Jonathan Tah: "Dankbarkeit sollte selbstverständlich sein"

Jonathan Tah ist 23 Jahre alt, ein echter Hamburger Jung und Kapitän der deutschen U 21-Nationalmannschaft, mit der er gerade bei der EM in Italien und San Marino spielt. Was viele nicht wissen: Der Innenverteidiger von Bayer 04 Leverkusen ist auch Botschafter der DFB-Stiftung Egidius Braun. Im DFB.de-Interview erklärt Jonathan Tah, warum er seine freien Stunden gerne auch mal in den Dienst der guten Sache stellt.

DFB.de: Jonathan Tah, Sie hatten vergangene Saison eine Gruppe krebserkrankter Kinder zu Bayer Leverkusens Auswärtsspiel in Hoffenheim eingeladen - das 1:4 verloren ging. Wie schwer fiel Ihnen der Termin nach einer ja doch enttäuschenden Niederlage?

Jonathan Tah: Schöner wäre es gewesen, wenn wir gewonnen hätten. Aber mir war auch klar, hier ein verlorenes Fußballspiel, dort junge Menschen, die an Krebs erkrankt sind. Das kann man ja eigentlich gar nicht vergleichen. Mir wird da vieles bewusst. Von einer Loge aus hatten die Kinder das Bundesligaspiel verfolgt. Nach dem Spiel schaute ich vorbei, Nadiem Amiri kam auch kurzentschlossen mit. Ich hatte die Kinder ja wenige Wochen zuvor im Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ; Anm. d. Red.) in Heidelberg besucht. Als wir uns wiedertrafen, dachte ich auf einen Schlag nicht mehr an das 1:4. Das kam erst später wieder im Bus auf der langen Heimfahrt nach Leverkusen.

DFB.de: Bei Ihrem Besuch in Heidelberg waren Sie als Botschafter der DFB-Stiftung Egidius Braun mehr als drei Stunden geblieben. Was für ein Erlebnis war das für Sie?

Tah: Die Arbeit im KiTZ in Heidelberg überzeugt. Wie die Kinder mit der Krankheit umgehen, das hat mich doch schwer beeindruckt. Sie leben absolut in der Realität, sie wissen genau, was im schlimmsten Fall passieren kann. Sie wissen aber auch, dass sie wieder gesund werden können. Die sind so gepolt, sehr stark einfach. Ich will ihnen Power geben für ihren Weg zurück zur Gesundheit und in ein unbeschwertes Leben. Viele haben vorher online nachgeschaut, für welche Vereine ich schon gespielt hatte. Es wurde ordentlich über Fußball gefachsimpelt. Ich komme gerne wieder nach Heidelberg und hoffe, dass ich den Kindern auf meine Weise ein kleines Stückchen helfen kann.

DFB.de: Dankbarkeit hat nicht unbedingt überall Hochkonjunktur. Sie dagegen haben Ihr Engagement für die DFB-Stiftung Egidius Braun zuletzt so erklärt, dass Sie einfach Ihrer Dankbarkeit Ausdruck geben wollen. Woher kommt diese Einstellung?

Tah: Ich glaube schon, dass das ein Stück weit an meiner Familie und Erziehung liegt. Mir wurde beigebracht, Danke zu sagen, auch für Kleinigkeiten. Wenn einem jemand die Tür aufhält, wenn im Restaurant ein Getränk gebracht wird. Ich bin noch jung, habe nicht die Rückschau auf die 80er- oder gar 70er-Jahre. Aber ich erlebe es schon so, dass in unserer Welt heute Dankbarkeit etwas in Vergessenheit geraten ist. Manchmal schauen die Leute weg, wenn sie eigentlich mal "Danke" sagen könnten. Dabei sollte Dankbarkeit eigentlich selbstverständlich sein

DFB.de: Sie haben dann auch einige Kinder zu einem Heimspiel von Bayer Leverkusen eingeladen.

Tah: Es war zwar eine weite Anfahrt, aber ich wollte zumindest einigen Jugendlichen "mein" Stadion und meine Welt bei Bayer Leverkusen zeigen. Die Jugendlichen, die mitkamen, durften sich nicht mitten in der akuten Behandlungsphase befinden, die Blutwerte mussten stimmen. Ich möchte ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir uns nicht von den Kindern und Jugendlichen abwenden, die an Krebs erkrankt sind. Wir sollten zusammenstehen und ihnen helfen, so gut es geht. Der Kampf gegen den Krebs braucht und verdient jede Unterstützung.

