Trautmann-"Erbe" Gündogan: "Jeder hier kennt Bert"

Die Geschichte von Bert Trautmann gehört zu den großen Erzählungen des Sports: vom Kriegsgefangenen zum Helden in England. Heute läuft der Film "Trautmann" in deutschen Kinos an. Zu seinen Nachfolgern bei Manchester City zählt Ilkay Gündogan. Im DFB.de-Interview spricht der 28 Jahre alte Nationalspieler über seinen prominenten Vorgänger im Trikot der Citizens.

DFB.de: Herr Gündogan: Erinnern Sie sich noch an Ihren letzten Kinobesuch?

Ilkay Gündogan: Ehrlich gesagt - nein. Seit ich in England spiele, war ich nicht mehr im Kino. Es müsste also noch zu meinen BVB-Zeiten gewesen sein. Damals bin ich mit meinen Freunden relativ häufig sonntags ins Kino gegangen. Aber welcher Film der letzte war - da muss ich passen.

DFB.de: Diese Tradition hätten Sie doch auch in Manchester fortsetzen können, sonntags ins Kino. Oder ist Ihnen die Sprache Englisch dafür noch zu fremd?

Gündogan: An der Sprache liegt es nicht, mein Englisch ist mittlerweile gut. Aber für mich hat ein Kinoabend sehr viel mit Freunden und mit Freundschaft zu tun. Es ist einfach so, dass ich ohne meine Freunde aus Deutschland nicht das Bedürfnis habe, ins Kino zu gehen.

DFB.de: Welche Art Film mögen Sie?

Gündogan: Ich mag Spannung, ich mag es, wenn es zur Sache geht. Mich packen Action-Thriller, vor allem, wenn man dabei nicht gleich weiß, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt, wenn man ein bisschen mitdenken muss. Realistisch muss es sein, Science-Fiction ist nicht so meins.

DFB.de: Den Film "Trautmann" haben Sie noch nicht gesehen. Sie kennen aber seine Geschichte. Ist das ein Stoff, der den Kinogänger Gündogan interessiert?

Gündogan: Auf jeden Fall. Sogar unabhängig davon, dass ich jetzt auch bei Manchester City Fußball spiele und dadurch noch einmal eine besondere Nähe habe. Wenn ich vorhin Action-Thriller genannt habe, heißt das nicht, dass ich mich nicht auch für andere Genres interessiere. Dokumentation über große historische Persönlichkeiten schaue ich zum Beispiel sehr gerne. Im Sport und auch außerhalb des Sports. Die Geschichte von Trautmann ist also für mich fast wie gemalt.

DFB.de: Wann haben Sie den Namen Trautmann zum ersten Mal wahrgenommen?

Gündogan: Ich kann es nicht mehr genau zuordnen, es ist schon eine Weile her. Ich meine sogar, dass es beim DFB im Rahmen einer Reise mit der Nationalmannschaft gewesen ist. Die Geschichte vom Kriegsgefangen zum Helden in England, der FA-Cup-Triumph mit gebrochenem Genick - das hatte ich die ganze Zeit in meinen Hinterkopf. Aber so richtig bewusst, wer Bert Trautmann war und was er geleistet hat, wurde mir erst, als ich dann zu Manchester City gewechselt bin.

DFB.de: Weil Sie als Deutscher sofort auf ihn angesprochen wurden?

Gündogan: Das nicht. Bei mir war es ja so, dass ich verletzt hier angekommen bin. Ich habe also am Anfang viel Zeit auf dem Rehaplatz des Trainingsgeländes verbringen müssen. Auf diesem Platz gibt es eine Torwartwand, ein Trainingsgerät, und diese Wand ist nach Bert Trautmann benannt. Als ich dort seinen Namen gelesen habe, dachte ich, "krass, das ist er". Vorher war mir die Geschichte bekannt, der Name aber nicht. Das hat sich in diesem Moment geändert.

DFB.de: Wie oft wurden und werden Sie in Manchester nach Trautmann gefragt?

