Trezeguet: "Deutschland liebt den Fußball"

Im Finale um die Europameisterschaft 2000 schoss David Trezeguet Frankreich per Golden Goal zum Titel. Die EURO 2020 wird er als Botschafter begleiten. Im DFB.de-Interview spricht der 42 Jahre alte Welt- und Europameister über die Besonderheiten des Turniers im nächsten Jahr, sein Golden Goal, Erfolge und Krisen - und über deutsche Hoffnungsträger.

DFB.de: Sie sind Botschafter für die EURO 2020, obwohl Frankreich nicht zu den Austragungsländern gehört . Warum ist dieses Turnier trotzdem wichtig für Sie?

David Trezeguet: Als Spieler habe ich die Europameisterschaft im Jahr 2000 mit Frankreich gewonnen und zudem das Golden Goal erzielt. Dieses Turnier hat mich sehr beeindruckt, der ganze Kontinent schaut in diesen Wochen auf diese Veranstaltung. Auch 2020 wird es ein Wettbewerb auf sehr hohem Niveau sein und der erste und bisher einzige, der in zwölf verschiedenen Ländern stattfindet. Allein das macht dieses Turnier so besonders – unabhängig davon, ob Frankreich Spielort ist oder nicht. Zum Glück spielen sie mit. (lacht)

DFB.de: Hätten Sie so eine EURO in ganz Europa gerne als Spieler erlebt?

Trezeguet: Natürlich. Es ist etwas ganz Neues und Besonderes. Zu meiner Zeit als Spieler wurde in einem oder, wie 2000 in Belgien und den Niederlanden, in zwei Ländern gespielt. Jetzt ist der Wettbewerb offener und ich finde, dass das für die Fans eine gute Sache ist. Aber auch für die Spieler, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, verschiedene Atmosphären, neue Stadien und neue Länder kennenzulernen und mit unterschiedlichen Fans in Kontakt zu treten.

DFB.de: In vielen Ländern werden nationalistische Töne lauter. Kann ein Turnier wie die EURO 2020 die europäische Idee wieder stärken?

Trezeguet: Ja, genau das ist die Idee des Turniers: die Idee einer Gesamtheit. Es besteht auch für Länder, die fußballerisch nicht ganz so weit entwickelt sind, die Möglichkeit, es mit den großen Nationen aufzunehmen. Das verbindet auch die Fans – und davon können alle nur profitieren.

DFB.de: Was erwarten Sie 2020 von der französischen Nationalmannschaft?

Trezeguet: Die Mannschaft hat die WM 2018 gewonnen und gezeigt, dass sie auf sehr hohem Niveau spielt und mit Didier Deschamps einen sehr guten Trainer hat. Sie ist vor allem eine sehr disziplinierte Mannschaft, die ihre Leistung bringt, wenn es darauf ankommt. Frankreich gehört zu den Titelfavoriten. Das klare Ziel ist es, den Wettbewerb zu gewinnen. Die Qualität, die Lust und alles, was es braucht, um erfolgreich zu sein, sind da.

DFB.de: Sie haben in vielen Ländern Fußball gespielt.Was haben Sie von Ihren Stationen im Ausland mitgenommen?

Trezeguet: Meine Laufbahn am meisten geprägt hat meine Zeit in Italien, denn dort habe ich zehn Jahre lang gespielt und die Möglichkeit bekommen, in einem so besonderen Klub wie Juventus Turin auf sehr hohem Niveau zu spielen. Ich habe viele sehr gute Spieler kennengelernt, sehr gute Trainer und die Ambition, jedes Spiel zu gewinnen, verinnerlicht. Die Zeit dort war etwas Herausragendes in meinem Leben. Ich bin in Italien angekommen, als ich 20 war und habe Italien mit 30 Jahren verlassen. Das heißt, dass ich meine professionelle Laufbahn länger in Italien als in irgendeinem anderen Land verbracht habe. Aber natürlich haben ebenso Frankreich, Spanien und andere Kontinente die Leidenschaft in mir geweckt, den Fußball kennen und lieben zu lernen.

