TSG-Trainer Lerch: "Gibt auch für Topteams keine Selbstläufer mehr"

Den VfL Wolfsburg führte Stephan Lerch (39) in vier Jahren zu drei Deutschen Meistertiteln, vier DFB-Pokalsiegen und zweimal ins Champions-League-Finale. Im Topspiel der 5. Runde der Google Pixel Frauen-Bundesliga kehrt der Trainer der TSG Hoffenheim am Sonntag (ab 14 Uhr, live bei MagentaSport und DAZN) nach Wolfsburg zurück. Im DFB.de-Interview spricht Lerch über das Wiedersehen.

DFB.de: Mit der TSG Hoffenheim werden Sie am Sonntag erstmals bei Ihrem früheren Verein VfL Wolfsburg zu Gast sein. Mit welchen Gefühlen kehren Sie zurück, Herr Lerch?

Stephan Lerch: Diese Frage kann ich Ihnen erst nach dem Spiel beantworten. (lacht) Noch weiß ich nicht genau, wie es sich anfühlen wird. Klar ist aber, dass es kein alltägliches Spiel, sondern schon etwas Besonderes sein wird. Ich hatte eine herausragende Zeit in Wolfsburg und habe dort die Chance bekommen, meine ersten Schritte als Trainer in der Frauen-Bundesliga zu machen. Das werde ich nie vergessen.

DFB.de: Es war für alle Beteiligten eine außergewöhnlich erfolgreiche Zeit. Welche besonderen Erinnerungen verknüpfen Sie mit Ihrer Tätigkeit beim VfL?

Lerch: Spontan fällt mir ein Erlebnis aus meiner Anfangszeit ein, als ich noch Trainer der zweiten Mannschaft war. Ich wurde eingeladen, am Trainingslager des Bundesligateams in Österreich teilzunehmen. Dort gab es eine Rafting-Tour, bei der die Spielerinnen in den verschiedenen Booten unterwegs Fähnchen einsammeln mussten. Es hat mir unglaublich imponiert, wie jedes Boot alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um diese Challenge für sich zu entscheiden. Das sagte so viel über die Haltung und das Siegergen der Spielerinnen aus, die auch die Erfolge unter meiner Regie erst möglich gemacht haben. Diese Mentalität zeichnet das Team bis heute aus.

DFB.de: Welcher Titelgewinn war der schönste?

Lerch: Da kann ich mich nicht festlegen. Jeder Titel hat seine eigene Geschichte. Aus jedem Erfolg nimmt man etwas mit, aber auch aus jeder Niederlage. Am emotionalsten war aber sicherlich das Pokalfinale 2021 gegen Eintracht Frankfurt, weil es mein Abschiedsspiel war und es mit der Verlängerung, der Roten Karte gegen unsere Torhüterin Almuth Schult und dem späten Siegtreffer von Ewa Pajor eine besondere Dramaturgie hatte.

DFB.de: Gibt es nach wie vor einen intensiven Austausch mit Verantwortlichen oder Spielerinnen des VfL Wolfsburg? Freuen Sie sich auf ein Wiedersehen besonders?

Lerch: Ich bin noch mit vielen Menschen in Verbindung. Dazu gehört natürlich der Sportliche Leiter Ralf Kellermann, der mein Vorgänger als Trainer war und dem ich viel zu verdanken habe. Er hat mir damals das Vertrauen geschenkt, zusammen haben wir viele positive Momente erlebt. Das verbindet.

DFB.de: Es kommt noch die aktuelle Tabellenkonstellation hinzu, dass der Spitzenreiter in einem Topspiel auf den Tabellenzweiten trifft. Das gibt dem Spiel auch noch eine ganz besondere Note, oder?

Lerch: Zweifellos. Zum ersten Mal treffen wir auf ein Team, das in der Vorsaison in der Tabelle vor uns stand. Dieser Herausforderung stellen wir uns und wollen sie bestmöglich meisten. Es ist für beide Mannschaften eine wichtige Standortbestimmung. Wir sollten aber nicht vergessen, dass es noch sehr früh in der Saison ist. Der zweite Tabellenplatz ist für uns eine schöne Momentaufnahme, die wir uns erarbeitet haben. Nicht mehr und nicht weniger.

