Trainer Sandro Wagner: "Richtig Bock darauf"

Bei der U 19 der SpVgg Unterhaching startet Ex-Nationalstürmer Sandro Wagner im Sommer seine Trainerkarriere. Der U 21-Europameister von 2009 und Confed Cup-Sieger von 2017 soll die Talente des Drittligisten fordern und fördern. Im DFB.de-Interview spricht der 33-Jährige mit Mitarbeiter Ralf Debat über seinen Einstieg als Trainer, die Tätigkeit für den DFB, Julian Nagelsmann und Jupp Heynckes.

DFB.de: Ab der neuen Saison werden Sie die U 19 der SpVgg Unterhaching trainieren. Warum haben Sie sich für diesen Schritt entschieden, Herr Wagner?

Sandro Wagner: Ich hatte hier nach super Gesprächen das Gefühl, richtig was bewegen zu können. Genau das ist auch am wichtigsten für meine persönliche Entwicklung. Dazu kommt es mir und meiner Familie gelegen, dass ich zumindest noch einige Zeit im Münchner Raum arbeiten kann, nachdem ich als Spieler jahrelang ständig unterwegs war. Ich bin in drei Minuten an meinem künftigen Arbeitsplatz.

DFB.de: Wollen Sie als Trainer bewusst "ganz unten" anfangen?

Wagner: Von "unten" würde ich gar nicht sprechen. Ich kann mich in Haching auf einem guten NLZ-Niveau weiterbilden, muss mir auf der anderen Seite aber auch mehr selbst erarbeiten, als es vielleicht bei einem größeren Verein der Fall wäre. Dadurch werde ich mehr gefordert und kann mich als Trainer besser weiterentwickeln.

DFB.de: Ihr Vertrag läuft zunächst über zwei Jahre. Was nehmen Sie sich für diesen Zeitraum vor?

Wagner: Präsident Manni Schwabl hat gesagt, ich muss zweimal Meister werden. (lacht) Aber Spaß beiseite. Die inhaltliche Arbeit steht im Vordergrund. Es geht um die Ausbildung der Jungs, die wir an den Profifußball heranführen und darauf vorbereiten wollen. Dabei möchte ich wieder mehr absolute Spezialisten für bestimmte Positionen ausbilden - und nicht Spieler, die auf sieben oder acht verschiedenen Positionen mehr oder weniger gut spielen können.

DFB.de: Die U 19 der SpVgg Unterhaching führt in der wegen der Corona-Pandemie unterbrochenen Saison die Tabelle in einer Bayernliga-Staffel an. Wie sehr würden Sie sich darüber freuen, wenn Ihre Mannschaft in der Staffel Süd/Südwest der A-Junioren-Bundesliga an den Start gehen kann?

Wagner: Sollte es so kommen, wäre das eine sehr gute Sache für den Verein. Grundsätzlich spielt die Liga für meine Arbeit aber keine entscheidende Rolle. Wir sind auch in der Bayernliga in der Lage, die Jungs besser zu machen. Und nur darum geht es.

DFB.de: War schon eine erste Kontaktaufnahme zu Ihren künftigen Spielern möglich? Oder sehen Sie das Team beim ersten Training?

Wagner: Das Team hat zwei Trainer, darf zum Glück auch zumindest trainieren und interne Testspiele bestreiten. Ich halte mich aus Respekt vor den beiden Kollegen jedoch bewusst zurück. Selbstverständlich schaue ich mir die eine oder andere Einheit an, bin auch mit dem aktuellen U 17- und Nachwuchs-Cheftrainer Marc Unterberger in einem engen Austausch über die Entwicklung der Spieler und das künftige Team. Richtig loslegen werde ich aber erst ab dem 1. Juli, wenn wir dann mit der Vorbereitung beginnen.

DFB.de: Innerhalb der vergangenen 14 Monate gab es nur etwa vier bis sechs Wochen Spielbetrieb im Juniorenbereich. Wie sehr werden Sie zu Beginn Ihrer Tätigkeit darauf Rücksicht nehmen (müssen)?

