Theune: "Aufbruchstimmung hält bis heute"

Heute bekommt Tina Theune, langjährige Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft, den "Lotte"-Ehrenpreis für ihr Lebenswerk und ihre Verdienste um den Mädchen- und Frauenfußball verliehen. Die 66 Jahre alte Fußball-Lehrerin erklärt im DFB.de-Interview auch, wieso Sepp Herberger daran entscheidenden Anteil hatte.

DFB.de: Frau Theune, was bedeutet Ihnen der "Lotte"-Ehrenpreis für Ihr Lebenswerk?

Tina Theune: Es ehrt mich und freut mich sehr. Meine Arbeitszeit beim DFB endet bekanntlich zum Jahresende. So kann ich heiteren Sinnes auf einen neuen Abschnitt mit Neugierde zugehen.

DFB.de: Sie sind 1986 als Assistentin des Bundestrainers Gero Bisanz zum DFB gekommen. Wie haben Sie die Entwicklung des Frauenfußballs seitdem erlebt?

Theune: In den ersten Jahren mussten wir sehr viel Aufbauarbeit leisten. Schön war in dieser Zeit allerdings, dass man richtig spüren konnte, dass alle Maßnahmen unmittelbar Früchte trugen. Bis heute hat sich der Frauenfußball rasant weiterentwickelt. Viele Menschen waren anfangs sehr skeptisch, ob der Frauenfußball überhaupt eine Zukunft hat. Wir haben mit einer begeisternden Spielweise und Titelgewinnen überzeugt. Die Schritte vom ersten Gewinn der 89er-EM bis heute waren nur möglich, weil wir uns immer mit fairen Mitteln und einer unbändigen Spielfreude für die Sache eingesetzt haben. Am Samstag tritt die deutsche Frauen-Nationalmannschaft in Wembley gegen England an. Das Spiel ist seit Wochen ausverkauft. Es werden 90.000 Zuschauer da sein. Das ist doch fantastisch.

DFB.de: Lassen Sie uns mal etwas in Ihre Vergangenheit reisen. Wie waren die ersten Jahre unter Gero Bisanz?

Theune: Wir hatten uns souverän für die EM 1989 qualifiziert. Das Turnier war der öffentliche Durchbruch für den Frauenfußball. Das dramatische Halbfinale gegen Italien wurde zum ersten Mal live im Fernsehen gezeigt. Wir haben im Elfmeterschießen gewonnen und im Endspiel Norwegen mit 4:1 besiegt. Die Partie in Osnabrück war ausverkauft. 5000 Fans standen noch vor dem Stadion, weil sie keine Karten bekommen hatten. Es gab deshalb auch erstmals ein Public Viewing im deutschen Frauenfußball. Durch das Stadion ging permanent die Welle. Auch in der Halbzeit gab es keine Unterbrechung. Ich hatte das Gefühl, dass niemand seinen Platz verlassen hat, um ein Bier oder ein Würstchen zu holen. Während der Besprechung in der Pause konnten wir kaum unser eigenes Wort verstehen, so einen Lärm haben die Fans gemacht. Das war alles sehr krass für uns. Danach sind wir zur "Mannschaft des Jahres" gewählt worden.

DFB.de: Sie haben Aufbruchstimmung erzeugt.

Theune: Ja, rückblickend bin ich sicher, dass das ein ganz wichtiges Ereignis war. Im ersten Moment haben wir das gar nicht so realisiert. Da waren wir total ergriffen und haben erst mal unseren Titel gefeiert. Die Bedeutung ist mir persönlich erst nach und nach klar geworden. Die Einschaltquoten zur besten Sendezeit haben dazu beitragen, dass die positive Anerkennung der Spielerinnen und Trainerinnen im Fußball enorm zugenommen hat. Die Aufbruchstimmung hält bis heute. Die FIFA WM 2019 ist ein fantastisches Zeugnis und herausragendes Ereignis in diesen Tagen. Die großartige Spielweise der besten Mannschaften und das weltweite Interesse sind enorm.