DFB.de: Der VfL Wolfsburg ist nach vier Spieltagen als einzige Mannschaft noch ohne Punktverlust, tat sich zumindest in einigen Phasen der Partien aber auch noch schwer und musste jetzt mit dem Verpassen der Gruppenphase der Champions League eine herbe Enttäuschung hinnehmen. Ist der VfL für Sie immer noch das Maß aller Dinge in der Liga?

Lerch: Die Qualität im Team ist nach wie vor extrem hoch, daran gibt es keinen Zweifel. Dass in den ersten Saisonspielen vielleicht noch nicht alle Automatismen so greifen, wie man es gewohnt ist, und auch die Souveränität noch nicht so ausgeprägt ist, liegt aus meiner Sicht daran, dass die Vorbereitung durch die WM erschwert wurde und der Rhythmus nach wenigen Spielen noch nicht voll da ist. Dennoch haben die ersten Ligaspiele wieder einmal den enormen Siegeswillen des VfL Wolfsburg gezeigt.

DFB.de: Die Konkurrenz hat schon einige Punkte liegengelassen. Droht bei einem Wolfsburger Sieg womöglich ein Alleingang?

Lerch: Das glaube ich nicht. Klar, bei einem Sieg gegen uns wäre ein gewisses Polster da. Allerdings reden wir vom 5. Spieltag. Die ersten Wochen der Saison haben eindrucksvoll gezeigt, dass es auch für die Topteams der Liga keine Selbstläufer mehr gibt. Jedes Spiel muss erst einmal gewonnen, jeder Punkt hart erkämpft werden. Das hört sich jetzt vielleicht wie eine Floskel an, es stimmt aber.

DFB.de: Wie lautet aktuell Ihre Prognose für das Titelrennen?

Lerch: Es ist alles offen. Für uns ist es zunächst einmal ein gutes Gefühl, dass wir gut gestartet sind und nicht hinterherlaufen müssen. Aber auch Eintracht Frankfurt wird sicherlich nicht in der unteren Tabellenhälfte bleiben. Von daher ist der aktuelle Stand mit Vorsicht zu genießen, zumal man auch abwarten muss, wie sich die Teilnahme von Bayern München und Eintracht Frankfurt an der Champions League dauerhaft auswirken wird. Die Favoriten bleiben aber so oder so der FC Bayern und der VfL Wolfsburg. Wir wollen den für uns bestmöglichen Erfolg.

DFB.de: Wie bewerten Sie die Chancen auf einen erneuten Coup in Wolfsburg?

Lerch: Wenn wir unsere Qualitäten auf den Platz bringen können, dann rechnen wir uns schon etwas aus. Die Favoritenrolle liegt aber ganz klar beim VfL.

DFB.de: Wie sehr wird das überraschende Ausscheiden des VfL Wolfsburg aus der Champions League Einfluss auf die Partie nehmen?

Lerch: Aus meiner eigenen Zeit in Wolfsburg weiß ich, wie sehr sich dort alle Beteiligten nach einem Negativerlebnis sofort auf die nächste Aufgabe fokussieren, um direkt wieder aufzustehen. Von daher wird das Team gegen uns sicherlich mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch antreten. Außerdem sind es die Spielerinnen gewohnt, Englische Wochen zu absolvieren. Von einem Vorteil für uns würde ich jedenfalls nicht sprechen.

DFB.de: Vor Saisonbeginn konnten Sie erstmals eine komplette Vorbereitung mit dem Team absolvieren. Wie zufrieden sind Sie mit dem aktuellen Leistungsstand?

Lerch: Wie schon gesagt: Wir haben einen guten Start hingelegt. Dabei macht sich aus meiner Sicht schon positiv bemerkbar, dass wir einige strukturelle Veränderungen vorgenommen haben. Dazu gehört beispielsweise die Erweiterung des Trainerteams um einen Analysten und einen zusätzlichen Co-Trainer. Dadurch können wir noch besser arbeiten.