DFB.de: Sie sind zwar in Frankreich geboren, aber in Argentinien aufgewachsen. Wie schwierig war es für Sie, mit 17 Jahren aus Argentinien nach Frankreich zu wechseln, ohne die Sprache zu verstehen?

Trezeguet: Es ist mir nicht besonders schwergefallen. Ich wollte um jeden Preis erfolgreich auf hohem Niveau Fußball spielen und hatte den unbedingten Willen, meinen Platz zu finden. Meine Karriere verlief außergewöhnlich und ich habe von der frühen Vorstellung profitiert, das Fußballspielen auf einem hohen Niveau erlernen zu wollen. Das hat mich auch persönlich weiterentwickelt.

DFB.de: Wie sehr hat Ihnen damals Ihr Mitspieler und späterer kongenialer Partner Thierry Henry geholfen?

Trezeguet: Er hat mir sehr geholfen, hat mir vieles beigebracht, vor allem in Sachen Einstellung und Professionalität. Er ist ein Freund und hat mein Leben sehr geprägt, sowohl beruflich als auch privat.

DFB.de: Warum haben Sie nie in Deutschland gespielt?

Trezeguet: Ganz einfach: Es hat sich nie die Möglichkeit dazu ergeben.

DFB.de: Was erwarten Sie im kommenden Jahr von der deutschen Nationalmannschaft?

Trezeguet: Sie wird einer der Hauptdarsteller im Wettbewerb sein. Deutschland ist eine Mannschaft, die immer ihre Qualitäten gezeigt hat und natürlich erwarte ich wieder eine offensiv ausgerichtete deutsche Mannschaft. Auch sie hat die Chance, das Turnier zu gewinnen. Deutschland hat den Wandel im Team eingeleitet, junge Talente wie Leroy Sané und Serge Gnabry sind die neuen Hoffnungsträger. Ich finde, dass die deutsche Nationalmannschaft Außergewöhnliches vollbringt. Es hat sich viel verändert, dadurch wurde jungen Spielern die Möglichkeit eröffnet, ihr Können unter Beweis zu stellen. Leroy Sané und Serge Gnabry spielen bereits in ihren Vereinen auf sehr hohem Niveau und haben auch dort große Ambitionen. Sie sind die Gegenwart und zugleich die Zukunft der deutschen Mannschaft. Wir wissen alle, dass Deutschland ein Land ist, das den Fußball liebt und natürlich auch enorm ehrgeizig ist – bei jedem Turnier.

DFB.de: Sie selbst haben schon einen Neustart in der Nationalmannschaft mitgemacht. Sie sind 1998 Weltmeister im eigenen Land geworden, 2000 Europameister. 2002 und 2004 lief es dagegen nicht rund für Frankreich. Wie und warum ist Frankreich damals aus dem Tief wieder herausgekommen?

Trezeguet: Wir hatten 1998 und 2000 eine sehr starke Generation. Natürlich ist es nach jeder Generation so, dass man mit der Zeit auch einen neuen Weg und neue Spieler finden muss. 2002 und 2004 hatten wir eine Krise. Jede Nation versucht dann, Lösungen zu finden. Allen voran, so ist das in Deutschland und auch in Frankreich, ist es die Entwicklung des Fußballs, die Veränderung bringt und auch das Leben eines Fußballers beeinflusst. Natürlich hatten wir sehr starke Zeiten, aber auch große Krisen, die wichtig sind, da sowohl der Verband und das ganze Land als auch die Mannschaft sich neu aufstellen und wiederkommen, ihre Qualitäten aufs Neue unter Beweis stellen und zeigen können, dass sich harte Arbeit auszahlt.

DFB.de: In Deutschland erinnert man sich immer noch sehr gerne an die WM 2006. Wie haben Sie das Turnier abseits des Sportlichen erlebt? Im ganzen Land herrschte eine fantastische Stimmung. Sogar das Wetter war gut…

Trezeguet: Natürlich war es für uns als Spieler nicht einfach, die Atmosphäre der Fans aufzunehmen, weil man etwas abseits davon ist und mitten im Training. Man hat keine Möglichkeiten zu sehen, was sich alles drumherum abspielt. Dafür hat man in der Regel auch gar nicht den Kopf. Deutschland ist immer ein Land, in dem die Turniere auf sehr hohem Niveau stattfinden. Die Sonne hat das Turnier begleitet und organisatorisch war alles top. Und wir sind ins Finale eingezogen – auch darum war es eine großartige Weltmeisterschaft.

