Torsten Lieberknecht: "Das ist mein Fußball"

Mit dem MSV Duisburg überwintert Trainer Torsten Lieberknecht (46) in der 3. Liga als Spitzenreiter. Nach 20 Spieltagen haben sich die "Zebras" ein Sechs-Punkte-Polster vor einem Nichtaufstiegsrang erarbeitet, obwohl der Umbruch nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga sehr groß war. Torsten Lieberknecht spricht im DFB.de-Interview über sein Faible für Traditionsvereine, seriöse Arbeit und Identifikation.

DFB.de: Der MSV Duisburg überwintert in der 3. Liga auf Platz eins. Zehn der bisherigen elf Herbstmeister sind am Ende auch aufgestiegen. Ist die Tabellenführung zur Winterpause gegenüber der Konkurrenz daher auch ein wichtiger psychologischer Vorteil? Oder sorgt sie eher für eine höhere Erwartungshaltung, Herr Lieberknecht?

Torsten Lieberknecht: Erwartungen, Statistiken und Schnelllebigkeit - das sind alles Dinge von außen, bei denen es jeder Mannschaft guttut, sie auszublenden. Obwohl ich natürlich auch keinen Tabellenführer zum Jahreswechsel kenne, der sagt: Wäre schön, wenn wir den Klassenverbleib schaffen. (lacht) Aber Sachlichkeit und Bescheidenheit sind wichtige Parameter für Erfolg. Denn damit schaffst du es, dich auf die nächste Aufgabe, das nächste Spiel zu fokussieren und dich nicht in Träumereien aufzuhalten. Und ich weiß, dass die Menschen in Duisburg genau so ticken.

DFB.de: Als Sie die Mannschaft im Oktober 2018 übernommen hatten, spielte der Verein noch in der 2. Bundesliga. Der Abstieg konnte nicht verhindert werden. Was hat dennoch für einen Verbleib gesprochen?

Lieberknecht: Viele wissen, dass ich ein Faible für Traditionsvereinen habe, in denen die Menschen seit Jahren mit ihrem Klub leiden, aber vor allem mit ihrem Verein leben. Auch weiß man, dass ich für Kontinuität im sportlichen Aufbau stehe und gerne Herausforderungen annehme. Die Menschen hier haben sich diesem wichtigen Stück Duisburg mit Haut und Haaren verschrieben. Mit Präsident Ingo Wald und Sportdirektor Ivo Grlic, um nur zwei zu nennen, arbeiten Menschen mit Herz, Leidenschaft und auch der notwendigen Professionalität hier. Das ist mein Fußball.

DFB.de: Zum Trainingsauftakt standen gerade einmal acht fest verpflichtete Spieler auf dem Platz. Wie sehr war es ein Wettlauf mit der Zeit, um eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammenzustellen?

Lieberknecht: Wir haben erst gut eine Woche vor dem Trainingsstart die Zulassung für die 3. Liga bekommen, wussten aber immer, woran wir sind, und haben das auch offen in den Gesprächen mit den Spielern kommuniziert. Nein, wir hatten keine Angst, dass Ingo Wald mit seinem Team die Zulassung nicht sichern würde. Aber es zeichnet eben auch die seriöse Arbeit hier aus, dass wir alle mit offenen Karten spielen. Das war vielleicht einmal eine etwas ungewöhnliche Planung. Aber Ivo Grlic und ich haben uns frühzeitig darauf eingestellt.

DFB.de: Waren Sie selbst ein wenig überrascht, dass die Ergebnisse schon früh gestimmt haben?

Lieberknecht: Was ich sagen kann: Unsere neue Mannschaft hat sich ganz schnell den nötigen gegenseitigen Halt gegeben und zeigte sich von Anfang an begeistert und wissbegierig, an unserer ausgegebenen Spielidee zu arbeiten und diese umzusetzen. Dazu verkörpern und zeigen unsere Zugänge das, was wir in ihrem sportlichen Profil gesehen haben. Ja, natürlich haben wir eine Entwicklung erwartet, und es war im Sommer ja auch das Ziel, zu den neun oder zehn Teams zu gehören, die zumindest oben anklopfen wollen. Aber dass wir jetzt auf dieser Position stehen, das hat im Sommer keiner auf der Rechnung gehabt. Im Gegenteil! Da gab es ja viele, die gezweifelt haben, ob das gut gehen kann. Jetzt ist es an uns, diesen eingeschlagenen Weg auch akribisch weiter zu gehen.

DFB.de: Gab es in dieser Spielzeit einen Schlüsselmoment?