Gündogan: Gar nicht so oft. Und doch ist zu merken, was er hier hinterlassen hat. Jeder kennt Bert, bei den Mitarbeitern im Verein gibt es wirklich niemanden, dem der Name Trautmann nichts sagt.

DFB.de: Trautmann ist nicht der einzige Deutsche, der für Manchester City gespielt hat. Maurizio Gaudino, Uwe Rösler, Michael Frontzeck, Michael Tarnat, Didi Hamann und Jerome Boateng sind die Namen anderer Vorgänger. Informiert man sich als Spieler vor einem Vereinswechsel über die Historie des Vereins?

Gündogan: Ich kann nur von mir sprechen und ich muss zugeben: Nein, das habe ich nicht getan. Bei meiner Entscheidung für Manchester City war die Person des Trainers ausschlaggebend. Meine Art, Fußball zu spielen, passt sehr gut zu der Art, wie Pep Guardiola seine Mannschaften Fußball spielen lassen will. Mir war klar, dass ich unter ihm noch mal einen Schritt machen kann. City ist ein Topverein mit überragenden Möglichkeiten, vom internationalen Ansehen, von der weltweiten Bekanntheit her sind wir aber noch nicht ganz auf dem Level wie Real Madrid, FC Barcelona oder auch Bayern München. Und auch nicht wie Manchester United. Das wollen wir ändern, und ich finde es reizvoll, dabei eine Rolle zu spielen.

DFB.de: Ist spürbar, dass es bei Man City eine deutsche Historie gibt?

Gündogan: Es ist auf jeden Fall so, dass hier sehr positiv über die deutschen Spieler gesprochen wird. Neben Trautmann speziell über Rösler und Hamann. Ich würde das allerdings nicht auf Manchester und Manchester City beschränken. Es ist grundsätzlich so, dass die Engländer unglaubliche Wertschätzung für Fußballer aus Deutschland haben. Wenn ein deutscher Spieler nach England wechselt, dann kann er sicher sein, dass ihm Respekt entgegengebracht wird.

DFB.de: Bei der Aussöhnung von Deutschen und Engländern und der Annäherung nach dem 2. Weltkrieg spielt Trautmann eine große Rolle. Ist Ihnen durch seine Geschichte wieder mehr bewusst, dass Sie ebenfalls Botschafter Deutschlands im Ausland sind?

Gündogan: Dieses Bewusstsein habe ich auch ohne seine Geschichte. Für mich steht Trautmann dafür, dass Wege manchmal geebnet und Türen geöffnet werden müssen. Ich glaube, das gilt generell: Vorurteile werden am schnellsten im direkten Kontakt abgebaut. Im Fall von Deutschland und England hat Trautmann daran großen Anteil. Insofern können wir alle ihm dankbar sein, seinen Nachfolgern hat er das Leben leichter gemacht.

DFB.de: Trautmann hat oft betont, wie sehr ihm der faire Umgang der Engländer mit ihm imponiert hat. Dass er seine humane Erziehung in England erhalten hat. Wie erleben Sie die Engländer in dieser Hinsicht? Respekt, Fair Play - können Sie bestätigen, dass dies in England besonders ausgeprägt ist?

Gündogan: Definitiv. Ich erlebe das immer wieder. Dieses Respektvolle fällt mir immer dann besonders auf, wenn ich privat unterwegs bin und Fans von Manchester United mich erkennen. Das ist dann nie unangenehm oder feindselig, sondern sehr von Achtung und Wertschätzung geprägt. Auch deswegen gefällt es mir in England so gut, dass ich mir vorstellen kann, noch eine ganze Weile hier zu bleiben.

DFB.de: Was heißt eine ganze Weile? Trautmann hat 545 Spiele für City absolviert - ist so ein Wert heute noch vorstellbar?

Gündogan: Nicht für mich. (lacht) Um auf einen solchen Wert zu kommen, müsste ich noch mehr als zehn Jahre für City Fußball spielen. Dann wäre ich fast 40, das ist für einen Feldspieler auf diesem Niveau nicht realistisch.

