Trainer Gert Engels: "Die Selbstdisziplin in Japan ist groß"

Gert Engels ist ein Weltenbummler. Vor einigen Jahren hat der 63-Jährige noch die Nationalmannschaft von Mosambik trainiert. Inzwischen ist er verantwortlich für die Frauen von INAC Kobe in Japan. Im DFB.de-Interview erklärt Engels, wie er die Lage in Japan erlebt, wie er zum Frauenfußball gekommen ist und wie sie dort mit der Absage der Olympischen Spiele umgehen.

DFB.de: Herr Engels, wie erleben Sie die Situation gerade vor Ort?

Gert Engels: Die Lage ist angespannt. In den vergangenen Tagen sind die Zahlen der Neuinfektionen bei uns allerdings etwas zurückgegangen. Insgesamt habe ich aber den Eindruck, dass wir in Japan der Entwicklung in Deutschland um ein bis zwei Wochen hinterher sind.

DFB.de: Wie gehen die Menschen mit dem Virus um?

Engels: Japanerinnen und Japaner sind von Hause aus schon sehr, sehr disziplinierte Menschen. Bereits vor Corona wurde hier extrem auf die Hygiene geachtet. Mund- und Nasenschutz beispielsweise gehören zum Alltagsbild auf den Straßen, vor allem während der Grippewelle. Außerdem gibt es in fast allen öffentlichen Einrichtungen und Geschäften Spender mit Desinfektionsmittel – ebenfalls schon vor dem Ausbruch des Coronavirus. Vielleicht auch deshalb gibt es nicht so strenge Vorschriften der Regierung an die Bevölkerung – es gibt eher Handlungsempfehlungen, an die sich meiner Wahrnehmung der größte Teil der Bevölkerung vorbildlich hält. Ende April und Anfang Mai steht hier die sogenannte Golden Week an. Das ist eine Anreihung mehrerer Feiertage, an denen die Japaner normalerweise gerne verreisen. Es gibt die dringende Bitte, darauf in diesem Jahr zu verzichten. Ich gehe davon aus, dass das weitestgehend befolgt wird. Alles andere würde mich sehr überraschen.

DFB.de: Bekommen die Japaner die Pandemie Ihrer Wahrnehmung nach also in den Griff?

Engels: Es wird wie überall lange dauern, aber ich habe ein gutes Gefühl. Die Selbstdisziplin der Einwohner ist wie gesagt sehr groß. Das ist aus meiner Sicht ein entscheidender Faktor. Einkaufszentren und öffentliche Plätze sind normalerweise sehr gut gefüllt. Im Moment ist es meistens gespenstisch leer. Das ist meiner Meinung nach ein gutes Zeichen.

DFB.de: Wie nehmen Sie die Lage ganz persönlich wahr? Gab es für Sie Überlegungen, nach Deutschland zurückzukehren?

Engels: Ja und nein. Eigentlich sollte mein Frau Ende März hierher kommen. Aber das ging dann aufgrund des Einreiseverbots nicht mehr. Ich hätte als Deutscher zwar noch zurückkehren können. Aber dann wäre es völlig ungewiss gewesen, wann ich wieder in Japan hätte einreisen dürfen. Schlimmstenfalls – wenn wir hier wieder trainieren dürfen – hätte ich meinen Job nicht ausüben können. Deshalb habe ich mich gegen eine Rückkehr nach Deutschland entschieden und bin geblieben. Es ist nicht optimal, dass meine Frau nun in Deutschland ist und ich in Japan bin. Aber wir sind es gewohnt, auch mal räumlich getrennt voneinander zu leben. Für einen Fußballtrainer ist das kein ungewöhnlicher Zustand. Außerdem bin ich mit kürzeren Unterbrechungen seit fast 30 Jahren in Japan tätig. Ich komme hier gut zurecht und habe sozialen Anschluss. Ich fühle mich wohl und sicher in Kobe.

DFB.de: Und sportlich? Wie ist in dieser Hinsicht die Lage?