Wagner: Eines vorweg: Grundsätzlich ist diese lange Fußballpause für alle Kinder und Jugendlichen eine Katastrophe. Unabhängig davon, in welchem Verein oder in welcher Liga sie aktiv sind. Die Altersstufe, die kurz vor dem Wechsel in den Seniorenbereich steht, trifft es dabei besonders. Von daher muss ich diesen Faktor ab Sommer auch berücksichtigen. Immerhin können die Jungs in den Leistungszentren fußballspezifisch trainieren und sich körperlich fit halten. Was ihnen jedoch durch den ausgesetzten Spielbetrieb fehlt, sind vor allem die Zweikämpfe auf höchstem Niveau. Da geht schon einiges verloren.

DFB.de: Aus Ihrer eigenen Erfahrung: Ist es als früherer Nationalspieler einfacher, sich bei Nachwuchsspielern Gehör zu verschaffen und sie zu erreichen?

Wagner: Ich würde es so sagen: Wenn du als Trainer kein gutes Gefühl und keine ausgeprägte Empathie für die Spieler mitbringst, dann kannst du durch eigene Erfahrungen diese Schwächen vielleicht ein wenig ausgleichen oder gar kaschieren. Auf Dauer wird es aber auch damit schwierig. Du musst die Spieler inhaltlich, aber vor allem auch menschlich abholen. Das ist letztlich entscheidend. Kommt dann noch hinzu, dass du den Jungs mit deiner eigenen Erfahrung weiterhelfen kannst, ist das sicher eine gute Mischung.

DFB.de: Wollten Sie eigentlich immer schon Trainer werden oder hat sich das erst im Laufe Ihrer Karriere herauskristallisiert?

Wagner: Die Tendenz ging eigentlich schon dorthin, als ich gerade 22, 23 Jahre war und noch relativ am Beginn meiner Profikarriere stand. In den vergangenen sieben oder acht Jahren war ich dann schon felsenfest davon überzeugt, dass ich diesen Weg gehen möchte und werde. Schon als Profi habe ich mich richtig darauf gefreut. Ich kann im Trainerjob mit jungen Menschen zusammenarbeiten, sie weiterentwickeln, meine Ideen vom Fußball umsetzen. Das macht mir Riesenspaß. Ich habe richtig Bock darauf.

DFB.de: Sie wurden in einem kicker-Interview zitiert, dass Sie "davon überzeugt sind, dass ich als Trainer besser werde, als ich es als Spieler war". Legen Sie damit die Messlatte ganz bewusst weit nach oben, zumal Sie für Ihren Ehrgeiz bekannt sind?

Wagner: Ich meine damit, dass meine jetzigen Voraussetzungen für den Trainerberuf noch besser sind, als es meine Anlagen als Spieler waren. Klar: Ich war taktisch gut, körperlich fit, auch technisch - wenn man meine Köpergröße berücksichtigt - nicht so schlecht. Ich bin dennoch nie der Allertalentierteste gewesen und musste mir viel über die Mentalität erarbeiten. Und als Trainer ist der Kopf sogar noch mehr gefragt. So ist auch meine Aussage zu verstehen. Das Analytische habe ich bereits als Spieler bei meinen Trainern ganz genau verfolgt und aufgesaugt. So ist auch meine Aussage zu verstehen. Dass dazu aber auch viel harte Arbeit und Erfahrungen gehören, versteht sich von selbst.

DFB.de: Während Ihrer Spielerkarriere hatten Sie viele berühmte Trainer. Wer hat sie am meisten beeinflusst?

Wagner: Auch wenn es sich vielleicht langweilig anhört, aber den einen Trainer gab es nicht. Von jedem konnte ich etwas mitnehmen - positiv wie negativ. Und es stimmt schon: Es waren viele herausragende Trainer dabei, nehmen wir nur beispielsweise Horst Hrubesch und Joachim Löw beim DFB sowie Jupp Heynckes, Ottmar Hitzfeld oder Julian Nagelsmann. Viel lernen konnte ich aber auch von meinen beiden schlechtesten Trainern.