DFB.de: Was hat Ihnen dabei geholfen, die Enttäuschung über das verlorene Finale und den verschossenen Elfmeter, den einzigen im Elfmeterschießen gegen Italien, zu bewältigen?

Trezeguet: Wenn man auf professionellem Niveau Fußball spielt, muss man auch mental stark sein. Wir sind uns alle bewusst, dass das zum Fußball dazugehört und es Momente gibt, in denen man stolz, zufrieden und stark ist, aber gleichzeitig solche, in denen man weniger gut drauf ist. Und das sind die Momente, in denen professionelle Spieler ihre Qualitäten unter Beweis stellen können. Wenn nicht alles glatt läuft, kommt es darauf an, wieder aufzustehen. Aber, ja, schön war das natürlich nicht.

DFB.de: 2000 hatten Sie im Finale noch den entscheidenden Treffer, das Golden Goal gegen Italien erzielt. Was war das für ein Gefühl, Ihr Land zum Titel zu schießen?

Trezeguet: Unbeschreiblich, außergewöhnlich. Wir waren die erste Nation, die zuerst Welt- und direkt danach Europameister wurde. Ich war stolz und glücklich. Wir haben gezeigt, was wir draufhaben, und auch ich selbst konnte zeigen, was ich kann. Unsere Mannschaft war noch mal stärker als 1998. Dass ich das Siegtor erzielt habe, werde ich niemals vergessen. Es war ein einzigartiges Gefühl.

DFB.de: Wie hat sich der Fußball seit Ihren Anfängen als Spieler verändert?

Trezeguet: Mit dem Video-Schiedsrichter wird, finde ich, mit weniger Körperkontakt gespielt, weil mehr aufgepasst wird. Dennoch bleiben die Idee, die Lust und der Wille, das Spiel zu gewinnen, die gleichen. Die Ambitionen jedes einzelnen Klubs und jedes einzelnen Landes sind die gleichen, nämlich Titel zu gewinnen. Die Zeiten haben sich geändert und die Spieler auch, sowohl was Spielsysteme angeht als auch physisch und mental. Aber ich denke, auch das ist Teil des Lebens und der Veränderung. Fußball vermittelt aber nach wie vor Leidenschaft, das hat sich nie verändert und wird es auch hoffentlich nie.

DFB.de: Was muss zusammenkommen, damit eine Mannschaft aus hervorragenden Individualisten erfolgreich Fußball spielt und als Team funktioniert?

Trezeguet: Professionalität und Einsatzbereitschaft müssen vorhanden sein. Auch der Dialog zwischen Spielern und Trainern ist sehr wichtig – und allem voran das Vertrauen. Die technischen Fortschritte ermöglichen es Klubs oder Nationalmannschaften, auf hohem Niveau an Details zu arbeiten, um ans Ziel zu gelangen. Spieler und Trainer müssen eine Einheit bilden und ein klares, gemeinsames Ziel verfolgen.

DFB.de: Was machen Sie jetzt nach Ihrem Karriereende?

Trezeguet: Ich bin seit vier Jahren Botschafter meines Klubs in Italien, Juventus Turin, und lerne den Fußball jetzt von einer anderen Seite kennen. Ich sehe einen Klub, der dabei ist, sich sehr stark weiterzuentwickeln. Und natürlich erfüllt es mich auch, Botschafter für UEFA und FIFA zu sein. Als Spieler versucht man, seine Qualitäten auf dem Platz zu zeigen. Jetzt trete ich abseits davon mit vielen unterschiedlichen Leuten in Kontakt und das macht mir richtig viel Spaß. Zu wissen, dass die Leute einen auch mehrere Jahre nach dem Karriereende nicht vergessen haben, ist sehr schön.