DFB.de: Hatten Sie in Ihrer Familie jemals eine Krebserkrankung?

Tah: Nein, glücklicherweise nie. Wir hatten aber schon mal mit der U 21-Nationalmannschaft eine Klinik besucht.

DFB.de: Wechseln wir das Thema. Lieblingsstadt: Hamburg, Düsseldorf oder doch überraschenderweise Leverkusen?

Tah: Als Hamburger ist die Antwort klar. Ich bin in Altona aufgewachsen... (lacht)

DFB.de: Und haben bei Altona 93 das Fußballspielen erlernt...

Tah: Stimmt. Jeder, der ein wenig kicken konnte, spielte damals entweder für Altona 93 oder Teutonia 05. Als ich vier Jahre alt war, hat mich meine Mutter bei Altona angemeldet. Normalerweise ging das erst mit fünf los, aber ich war schon so groß, dass die Verantwortlichen gesagt haben, der kann schon kommen. Ich habe zuerst als Sechser gespielt, aber ohne Offensivaufgaben, also eigentlich mehr so einen Vorstopper alter Prägung. Als sich unser Kapitän verletzte, wechselte ich auf die Position des Innenverteidigers. Da war ich elf. Plötzlich standen häufiger Beobachter an der Seitenlinie, auch vom HSV und von St. Pauli. Mein Trainer hat mir geraten, einfach ruhig zu bleiben und weiter Gas zu geben. Mit 13 rief der HSV bei meiner Mutter an. Ich habe immer alles für den Fußball gegeben, weil ich so viel Spaß daran hatte, aber ich war schon 15, als ich das erste Mal tatsächlich an eine Profikarriere dachte.

DFB.de: Wer ist bei Bayer der "aggressive leader"?

Tah: Jeder Spieler auf dem Platz, da kann sich keiner rausnehmen. Ich spreche vielleicht nicht so viel auf dem Feld, mache das eher mal über eine Aktion. Damit zeigt man: "Ich bin da für euch." Leon Bailey redet nicht so viel, aber wenn der zum dritten Mal an seinem Gegner vorbeizieht, motiviert mich das auch.

DFB.de: Viele hätten jetzt auf Lars Bender getippt.

Tah: Ja, natürlich, er ist unser Kapitän. Er geht voran, spricht viel, spielt immer auf hohem Niveau.

DFB.de: Sie werden von Christian Nerlinger beraten. Haben Sie mit ihm auch über ein mögliches soziales Engagement gesprochen?

Tah: Christian managt meine sportlichen Angelegenheiten, aber natürlich reden wir auch mal über die Dinge im Umfeld. Es ist jetzt bestimmt zwei Jahre her, da ist bei mir die Überzeugung gereift, mich sozial zu engagieren. Wir wussten anfangs nicht, wie. Und wir wollten nicht leichtfertig handeln, nicht nur oberflächlich etwas machen, nur so für die Publicity. Christian Nerlinger, mein Manager Lee Washington und ich haben dann Kontakt zur DFB-Stiftung aufgenommen. Mit Tobias Wrzesinski, dem Geschäftsführer der DFB-Stiftung Egidius Braun, haben wir uns dann hier in Leverkusen getroffen und gemeinsam überlegt, was wir tun können.

DFB.de: Warum die Braun-Stiftung?

Tah: Ich bin Jahrgang 1996, Herr Braun war in den 90er-Jahren DFB-Präsident. Aber seinen Leitsatz "Fußball ist mehr als ein 1:0" kenne ich natürlich. Und dem kann ich nur zustimmen. Gerade wenn ich Fans von Bayer Leverkusen oder der Nationalmannschaft treffe, wird mir das bewusst. Wer behauptet, Nationalspieler seien keine Vorbilder, besonders für Kinder, der hat unrecht. Deshalb passt die Zusammenarbeit mit der Braun-Stiftung, gerade auch die Initiative Kinderträume gefällt mir gut. Ich will und werde mich nach Kräften einbringen. Wenn man anderen helfen kann, fühlt man sich selbst gut. Das merke ich gerade bei den Treffen mit den KiTZ-Kindern.

DFB.de: Eine Boulevardfrage zum Schluss ist erlaubt.

Tah: Jetzt bin ich gespannt.

DFB.de: Sie engagieren sich sozial stark zum Wohle von Kindern. Wie steht es denn privat beim Thema Kinder?

Tah: (lacht) Dafür brauche ich erst mal die passende Frau. Aber der Wunsch ist da.

