiten macht jeder Mensch Entwicklungsschritte und verändert sich bestimmt auch ein wenig. Ich würde das jetzt aber nicht unbedingt an meinen Jobs als U 17- und U 19-Trainer der TSG festmachen.

DFB.de: Täuscht der Eindruck oder wollten Sie besonders in der Schlussphase dem Team vorleben, dass der Siegtreffer noch möglich ist?

Lerch: Es wäre ja schlimm, wenn das nicht der Fall wäre. Ich hatte den Spielerinnen vor der Partie mit auf den Weg gegeben, bis zum Ende offensiv zu denken. Dass es mit dem späten Tor geklappt hat, war vom Zeitpunkt her sicherlich glücklich. Aber die Mannschaft hat bis zum Schluss an sich geglaubt und wurde dafür belohnt.

DFB.de: Wie bewerten Sie die aktuelle Tabellensituation im Rennen um die Teilnahme an der Qualifikation zur Champions League?

Lerch: Aktuell sieht es danach aus, dass Eintracht Frankfurt und wir die besten Chancen haben, Platz drei zu erreichen. Das ist eine sehr gute Ausgangsposition für uns, mit der vor einigen Wochen sicherlich noch nicht so zu rechnen war.

DFB.de: Wird die Partie beim direkten Konkurrenten Eintracht Frankfurt am Samstag, 1. April, zu einem echten "Endspiel"?

Lerch: So weit würde ich nicht gehen. Es kann sicherlich ein richtungweisendes Spiel werden. Aber dafür müssen wir erst einmal am Sonntag gegen die SGS Essen unsere Hausaufgaben machen und unsere Serie fortsetzen. Auch nach dem Frankfurt-Spiel müssen beide Teams noch fünf weitere schwierige Begegnungen bestreiten. Unser Ziel muss es sein, das Rennen im besten Fall bis zum Saisonfinale offen zu gestalten.

DFB.de: Genau wie bei Ihrem Debüt in Freiburg treffen Sie auch gegen die SGS Essen auf einen früheren Assistenten. Eine kuriose Konstellation, oder?

Lerch: Das kann ich nicht abstreiten. Mit Freiburgs Trainerin Theresa Merk habe ich beim VfL Wolfsburg ebenso zusammengearbeitet wie mit Markus Högner von der SGS Essen. Ich muss mal überlegen, wen ich als nächstes treffe. (lacht) Aber Spaß beiseite: Markus und ich waren zwar nur sechs Monate zusammen in Wolfsburg, sind aber auch danach noch in Kontakt geblieben. Ich freue mich, einen sympathischen Kollegen bei uns in Hoffenheim zu begrüßen. Ich weiß aber auch, dass Markus mit seinem Team alles tun wird, um uns das Leben schwerzumachen. Es könnte ein Geduldspiel werden.

DFB.de: Mal Hand aufs Herz: Wie lange mussten Sie überlegen, als Ihnen der Verein nach der Trennung von Gabor Gallai im Winter den Job als Cheftrainer des Frauen-Teams angeboten hatte?

Lerch: Die eine oder andere Nacht habe ich schon drüber geschlafen. Am Ende hatte ich jedoch ein sehr gutes Gefühl, weil das Gesamtpakt bei der TSG stimmt. Ich hatte schon bei meinem Abschied aus Wolfsburg gesagt, dass ich mir eine Rückkehr zum Frauenfußball durchaus vorstellen kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, beispielsweise in Bezug auf die Professionalität, die Trainingsmöglichkeiten und die Kompetenzen im sportlichen Bereich. Das passt für mich. Deshalb war es am Ende eine Entscheidung mit Kopf und Herz.

DFB.de: Hatte der aktuelle Boom im Frauenfußball Auswirkungen auf Ihre Entscheidung?

Lerch: Nein, das hat keine große Rolle gespielt. Denn für mich kommt die Entwicklung auch nicht überraschend. Es war schon vor zwei Jahren absehbar, dass wir bei den Zuschauerzahlen, beim Medieninteresse und bei den professionellen Bedingungen viel Luft nach oben haben und dass sich einiges bewegen wird. Vor allem nach der EM in England ist viel passiert. Dennoch sind wir noch lange nicht da, wo es noch hingehen kann und muss.

DFB.de: Warum haben Sie trotz des schon vereinbarten Wechsels zu den Frauen die U 19 noch bis zum regulären Saisonende in der A-Junioren-Bundesliga trainiert?

Lerch: Es war nach den gemeinsamen Gesprächen im Winter für den Verein die beste Lösung, dass wir den Wechsel erst nach dem Saisonfinale der U 19 vollziehen. Das habe ich akzeptiert, auch wenn es schon eine besondere Herausforderung ist, mitten im laufenden Wettbewerb einzusteigen. Aber wir haben das gut hinbekommen.

DFB.de: Wie fällt Ihr Fazit nach jeweils einer Saison als U 17- und U 19-Trainer aus?

Lerch: Sportlich auf jeden Fall sehr positiv. Mit dem dritten Platz mit der U 17 und Rang vier mit der U 19 haben wir gute Ergebnisse erzielt, viele Spieler weiterentwickelt.

DFB.de: Sind Sie jetzt ein anderer, vielleicht auch besserer Trainer?