Lieberknecht: Den einen Schlüsselmoment gab es nicht. Aber die Jungs haben von Anfang an verstanden, dass wir ihnen eine Identifikation mit dem Meidericher SV mit auf den Weg geben, dass sie es wertschätzen, in dieser Arena auflaufen zu dürfen, am tollen Trainingsgelände in Meiderich zu arbeiten und diese Zebrastreifen überzuziehen, die schon so viele Fußballer mit wirklich ganz, ganz großen Namen getragen haben.

DFB.de: Was zeichnet Ihr Team besonders aus?

Lieberknecht: Die Mannschaft will jedes Spiel gewinnen. Das zeigt sie immer wieder, auch wenn es uns nicht immer gelingt, das umzusetzen. Wir haben uns trotz der doch vielen Ausfälle in der Hinrunde sehr gefestigt gezeigt und können auch während des Spiels variabel reagieren, spielen druckvoll. Aber noch einmal: Das Wichtigste ist, dass eine Mannschaft als geschlossene Einheit funktioniert.

DFB.de: Welchen Anteil hat Kapitän und Torjäger Moritz Stoppelkamp?

Lieberknecht: Stoppel ist im Sommer vorangegangen, hat laut und deutlich gesagt, dass er Verantwortung übernehmen will. Das ist nicht selbstverständlich. Er hat seine Worte eindrucksvoll in Taten umgesetzt. Auch Stoppel ist ein ganz starkes Stück Duisburg.

DFB.de: Wer war für Sie in Ihrem Team die positivste Überraschung der Hinserie?

Lieberknecht: Das Wort, das Sie nennen, gibt die Antwort: Das Team. Keiner nimmt sich wichtiger als die Mannschaft und den Verein. Und so fängt man eben auch einmal auf, dass vor allem die jungen Spieler wie ein Lukas Daschner, der seine erste echte Herrensaison mit richtig vielen starken Momenten spielt, einmal eine kleine Delle erleben.

DFB.de: Welche Vereine sehen Sie als größte Konkurrenten im Rennen um den Aufstieg?

Lieberknecht: Als Top-Favoriten unter einer Vielzahl von Teams sehe ich nach wie vor den Halleschen FC. Aber alle anderen in dieser starken Liga machen es auch verdammt gut. Und es wird ja immer enger. Der FC Ingolstadt und der 1. FC Kaiserslautern kommen dazu, Eintracht Braunschweig will sicher noch mal angreifen, die halbe Liga klopft oben an. Wir bleiben da bescheiden, denn wir wissen, was für ein harter Weg noch vor uns liegt. Aber wenn wir weiter so arbeiten, wenn wir auch diese Dellen überstehen. Dann sind wir durchaus in der Lage, dem anderen Favoriten ein Bein zu stellen.

DFB.de: Worauf wird es Ihrer Meinung nach ankommen, um auch am Saisonende auf einem Aufstiegsplatz zu stehen?

Lieberknecht: Nochmal: Geduldig weiter zu arbeiten. Wir sind ja im Rückblick auf den Umbruch im Sommer schon auf einem langen Weg. Und wenn wir so weitermachen, wenn wir weiter so punkten, dann werden wir zwangsläufig auch weiter da oben dazugehören.

DFB.de: Vor Ihrer Station beim MSV Duisburg waren Sie zehn Jahre lang Trainer bei Eintracht Braunschweig. Ist solch eine lange Zeit auch bei den "Zebras" denkbar?

Lieberknecht: Das wäre schön: Dass wir gemeinsam für den MSV und die Stadt auf einem langen Weg erfolgreich Fußball spielen und dabei nie vergessen, wo dieser Verein herkommt und was ihn auszeichnet.

DFB.de: Wie müssen die Rahmenbedingungen sein, damit ein Trainer so lange bei einem Verein erfolgreich arbeiten kann?

Lieberknecht: Ohne die Reihenfolge zu definieren: Erfolg, Bodenhaftung, Vertrauen und die Demut zu wissen, dass du einen Teil des Weges bei einem Traditionsverein mitgestalten darfst, aber niemals wichtiger bist als der Verein.

DFB.de: Was wünschen Sie sich zu Weihnachten und für das neue Jahr?