DFB.de: Sie haben mit der DFB-Auswahl als Trainerin sechsmal die Europameisterschaft gewonnen und einmal die Weltmeisterschaft. Dazu haben Sie Bronze bei den Olympischen Spielen geholt - und das sind nur die wichtigsten Titel. Wie haben Sie diese 19 Jahre erlebt?

Theune: 2003 und der Gewinn der Weltmeisterschaft war sicher ein weiterer Meilenstein für den Frauenfußball in Deutschland. Vor dem Turnier waren wir nicht in der Favoritenrolle, sondern die USA. Und zum ersten Mal hat ein Trainerinnengespann die WM gewonnen.

DFB.de: Die USA, den großen Favoriten, haben Sie im Halbfinale mit 3:0 besiegt.

Theune: Maren Meinert hat damals in den USA in der Profiliga gespielt. Sie hat vor der Partie das Wort ergriffen und eine beeindruckende Ansprache gehalten. Sie hat gesagt, dass wir technisch und taktisch besser sind und dass wir von der Fitness her sowieso mithalten können. Voller Zuversicht sagte sie: "Kein Problem, wir werden gewinnen!" Und so ist es dann auch gekommen. Wir hatten ein richtig starkes Team. Es lief vom ersten Tag der Vorbereitung bis zum Finale und dem Golden Goal durch Nia Künzer gegen Schweden einfach perfekt. Wir waren selbstbewusst und hatten Bock auf dieses Turnier. Und: Wir haben zur richtigen Zeit die Tore gemacht.

DFB.de: In Deutschland ist daraufhin eine Euphorie um den Frauenfußball ausgebrochen.

Theune: Davon haben wir in den USA nicht viel mitbekommen - erst als wir wieder nach Deutschland gekommen sind. Wir haben dann erfahren, dass die Einschaltquoten im Endspiel alles vorherige übertroffen hatten. Wir sind mit Helikopter zum Flughafen begleitet und am Römer in Frankfurt von tausenden Fans empfangen worden. Auch das gab es vorher noch nicht. Das Besondere im Nachgang war für mich dann, dass wir mit der Weltmeisterschaft und unserem Auftreten die Tür bei Sponsoren aufgestoßen hatten. Auf einmal waren wir auch für den Werbemarkt interessant, was uns natürlich ganz neue Möglichkeiten eröffnet hat.

DFB.de: 2011 kam dann die WM im eigenen Land.

Theune: Auch wenn es sportlich nicht optimal lief und wir im Viertelfinale gegen den späteren Weltmeister Japan ausgeschieden sind, hatte das Turnier langfristig auf jeden Fall positive Auswirkungen. Die Strukturen im deutschen Frauenfußball sind sehr viel professioneller geworden. Ich war bis 2005 Bundestrainerin und hatte nur zeitweise einen Torwarttrainer, Athletiktrainer oder Videoanalysten. Das ist heute unvorstellbar. Ich weiß noch, dass wir teilweise die Nächte durchgearbeitet haben, um die Szenen für die Besprechung am Morgen herauszusuchen. Silvia Neid hat als Cheftrainerin fantastische Arbeit geleistet. Sie konnte sich dabei auf tolle Unterstützung durch den DFB verlassen.

DFB.de: Und wo stehen wir heute?

Theune: Das Ausscheiden bei der WM in Frankreich in diesem Jahr im Viertelfinale gegen Schweden haben wir aufgearbeitet und gut verkraftet. Man kann nicht immer alles absahnen. Wir befinden uns gerade im Umbruch. Junge, vielversprechende Spielerinnen bekommen ihre Chance. Wenn wir diesen Spielerinnen noch ein wenig Zeit geben, traue ich der Frauen-Nationalmannschaft alles zu. Wir haben riesiges Potenzial und einen sehr guten Nachwuchs. Mit Platz zwei in der Weltrangliste zählen wir nach wie vor zur absoluten Weltspitze. Es macht Spaß, der Frauen-Nationalmannschaft zuzuschauen. Ich glaube, dass wir bis zu EM 2021 richtig gut aufgestellt sein werden. Parallel arbeiten wir beim DFB gerade am "Projekt Zukunft" für den gesamten Fußball. Wir müssen vom Kinderfußball bis zur Spitze einiges verändern, um erfolgreich zu bleiben. Denn auch die anderen Nationen rücken den Frauenfußball in den Fokus und setzen zudem sehr viel Geld ein. Ich bin gespannt und werde alles mit großem Interesse verfolgen.