Lerch: Klares Ja! Für mich persönlich war der Schritt von Wolfsburg nach Hoffenheim auch deshalb wichtig, um meine Komfortzone zu verlassen und einen anderen Blickwinkel auf viele Dinge zu bekommen. Mit jeder neuen Tätigkeit kommen zusätzliche Kompetenzen, andere Anforderungen und angepasste Trainingsgestaltungen hinzu. Daher hat mich das definitiv vorangebracht. Und dieses Wissen werde ich auch in die neue Tätigkeit einbringen.

DFB.de: Was können Spitzenspielerinnen in der Frauen-Bundesliga vielleicht auch von aufstrebenden Talenten im Juniorenfußball lernen?

Lerch: Wir alle können und sollten voneinander lernen. Grundsätzlich geht es in beiden Fällen um Fußball, auch wenn die Schwerpunkte sicherlich verschieden sind. Der größte Unterschied ist die Dynamik des Spiels, was auch genetisch bedingt ist. Was das Verhalten auf dem Platz betrifft, aber auch mit Blick auf das ganze Drumherum, können sich die Jungs von den Frauen etwas abschauen. Manchmal stand ich bei der U 17 oder der U 19 auf dem Platz und habe gesagt: "Das läuft bei den Frauen anders und meiner Meinung nach besser."

DFB.de: Unter der Regie Ihrer aktuellen Assistentin Nadine Rolser eilte das Team in der Bundesliga von Sieg zu Sieg, musste nur durch das Aus im DFB-Pokal einen Rückschlag hinnehmen. Hat sie Ihnen den Einstieg dadurch schwieriger oder sogar leichter gemacht?

Lerch: Es geht um den Erfolg der Mannschaft. Durch die Siegesserie und die gute Arbeit des Trainerteams haben wir einen wichtigen Schritt gemacht, um unsere Ziele zu erreichen. Ich durfte ein hervorragendes und funktionierendes Team übernehmen, musste nicht bei Null anfangen. Das hat man direkt in den Trainingseinheiten gespürt. Dennoch muss ich zugeben, dass der Druck vor dem ersten Spiel in Freiburg nicht gerade gering war. Es wäre nicht optimal gewesen, wenn die Serie gleich in meiner ersten Partie gerissen wäre.

DFB.de: Wie sehr hatten Sie schon vor Ihrer Amtsübernahme Kontakt zum Team?

Lerch: Mit dem Trainerteam um Nadine sowie Abteilungsleiter Ralf Zwanziger war ich ständig im Austausch. Es gab auch das eine oder andere Treffen mit der Mannschaft zum Kennenlernen sowie einige Gespräche mit einzelnen Spielerinnen. Sonst habe ich mir aber eher zurückgehalten.

DFB.de: Als Trainer des VfL Wolfsburg waren Sie außergewöhnlich erfolgreich, gewannen drei Deutsche Meisterschaften und viermal den DFB-Pokal. Fällt es Ihnen schwer, ihre Ansprüche in dieser Beziehung zumindest ein wenig zurückschrauben zu müssen?

Lerch: Wer sagt denn, dass ich meine Ansprüche zurückschrauben muss? Diese waren auch zuvor ganz bestimmt nicht ausschließlich an Meisterschaften oder Pokalsiege geknüpft. Jede Trainertätigkeit bringt neue Aufgaben und neue Herausforderungen.

DFB.de: Wie würden Sie denn Ihre besondere Herausforderung als TSG-Trainer beschreiben?

Lerch: Wir wollen in den kommenden Jahren die nächsten Schritte gehen. Schon jetzt sind wir eine Mannschaft, die in Deutschland an guten Tagen jeden Gegner besiegen kann. Es wäre ein Ziel, das auch konstant über einen längeren Zeitraum immer wieder zu bestätigen.

DFB.de: Wollen Sie also auch in Hoffenheim ein Spitzenteam formen, das auf Dauer um Titel mitspielen kann?

Lerch: Ich werde jetzt nicht sagen, dass wir die Champions League gewinnen wollen, wenn Sie das meinen. (lacht) Auch in Deutschland werden der VfL Wolfsburg und der FC Bayern München noch über Jahre das Maß der Dinge sein. Dennoch wollen wir nicht nur in dieser Saison, sondern dauerhaft um die Teilnahme am internationalen Wettbewerb mitspielen und auf dieser Bühne auch Erfahrungen sammeln. Es ist ebenfalls kein Geheimnis, dass die TSG gerne mal ein Endspiel um den DFB-Pokal bestreiten würde. Wir alle sind hochmotiviert, uns dieser Herausforderung zu stellen.

DFB.de: In Wolfsburg konnten Sie über Jahre mit Topspielerinnen zusammenarbeiten. In Hoffenheim müssen Sie damit rechnen, dass auch Leistungsträgerinnen den Verein verlassen - wie im kommenden Sommer etwa Chantal Hagel oder Katharina Naschenweng. Wie gehen Sie damit um?

Lerch: Die Beobachtung ist richtig. Aber es spricht doch gerade für die sehr gute Arbeit, die bei der TSG Hoffenheim geleistet wird, wenn sich Spielerinnen bei uns so gut entwickeln, dass sie für die absoluten Topvereine interessant werden. Dadurch werden wir wiederum für junge und hochtalentierte Mädels attraktiv, die bei uns die Perspektive sehen und die Chance, den nächsten Schritt zu machen. Grundsätzlich sehe ich es aber auch als eine meiner Aufgaben im sportlichen Bereich an, dabei mitzuhelfen, dass es uns künftig auch gelingen kann, Leistungsträgerinnen für einen längeren Zeitraum an den Verein zu binden. Das wäre ebenfalls ein wichtiger Schritt auf unserem Weg.

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