Lieberknecht: Dass alle Menschen die Kraft finden, ihr Herz in die Hand zu nehmen, um mit ihren Möglichkeiten Menschlichkeit zu leben und die Welt wieder ein Stückchen mehr zu bewahren. Und auch wenn ich ohne Videoschiedsrichter ganz gut leben kann: Wenn endlich mal einer der klaren Elfmeter für uns gepfiffen wird… (schmunzelt)

[mspw]

Mit dem MSV Duisburg überwintert Trainer Torsten Lieberknecht (46) in der 3. Liga als Spitzenreiter. Nach 20 Spieltagen haben sich die "Zebras" ein Sechs-Punkte-Polster vor einem Nichtaufstiegsrang erarbeitet, obwohl der Umbruch nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga sehr groß war. Torsten Lieberknecht spricht im DFB.de-Interview über sein Faible für Traditionsvereine, seriöse Arbeit und Identifikation.

DFB.de: Der MSV Duisburg überwintert in der 3. Liga auf Platz eins. Zehn der bisherigen elf Herbstmeister sind am Ende auch aufgestiegen. Ist die Tabellenführung zur Winterpause gegenüber der Konkurrenz daher auch ein wichtiger psychologischer Vorteil? Oder sorgt sie eher für eine höhere Erwartungshaltung, Herr Lieberknecht?

Torsten Lieberknecht: Erwartungen, Statistiken und Schnelllebigkeit - das sind alles Dinge von außen, bei denen es jeder Mannschaft guttut, sie auszublenden. Obwohl ich natürlich auch keinen Tabellenführer zum Jahreswechsel kenne, der sagt: Wäre schön, wenn wir den Klassenverbleib schaffen. (lacht) Aber Sachlichkeit und Bescheidenheit sind wichtige Parameter für Erfolg. Denn damit schaffst du es, dich auf die nächste Aufgabe, das nächste Spiel zu fokussieren und dich nicht in Träumereien aufzuhalten. Und ich weiß, dass die Menschen in Duisburg genau so ticken.

DFB.de: Als Sie die Mannschaft im Oktober 2018 übernommen hatten, spielte der Verein noch in der 2. Bundesliga. Der Abstieg konnte nicht verhindert werden. Was hat dennoch für einen Verbleib gesprochen?

Lieberknecht: Viele wissen, dass ich ein Faible für Traditionsvereinen habe, in denen die Menschen seit Jahren mit ihrem Klub leiden, aber vor allem mit ihrem Verein leben. Auch weiß man, dass ich für Kontinuität im sportlichen Aufbau stehe und gerne Herausforderungen annehme. Die Menschen hier haben sich diesem wichtigen Stück Duisburg mit Haut und Haaren verschrieben. Mit Präsident Ingo Wald und Sportdirektor Ivo Grlic, um nur zwei zu nennen, arbeiten Menschen mit Herz, Leidenschaft und auch der notwendigen Professionalität hier. Das ist mein Fußball.

DFB.de: Zum Trainingsauftakt standen gerade einmal acht fest verpflichtete Spieler auf dem Platz. Wie sehr war es ein Wettlauf mit der Zeit, um eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammenzustellen?

Lieberknecht: Wir haben erst gut eine Woche vor dem Trainingsstart die Zulassung für die 3. Liga bekommen, wussten aber immer, woran wir sind, und haben das auch offen in den Gesprächen mit den Spielern kommuniziert. Nein, wir hatten keine Angst, dass Ingo Wald mit seinem Team die Zulassung nicht sichern würde. Aber es zeichnet eben auch die seriöse Arbeit hier aus, dass wir alle mit offenen Karten spielen. Das war vielleicht einmal eine etwas ungewöhnliche Planung. Aber Ivo Grlic und ich haben uns frühzeitig darauf eingestellt.

DFB.de: Waren Sie selbst ein wenig überrascht, dass die Ergebnisse schon früh gestimmt haben?

Lieberknecht: Was ich sagen kann: Unsere neue Mannschaft hat sich ganz schnell den nötigen gegenseitigen Halt gegeben und zeigte sich von Anfang an begeistert und wissbegierig, an unserer ausgegebenen Spielidee zu arbeiten und diese umzusetzen. Dazu verkörpern und zeigen unsere Zugänge das, was wir in ihrem sportlichen Profil gesehen haben. Ja, natürlich haben wir eine Entwicklung erwartet, und es war im Sommer ja auch das Ziel, zu den neun oder zehn Teams zu gehören, die zumindest oben anklopfen wollen. Aber dass wir jetzt auf dieser Position stehen, das hat im Sommer keiner auf der Rechnung gehabt. Im Gegenteil! Da gab es ja viele, die gezweifelt haben, ob das gut gehen kann. Jetzt ist es an uns, diesen eingeschlagenen Weg auch akribisch weiter zu gehen.

DFB.de: Gab es in dieser Spielzeit einen Schlüsselmoment?