[th]

Jonathan Tah ist 23 Jahre alt, ein echter Hamburger Jung und Kapitän der deutschen U 21-Nationalmannschaft, mit der er gerade bei der EM in Italien und San Marino spielt. Was viele nicht wissen: Der Innenverteidiger von Bayer 04 Leverkusen ist auch Botschafter der DFB-Stiftung Egidius Braun. Im DFB.de-Interview erklärt Jonathan Tah, warum er seine freien Stunden gerne auch mal in den Dienst der guten Sache stellt.

DFB.de: Jonathan Tah, Sie hatten vergangene Saison eine Gruppe krebserkrankter Kinder zu Bayer Leverkusens Auswärtsspiel in Hoffenheim eingeladen - das 1:4 verloren ging. Wie schwer fiel Ihnen der Termin nach einer ja doch enttäuschenden Niederlage?

Jonathan Tah: Schöner wäre es gewesen, wenn wir gewonnen hätten. Aber mir war auch klar, hier ein verlorenes Fußballspiel, dort junge Menschen, die an Krebs erkrankt sind. Das kann man ja eigentlich gar nicht vergleichen. Mir wird da vieles bewusst. Von einer Loge aus hatten die Kinder das Bundesligaspiel verfolgt. Nach dem Spiel schaute ich vorbei, Nadiem Amiri kam auch kurzentschlossen mit. Ich hatte die Kinder ja wenige Wochen zuvor im Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ; Anm. d. Red.) in Heidelberg besucht. Als wir uns wiedertrafen, dachte ich auf einen Schlag nicht mehr an das 1:4. Das kam erst später wieder im Bus auf der langen Heimfahrt nach Leverkusen.

DFB.de: Bei Ihrem Besuch in Heidelberg waren Sie als Botschafter der DFB-Stiftung Egidius Braun mehr als drei Stunden geblieben. Was für ein Erlebnis war das für Sie?

Tah: Die Arbeit im KiTZ in Heidelberg überzeugt. Wie die Kinder mit der Krankheit umgehen, das hat mich doch schwer beeindruckt. Sie leben absolut in der Realität, sie wissen genau, was im schlimmsten Fall passieren kann. Sie wissen aber auch, dass sie wieder gesund werden können. Die sind so gepolt, sehr stark einfach. Ich will ihnen Power geben für ihren Weg zurück zur Gesundheit und in ein unbeschwertes Leben. Viele haben vorher online nachgeschaut, für welche Vereine ich schon gespielt hatte. Es wurde ordentlich über Fußball gefachsimpelt. Ich komme gerne wieder nach Heidelberg und hoffe, dass ich den Kindern auf meine Weise ein kleines Stückchen helfen kann.

DFB.de: Dankbarkeit hat nicht unbedingt überall Hochkonjunktur. Sie dagegen haben Ihr Engagement für die DFB-Stiftung Egidius Braun zuletzt so erklärt, dass Sie einfach Ihrer Dankbarkeit Ausdruck geben wollen. Woher kommt diese Einstellung?

Tah: Ich glaube schon, dass das ein Stück weit an meiner Familie und Erziehung liegt. Mir wurde beigebracht, Danke zu sagen, auch für Kleinigkeiten. Wenn einem jemand die Tür aufhält, wenn im Restaurant ein Getränk gebracht wird. Ich bin noch jung, habe nicht die Rückschau auf die 80er- oder gar 70er-Jahre. Aber ich erlebe es schon so, dass in unserer Welt heute Dankbarkeit etwas in Vergessenheit geraten ist. Manchmal schauen die Leute weg, wenn sie eigentlich mal "Danke" sagen könnten. Dabei sollte Dankbarkeit eigentlich selbstverständlich sein

DFB.de: Sie haben dann auch einige Kinder zu einem Heimspiel von Bayer Leverkusen eingeladen.

Tah: Es war zwar eine weite Anfahrt, aber ich wollte zumindest einigen Jugendlichen "mein" Stadion und meine Welt bei Bayer Leverkusen zeigen. Die Jugendlichen, die mitkamen, durften sich nicht mitten in der akuten Behandlungsphase befinden, die Blutwerte mussten stimmen. Ich möchte ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir uns nicht von den Kindern und Jugendlichen abwenden, die an Krebs erkrankt sind. Wir sollten zusammenstehen und ihnen helfen, so gut es geht. Der Kampf gegen den Krebs braucht und verdient jede Unterstützung.