DFB.de: Innerhalb nur weniger Monate waren Sie unter dem noch sehr jungen Julian Nagelsmann in Hoffenheim und dem äußerst erfahrenen Jupp Heynckes beim FC Bayern aktiv. Welche Rolle spielt bei Trainern das Alter und die Erfahrung?

Wagner: Es stimmt schon, dass es eine extreme Umstellung war. Aber nicht wegen des großen Altersunterschieds, sondern weil jeder für sich ein ganz anderer Typ ist. Julian kommt in erster Linie über den inhaltlichen Ansatz, ist aber auch sehr empathisch. Deshalb gehört er für mich schon jetzt zu den Toptrainern in Europa. Jupp Heynckes holte die Spieler zu 100 Prozent menschlich ab. Jeder war bereit, für ihn durchs Feuer zu gehen.

DFB.de: Haben Sie den einen oder anderen (Ex-)Trainer auch um Rat gefragt?

Wagner: Ich habe zu sehr vielen Menschen, die ich während meiner Karriere auf die verschiedenste Weise kennengelernt habe, regelmäßig Kontakt und nutze dieses Netzwerk natürlich auch vor allem dazu, um mir viele verschiedene Meinungen anzuhören: Nicht nur von Trainern, auch von Spielern, Managern, Funktionären. Auch mit dem DFB bin ich im engen Austausch, beispielsweise mit Joti Chatzialexiou, dem Sportlichen Leiter Nationalmannschaften, und Meikel Schönweitz, dem Cheftrainer der U-Nationalteams. Es ist über die Jahre ein riesiges Netzwerk entstanden, das mir auch bei meiner weiteren Laufbahn sicherlich sehr helfen wird.

DFB.de: Als gebürtiger Münchner absolvierten Sie Ihre eigene Spielerausbildung beim FC Bayern, zu dem Sie später auch als Profi noch einmal zurückkehrten. Wie würden Sie die größten Unterschiede zwischen Ihrer Zeit im Nachwuchs und der jetzigen Talentförderung und Ausbildung beschreiben? Ist das überhaupt vergleichbar?

Wagner: Es ist etwas ganz anderes. Der Fußball ist dabei auch ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Die hierarchischen Strukturen, die noch zu meiner Jugendzeit vorherrschten, wurden stark abgeflacht. Vor allem sind aber auch die jungen Spieler ganz andere Typen. Sie müssen inhaltlich überzeugt werden, sonst funktioniert es nicht. Dazu kommen dann noch die deutlich ausgebaute Infrastruktur, verbessertes Athletiktraining und die neuen technischen Möglichkeiten, etwa bei der Videoanalyse oder der Auswertung von Laufleistungen.

DFB.de: Sie galten stets als meinungsstarker Profi. Diese Eigenschaft war in den vergangenen Jahren nicht allzu verbreitet. Werden Sie Ihre jungen Spieler ermutigen, auch mal "den Mund aufzumachen"?

Wagner: Eine solche Kultur wird von Tag eins meiner Tätigkeit ein wichtiger Baustein sein. Jede Meinung ist berechtigt, jede Meinung benötigt eine Stimme. Das ist mir sehr wichtig. Allerdings muss ich auch sagen, dass es eher einem Schubladen-Denken entspricht, wenn man denkt, dass viele Profis nicht ihre wahre Meinung sagen. Das stimmt so nicht. Es ist oft nur ein großer Unterschied, was sie intern sagen im Vergleich zu dem, was sie medial wiedergeben. Und das ist auch verständlich.

DFB.de: Um erste Erfahrungen im Trainerjob zu sammeln, waren Sie unter anderem im Rahmen eines Praktikums beim Deutschen Fußball-Bund als "Stürmertrainer" tätig. Welche Aufgaben haben Sie genau wahrgenommen? Was konnten Sie mitnehmen?

