Thioune: "Wir fühlen uns als Gejagter wohl"

Vom Abstiegs- zum Aufstiegskandidaten innerhalb weniger Monate: Der VfL Osnabrück führt die Tabelle der 3. Liga nach 14 Spieltagen mit 29 Punkten an - die vergangene Saison hatte der Traditionsverein noch auf Rang 17 abgeschlossen. Zum vergleichbaren Zeitpunkt der Vorsaison standen 13 Zähler und ein Abstiegsrang zu Buche. Dank des jüngsten 2:1-Heimsieges im Topspiel gegen den ambitionierten Aufsteiger KFC Uerdingen 05 weist die Mannschaft von VfL-Trainer Daniel Thioune einen Vorsprung von drei Punkten auf den zweitplatzierten Erzrivalen SC Preußen Münster auf. Relegationsrang drei ist sogar schon sechs Zähler entfernt. Im DFB.de-Drittligainterview der Woche spricht Daniel Thioune mit Mitarbeiter Thomas Palapies-Ziehn über den Last-Minute-Sieg gegen Uerdingen, die Gründe für das gute Abschneiden und Parallelen zu einem Aufstieg mit Rot Weiss Ahlen.

DFB.de: Drei Punkte durch einen verwandelten Handelfmeter von Marcos Alvarez in der Nachspielzeit beim 2:1 gegen Uerdingen: Schmecken solche Siege besonders gut, Herr Thioune?

Daniel Thioune: Sie fühlen sich auf jeden Fall intensiver an. Die Glücksgefühle nach solchen Last-Minute-Siegen sind nun einmal ganz besonders groß. Unter dem Strich war der Erfolg durch unser spätes Tor glücklich, aber sicher nicht unverdient. Wir sind in der Schlussphase angerannt, hatten mehrere Chancen zum 2:1.

DFB.de: Die Tabellenführung hat Ihre Mannschaft durch den Erfolg gegen den direkten Konkurrenten aus Krefeld gefestigt. Was ist Rang eins nach 14 Spieltagen für Sie wert?

Thioune: Ganz ehrlich: Vor der Saison hätte doch kaum jemand gedacht, dass wir ein Konkurrent für Uerdingen sein würden. Der KFC verfügt sicher über ganz andere Möglichkeiten und hat nie einen Hehl daraus gemacht, die Liga so schnell wie möglich nach oben verlassen zu wollen. Bei uns hat sich aber durch die Erfolge eine positive Dynamik entwickelt. Wir sprechen jetzt nicht plötzlich von großen Zielen, fühlen uns aber in der Rolle des Gejagten wohl. Als Kind bin ich beim Fangenspielen auch immer lieber weggerannt.

DFB.de: Besonders auffällig bei Ihrer Mannschaft sind erst eine Niederlage und nur neun Gegentore. Wie kommen diese Werte zustande?

Thioune: Das Spiel gegen den Ball funktioniert nicht allein. Das geht nur als Team - und das sind wir. Ich sage immer: Schuld ist nicht der, der den Ball verliert. Schuld ist der, der dann nicht zurückarbeitet. Genau das beherzigen unsere Spieler. Außerdem haben wir mit Nils Körber einen stabilen Rückhalt im Tor. Vorne zeichnet uns eine extreme Effizienz aus.

DFB.de: Die 29 Zähler bedeuten einen Punkteschnitt von knapp über zwei. Muss der VfL diesen Schnitt halten, um eine Aufstiegschance zu haben?

Thioune: So weit denken wir noch nicht. Wir haben keine Mannschaft aus dem Stadion geschossen. Das war in der vergangenen Saison - etwa beim SC Paderborn 07 - anders. Der SCP hat nahezu jeden Gegner beherrscht. So stabil sind wir noch nicht. Ein Zweierschnitt würde nach 38 Spieltagen sicher einen der ersten fünf Plätze bedeuten. Den zu halten, ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

DFB.de: Wie gehen Sie mit der Euphorie im Umfeld um, die so eine Tabellenführung - gerade bei einem Traditionsverein wie Osnabrück - mit sich bringt?

Thioune: In der zweiten Saisonhälfte der Vorsaison hatten wir zwölfmal in Folge nicht gewonnen. Den rauen Gegenwind spürt man dann deutlich. Damals hatten viele Bausteine nicht zusammengepasst. Das ist jetzt anders. Das Schulterklopfen wird dadurch auch lauter. Ich bremse die Euphorie nicht. Vielmehr sollten wir sie konservieren, ohne die Demut zu verlieren. Niemand sollte plötzlich meinen, dass die Saison ein Selbstläufer wird. Wer uns im Mai schon jetzt auf dem Rathausplatz sieht, liegt falsch. Entscheidend ist, dass wir Tag für Tag alles in die Waagschale werfen, diesen Traum wahr werden zu lassen.