[sl]

Die Geschichte von Bert Trautmann gehört zu den großen Erzählungen des Sports: vom Kriegsgefangenen zum Helden in England. Heute läuft der Film "Trautmann" in deutschen Kinos an. Zu seinen Nachfolgern bei Manchester City zählt Ilkay Gündogan. Im DFB.de-Interview spricht der 28 Jahre alte Nationalspieler über seinen prominenten Vorgänger im Trikot der Citizens.

DFB.de: Herr Gündogan: Erinnern Sie sich noch an Ihren letzten Kinobesuch?

Ilkay Gündogan: Ehrlich gesagt - nein. Seit ich in England spiele, war ich nicht mehr im Kino. Es müsste also noch zu meinen BVB-Zeiten gewesen sein. Damals bin ich mit meinen Freunden relativ häufig sonntags ins Kino gegangen. Aber welcher Film der letzte war - da muss ich passen.

DFB.de: Diese Tradition hätten Sie doch auch in Manchester fortsetzen können, sonntags ins Kino. Oder ist Ihnen die Sprache Englisch dafür noch zu fremd?

Gündogan: An der Sprache liegt es nicht, mein Englisch ist mittlerweile gut. Aber für mich hat ein Kinoabend sehr viel mit Freunden und mit Freundschaft zu tun. Es ist einfach so, dass ich ohne meine Freunde aus Deutschland nicht das Bedürfnis habe, ins Kino zu gehen.

DFB.de: Welche Art Film mögen Sie?

Gündogan: Ich mag Spannung, ich mag es, wenn es zur Sache geht. Mich packen Action-Thriller, vor allem, wenn man dabei nicht gleich weiß, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt, wenn man ein bisschen mitdenken muss. Realistisch muss es sein, Science-Fiction ist nicht so meins.

DFB.de: Den Film "Trautmann" haben Sie noch nicht gesehen. Sie kennen aber seine Geschichte. Ist das ein Stoff, der den Kinogänger Gündogan interessiert?

Gündogan: Auf jeden Fall. Sogar unabhängig davon, dass ich jetzt auch bei Manchester City Fußball spiele und dadurch noch einmal eine besondere Nähe habe. Wenn ich vorhin Action-Thriller genannt habe, heißt das nicht, dass ich mich nicht auch für andere Genres interessiere. Dokumentation über große historische Persönlichkeiten schaue ich zum Beispiel sehr gerne. Im Sport und auch außerhalb des Sports. Die Geschichte von Trautmann ist also für mich fast wie gemalt.

DFB.de: Wann haben Sie den Namen Trautmann zum ersten Mal wahrgenommen?

Gündogan: Ich kann es nicht mehr genau zuordnen, es ist schon eine Weile her. Ich meine sogar, dass es beim DFB im Rahmen einer Reise mit der Nationalmannschaft gewesen ist. Die Geschichte vom Kriegsgefangen zum Helden in England, der FA-Cup-Triumph mit gebrochenem Genick - das hatte ich die ganze Zeit in meinen Hinterkopf. Aber so richtig bewusst, wer Bert Trautmann war und was er geleistet hat, wurde mir erst, als ich dann zu Manchester City gewechselt bin.

DFB.de: Weil Sie als Deutscher sofort auf ihn angesprochen wurden?

Gündogan: Das nicht. Bei mir war es ja so, dass ich verletzt hier angekommen bin. Ich habe also am Anfang viel Zeit auf dem Rehaplatz des Trainingsgeländes verbringen müssen. Auf diesem Platz gibt es eine Torwartwand, ein Trainingsgerät, und diese Wand ist nach Bert Trautmann benannt. Als ich dort seinen Namen gelesen habe, dachte ich, "krass, das ist er". Vorher war mir die Geschichte bekannt, der Name aber nicht. Das hat sich in diesem Moment geändert.

DFB.de: Wie oft wurden und werden Sie in Manchester nach Trautmann gefragt?