DFB.de: Hatten Sie in Ihrer Familie jemals eine Krebserkrankung?

Tah: Nein, glücklicherweise nie. Wir hatten aber schon mal mit der U 21-Nationalmannschaft eine Klinik besucht.

DFB.de: Wechseln wir das Thema. Lieblingsstadt: Hamburg, Düsseldorf oder doch überraschenderweise Leverkusen?

Tah: Als Hamburger ist die Antwort klar. Ich bin in Altona aufgewachsen... (lacht)

DFB.de: Und haben bei Altona 93 das Fußballspielen erlernt...

Tah: Stimmt. Jeder, der ein wenig kicken konnte, spielte damals entweder für Altona 93 oder Teutonia 05. Als ich vier Jahre alt war, hat mich meine Mutter bei Altona angemeldet. Normalerweise ging das erst mit fünf los, aber ich war schon so groß, dass die Verantwortlichen gesagt haben, der kann schon kommen. Ich habe zuerst als Sechser gespielt, aber ohne Offensivaufgaben, also eigentlich mehr so einen Vorstopper alter Prägung. Als sich unser Kapitän verletzte, wechselte ich auf die Position des Innenverteidigers. Da war ich elf. Plötzlich standen häufiger Beobachter an der Seitenlinie, auch vom HSV und von St. Pauli. Mein Trainer hat mir geraten, einfach ruhig zu bleiben und weiter Gas zu geben. Mit 13 rief der HSV bei meiner Mutter an. Ich habe immer alles für den Fußball gegeben, weil ich so viel Spaß daran hatte, aber ich war schon 15, als ich das erste Mal tatsächlich an eine Profikarriere dachte.

DFB.de: Wer ist bei Bayer der "aggressive leader"?

Tah: Jeder Spieler auf dem Platz, da kann sich keiner rausnehmen. Ich spreche vielleicht nicht so viel auf dem Feld, mache das eher mal über eine Aktion. Damit zeigt man: "Ich bin da für euch." Leon Bailey redet nicht so viel, aber wenn der zum dritten Mal an seinem Gegner vorbeizieht, motiviert mich das auch.

DFB.de: Viele hätten jetzt auf Lars Bender getippt.

Tah: Ja, natürlich, er ist unser Kapitän. Er geht voran, spricht viel, spielt immer auf hohem Niveau.

DFB.de: Sie werden von Christian Nerlinger beraten. Haben Sie mit ihm auch über ein mögliches soziales Engagement gesprochen?

Tah: Christian managt meine sportlichen Angelegenheiten, aber natürlich reden wir auch mal über die Dinge im Umfeld. Es ist jetzt bestimmt zwei Jahre her, da ist bei mir die Überzeugung gereift, mich sozial zu engagieren. Wir wussten anfangs nicht, wie. Und wir wollten nicht leichtfertig handeln, nicht nur oberflächlich etwas machen, nur so für die Publicity. Christian Nerlinger, mein Manager Lee Washington und ich haben dann Kontakt zur DFB-Stiftung aufgenommen. Mit Tobias Wrzesinski, dem Geschäftsführer der DFB-Stiftung Egidius Braun, haben wir uns dann hier in Leverkusen getroffen und gemeinsam überlegt, was wir tun können.

DFB.de: Warum die Braun-Stiftung?

Tah: Ich bin Jahrgang 1996, Herr Braun war in den 90er-Jahren DFB-Präsident. Aber seinen Leitsatz "Fußball ist mehr als ein 1:0" kenne ich natürlich. Und dem kann ich nur zustimmen. Gerade wenn ich Fans von Bayer Leverkusen oder der Nationalmannschaft treffe, wird mir das bewusst. Wer behauptet, Nationalspieler seien keine Vorbilder, besonders für Kinder, der hat unrecht. Deshalb passt die Zusammenarbeit mit der Braun-Stiftung, gerade auch die Initiative Kinderträume gefällt mir gut. Ich will und werde mich nach Kräften einbringen. Wenn man anderen helfen kann, fühlt man sich selbst gut. Das merke ich gerade bei den Treffen mit den KiTZ-Kindern.

DFB.de: Eine Boulevardfrage zum Schluss ist erlaubt.

Tah: Jetzt bin ich gespannt.

DFB.de: Sie engagieren sich sozial stark zum Wohle von Kindern. Wie steht es denn privat beim Thema Kinder?

Tah: (lacht) Dafür brauche ich erst mal die passende Frau. Aber der Wunsch ist da.

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