DFB.de: Als Spieler sind Sie zweimal in die 2. Bundesliga aufgestiegen: 2000 mit Osnabrück und 2008 mit Rot Weiss Ahlen. Erkennen Sie Parallelen zu Ihrer aktuellen Mannschaft?

Thioune: Das Jahr in Ahlen war durchaus vergleichbar. Wir mussten in der damals drittklassigen Regionalliga Nord mindestens Zehnter werden, um uns für die neue 3. Liga zu qualifizieren. Die Qualität dazu war uns im Vorfeld abgesprochen worden. Ich lasse mir jedoch von niemandem sagen, dass ich etwas nicht kann. So ging es auch meinen Mitspielern, zu denen damals unter anderem Kevin Großkreutz und Marco Reus gehörten. Die Struktur passte. Das Kollektiv stand stets über dem Ego. So sind wir am Ende neben Rot-Weiß Oberhausen in die 2. Bundesliga aufgestiegen.

DFB.de: Die vergangene Saison schloss der VfL auf Rang 17 ab, also nur einen Platz über dem Strich. Dann gab es einen Umbruch. Offenbar waren die getroffenen Entscheidungen nicht schlecht, oder?

Thioune: Wir wollten etwas Neues. Die Möglichkeit dazu hatten wir durch 17 auslaufende Spielerverträge. Trotzdem mussten wir einige schwierige Entscheidungen treffen. Die Spielersuche war Teamarbeit. Besonders Sportdirektor Benjamin Schmedes hat gut und intensiv gearbeitet, war unfassbar viel unterwegs und hat dadurch viel erreicht.

DFB.de: Marcos Alvarez ist einer der wenigen Spieler, die in Osnabrück geblieben sind. Seine Ausbeute aus der Vorsaison von acht Toren hat er nun schon nach 14 Spieltagen erreicht. Was macht ihn so stark?

Thioune: Marcos ist von Gott mit fußballerischen Qualitäten gesegnet, die nicht viele Spieler haben. Ihm fehlte aber lange Zeit das Selbstverständnis eines Leistungssportlers. Konkret gesagt: Er hatte ein paar Kilos zu viel. Von mir hat er eine deutliche Ansage bekommen - und danach enorm viel an sich gearbeitet. In der vergangenen Saison hat er nach 60 Minuten häufig neben mir auf der Bank gesessen. Jetzt kann er 90 Minuten gehen und in der Schlussphase sogar noch zulegen. Oder - wie beim 2:1 gegen Uerdingen - in der Nachspielzeit einen Elfmeter verwandeln.

DFB.de: Schon mehrfach hat Ihre Mannschaft Tore in der Schlussphase erzielt. So etwas kann man nicht trainieren. Gibt es einen bestimmten Grund für diese Qualität?

Thioune: Das liegt an der physischen und psychischen Verfassung. Bei uns gehen die Köpfe nach einem Rückschlag nicht nach unten - sie bleiben oben. Im Training arbeiten wir hart dafür, dass wir auch körperlich auf der Höhe sind. Wir haben nur wenige Verletzte sowie eine gute Breite im Kader. Unsere Spieler machen aber auch mehr als nur ihren Job. Bei uns kommt niemand fünf Minuten vor Trainingsbeginn und haut fünf Minuten nach dem Ende der Einheit wieder ab. Alle bereiten sich akribisch vor und nach.

DFB.de: Nächster Gegner ist Samstag der abstiegsbedrohte VfR Aalen. Wie gehen Sie dieses Auswärtsspiel an?

Thioune: Wir gehen mit einem klaren Plan ins Spiel. Es ist schon so, dass wir unser Ding durchziehen wollen. Dennoch müssen wir den Plan immer auch dem Gegner anpassen. Aalen schlägt sich meiner Meinung nach unter Wert. Die Mannschaft verfügt über genügend Qualität, um sich da unten herauszuarbeiten. Ich habe mit VfR-Trainer Argirios "Agi" Giannikis die Ausbildung zum Fußball-Lehrer absolviert. Schon damals war er ein Taktikfuchs. Er wird sich bestimmt etwas ausdenken. Unsere Aufgabe wird es sein, den Gegner möglichst nicht ins Spiel kommen zu lassen.