DFB.de: Welche positiven Entwicklungsschritte haben Sie bereits festgestellt?

Lerch: Wenn ich beispielsweise an unser 3:1 in Bremen denke, bei dem wir schon in der ersten Halbzeit mit Melissa Kössler und Gia Corley zwei wichtige Spielerinnen verletzungsbedingt auswechseln mussten, oder an das 2:2 gegen Bayer 04 Leverkusen, bei dem wir plötzlich 0:2 zurücklagen und auch noch einen Elfmeter gegen uns hatten, dann hat unsere Mannschaft schon gezeigt, dass sie sich weiterentwickelt hat und immer in der Lage ist zurückzukommen.

DFB.de: In welchen Bereichen kann oder muss die Mannschaft sich noch verbessern, um sich ganz oben in der Tabelle festzusetzen?

Lerch: Grundsätzlich können wir in allen Bereichen besser werden. Dazu zählt beispielsweise die Abstimmung beim Pressing und beim Anlaufen, vor allem aber auch die Effektivität im Abschluss. Wir benötigen noch zu viele Chancen für ein Tor. Entscheidend ist es, nie zufrieden zu sein und immer an sich zu arbeiten.

DFB.de: Eine wichtige Voraussetzung dafür könnte sein, nicht in jedem Jahr Leistungsträgerinnen beispielsweise an den VfL Wolfsburg abgeben zu müssen. Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Perspektiven?

Lerch: Der Verein ist bemüht, die nächsten Schritte zu gehen, will mehr Aufmerksamkeit erreichen und neue Sponsoren gewinnen, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Die besten Argumente dafür sind sportliche Erfolge auf dem Platz. Gleiches gilt für die Spielerinnen. Wenn die Aussicht besteht, international zu spielen oder beispielsweise auch mal ein Pokalfinale zu bestreiten, dann ist es sicherlich noch attraktiver, für die TSG Hoffenheim zu spielen und den Mädels entsprechende Perspektiven aufzuzeigen. Das heißt aber nicht, dass es ein Beinbruch ist, wenn eine Spielerin nach München oder Wolfsburg wechselt. Das sind die beiden Spitzenklubs. Auf diesem Level sind wir noch nicht.

DFB.de: Am zurückliegenden Spieltag wurde ein neuer Zuschauerrekord für die Google Pixel Frauen-Bundesliga aufgestellt. Wie sehr freut Sie diese Entwicklung?

Lerch: Das war ein starkes Statement und ein positives Signal, wie sehr das Interesse gewachsen ist, zumal es nach der enttäuschenden WM sicherlich auch die Befürchtung gab, der Boom könnte abebben. Die Rekordzahlen haben natürlich auch mit dem Umzug in einige große Stadien zu tun. Dort wird aber nicht regelmäßig gespielt. Wenn ich ehrlich bin, wäre es mir noch lieber, die etatmäßigen Spielstätten der Frauenteams wären an jedem Spieltag gut gefüllt. Dann wäre die Entwicklung noch nachhaltiger.

DFB.de: Die TSG Hoffenheim gehört bislang allerdings nicht zu den Zuschauermagneten. Sehen Sie auch dort die Möglichkeit, weitere Fortschritte zu machen?

Lerch: Natürlich wollen wir auch daran arbeiten. Dabei müssen wir aber zunächst berücksichtigen, dass Sinsheim im Gegensatz zu anderen Standorten keine Großstadt ist und wir deshalb auch keine Riesensprünge machen werden. Dennoch haben Sie Recht: Es muss unser Ziel sein, mehr Menschen aus der Umgebung zu begeistern und ins Stadion zu locken. Wenn noch sichtbarer wird, welch gute Arbeit bei der TSG geleistet wird und was die Spielerinnen alles dafür investieren, dann wird sich das auf Dauer auch bei den Zuschauerzahlen bemerkbar machen. Wir alle wünschen uns so bald wie möglich ein volles Haus im Dietmar-Hopp-Stadion.