Engels: Seit dem 4. April gibt es hier einen Trainingsstopp. Wir haben den Spielerinnen natürlich ein Programm mitgegeben, mit dem sie sich fit halten können und sollen. Außerdem stehe ich im engen Austausch mit meinem Stab und wir halten permanent Kontakt zur Mannschaft. Aber viel geht derzeit nicht. Das ist schade, weil wir kurz vor dem Saisonstart standen. Ob und wann es jetzt wirklich losgeht, weiß niemand. Es gibt Spekulationen, die von Anfang Juli sprechen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die gesellschaftliche Lage und die Entwicklung bezüglich der Verbreitung des Virus abzuwarten. Aktuell ist der Fußball völlig zurecht Nebensache.

DFB.de: INAC Kobe ist Ihre erste Station als Trainer einer Frauenmannschaft. Wie kam es dazu?

Engels: Ich war ein knappes Jahr Assistenztrainer bei Vissel Kobe – unter anderem mit Andres Iniesta und Lukas Podolski. Das sind großartige Persönlichkeiten. Es macht mich stolz, mit solchen Spielern zusammengearbeitet zu haben. Mit Andres war der Kontakt leider schon wegen der Sprache nicht so eng, mit Lukas natürlich schon. In der vorletzten Saison haben sich unsere Wege dann getrennt, aber ich bin mit einigen Verantwortlichen in Kontakt geblieben.

DFB.de: Und dann kam das Angebot?

Engels: Ja, irgendwann kam dann die Anfrage, ob ich mir dieses Engagement bei INAC Kobe, einem reinen Frauenfußballverein, auch vorstellen könnte. Ich bin ein Befürworter des Frauenfußballs. Meine Tochter hat in der zweiten englischen Liga bei den Queens Park Rangers gespielt und leitet jetzt meine Fußballschule. Nach einer relativ kurzen Bedenkzeit habe ich dann zugesagt. Es hat bis zum Trainingsabbruch großen Spaß gemacht. Wir haben ein starkes Team zusammen.

DFB.de: Wie sind die Voraussetzungen dort?

Engels: Bei uns wird unter absoluten Profibedingungen gearbeitet. Wir haben einige japanische Nationalspielerinnen im Kader, drei von ihnen sind 2011 in Deutschland Weltmeister geworden. Es ist eine tolle Erfahrung, jetzt zum ersten Mal eine Frauenmannschaft verantwortlich zu betreuen. Und wer mich kennt, weiß ja, dass ich immer für neue Herausforderungen offen bin. Von 2011 bis 2013 war ich beispielsweise Nationaltrainer von Mosambik. Das war auch spannend. Aber auch hier stehen wir vor einer großen Aufgabe und ich freue mich, hier gelandet zu sein. Die Japaner sind extrem sportbegeistert und der Frauenfußball steht vor einem Aufbruch Richtung Profiliga im Jahr 2021. Vor allen Dingen aber war Vieles auf die Olympischen Spiele in Tokio in diesem Jahr ausgerichtet

DFB.de: Die nun auch verschoben werden müssen...

Engels: Das ist für die Japaner sehr bitter und wirklich eine große Enttäuschung. Das kann man allen Gesprächen zu diesem Thema entnehmen. Alle hatten sich auf dieses Event gefreut, alle wollten ihr Land von der besten Seite präsentieren. Aber dann kam das Coronavirus. Jetzt müssen wir sehen, wie es mit den Olympischen Spielen weitergeht. Die Vorbereitungen waren logischerweise schon weit fortgeschritten. Auch meine Spielerinnen sind traurig. Einige hatten große Hoffnungen, zum Olympia-Kader zu zählen und um die Goldmedaille zu spielen. Da müssen wir jetzt vor allem mentale Aufbauarbeit leisten. Auch deshalb wäre es wichtig, wenn wir bald wieder in einen normalen Rhythmus kommen würden. Allerdings befürchte ich, dass das noch einige Zeit dauern wird. Sicherheit und Gesundheit gehen vor!