[mspw]

Vom Abstiegs- zum Aufstiegskandidaten innerhalb weniger Monate: Der VfL Osnabrück führt die Tabelle der 3. Liga nach 14 Spieltagen mit 29 Punkten an - die vergangene Saison hatte der Traditionsverein noch auf Rang 17 abgeschlossen. Zum vergleichbaren Zeitpunkt der Vorsaison standen 13 Zähler und ein Abstiegsrang zu Buche. Dank des jüngsten 2:1-Heimsieges im Topspiel gegen den ambitionierten Aufsteiger KFC Uerdingen 05 weist die Mannschaft von VfL-Trainer Daniel Thioune einen Vorsprung von drei Punkten auf den zweitplatzierten Erzrivalen SC Preußen Münster auf. Relegationsrang drei ist sogar schon sechs Zähler entfernt. Im DFB.de-Drittligainterview der Woche spricht Daniel Thioune mit Mitarbeiter Thomas Palapies-Ziehn über den Last-Minute-Sieg gegen Uerdingen, die Gründe für das gute Abschneiden und Parallelen zu einem Aufstieg mit Rot Weiss Ahlen.

DFB.de: Drei Punkte durch einen verwandelten Handelfmeter von Marcos Alvarez in der Nachspielzeit beim 2:1 gegen Uerdingen: Schmecken solche Siege besonders gut, Herr Thioune?

Daniel Thioune: Sie fühlen sich auf jeden Fall intensiver an. Die Glücksgefühle nach solchen Last-Minute-Siegen sind nun einmal ganz besonders groß. Unter dem Strich war der Erfolg durch unser spätes Tor glücklich, aber sicher nicht unverdient. Wir sind in der Schlussphase angerannt, hatten mehrere Chancen zum 2:1.

DFB.de: Die Tabellenführung hat Ihre Mannschaft durch den Erfolg gegen den direkten Konkurrenten aus Krefeld gefestigt. Was ist Rang eins nach 14 Spieltagen für Sie wert?

Thioune: Ganz ehrlich: Vor der Saison hätte doch kaum jemand gedacht, dass wir ein Konkurrent für Uerdingen sein würden. Der KFC verfügt sicher über ganz andere Möglichkeiten und hat nie einen Hehl daraus gemacht, die Liga so schnell wie möglich nach oben verlassen zu wollen. Bei uns hat sich aber durch die Erfolge eine positive Dynamik entwickelt. Wir sprechen jetzt nicht plötzlich von großen Zielen, fühlen uns aber in der Rolle des Gejagten wohl. Als Kind bin ich beim Fangenspielen auch immer lieber weggerannt.

DFB.de: Besonders auffällig bei Ihrer Mannschaft sind erst eine Niederlage und nur neun Gegentore. Wie kommen diese Werte zustande?

Thioune: Das Spiel gegen den Ball funktioniert nicht allein. Das geht nur als Team - und das sind wir. Ich sage immer: Schuld ist nicht der, der den Ball verliert. Schuld ist der, der dann nicht zurückarbeitet. Genau das beherzigen unsere Spieler. Außerdem haben wir mit Nils Körber einen stabilen Rückhalt im Tor. Vorne zeichnet uns eine extreme Effizienz aus.

DFB.de: Die 29 Zähler bedeuten einen Punkteschnitt von knapp über zwei. Muss der VfL diesen Schnitt halten, um eine Aufstiegschance zu haben?

Thioune: So weit denken wir noch nicht. Wir haben keine Mannschaft aus dem Stadion geschossen. Das war in der vergangenen Saison - etwa beim SC Paderborn 07 - anders. Der SCP hat nahezu jeden Gegner beherrscht. So stabil sind wir noch nicht. Ein Zweierschnitt würde nach 38 Spieltagen sicher einen der ersten fünf Plätze bedeuten. Den zu halten, ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

DFB.de: Wie gehen Sie mit der Euphorie im Umfeld um, die so eine Tabellenführung - gerade bei einem Traditionsverein wie Osnabrück - mit sich bringt?

Thioune: In der zweiten Saisonhälfte der Vorsaison hatten wir zwölfmal in Folge nicht gewonnen. Den rauen Gegenwind spürt man dann deutlich. Damals hatten viele Bausteine nicht zusammengepasst. Das ist jetzt anders. Das Schulterklopfen wird dadurch auch lauter. Ich bremse die Euphorie nicht. Vielmehr sollten wir sie konservieren, ohne die Demut zu verlieren. Niemand sollte plötzlich meinen, dass die Saison ein Selbstläufer wird. Wer uns im Mai schon jetzt auf dem Rathausplatz sieht, liegt falsch. Entscheidend ist, dass wir Tag für Tag alles in die Waagschale werfen, diesen Traum wahr werden zu lassen.