[al/kr]

Im Finale um die Europameisterschaft 2000 schoss David Trezeguet Frankreich per Golden Goal zum Titel. Die EURO 2020 wird er als Botschafter begleiten. Im DFB.de-Interview spricht der 42 Jahre alte Welt- und Europameister über die Besonderheiten des Turniers im nächsten Jahr, sein Golden Goal, Erfolge und Krisen - und über deutsche Hoffnungsträger.

DFB.de: Sie sind Botschafter für die EURO 2020, obwohl Frankreich nicht zu den Austragungsländern gehört . Warum ist dieses Turnier trotzdem wichtig für Sie?

David Trezeguet: Als Spieler habe ich die Europameisterschaft im Jahr 2000 mit Frankreich gewonnen und zudem das Golden Goal erzielt. Dieses Turnier hat mich sehr beeindruckt, der ganze Kontinent schaut in diesen Wochen auf diese Veranstaltung. Auch 2020 wird es ein Wettbewerb auf sehr hohem Niveau sein und der erste und bisher einzige, der in zwölf verschiedenen Ländern stattfindet. Allein das macht dieses Turnier so besonders – unabhängig davon, ob Frankreich Spielort ist oder nicht. Zum Glück spielen sie mit. (lacht)

DFB.de: Hätten Sie so eine EURO in ganz Europa gerne als Spieler erlebt?

Trezeguet: Natürlich. Es ist etwas ganz Neues und Besonderes. Zu meiner Zeit als Spieler wurde in einem oder, wie 2000 in Belgien und den Niederlanden, in zwei Ländern gespielt. Jetzt ist der Wettbewerb offener und ich finde, dass das für die Fans eine gute Sache ist. Aber auch für die Spieler, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, verschiedene Atmosphären, neue Stadien und neue Länder kennenzulernen und mit unterschiedlichen Fans in Kontakt zu treten.

DFB.de: In vielen Ländern werden nationalistische Töne lauter. Kann ein Turnier wie die EURO 2020 die europäische Idee wieder stärken?

Trezeguet: Ja, genau das ist die Idee des Turniers: die Idee einer Gesamtheit. Es besteht auch für Länder, die fußballerisch nicht ganz so weit entwickelt sind, die Möglichkeit, es mit den großen Nationen aufzunehmen. Das verbindet auch die Fans – und davon können alle nur profitieren.

DFB.de: Was erwarten Sie 2020 von der französischen Nationalmannschaft?

Trezeguet: Die Mannschaft hat die WM 2018 gewonnen und gezeigt, dass sie auf sehr hohem Niveau spielt und mit Didier Deschamps einen sehr guten Trainer hat. Sie ist vor allem eine sehr disziplinierte Mannschaft, die ihre Leistung bringt, wenn es darauf ankommt. Frankreich gehört zu den Titelfavoriten. Das klare Ziel ist es, den Wettbewerb zu gewinnen. Die Qualität, die Lust und alles, was es braucht, um erfolgreich zu sein, sind da.

DFB.de: Sie haben in vielen Ländern Fußball gespielt.Was haben Sie von Ihren Stationen im Ausland mitgenommen?

Trezeguet: Meine Laufbahn am meisten geprägt hat meine Zeit in Italien, denn dort habe ich zehn Jahre lang gespielt und die Möglichkeit bekommen, in einem so besonderen Klub wie Juventus Turin auf sehr hohem Niveau zu spielen. Ich habe viele sehr gute Spieler kennengelernt, sehr gute Trainer und die Ambition, jedes Spiel zu gewinnen, verinnerlicht. Die Zeit dort war etwas Herausragendes in meinem Leben. Ich bin in Italien angekommen, als ich 20 war und habe Italien mit 30 Jahren verlassen. Das heißt, dass ich meine professionelle Laufbahn länger in Italien als in irgendeinem anderen Land verbracht habe. Aber natürlich haben ebenso Frankreich, Spanien und andere Kontinente die Leidenschaft in mir geweckt, den Fußball kennen und lieben zu lernen.