[sw]

Gert Engels ist ein Weltenbummler. Vor einigen Jahren hat der 63-Jährige noch die Nationalmannschaft von Mosambik trainiert. Inzwischen ist er verantwortlich für die Frauen von INAC Kobe in Japan. Im DFB.de-Interview erklärt Engels, wie er die Lage in Japan erlebt, wie er zum Frauenfußball gekommen ist und wie sie dort mit der Absage der Olympischen Spiele umgehen.

DFB.de: Herr Engels, wie erleben Sie die Situation gerade vor Ort?

Gert Engels: Die Lage ist angespannt. In den vergangenen Tagen sind die Zahlen der Neuinfektionen bei uns allerdings etwas zurückgegangen. Insgesamt habe ich aber den Eindruck, dass wir in Japan der Entwicklung in Deutschland um ein bis zwei Wochen hinterher sind.

DFB.de: Wie gehen die Menschen mit dem Virus um?

Engels: Japanerinnen und Japaner sind von Hause aus schon sehr, sehr disziplinierte Menschen. Bereits vor Corona wurde hier extrem auf die Hygiene geachtet. Mund- und Nasenschutz beispielsweise gehören zum Alltagsbild auf den Straßen, vor allem während der Grippewelle. Außerdem gibt es in fast allen öffentlichen Einrichtungen und Geschäften Spender mit Desinfektionsmittel – ebenfalls schon vor dem Ausbruch des Coronavirus. Vielleicht auch deshalb gibt es nicht so strenge Vorschriften der Regierung an die Bevölkerung – es gibt eher Handlungsempfehlungen, an die sich meiner Wahrnehmung der größte Teil der Bevölkerung vorbildlich hält. Ende April und Anfang Mai steht hier die sogenannte Golden Week an. Das ist eine Anreihung mehrerer Feiertage, an denen die Japaner normalerweise gerne verreisen. Es gibt die dringende Bitte, darauf in diesem Jahr zu verzichten. Ich gehe davon aus, dass das weitestgehend befolgt wird. Alles andere würde mich sehr überraschen.

DFB.de: Bekommen die Japaner die Pandemie Ihrer Wahrnehmung nach also in den Griff?

Engels: Es wird wie überall lange dauern, aber ich habe ein gutes Gefühl. Die Selbstdisziplin der Einwohner ist wie gesagt sehr groß. Das ist aus meiner Sicht ein entscheidender Faktor. Einkaufszentren und öffentliche Plätze sind normalerweise sehr gut gefüllt. Im Moment ist es meistens gespenstisch leer. Das ist meiner Meinung nach ein gutes Zeichen.

DFB.de: Wie nehmen Sie die Lage ganz persönlich wahr? Gab es für Sie Überlegungen, nach Deutschland zurückzukehren?

Engels: Ja und nein. Eigentlich sollte mein Frau Ende März hierher kommen. Aber das ging dann aufgrund des Einreiseverbots nicht mehr. Ich hätte als Deutscher zwar noch zurückkehren können. Aber dann wäre es völlig ungewiss gewesen, wann ich wieder in Japan hätte einreisen dürfen. Schlimmstenfalls – wenn wir hier wieder trainieren dürfen – hätte ich meinen Job nicht ausüben können. Deshalb habe ich mich gegen eine Rückkehr nach Deutschland entschieden und bin geblieben. Es ist nicht optimal, dass meine Frau nun in Deutschland ist und ich in Japan bin. Aber wir sind es gewohnt, auch mal räumlich getrennt voneinander zu leben. Für einen Fußballtrainer ist das kein ungewöhnlicher Zustand. Außerdem bin ich mit kürzeren Unterbrechungen seit fast 30 Jahren in Japan tätig. Ich komme hier gut zurecht und habe sozialen Anschluss. Ich fühle mich wohl und sicher in Kobe.

DFB.de: Und sportlich? Wie ist in dieser Hinsicht die Lage?