Wagner: Bei der U 16 durfte ich beim Trainerteam um Marc-Patrick Meister reinschnuppern, habe vor allem mit den Stürmern intensiv trainiert. Das war eine tolle Erfahrung. Weitere Lehrgänge mit der U 18 hat dann Corona leider verhindert. Durch die Tätigkeit beim DFB konnte ich aber auch die Philosophie des Verbandes noch besser kennenlernen. Es hat mich beeindruckt, mit welcher Leidenschaft und welchem Engagement sich die zahlreichen Mitarbeiter für die Zukunft des deutschen Fußballs einsetzen. Und das ohne Eitelkeiten.

DFB.de: Wie lief der Austausch mit der Sportlichen Leitung? Bleiben Sie in Kontakt?

Wagner: Wir hatten sehr gute Gespräche, auch über ein weiteres Engagement als Trainer oder in einer anderen Funktion. Ich habe mich jetzt aber für Unterhaching entschieden. Bleiben werde ich aber Botschafter für das wichtige "Projekt Zukunft" des DFB, hinter dem ich voll und ganz stehe. Wir müssen individuell besser werden, der Fußball an sich muss wieder mehr in den Fokus gerückt werden - gerade in der Ausbildung.

DFB.de: Sehen Sie grundsätzlich Ihre Zukunft eher in einer Vereins- oder Verbandstätigkeit?

Wagner: Definitiv beim Verein, denn ich möchte tagtäglich mit den Spielern arbeiten und so auch selbst dazulernen. Dafür ist der Nachwuchs eine ausgezeichnete Schule.

DFB.de: Unterhachings Präsident Manfred Schwabl sieht Sie "in zehn Jahren als Bundesliga-Trainer". Wie sehr schmeichelt Ihnen das?

Wagner: Zehn Jahre? Das ist mir zu lang, da muss ich mal mit Manni reden. (lacht) Ernsthaft: Es ist doch klar, dass jeder Trainer so weit nach oben kommen will wie möglich. Da bin ich keine Ausnahme. Ich traue es mir definitiv zu.

DFB.de: Hilft Ihnen Ihr Engagement als TV-Experte bei DAZN oder beim ZDF auch dabei, den Fußball mal aus einer anderen Perspektive zu verfolgen? Ist auch in diesem Bereich eine dauerhafte Karriere denkbar?

Wagner: In den nächsten Jahren werde ich meine TV-Tätigkeit auf jeden Fall noch fortsetzen. Sollte es dann so laufen, wie ich es mir vorstelle, dann wird das parallel wohl nicht mehr möglich sein. Auf jeden Fall macht es mir viel Spaß und hilft mir auch dabei, Spiele genau vorzubereiten und zu analysieren. Und ich habe gemerkt, wieviel Arbeit im TV dahintersteckt, die die Zuschauer so gar nicht sehen.

DFB.de: Zum Abschluss: Die erste Mannschaft der SpVgg Unterhaching kämpft aktuell in der 3. Liga um den Klassenverbleib, rangiert am Tabellenende. Welche Auswirkungen hätte ein Abstieg in die Regionalliga Bayern auf Ihre Arbeit als U 19-Trainer?

Wagner: Natürlich drücke ich Daumen, dass der Klassenverbleib noch gelingt. Wenn sich der Abstieg jedoch nicht mehr abwenden lässt, dann hat sich das aber schon über einen längeren Zeitraum abgezeichnet. Auf meine Tätigkeit hätte das aber keinen negativen Einfluss. Der Verein will seine Nachwuchsförderung so oder so noch weiter verbessern, um noch mehr Spieler aus der eigenen Jugend nach oben zu ziehen. In der Regionalliga wäre der Sprung sogar noch leichter. Für talentierte Jungs ist und bleibt Haching eine gute Option und ein ideales Sprungbrett.