DFB.de: Sie sind zwar in Frankreich geboren, aber in Argentinien aufgewachsen. Wie schwierig war es für Sie, mit 17 Jahren aus Argentinien nach Frankreich zu wechseln, ohne die Sprache zu verstehen?

Trezeguet: Es ist mir nicht besonders schwergefallen. Ich wollte um jeden Preis erfolgreich auf hohem Niveau Fußball spielen und hatte den unbedingten Willen, meinen Platz zu finden. Meine Karriere verlief außergewöhnlich und ich habe von der frühen Vorstellung profitiert, das Fußballspielen auf einem hohen Niveau erlernen zu wollen. Das hat mich auch persönlich weiterentwickelt.

DFB.de: Wie sehr hat Ihnen damals Ihr Mitspieler und späterer kongenialer Partner Thierry Henry geholfen?

Trezeguet: Er hat mir sehr geholfen, hat mir vieles beigebracht, vor allem in Sachen Einstellung und Professionalität. Er ist ein Freund und hat mein Leben sehr geprägt, sowohl beruflich als auch privat.

DFB.de: Warum haben Sie nie in Deutschland gespielt?

Trezeguet: Ganz einfach: Es hat sich nie die Möglichkeit dazu ergeben.

DFB.de: Was erwarten Sie im kommenden Jahr von der deutschen Nationalmannschaft?

Trezeguet: Sie wird einer der Hauptdarsteller im Wettbewerb sein. Deutschland ist eine Mannschaft, die immer ihre Qualitäten gezeigt hat und natürlich erwarte ich wieder eine offensiv ausgerichtete deutsche Mannschaft. Auch sie hat die Chance, das Turnier zu gewinnen. Deutschland hat den Wandel im Team eingeleitet, junge Talente wie Leroy Sané und Serge Gnabry sind die neuen Hoffnungsträger. Ich finde, dass die deutsche Nationalmannschaft Außergewöhnliches vollbringt. Es hat sich viel verändert, dadurch wurde jungen Spielern die Möglichkeit eröffnet, ihr Können unter Beweis zu stellen. Leroy Sané und Serge Gnabry spielen bereits in ihren Vereinen auf sehr hohem Niveau und haben auch dort große Ambitionen. Sie sind die Gegenwart und zugleich die Zukunft der deutschen Mannschaft. Wir wissen alle, dass Deutschland ein Land ist, das den Fußball liebt und natürlich auch enorm ehrgeizig ist – bei jedem Turnier.

DFB.de: Sie selbst haben schon einen Neustart in der Nationalmannschaft mitgemacht. Sie sind 1998 Weltmeister im eigenen Land geworden, 2000 Europameister. 2002 und 2004 lief es dagegen nicht rund für Frankreich. Wie und warum ist Frankreich damals aus dem Tief wieder herausgekommen?

Trezeguet: Wir hatten 1998 und 2000 eine sehr starke Generation. Natürlich ist es nach jeder Generation so, dass man mit der Zeit auch einen neuen Weg und neue Spieler finden muss. 2002 und 2004 hatten wir eine Krise. Jede Nation versucht dann, Lösungen zu finden. Allen voran, so ist das in Deutschland und auch in Frankreich, ist es die Entwicklung des Fußballs, die Veränderung bringt und auch das Leben eines Fußballers beeinflusst. Natürlich hatten wir sehr starke Zeiten, aber auch große Krisen, die wichtig sind, da sowohl der Verband und das ganze Land als auch die Mannschaft sich neu aufstellen und wiederkommen, ihre Qualitäten aufs Neue unter Beweis stellen und zeigen können, dass sich harte Arbeit auszahlt.

DFB.de: In Deutschland erinnert man sich immer noch sehr gerne an die WM 2006. Wie haben Sie das Turnier abseits des Sportlichen erlebt? Im ganzen Land herrschte eine fantastische Stimmung. Sogar das Wetter war gut…

Trezeguet: Natürlich war es für uns als Spieler nicht einfach, die Atmosphäre der Fans aufzunehmen, weil man etwas abseits davon ist und mitten im Training. Man hat keine Möglichkeiten zu sehen, was sich alles drumherum abspielt. Dafür hat man in der Regel auch gar nicht den Kopf. Deutschland ist immer ein Land, in dem die Turniere auf sehr hohem Niveau stattfinden. Die Sonne hat das Turnier begleitet und organisatorisch war alles top. Und wir sind ins Finale eingezogen – auch darum war es eine großartige Weltmeisterschaft.