Gündogan: Gar nicht so oft. Und doch ist zu merken, was er hier hinterlassen hat. Jeder kennt Bert, bei den Mitarbeitern im Verein gibt es wirklich niemanden, dem der Name Trautmann nichts sagt.

DFB.de: Trautmann ist nicht der einzige Deutsche, der für Manchester City gespielt hat. Maurizio Gaudino, Uwe Rösler, Michael Frontzeck, Michael Tarnat, Didi Hamann und Jerome Boateng sind die Namen anderer Vorgänger. Informiert man sich als Spieler vor einem Vereinswechsel über die Historie des Vereins?

Gündogan: Ich kann nur von mir sprechen und ich muss zugeben: Nein, das habe ich nicht getan. Bei meiner Entscheidung für Manchester City war die Person des Trainers ausschlaggebend. Meine Art, Fußball zu spielen, passt sehr gut zu der Art, wie Pep Guardiola seine Mannschaften Fußball spielen lassen will. Mir war klar, dass ich unter ihm noch mal einen Schritt machen kann. City ist ein Topverein mit überragenden Möglichkeiten, vom internationalen Ansehen, von der weltweiten Bekanntheit her sind wir aber noch nicht ganz auf dem Level wie Real Madrid, FC Barcelona oder auch Bayern München. Und auch nicht wie Manchester United. Das wollen wir ändern, und ich finde es reizvoll, dabei eine Rolle zu spielen.

DFB.de: Ist spürbar, dass es bei Man City eine deutsche Historie gibt?

Gündogan: Es ist auf jeden Fall so, dass hier sehr positiv über die deutschen Spieler gesprochen wird. Neben Trautmann speziell über Rösler und Hamann. Ich würde das allerdings nicht auf Manchester und Manchester City beschränken. Es ist grundsätzlich so, dass die Engländer unglaubliche Wertschätzung für Fußballer aus Deutschland haben. Wenn ein deutscher Spieler nach England wechselt, dann kann er sicher sein, dass ihm Respekt entgegengebracht wird.

DFB.de: Bei der Aussöhnung von Deutschen und Engländern und der Annäherung nach dem 2. Weltkrieg spielt Trautmann eine große Rolle. Ist Ihnen durch seine Geschichte wieder mehr bewusst, dass Sie ebenfalls Botschafter Deutschlands im Ausland sind?

Gündogan: Dieses Bewusstsein habe ich auch ohne seine Geschichte. Für mich steht Trautmann dafür, dass Wege manchmal geebnet und Türen geöffnet werden müssen. Ich glaube, das gilt generell: Vorurteile werden am schnellsten im direkten Kontakt abgebaut. Im Fall von Deutschland und England hat Trautmann daran großen Anteil. Insofern können wir alle ihm dankbar sein, seinen Nachfolgern hat er das Leben leichter gemacht.

DFB.de: Trautmann hat oft betont, wie sehr ihm der faire Umgang der Engländer mit ihm imponiert hat. Dass er seine humane Erziehung in England erhalten hat. Wie erleben Sie die Engländer in dieser Hinsicht? Respekt, Fair Play - können Sie bestätigen, dass dies in England besonders ausgeprägt ist?

Gündogan: Definitiv. Ich erlebe das immer wieder. Dieses Respektvolle fällt mir immer dann besonders auf, wenn ich privat unterwegs bin und Fans von Manchester United mich erkennen. Das ist dann nie unangenehm oder feindselig, sondern sehr von Achtung und Wertschätzung geprägt. Auch deswegen gefällt es mir in England so gut, dass ich mir vorstellen kann, noch eine ganze Weile hier zu bleiben.

DFB.de: Was heißt eine ganze Weile? Trautmann hat 545 Spiele für City absolviert - ist so ein Wert heute noch vorstellbar?

Gündogan: Nicht für mich. (lacht) Um auf einen solchen Wert zu kommen, müsste ich noch mehr als zehn Jahre für City Fußball spielen. Dann wäre ich fast 40, das ist für einen Feldspieler auf diesem Niveau nicht realistisch.

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