DFB.de: Ist der "Lotte"-Ehrenpreis für Ihr Lebenswerk sozusagen der krönende Abschluss?

Theune: Ich werde mich mit einem Lächeln im Gesicht in den Ruhestand verabschieden.

DFB.de: Wird es schwierig, zum 31. Dezember loszulassen?

Theune: Überhaupt nicht. Ich bin am Montag 66 Jahre alt geworden. Ich freue mich darauf, künftig mehr Zeit für Freunde und Familie zu haben. Ich fotografiere sehr gerne. Außerdem steht das Klavier in meinem Haus seit Monaten einsam und unbenutzt. Ich werde wandern und Vulkane besteigen. Wenn ich über die kommende Zeit nachdenke, dann eher mit Neugierde und einem Schmunzeln.

DFB.de: Zudem sind Sie bei der DFB-Stiftung Sepp Herberger als Mitglied des Kuratoriums und als Stiftungsbotschafterin sehr engagiert.

Theune: Das wird auch so bleiben, weil mir die Themen dieser Stiftung sehr am Herzen liegen.

DFB.de: Können Sie das etwas konkretisieren?

Theune: Als Sepp Herberger mit der DFB-Auswahl 1954 das "Wunder von Bern" geschafft hat, war ich ungefähr neun Monate alt. Mein Vater hatte sich damals ein Bastelset für ein Radio besorgt, damit er das Endspiel gegen Ungarn hören konnte. Einen Schwarzweiß-Fernseher gab es in unserer Familie nicht. Ich bin ziemlich sicher, dass ich damals die gesamte Radioreportage unbewusst mitgehört habe und dass daher meine riesige Fußballleidenschaft stammt. Sepp Herberger muss ein großartiger Mensch gewesen sein. Herberger und meine Eltern waren also an alldem schuld, was danach kam. (schmunzelt) Meine Eltern haben mir früh mit auf den Weg gegeben, dass man sich für Menschen einsetzen muss, die im Leben im Abseits stehen. Mein Vater war Pfarrer, und einer der Urgroßväter meiner Mutter, Carl Theodor Welcker, war Mitglied der liberalen Opposition in der Badischen Kammer und Mitglied der Nationalversammlung in der Paulskirche 1848/1849. Mit Hingabe hat er sich für Bürgerrechte eingesetzt. Sein besonderer Einsatz galt der Einführung von allgemeinen, freien geheimen Wahlen, der Gleichheit der Frauen vor dem Recht und der Pressefreiheit.

DFB.de: Einige davon sind auch wichtige Themen der DFB-Stiftung Sepp Herberger.

Theune: Themen der Resozialisierung von Inhaftierten oder auch die Integration von Menschen mit Behinderungen über den Sport und besonders den Fußball, genau das sind die Aspekte, hinter denen ich persönlich auch stehe. Deshalb sind mir die Aufgaben, die ich bei der Sepp-Herberger-Stiftung wahrnehme, auch so wichtig. In den vergangenen Jahren konnte ich mich leider nicht so engagieren, wie ich es gerne gewollt hätte. Die Arbeit beim DFB hat mich sehr beansprucht. Aber spätestens ab Anfang nächsten Jahres will ich mich wieder verstärkt der Stiftungsarbeit widmen. Darauf freue ich mich und sehe es auch als meine Aufgabe an, dort Verantwortung zu übernehmen. Nicht alle haben so viel Glück im Leben, wie ich es hatte.