[mspw]

Den VfL Wolfsburg führte Stephan Lerch (39) in vier Jahren zu drei Deutschen Meistertiteln, vier DFB-Pokalsiegen und zweimal ins Champions-League-Finale. Im Topspiel der 5. Runde der Google Pixel Frauen-Bundesliga kehrt der Trainer der TSG Hoffenheim am Sonntag (ab 14 Uhr, live bei MagentaSport und DAZN) nach Wolfsburg zurück. Im DFB.de-Interview spricht Lerch über das Wiedersehen.

DFB.de: Mit der TSG Hoffenheim werden Sie am Sonntag erstmals bei Ihrem früheren Verein VfL Wolfsburg zu Gast sein. Mit welchen Gefühlen kehren Sie zurück, Herr Lerch?

Stephan Lerch: Diese Frage kann ich Ihnen erst nach dem Spiel beantworten. (lacht) Noch weiß ich nicht genau, wie es sich anfühlen wird. Klar ist aber, dass es kein alltägliches Spiel, sondern schon etwas Besonderes sein wird. Ich hatte eine herausragende Zeit in Wolfsburg und habe dort die Chance bekommen, meine ersten Schritte als Trainer in der Frauen-Bundesliga zu machen. Das werde ich nie vergessen.

DFB.de: Es war für alle Beteiligten eine außergewöhnlich erfolgreiche Zeit. Welche besonderen Erinnerungen verknüpfen Sie mit Ihrer Tätigkeit beim VfL?

Lerch: Spontan fällt mir ein Erlebnis aus meiner Anfangszeit ein, als ich noch Trainer der zweiten Mannschaft war. Ich wurde eingeladen, am Trainingslager des Bundesligateams in Österreich teilzunehmen. Dort gab es eine Rafting-Tour, bei der die Spielerinnen in den verschiedenen Booten unterwegs Fähnchen einsammeln mussten. Es hat mir unglaublich imponiert, wie jedes Boot alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um diese Challenge für sich zu entscheiden. Das sagte so viel über die Haltung und das Siegergen der Spielerinnen aus, die auch die Erfolge unter meiner Regie erst möglich gemacht haben. Diese Mentalität zeichnet das Team bis heute aus.

DFB.de: Welcher Titelgewinn war der schönste?

Lerch: Da kann ich mich nicht festlegen. Jeder Titel hat seine eigene Geschichte. Aus jedem Erfolg nimmt man etwas mit, aber auch aus jeder Niederlage. Am emotionalsten war aber sicherlich das Pokalfinale 2021 gegen Eintracht Frankfurt, weil es mein Abschiedsspiel war und es mit der Verlängerung, der Roten Karte gegen unsere Torhüterin Almuth Schult und dem späten Siegtreffer von Ewa Pajor eine besondere Dramaturgie hatte.

DFB.de: Gibt es nach wie vor einen intensiven Austausch mit Verantwortlichen oder Spielerinnen des VfL Wolfsburg? Freuen Sie sich auf ein Wiedersehen besonders?

Lerch: Ich bin noch mit vielen Menschen in Verbindung. Dazu gehört natürlich der Sportliche Leiter Ralf Kellermann, der mein Vorgänger als Trainer war und dem ich viel zu verdanken habe. Er hat mir damals das Vertrauen geschenkt, zusammen haben wir viele positive Momente erlebt. Das verbindet.

DFB.de: Es kommt noch die aktuelle Tabellenkonstellation hinzu, dass der Spitzenreiter in einem Topspiel auf den Tabellenzweiten trifft. Das gibt dem Spiel auch noch eine ganz besondere Note, oder?

Lerch: Zweifellos. Zum ersten Mal treffen wir auf ein Team, das in der Vorsaison in der Tabelle vor uns stand. Dieser Herausforderung stellen wir uns und wollen sie bestmöglich meisten. Es ist für beide Mannschaften eine wichtige Standortbestimmung. Wir sollten aber nicht vergessen, dass es noch sehr früh in der Saison ist. Der zweite Tabellenplatz ist für uns eine schöne Momentaufnahme, die wir uns erarbeitet haben. Nicht mehr und nicht weniger.