[mspw]

Bei der U 19 der SpVgg Unterhaching startet Ex-Nationalstürmer Sandro Wagner im Sommer seine Trainerkarriere. Der U 21-Europameister von 2009 und Confed Cup-Sieger von 2017 soll die Talente des Drittligisten fordern und fördern. Im DFB.de-Interview spricht der 33-Jährige mit Mitarbeiter Ralf Debat über seinen Einstieg als Trainer, die Tätigkeit für den DFB, Julian Nagelsmann und Jupp Heynckes.

DFB.de: Ab der neuen Saison werden Sie die U 19 der SpVgg Unterhaching trainieren. Warum haben Sie sich für diesen Schritt entschieden, Herr Wagner?

Sandro Wagner: Ich hatte hier nach super Gesprächen das Gefühl, richtig was bewegen zu können. Genau das ist auch am wichtigsten für meine persönliche Entwicklung. Dazu kommt es mir und meiner Familie gelegen, dass ich zumindest noch einige Zeit im Münchner Raum arbeiten kann, nachdem ich als Spieler jahrelang ständig unterwegs war. Ich bin in drei Minuten an meinem künftigen Arbeitsplatz.

DFB.de: Wollen Sie als Trainer bewusst "ganz unten" anfangen?

Wagner: Von "unten" würde ich gar nicht sprechen. Ich kann mich in Haching auf einem guten NLZ-Niveau weiterbilden, muss mir auf der anderen Seite aber auch mehr selbst erarbeiten, als es vielleicht bei einem größeren Verein der Fall wäre. Dadurch werde ich mehr gefordert und kann mich als Trainer besser weiterentwickeln.

DFB.de: Ihr Vertrag läuft zunächst über zwei Jahre. Was nehmen Sie sich für diesen Zeitraum vor?

Wagner: Präsident Manni Schwabl hat gesagt, ich muss zweimal Meister werden. (lacht) Aber Spaß beiseite. Die inhaltliche Arbeit steht im Vordergrund. Es geht um die Ausbildung der Jungs, die wir an den Profifußball heranführen und darauf vorbereiten wollen. Dabei möchte ich wieder mehr absolute Spezialisten für bestimmte Positionen ausbilden - und nicht Spieler, die auf sieben oder acht verschiedenen Positionen mehr oder weniger gut spielen können.

DFB.de: Die U 19 der SpVgg Unterhaching führt in der wegen der Corona-Pandemie unterbrochenen Saison die Tabelle in einer Bayernliga-Staffel an. Wie sehr würden Sie sich darüber freuen, wenn Ihre Mannschaft in der Staffel Süd/Südwest der A-Junioren-Bundesliga an den Start gehen kann?

Wagner: Sollte es so kommen, wäre das eine sehr gute Sache für den Verein. Grundsätzlich spielt die Liga für meine Arbeit aber keine entscheidende Rolle. Wir sind auch in der Bayernliga in der Lage, die Jungs besser zu machen. Und nur darum geht es.

DFB.de: War schon eine erste Kontaktaufnahme zu Ihren künftigen Spielern möglich? Oder sehen Sie das Team beim ersten Training?

Wagner: Das Team hat zwei Trainer, darf zum Glück auch zumindest trainieren und interne Testspiele bestreiten. Ich halte mich aus Respekt vor den beiden Kollegen jedoch bewusst zurück. Selbstverständlich schaue ich mir die eine oder andere Einheit an, bin auch mit dem aktuellen U 17- und Nachwuchs-Cheftrainer Marc Unterberger in einem engen Austausch über die Entwicklung der Spieler und das künftige Team. Richtig loslegen werde ich aber erst ab dem 1. Juli, wenn wir dann mit der Vorbereitung beginnen.

DFB.de: Innerhalb der vergangenen 14 Monate gab es nur etwa vier bis sechs Wochen Spielbetrieb im Juniorenbereich. Wie sehr werden Sie zu Beginn Ihrer Tätigkeit darauf Rücksicht nehmen (müssen)?