[sw]

Heute bekommt Tina Theune, langjährige Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft, den "Lotte"-Ehrenpreis für ihr Lebenswerk und ihre Verdienste um den Mädchen- und Frauenfußball verliehen. Die 66 Jahre alte Fußball-Lehrerin erklärt im DFB.de-Interview auch, wieso Sepp Herberger daran entscheidenden Anteil hatte.

DFB.de: Frau Theune, was bedeutet Ihnen der "Lotte"-Ehrenpreis für Ihr Lebenswerk?

Tina Theune: Es ehrt mich und freut mich sehr. Meine Arbeitszeit beim DFB endet bekanntlich zum Jahresende. So kann ich heiteren Sinnes auf einen neuen Abschnitt mit Neugierde zugehen.

DFB.de: Sie sind 1986 als Assistentin des Bundestrainers Gero Bisanz zum DFB gekommen. Wie haben Sie die Entwicklung des Frauenfußballs seitdem erlebt?

Theune: In den ersten Jahren mussten wir sehr viel Aufbauarbeit leisten. Schön war in dieser Zeit allerdings, dass man richtig spüren konnte, dass alle Maßnahmen unmittelbar Früchte trugen. Bis heute hat sich der Frauenfußball rasant weiterentwickelt. Viele Menschen waren anfangs sehr skeptisch, ob der Frauenfußball überhaupt eine Zukunft hat. Wir haben mit einer begeisternden Spielweise und Titelgewinnen überzeugt. Die Schritte vom ersten Gewinn der 89er-EM bis heute waren nur möglich, weil wir uns immer mit fairen Mitteln und einer unbändigen Spielfreude für die Sache eingesetzt haben. Am Samstag tritt die deutsche Frauen-Nationalmannschaft in Wembley gegen England an. Das Spiel ist seit Wochen ausverkauft. Es werden 90.000 Zuschauer da sein. Das ist doch fantastisch.

DFB.de: Lassen Sie uns mal etwas in Ihre Vergangenheit reisen. Wie waren die ersten Jahre unter Gero Bisanz?

Theune: Wir hatten uns souverän für die EM 1989 qualifiziert. Das Turnier war der öffentliche Durchbruch für den Frauenfußball. Das dramatische Halbfinale gegen Italien wurde zum ersten Mal live im Fernsehen gezeigt. Wir haben im Elfmeterschießen gewonnen und im Endspiel Norwegen mit 4:1 besiegt. Die Partie in Osnabrück war ausverkauft. 5000 Fans standen noch vor dem Stadion, weil sie keine Karten bekommen hatten. Es gab deshalb auch erstmals ein Public Viewing im deutschen Frauenfußball. Durch das Stadion ging permanent die Welle. Auch in der Halbzeit gab es keine Unterbrechung. Ich hatte das Gefühl, dass niemand seinen Platz verlassen hat, um ein Bier oder ein Würstchen zu holen. Während der Besprechung in der Pause konnten wir kaum unser eigenes Wort verstehen, so einen Lärm haben die Fans gemacht. Das war alles sehr krass für uns. Danach sind wir zur "Mannschaft des Jahres" gewählt worden.

DFB.de: Sie haben Aufbruchstimmung erzeugt.

Theune: Ja, rückblickend bin ich sicher, dass das ein ganz wichtiges Ereignis war. Im ersten Moment haben wir das gar nicht so realisiert. Da waren wir total ergriffen und haben erst mal unseren Titel gefeiert. Die Bedeutung ist mir persönlich erst nach und nach klar geworden. Die Einschaltquoten zur besten Sendezeit haben dazu beitragen, dass die positive Anerkennung der Spielerinnen und Trainerinnen im Fußball enorm zugenommen hat. Die Aufbruchstimmung hält bis heute. Die FIFA WM 2019 ist ein fantastisches Zeugnis und herausragendes Ereignis in diesen Tagen. Die großartige Spielweise der besten Mannschaften und das weltweite Interesse sind enorm.