Lieberknecht: Den einen Schlüsselmoment gab es nicht. Aber die Jungs haben von Anfang an verstanden, dass wir ihnen eine Identifikation mit dem Meidericher SV mit auf den Weg geben, dass sie es wertschätzen, in dieser Arena auflaufen zu dürfen, am tollen Trainingsgelände in Meiderich zu arbeiten und diese Zebrastreifen überzuziehen, die schon so viele Fußballer mit wirklich ganz, ganz großen Namen getragen haben.

DFB.de: Was zeichnet Ihr Team besonders aus?

Lieberknecht: Die Mannschaft will jedes Spiel gewinnen. Das zeigt sie immer wieder, auch wenn es uns nicht immer gelingt, das umzusetzen. Wir haben uns trotz der doch vielen Ausfälle in der Hinrunde sehr gefestigt gezeigt und können auch während des Spiels variabel reagieren, spielen druckvoll. Aber noch einmal: Das Wichtigste ist, dass eine Mannschaft als geschlossene Einheit funktioniert.

DFB.de: Welchen Anteil hat Kapitän und Torjäger Moritz Stoppelkamp?

Lieberknecht: Stoppel ist im Sommer vorangegangen, hat laut und deutlich gesagt, dass er Verantwortung übernehmen will. Das ist nicht selbstverständlich. Er hat seine Worte eindrucksvoll in Taten umgesetzt. Auch Stoppel ist ein ganz starkes Stück Duisburg.

DFB.de: Wer war für Sie in Ihrem Team die positivste Überraschung der Hinserie?

Lieberknecht: Das Wort, das Sie nennen, gibt die Antwort: Das Team. Keiner nimmt sich wichtiger als die Mannschaft und den Verein. Und so fängt man eben auch einmal auf, dass vor allem die jungen Spieler wie ein Lukas Daschner, der seine erste echte Herrensaison mit richtig vielen starken Momenten spielt, einmal eine kleine Delle erleben.

DFB.de: Welche Vereine sehen Sie als größte Konkurrenten im Rennen um den Aufstieg?

Lieberknecht: Als Top-Favoriten unter einer Vielzahl von Teams sehe ich nach wie vor den Halleschen FC. Aber alle anderen in dieser starken Liga machen es auch verdammt gut. Und es wird ja immer enger. Der FC Ingolstadt und der 1. FC Kaiserslautern kommen dazu, Eintracht Braunschweig will sicher noch mal angreifen, die halbe Liga klopft oben an. Wir bleiben da bescheiden, denn wir wissen, was für ein harter Weg noch vor uns liegt. Aber wenn wir weiter so arbeiten, wenn wir auch diese Dellen überstehen. Dann sind wir durchaus in der Lage, dem anderen Favoriten ein Bein zu stellen.

DFB.de: Worauf wird es Ihrer Meinung nach ankommen, um auch am Saisonende auf einem Aufstiegsplatz zu stehen?

Lieberknecht: Nochmal: Geduldig weiter zu arbeiten. Wir sind ja im Rückblick auf den Umbruch im Sommer schon auf einem langen Weg. Und wenn wir so weitermachen, wenn wir weiter so punkten, dann werden wir zwangsläufig auch weiter da oben dazugehören.

DFB.de: Vor Ihrer Station beim MSV Duisburg waren Sie zehn Jahre lang Trainer bei Eintracht Braunschweig. Ist solch eine lange Zeit auch bei den "Zebras" denkbar?

Lieberknecht: Das wäre schön: Dass wir gemeinsam für den MSV und die Stadt auf einem langen Weg erfolgreich Fußball spielen und dabei nie vergessen, wo dieser Verein herkommt und was ihn auszeichnet.

DFB.de: Wie müssen die Rahmenbedingungen sein, damit ein Trainer so lange bei einem Verein erfolgreich arbeiten kann?

Lieberknecht: Ohne die Reihenfolge zu definieren: Erfolg, Bodenhaftung, Vertrauen und die Demut zu wissen, dass du einen Teil des Weges bei einem Traditionsverein mitgestalten darfst, aber niemals wichtiger bist als der Verein.

DFB.de: Was wünschen Sie sich zu Weihnachten und für das neue Jahr?

Lieberknecht: Dass alle Menschen die Kraft finden, ihr Herz in die Hand zu nehmen, um mit ihren Möglichkeiten Menschlichkeit zu leben und die Welt wieder ein Stückchen mehr zu bewahren. Und auch wenn ich ohne Videoschiedsrichter ganz gut leben kann: Wenn endlich mal einer der klaren Elfmeter für uns gepfiffen wird… (schmunzelt)

###more###