DFB.de: Als Spieler sind Sie zweimal in die 2. Bundesliga aufgestiegen: 2000 mit Osnabrück und 2008 mit Rot Weiss Ahlen. Erkennen Sie Parallelen zu Ihrer aktuellen Mannschaft?

Thioune: Das Jahr in Ahlen war durchaus vergleichbar. Wir mussten in der damals drittklassigen Regionalliga Nord mindestens Zehnter werden, um uns für die neue 3. Liga zu qualifizieren. Die Qualität dazu war uns im Vorfeld abgesprochen worden. Ich lasse mir jedoch von niemandem sagen, dass ich etwas nicht kann. So ging es auch meinen Mitspielern, zu denen damals unter anderem Kevin Großkreutz und Marco Reus gehörten. Die Struktur passte. Das Kollektiv stand stets über dem Ego. So sind wir am Ende neben Rot-Weiß Oberhausen in die 2. Bundesliga aufgestiegen.

DFB.de: Die vergangene Saison schloss der VfL auf Rang 17 ab, also nur einen Platz über dem Strich. Dann gab es einen Umbruch. Offenbar waren die getroffenen Entscheidungen nicht schlecht, oder?

Thioune: Wir wollten etwas Neues. Die Möglichkeit dazu hatten wir durch 17 auslaufende Spielerverträge. Trotzdem mussten wir einige schwierige Entscheidungen treffen. Die Spielersuche war Teamarbeit. Besonders Sportdirektor Benjamin Schmedes hat gut und intensiv gearbeitet, war unfassbar viel unterwegs und hat dadurch viel erreicht.

DFB.de: Marcos Alvarez ist einer der wenigen Spieler, die in Osnabrück geblieben sind. Seine Ausbeute aus der Vorsaison von acht Toren hat er nun schon nach 14 Spieltagen erreicht. Was macht ihn so stark?

Thioune: Marcos ist von Gott mit fußballerischen Qualitäten gesegnet, die nicht viele Spieler haben. Ihm fehlte aber lange Zeit das Selbstverständnis eines Leistungssportlers. Konkret gesagt: Er hatte ein paar Kilos zu viel. Von mir hat er eine deutliche Ansage bekommen - und danach enorm viel an sich gearbeitet. In der vergangenen Saison hat er nach 60 Minuten häufig neben mir auf der Bank gesessen. Jetzt kann er 90 Minuten gehen und in der Schlussphase sogar noch zulegen. Oder - wie beim 2:1 gegen Uerdingen - in der Nachspielzeit einen Elfmeter verwandeln.

DFB.de: Schon mehrfach hat Ihre Mannschaft Tore in der Schlussphase erzielt. So etwas kann man nicht trainieren. Gibt es einen bestimmten Grund für diese Qualität?

Thioune: Das liegt an der physischen und psychischen Verfassung. Bei uns gehen die Köpfe nach einem Rückschlag nicht nach unten - sie bleiben oben. Im Training arbeiten wir hart dafür, dass wir auch körperlich auf der Höhe sind. Wir haben nur wenige Verletzte sowie eine gute Breite im Kader. Unsere Spieler machen aber auch mehr als nur ihren Job. Bei uns kommt niemand fünf Minuten vor Trainingsbeginn und haut fünf Minuten nach dem Ende der Einheit wieder ab. Alle bereiten sich akribisch vor und nach.

DFB.de: Nächster Gegner ist Samstag der abstiegsbedrohte VfR Aalen. Wie gehen Sie dieses Auswärtsspiel an?

Thioune: Wir gehen mit einem klaren Plan ins Spiel. Es ist schon so, dass wir unser Ding durchziehen wollen. Dennoch müssen wir den Plan immer auch dem Gegner anpassen. Aalen schlägt sich meiner Meinung nach unter Wert. Die Mannschaft verfügt über genügend Qualität, um sich da unten herauszuarbeiten. Ich habe mit VfR-Trainer Argirios "Agi" Giannikis die Ausbildung zum Fußball-Lehrer absolviert. Schon damals war er ein Taktikfuchs. Er wird sich bestimmt etwas ausdenken. Unsere Aufgabe wird es sein, den Gegner möglichst nicht ins Spiel kommen zu lassen.

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