DFB.de: Sie haben mit der DFB-Auswahl als Trainerin sechsmal die Europameisterschaft gewonnen und einmal die Weltmeisterschaft. Dazu haben Sie Bronze bei den Olympischen Spielen geholt - und das sind nur die wichtigsten Titel. Wie haben Sie diese 19 Jahre erlebt?

Theune: 2003 und der Gewinn der Weltmeisterschaft war sicher ein weiterer Meilenstein für den Frauenfußball in Deutschland. Vor dem Turnier waren wir nicht in der Favoritenrolle, sondern die USA. Und zum ersten Mal hat ein Trainerinnengespann die WM gewonnen.

DFB.de: Die USA, den großen Favoriten, haben Sie im Halbfinale mit 3:0 besiegt.

Theune: Maren Meinert hat damals in den USA in der Profiliga gespielt. Sie hat vor der Partie das Wort ergriffen und eine beeindruckende Ansprache gehalten. Sie hat gesagt, dass wir technisch und taktisch besser sind und dass wir von der Fitness her sowieso mithalten können. Voller Zuversicht sagte sie: "Kein Problem, wir werden gewinnen!" Und so ist es dann auch gekommen. Wir hatten ein richtig starkes Team. Es lief vom ersten Tag der Vorbereitung bis zum Finale und dem Golden Goal durch Nia Künzer gegen Schweden einfach perfekt. Wir waren selbstbewusst und hatten Bock auf dieses Turnier. Und: Wir haben zur richtigen Zeit die Tore gemacht.

DFB.de: In Deutschland ist daraufhin eine Euphorie um den Frauenfußball ausgebrochen.

Theune: Davon haben wir in den USA nicht viel mitbekommen - erst als wir wieder nach Deutschland gekommen sind. Wir haben dann erfahren, dass die Einschaltquoten im Endspiel alles vorherige übertroffen hatten. Wir sind mit Helikopter zum Flughafen begleitet und am Römer in Frankfurt von tausenden Fans empfangen worden. Auch das gab es vorher noch nicht. Das Besondere im Nachgang war für mich dann, dass wir mit der Weltmeisterschaft und unserem Auftreten die Tür bei Sponsoren aufgestoßen hatten. Auf einmal waren wir auch für den Werbemarkt interessant, was uns natürlich ganz neue Möglichkeiten eröffnet hat.

DFB.de: 2011 kam dann die WM im eigenen Land.

Theune: Auch wenn es sportlich nicht optimal lief und wir im Viertelfinale gegen den späteren Weltmeister Japan ausgeschieden sind, hatte das Turnier langfristig auf jeden Fall positive Auswirkungen. Die Strukturen im deutschen Frauenfußball sind sehr viel professioneller geworden. Ich war bis 2005 Bundestrainerin und hatte nur zeitweise einen Torwarttrainer, Athletiktrainer oder Videoanalysten. Das ist heute unvorstellbar. Ich weiß noch, dass wir teilweise die Nächte durchgearbeitet haben, um die Szenen für die Besprechung am Morgen herauszusuchen. Silvia Neid hat als Cheftrainerin fantastische Arbeit geleistet. Sie konnte sich dabei auf tolle Unterstützung durch den DFB verlassen.

DFB.de: Und wo stehen wir heute?

Theune: Das Ausscheiden bei der WM in Frankreich in diesem Jahr im Viertelfinale gegen Schweden haben wir aufgearbeitet und gut verkraftet. Man kann nicht immer alles absahnen. Wir befinden uns gerade im Umbruch. Junge, vielversprechende Spielerinnen bekommen ihre Chance. Wenn wir diesen Spielerinnen noch ein wenig Zeit geben, traue ich der Frauen-Nationalmannschaft alles zu. Wir haben riesiges Potenzial und einen sehr guten Nachwuchs. Mit Platz zwei in der Weltrangliste zählen wir nach wie vor zur absoluten Weltspitze. Es macht Spaß, der Frauen-Nationalmannschaft zuzuschauen. Ich glaube, dass wir bis zu EM 2021 richtig gut aufgestellt sein werden. Parallel arbeiten wir beim DFB gerade am "Projekt Zukunft" für den gesamten Fußball. Wir müssen vom Kinderfußball bis zur Spitze einiges verändern, um erfolgreich zu bleiben. Denn auch die anderen Nationen rücken den Frauenfußball in den Fokus und setzen zudem sehr viel Geld ein. Ich bin gespannt und werde alles mit großem Interesse verfolgen.