DFB.de: Der VfL Wolfsburg ist nach vier Spieltagen als einzige Mannschaft noch ohne Punktverlust, tat sich zumindest in einigen Phasen der Partien aber auch noch schwer und musste jetzt mit dem Verpassen der Gruppenphase der Champions League eine herbe Enttäuschung hinnehmen. Ist der VfL für Sie immer noch das Maß aller Dinge in der Liga?

Lerch: Die Qualität im Team ist nach wie vor extrem hoch, daran gibt es keinen Zweifel. Dass in den ersten Saisonspielen vielleicht noch nicht alle Automatismen so greifen, wie man es gewohnt ist, und auch die Souveränität noch nicht so ausgeprägt ist, liegt aus meiner Sicht daran, dass die Vorbereitung durch die WM erschwert wurde und der Rhythmus nach wenigen Spielen noch nicht voll da ist. Dennoch haben die ersten Ligaspiele wieder einmal den enormen Siegeswillen des VfL Wolfsburg gezeigt.

DFB.de: Die Konkurrenz hat schon einige Punkte liegengelassen. Droht bei einem Wolfsburger Sieg womöglich ein Alleingang?

Lerch: Das glaube ich nicht. Klar, bei einem Sieg gegen uns wäre ein gewisses Polster da. Allerdings reden wir vom 5. Spieltag. Die ersten Wochen der Saison haben eindrucksvoll gezeigt, dass es auch für die Topteams der Liga keine Selbstläufer mehr gibt. Jedes Spiel muss erst einmal gewonnen, jeder Punkt hart erkämpft werden. Das hört sich jetzt vielleicht wie eine Floskel an, es stimmt aber.

DFB.de: Wie lautet aktuell Ihre Prognose für das Titelrennen?

Lerch: Es ist alles offen. Für uns ist es zunächst einmal ein gutes Gefühl, dass wir gut gestartet sind und nicht hinterherlaufen müssen. Aber auch Eintracht Frankfurt wird sicherlich nicht in der unteren Tabellenhälfte bleiben. Von daher ist der aktuelle Stand mit Vorsicht zu genießen, zumal man auch abwarten muss, wie sich die Teilnahme von Bayern München und Eintracht Frankfurt an der Champions League dauerhaft auswirken wird. Die Favoriten bleiben aber so oder so der FC Bayern und der VfL Wolfsburg. Wir wollen den für uns bestmöglichen Erfolg.

DFB.de: Wie bewerten Sie die Chancen auf einen erneuten Coup in Wolfsburg?

Lerch: Wenn wir unsere Qualitäten auf den Platz bringen können, dann rechnen wir uns schon etwas aus. Die Favoritenrolle liegt aber ganz klar beim VfL.

DFB.de: Wie sehr wird das überraschende Ausscheiden des VfL Wolfsburg aus der Champions League Einfluss auf die Partie nehmen?

Lerch: Aus meiner eigenen Zeit in Wolfsburg weiß ich, wie sehr sich dort alle Beteiligten nach einem Negativerlebnis sofort auf die nächste Aufgabe fokussieren, um direkt wieder aufzustehen. Von daher wird das Team gegen uns sicherlich mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch antreten. Außerdem sind es die Spielerinnen gewohnt, Englische Wochen zu absolvieren. Von einem Vorteil für uns würde ich jedenfalls nicht sprechen.

DFB.de: Vor Saisonbeginn konnten Sie erstmals eine komplette Vorbereitung mit dem Team absolvieren. Wie zufrieden sind Sie mit dem aktuellen Leistungsstand?

Lerch: Wie schon gesagt: Wir haben einen guten Start hingelegt. Dabei macht sich aus meiner Sicht schon positiv bemerkbar, dass wir einige strukturelle Veränderungen vorgenommen haben. Dazu gehört beispielsweise die Erweiterung des Trainerteams um einen Analysten und einen zusätzlichen Co-Trainer. Dadurch können wir noch besser arbeiten.