Wagner: Eines vorweg: Grundsätzlich ist diese lange Fußballpause für alle Kinder und Jugendlichen eine Katastrophe. Unabhängig davon, in welchem Verein oder in welcher Liga sie aktiv sind. Die Altersstufe, die kurz vor dem Wechsel in den Seniorenbereich steht, trifft es dabei besonders. Von daher muss ich diesen Faktor ab Sommer auch berücksichtigen. Immerhin können die Jungs in den Leistungszentren fußballspezifisch trainieren und sich körperlich fit halten. Was ihnen jedoch durch den ausgesetzten Spielbetrieb fehlt, sind vor allem die Zweikämpfe auf höchstem Niveau. Da geht schon einiges verloren.

DFB.de: Aus Ihrer eigenen Erfahrung: Ist es als früherer Nationalspieler einfacher, sich bei Nachwuchsspielern Gehör zu verschaffen und sie zu erreichen?

Wagner: Ich würde es so sagen: Wenn du als Trainer kein gutes Gefühl und keine ausgeprägte Empathie für die Spieler mitbringst, dann kannst du durch eigene Erfahrungen diese Schwächen vielleicht ein wenig ausgleichen oder gar kaschieren. Auf Dauer wird es aber auch damit schwierig. Du musst die Spieler inhaltlich, aber vor allem auch menschlich abholen. Das ist letztlich entscheidend. Kommt dann noch hinzu, dass du den Jungs mit deiner eigenen Erfahrung weiterhelfen kannst, ist das sicher eine gute Mischung.

DFB.de: Wollten Sie eigentlich immer schon Trainer werden oder hat sich das erst im Laufe Ihrer Karriere herauskristallisiert?

Wagner: Die Tendenz ging eigentlich schon dorthin, als ich gerade 22, 23 Jahre war und noch relativ am Beginn meiner Profikarriere stand. In den vergangenen sieben oder acht Jahren war ich dann schon felsenfest davon überzeugt, dass ich diesen Weg gehen möchte und werde. Schon als Profi habe ich mich richtig darauf gefreut. Ich kann im Trainerjob mit jungen Menschen zusammenarbeiten, sie weiterentwickeln, meine Ideen vom Fußball umsetzen. Das macht mir Riesenspaß. Ich habe richtig Bock darauf.

DFB.de: Sie wurden in einem kicker-Interview zitiert, dass Sie "davon überzeugt sind, dass ich als Trainer besser werde, als ich es als Spieler war". Legen Sie damit die Messlatte ganz bewusst weit nach oben, zumal Sie für Ihren Ehrgeiz bekannt sind?

Wagner: Ich meine damit, dass meine jetzigen Voraussetzungen für den Trainerberuf noch besser sind, als es meine Anlagen als Spieler waren. Klar: Ich war taktisch gut, körperlich fit, auch technisch - wenn man meine Köpergröße berücksichtigt - nicht so schlecht. Ich bin dennoch nie der Allertalentierteste gewesen und musste mir viel über die Mentalität erarbeiten. Und als Trainer ist der Kopf sogar noch mehr gefragt. So ist auch meine Aussage zu verstehen. Das Analytische habe ich bereits als Spieler bei meinen Trainern ganz genau verfolgt und aufgesaugt. So ist auch meine Aussage zu verstehen. Dass dazu aber auch viel harte Arbeit und Erfahrungen gehören, versteht sich von selbst.

DFB.de: Während Ihrer Spielerkarriere hatten Sie viele berühmte Trainer. Wer hat sie am meisten beeinflusst?

Wagner: Auch wenn es sich vielleicht langweilig anhört, aber den einen Trainer gab es nicht. Von jedem konnte ich etwas mitnehmen - positiv wie negativ. Und es stimmt schon: Es waren viele herausragende Trainer dabei, nehmen wir nur beispielsweise Horst Hrubesch und Joachim Löw beim DFB sowie Jupp Heynckes, Ottmar Hitzfeld oder Julian Nagelsmann. Viel lernen konnte ich aber auch von meinen beiden schlechtesten Trainern.