DFB.de: Ist der "Lotte"-Ehrenpreis für Ihr Lebenswerk sozusagen der krönende Abschluss?

Theune: Ich werde mich mit einem Lächeln im Gesicht in den Ruhestand verabschieden.

DFB.de: Wird es schwierig, zum 31. Dezember loszulassen?

Theune: Überhaupt nicht. Ich bin am Montag 66 Jahre alt geworden. Ich freue mich darauf, künftig mehr Zeit für Freunde und Familie zu haben. Ich fotografiere sehr gerne. Außerdem steht das Klavier in meinem Haus seit Monaten einsam und unbenutzt. Ich werde wandern und Vulkane besteigen. Wenn ich über die kommende Zeit nachdenke, dann eher mit Neugierde und einem Schmunzeln.

DFB.de: Zudem sind Sie bei der DFB-Stiftung Sepp Herberger als Mitglied des Kuratoriums und als Stiftungsbotschafterin sehr engagiert.

Theune: Das wird auch so bleiben, weil mir die Themen dieser Stiftung sehr am Herzen liegen.

DFB.de: Können Sie das etwas konkretisieren?

Theune: Als Sepp Herberger mit der DFB-Auswahl 1954 das "Wunder von Bern" geschafft hat, war ich ungefähr neun Monate alt. Mein Vater hatte sich damals ein Bastelset für ein Radio besorgt, damit er das Endspiel gegen Ungarn hören konnte. Einen Schwarzweiß-Fernseher gab es in unserer Familie nicht. Ich bin ziemlich sicher, dass ich damals die gesamte Radioreportage unbewusst mitgehört habe und dass daher meine riesige Fußballleidenschaft stammt. Sepp Herberger muss ein großartiger Mensch gewesen sein. Herberger und meine Eltern waren also an alldem schuld, was danach kam. (schmunzelt) Meine Eltern haben mir früh mit auf den Weg gegeben, dass man sich für Menschen einsetzen muss, die im Leben im Abseits stehen. Mein Vater war Pfarrer, und einer der Urgroßväter meiner Mutter, Carl Theodor Welcker, war Mitglied der liberalen Opposition in der Badischen Kammer und Mitglied der Nationalversammlung in der Paulskirche 1848/1849. Mit Hingabe hat er sich für Bürgerrechte eingesetzt. Sein besonderer Einsatz galt der Einführung von allgemeinen, freien geheimen Wahlen, der Gleichheit der Frauen vor dem Recht und der Pressefreiheit.

DFB.de: Einige davon sind auch wichtige Themen der DFB-Stiftung Sepp Herberger.

Theune: Themen der Resozialisierung von Inhaftierten oder auch die Integration von Menschen mit Behinderungen über den Sport und besonders den Fußball, genau das sind die Aspekte, hinter denen ich persönlich auch stehe. Deshalb sind mir die Aufgaben, die ich bei der Sepp-Herberger-Stiftung wahrnehme, auch so wichtig. In den vergangenen Jahren konnte ich mich leider nicht so engagieren, wie ich es gerne gewollt hätte. Die Arbeit beim DFB hat mich sehr beansprucht. Aber spätestens ab Anfang nächsten Jahres will ich mich wieder verstärkt der Stiftungsarbeit widmen. Darauf freue ich mich und sehe es auch als meine Aufgabe an, dort Verantwortung zu übernehmen. Nicht alle haben so viel Glück im Leben, wie ich es hatte.

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