Engels: Seit dem 4. April gibt es hier einen Trainingsstopp. Wir haben den Spielerinnen natürlich ein Programm mitgegeben, mit dem sie sich fit halten können und sollen. Außerdem stehe ich im engen Austausch mit meinem Stab und wir halten permanent Kontakt zur Mannschaft. Aber viel geht derzeit nicht. Das ist schade, weil wir kurz vor dem Saisonstart standen. Ob und wann es jetzt wirklich losgeht, weiß niemand. Es gibt Spekulationen, die von Anfang Juli sprechen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die gesellschaftliche Lage und die Entwicklung bezüglich der Verbreitung des Virus abzuwarten. Aktuell ist der Fußball völlig zurecht Nebensache.

DFB.de: INAC Kobe ist Ihre erste Station als Trainer einer Frauenmannschaft. Wie kam es dazu?

Engels: Ich war ein knappes Jahr Assistenztrainer bei Vissel Kobe – unter anderem mit Andres Iniesta und Lukas Podolski. Das sind großartige Persönlichkeiten. Es macht mich stolz, mit solchen Spielern zusammengearbeitet zu haben. Mit Andres war der Kontakt leider schon wegen der Sprache nicht so eng, mit Lukas natürlich schon. In der vorletzten Saison haben sich unsere Wege dann getrennt, aber ich bin mit einigen Verantwortlichen in Kontakt geblieben.

DFB.de: Und dann kam das Angebot?

Engels: Ja, irgendwann kam dann die Anfrage, ob ich mir dieses Engagement bei INAC Kobe, einem reinen Frauenfußballverein, auch vorstellen könnte. Ich bin ein Befürworter des Frauenfußballs. Meine Tochter hat in der zweiten englischen Liga bei den Queens Park Rangers gespielt und leitet jetzt meine Fußballschule. Nach einer relativ kurzen Bedenkzeit habe ich dann zugesagt. Es hat bis zum Trainingsabbruch großen Spaß gemacht. Wir haben ein starkes Team zusammen.

DFB.de: Wie sind die Voraussetzungen dort?

Engels: Bei uns wird unter absoluten Profibedingungen gearbeitet. Wir haben einige japanische Nationalspielerinnen im Kader, drei von ihnen sind 2011 in Deutschland Weltmeister geworden. Es ist eine tolle Erfahrung, jetzt zum ersten Mal eine Frauenmannschaft verantwortlich zu betreuen. Und wer mich kennt, weiß ja, dass ich immer für neue Herausforderungen offen bin. Von 2011 bis 2013 war ich beispielsweise Nationaltrainer von Mosambik. Das war auch spannend. Aber auch hier stehen wir vor einer großen Aufgabe und ich freue mich, hier gelandet zu sein. Die Japaner sind extrem sportbegeistert und der Frauenfußball steht vor einem Aufbruch Richtung Profiliga im Jahr 2021. Vor allen Dingen aber war Vieles auf die Olympischen Spiele in Tokio in diesem Jahr ausgerichtet

DFB.de: Die nun auch verschoben werden müssen...

Engels: Das ist für die Japaner sehr bitter und wirklich eine große Enttäuschung. Das kann man allen Gesprächen zu diesem Thema entnehmen. Alle hatten sich auf dieses Event gefreut, alle wollten ihr Land von der besten Seite präsentieren. Aber dann kam das Coronavirus. Jetzt müssen wir sehen, wie es mit den Olympischen Spielen weitergeht. Die Vorbereitungen waren logischerweise schon weit fortgeschritten. Auch meine Spielerinnen sind traurig. Einige hatten große Hoffnungen, zum Olympia-Kader zu zählen und um die Goldmedaille zu spielen. Da müssen wir jetzt vor allem mentale Aufbauarbeit leisten. Auch deshalb wäre es wichtig, wenn wir bald wieder in einen normalen Rhythmus kommen würden. Allerdings befürchte ich, dass das noch einige Zeit dauern wird. Sicherheit und Gesundheit gehen vor!

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