DFB.de: Innerhalb nur weniger Monate waren Sie unter dem noch sehr jungen Julian Nagelsmann in Hoffenheim und dem äußerst erfahrenen Jupp Heynckes beim FC Bayern aktiv. Welche Rolle spielt bei Trainern das Alter und die Erfahrung?

Wagner: Es stimmt schon, dass es eine extreme Umstellung war. Aber nicht wegen des großen Altersunterschieds, sondern weil jeder für sich ein ganz anderer Typ ist. Julian kommt in erster Linie über den inhaltlichen Ansatz, ist aber auch sehr empathisch. Deshalb gehört er für mich schon jetzt zu den Toptrainern in Europa. Jupp Heynckes holte die Spieler zu 100 Prozent menschlich ab. Jeder war bereit, für ihn durchs Feuer zu gehen.

DFB.de: Haben Sie den einen oder anderen (Ex-)Trainer auch um Rat gefragt?

Wagner: Ich habe zu sehr vielen Menschen, die ich während meiner Karriere auf die verschiedenste Weise kennengelernt habe, regelmäßig Kontakt und nutze dieses Netzwerk natürlich auch vor allem dazu, um mir viele verschiedene Meinungen anzuhören: Nicht nur von Trainern, auch von Spielern, Managern, Funktionären. Auch mit dem DFB bin ich im engen Austausch, beispielsweise mit Joti Chatzialexiou, dem Sportlichen Leiter Nationalmannschaften, und Meikel Schönweitz, dem Cheftrainer der U-Nationalteams. Es ist über die Jahre ein riesiges Netzwerk entstanden, das mir auch bei meiner weiteren Laufbahn sicherlich sehr helfen wird.

DFB.de: Als gebürtiger Münchner absolvierten Sie Ihre eigene Spielerausbildung beim FC Bayern, zu dem Sie später auch als Profi noch einmal zurückkehrten. Wie würden Sie die größten Unterschiede zwischen Ihrer Zeit im Nachwuchs und der jetzigen Talentförderung und Ausbildung beschreiben? Ist das überhaupt vergleichbar?

Wagner: Es ist etwas ganz anderes. Der Fußball ist dabei auch ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Die hierarchischen Strukturen, die noch zu meiner Jugendzeit vorherrschten, wurden stark abgeflacht. Vor allem sind aber auch die jungen Spieler ganz andere Typen. Sie müssen inhaltlich überzeugt werden, sonst funktioniert es nicht. Dazu kommen dann noch die deutlich ausgebaute Infrastruktur, verbessertes Athletiktraining und die neuen technischen Möglichkeiten, etwa bei der Videoanalyse oder der Auswertung von Laufleistungen.

DFB.de: Sie galten stets als meinungsstarker Profi. Diese Eigenschaft war in den vergangenen Jahren nicht allzu verbreitet. Werden Sie Ihre jungen Spieler ermutigen, auch mal "den Mund aufzumachen"?

Wagner: Eine solche Kultur wird von Tag eins meiner Tätigkeit ein wichtiger Baustein sein. Jede Meinung ist berechtigt, jede Meinung benötigt eine Stimme. Das ist mir sehr wichtig. Allerdings muss ich auch sagen, dass es eher einem Schubladen-Denken entspricht, wenn man denkt, dass viele Profis nicht ihre wahre Meinung sagen. Das stimmt so nicht. Es ist oft nur ein großer Unterschied, was sie intern sagen im Vergleich zu dem, was sie medial wiedergeben. Und das ist auch verständlich.

DFB.de: Um erste Erfahrungen im Trainerjob zu sammeln, waren Sie unter anderem im Rahmen eines Praktikums beim Deutschen Fußball-Bund als "Stürmertrainer" tätig. Welche Aufgaben haben Sie genau wahrgenommen? Was konnten Sie mitnehmen?