DFB.de: Welche positiven Entwicklungsschritte haben Sie bereits festgestellt?

Lerch: Wenn ich beispielsweise an unser 3:1 in Bremen denke, bei dem wir schon in der ersten Halbzeit mit Melissa Kössler und Gia Corley zwei wichtige Spielerinnen verletzungsbedingt auswechseln mussten, oder an das 2:2 gegen Bayer 04 Leverkusen, bei dem wir plötzlich 0:2 zurücklagen und auch noch einen Elfmeter gegen uns hatten, dann hat unsere Mannschaft schon gezeigt, dass sie sich weiterentwickelt hat und immer in der Lage ist zurückzukommen.

DFB.de: In welchen Bereichen kann oder muss die Mannschaft sich noch verbessern, um sich ganz oben in der Tabelle festzusetzen?

Lerch: Grundsätzlich können wir in allen Bereichen besser werden. Dazu zählt beispielsweise die Abstimmung beim Pressing und beim Anlaufen, vor allem aber auch die Effektivität im Abschluss. Wir benötigen noch zu viele Chancen für ein Tor. Entscheidend ist es, nie zufrieden zu sein und immer an sich zu arbeiten.

DFB.de: Eine wichtige Voraussetzung dafür könnte sein, nicht in jedem Jahr Leistungsträgerinnen beispielsweise an den VfL Wolfsburg abgeben zu müssen. Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Perspektiven?

Lerch: Der Verein ist bemüht, die nächsten Schritte zu gehen, will mehr Aufmerksamkeit erreichen und neue Sponsoren gewinnen, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Die besten Argumente dafür sind sportliche Erfolge auf dem Platz. Gleiches gilt für die Spielerinnen. Wenn die Aussicht besteht, international zu spielen oder beispielsweise auch mal ein Pokalfinale zu bestreiten, dann ist es sicherlich noch attraktiver, für die TSG Hoffenheim zu spielen und den Mädels entsprechende Perspektiven aufzuzeigen. Das heißt aber nicht, dass es ein Beinbruch ist, wenn eine Spielerin nach München oder Wolfsburg wechselt. Das sind die beiden Spitzenklubs. Auf diesem Level sind wir noch nicht.

DFB.de: Am zurückliegenden Spieltag wurde ein neuer Zuschauerrekord für die Google Pixel Frauen-Bundesliga aufgestellt. Wie sehr freut Sie diese Entwicklung?

Lerch: Das war ein starkes Statement und ein positives Signal, wie sehr das Interesse gewachsen ist, zumal es nach der enttäuschenden WM sicherlich auch die Befürchtung gab, der Boom könnte abebben. Die Rekordzahlen haben natürlich auch mit dem Umzug in einige große Stadien zu tun. Dort wird aber nicht regelmäßig gespielt. Wenn ich ehrlich bin, wäre es mir noch lieber, die etatmäßigen Spielstätten der Frauenteams wären an jedem Spieltag gut gefüllt. Dann wäre die Entwicklung noch nachhaltiger.

DFB.de: Die TSG Hoffenheim gehört bislang allerdings nicht zu den Zuschauermagneten. Sehen Sie auch dort die Möglichkeit, weitere Fortschritte zu machen?

Lerch: Natürlich wollen wir auch daran arbeiten. Dabei müssen wir aber zunächst berücksichtigen, dass Sinsheim im Gegensatz zu anderen Standorten keine Großstadt ist und wir deshalb auch keine Riesensprünge machen werden. Dennoch haben Sie Recht: Es muss unser Ziel sein, mehr Menschen aus der Umgebung zu begeistern und ins Stadion zu locken. Wenn noch sichtbarer wird, welch gute Arbeit bei der TSG geleistet wird und was die Spielerinnen alles dafür investieren, dann wird sich das auf Dauer auch bei den Zuschauerzahlen bemerkbar machen. Wir alle wünschen uns so bald wie möglich ein volles Haus im Dietmar-Hopp-Stadion.

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