DFB.de: Was hat Ihnen dabei geholfen, die Enttäuschung über das verlorene Finale und den verschossenen Elfmeter, den einzigen im Elfmeterschießen gegen Italien, zu bewältigen?

Trezeguet: Wenn man auf professionellem Niveau Fußball spielt, muss man auch mental stark sein. Wir sind uns alle bewusst, dass das zum Fußball dazugehört und es Momente gibt, in denen man stolz, zufrieden und stark ist, aber gleichzeitig solche, in denen man weniger gut drauf ist. Und das sind die Momente, in denen professionelle Spieler ihre Qualitäten unter Beweis stellen können. Wenn nicht alles glatt läuft, kommt es darauf an, wieder aufzustehen. Aber, ja, schön war das natürlich nicht.

DFB.de: 2000 hatten Sie im Finale noch den entscheidenden Treffer, das Golden Goal gegen Italien erzielt. Was war das für ein Gefühl, Ihr Land zum Titel zu schießen?

Trezeguet: Unbeschreiblich, außergewöhnlich. Wir waren die erste Nation, die zuerst Welt- und direkt danach Europameister wurde. Ich war stolz und glücklich. Wir haben gezeigt, was wir draufhaben, und auch ich selbst konnte zeigen, was ich kann. Unsere Mannschaft war noch mal stärker als 1998. Dass ich das Siegtor erzielt habe, werde ich niemals vergessen. Es war ein einzigartiges Gefühl.

DFB.de: Wie hat sich der Fußball seit Ihren Anfängen als Spieler verändert?

Trezeguet: Mit dem Video-Schiedsrichter wird, finde ich, mit weniger Körperkontakt gespielt, weil mehr aufgepasst wird. Dennoch bleiben die Idee, die Lust und der Wille, das Spiel zu gewinnen, die gleichen. Die Ambitionen jedes einzelnen Klubs und jedes einzelnen Landes sind die gleichen, nämlich Titel zu gewinnen. Die Zeiten haben sich geändert und die Spieler auch, sowohl was Spielsysteme angeht als auch physisch und mental. Aber ich denke, auch das ist Teil des Lebens und der Veränderung. Fußball vermittelt aber nach wie vor Leidenschaft, das hat sich nie verändert und wird es auch hoffentlich nie.

DFB.de: Was muss zusammenkommen, damit eine Mannschaft aus hervorragenden Individualisten erfolgreich Fußball spielt und als Team funktioniert?

Trezeguet: Professionalität und Einsatzbereitschaft müssen vorhanden sein. Auch der Dialog zwischen Spielern und Trainern ist sehr wichtig – und allem voran das Vertrauen. Die technischen Fortschritte ermöglichen es Klubs oder Nationalmannschaften, auf hohem Niveau an Details zu arbeiten, um ans Ziel zu gelangen. Spieler und Trainer müssen eine Einheit bilden und ein klares, gemeinsames Ziel verfolgen.

DFB.de: Was machen Sie jetzt nach Ihrem Karriereende?

Trezeguet: Ich bin seit vier Jahren Botschafter meines Klubs in Italien, Juventus Turin, und lerne den Fußball jetzt von einer anderen Seite kennen. Ich sehe einen Klub, der dabei ist, sich sehr stark weiterzuentwickeln. Und natürlich erfüllt es mich auch, Botschafter für UEFA und FIFA zu sein. Als Spieler versucht man, seine Qualitäten auf dem Platz zu zeigen. Jetzt trete ich abseits davon mit vielen unterschiedlichen Leuten in Kontakt und das macht mir richtig viel Spaß. Zu wissen, dass die Leute einen auch mehrere Jahre nach dem Karriereende nicht vergessen haben, ist sehr schön.

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