Wagner: Bei der U 16 durfte ich beim Trainerteam um Marc-Patrick Meister reinschnuppern, habe vor allem mit den Stürmern intensiv trainiert. Das war eine tolle Erfahrung. Weitere Lehrgänge mit der U 18 hat dann Corona leider verhindert. Durch die Tätigkeit beim DFB konnte ich aber auch die Philosophie des Verbandes noch besser kennenlernen. Es hat mich beeindruckt, mit welcher Leidenschaft und welchem Engagement sich die zahlreichen Mitarbeiter für die Zukunft des deutschen Fußballs einsetzen. Und das ohne Eitelkeiten.

DFB.de: Wie lief der Austausch mit der Sportlichen Leitung? Bleiben Sie in Kontakt?

Wagner: Wir hatten sehr gute Gespräche, auch über ein weiteres Engagement als Trainer oder in einer anderen Funktion. Ich habe mich jetzt aber für Unterhaching entschieden. Bleiben werde ich aber Botschafter für das wichtige "Projekt Zukunft" des DFB, hinter dem ich voll und ganz stehe. Wir müssen individuell besser werden, der Fußball an sich muss wieder mehr in den Fokus gerückt werden - gerade in der Ausbildung.

DFB.de: Sehen Sie grundsätzlich Ihre Zukunft eher in einer Vereins- oder Verbandstätigkeit?

Wagner: Definitiv beim Verein, denn ich möchte tagtäglich mit den Spielern arbeiten und so auch selbst dazulernen. Dafür ist der Nachwuchs eine ausgezeichnete Schule.

DFB.de: Unterhachings Präsident Manfred Schwabl sieht Sie "in zehn Jahren als Bundesliga-Trainer". Wie sehr schmeichelt Ihnen das?

Wagner: Zehn Jahre? Das ist mir zu lang, da muss ich mal mit Manni reden. (lacht) Ernsthaft: Es ist doch klar, dass jeder Trainer so weit nach oben kommen will wie möglich. Da bin ich keine Ausnahme. Ich traue es mir definitiv zu.

DFB.de: Hilft Ihnen Ihr Engagement als TV-Experte bei DAZN oder beim ZDF auch dabei, den Fußball mal aus einer anderen Perspektive zu verfolgen? Ist auch in diesem Bereich eine dauerhafte Karriere denkbar?

Wagner: In den nächsten Jahren werde ich meine TV-Tätigkeit auf jeden Fall noch fortsetzen. Sollte es dann so laufen, wie ich es mir vorstelle, dann wird das parallel wohl nicht mehr möglich sein. Auf jeden Fall macht es mir viel Spaß und hilft mir auch dabei, Spiele genau vorzubereiten und zu analysieren. Und ich habe gemerkt, wieviel Arbeit im TV dahintersteckt, die die Zuschauer so gar nicht sehen.

DFB.de: Zum Abschluss: Die erste Mannschaft der SpVgg Unterhaching kämpft aktuell in der 3. Liga um den Klassenverbleib, rangiert am Tabellenende. Welche Auswirkungen hätte ein Abstieg in die Regionalliga Bayern auf Ihre Arbeit als U 19-Trainer?

Wagner: Natürlich drücke ich Daumen, dass der Klassenverbleib noch gelingt. Wenn sich der Abstieg jedoch nicht mehr abwenden lässt, dann hat sich das aber schon über einen längeren Zeitraum abgezeichnet. Auf meine Tätigkeit hätte das aber keinen negativen Einfluss. Der Verein will seine Nachwuchsförderung so oder so noch weiter verbessern, um noch mehr Spieler aus der eigenen Jugend nach oben zu ziehen. In der Regionalliga wäre der Sprung sogar noch leichter. Für talentierte Jungs ist und bleibt Haching eine gute Option und ein ideales Sprungbrett.

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