SV Italia Wiesbaden: Gewinnen kann jeder

Spieler weg, Trainer weg – der SV Italia Wiesbaden stand im Sommer vor dem Aus. Doch dank vielfältiger Unterstützung schafften es die neuen Verantwortlichen, die Mannschaft und den Klub am Leben zu erhalten. In dieser Saison hagelt es zwar hohe Niederlagen, zweimal war sogar ein 0:25 dabei. Aber das ist im Moment gar nicht so wichtig.

Man könnte annehmen, Vincenzo Saimbene müsste es langsam am Rücken haben, vielleicht Bandscheiben, Ischias oder ähnliches, so oft musste er sich in den Spielen der bisherigen Saison nach dem Ball bücken, – um ihn aus dem Netz zu holen. Mit dem SV Italia Wiesbaden hat der Torhüter, Stand Mitte November, jedes Spiel in der Kreisliga A verloren, 18 von 18. Im Schnitt gab es pro Partie mehr als elf Gegentore. Wo der SV Italia ist, ist derzeit unten. In einer an Tiefpunkten reichen Saison waren die Spiele gegen die zweite Mannschaft des SV Niedernhausen und den 1. FSV Schierstein 08 die schmerzhaftesten: 0:25, beide Male zu Hause, ein Déjà-vu des Grauens. "Wenn du zweimal 25 Dinger kassierst, bist du als Torwart der Depp", sagt Saimbene. Da ist es umso wichtiger, sich gerade zu machen. Aber warum tut man sich das überhaupt an? Ja, warum?

Lichtblicke - allerdings kleine

Zum einen, weil es Lichtblicke gibt, zugegeben, es sind kleine: Beim 3:8 im Derby gegen den FC Albania Mainz-Kastel ging der SV Italia erstmals in dieser Saison in Führung. Ein Anfang. Die Passion für den Verein und das familiäre Umfeld sind die Gründe, warum sich Saimbene (34) im Wechsel mit seinem sieben Jahre älteren Torhüter-Kollegen Salvatore Caserta noch mal zwischen die Pfosten gestellt hat. Eigentlich hatte Saimbene schon Schluss gemacht mit Fußball. Wie so viele seiner jetzigen Mitspieler.

Noch wesentlicher aber ist eine andere Sache: Es geht um den Erhalt des Vereins, der im Sommer auseinanderzubrechen drohte. Der SV Italia Wiesbaden, 1975 gegründet, hat aktuell im Spielbetrieb nur eine Mannschaft gemeldet, die damit automatisch eine erste Mannschaft ist. Im Winter der vergangenen Spielzeit kündigte der damalige Trainer an, den Verein im Sommer zu verlassen und mit ihm zahlreiche Spieler. Roberto Barbuto hatte gerade den Posten des Vorsitzenden übernommen, – nur eine Mannschaft, die hatte er nicht mehr. Und was ist ein Fußballverein ohne Menschen, die Fußball spielen?

Club-Beraterin hilft

Barbuto startete deshalb auf FuPa einen Hilferuf, auf den Club-Beraterin Jutta Samii vom Hessischen Fußball-Verband aufmerksam wurde. Sie gab Tipps für Anträge auf finanzielle Unterstützung und die korrekte Buchführung. "Das war sehr wertvoll für uns", sagt Barbuto. Die Gestaltung des sportlichen Neustarts liegt in den Händen Pino Orianas. In seiner Autowerkstatt überredete der neue Sportliche Leiter zehn Tage vor der Abmeldefrist den ehemaligen Italia-Stürmer Salvatore Napoli beim Reifenwechsel, ein zweites Mal Trainer von Italia zu werden. Eine im Schnitt etwa 40 Jahre alte Mannschaft wurde zusammengebastelt, bestehend aus Spielern der Alten Herren, vereinslosen Spielern und Akteuren, die vor langer Zeit für Italia mal im Einsatz waren. Auch Napoli spielt mit seinen 46 Jahren noch ab und an mit. Wer mit ihm spricht, spürt seinen Enthusiasmus für das Projekt und seinen Willen, die Existenz des Vereins zu sichern. "Ich selbst will keinen Applaus. Ich mache das für die nächste Generation italienischer Kinder in Wiesbaden, die Fußball spielen wollen", sagt er.

Aufgeben ist keine Option für ihn. Positiv überrascht ist er jedoch von seinen Spielern, die Niederlage für Niederlage wegstecken und sich Woche für Woche neu motivieren. Allen voran seinem Freund und Kapitän Ugur Incesu zollt er Respekt, der bis 2015 für Italia spielte, aber eigentlich schon seit ein paar Jahren mit dem aktiven Fußball abgeschlossen hatte. "Das Konzept des Vorstands und die zentrale Rolle, die ich beim Wiederaufbau spielen soll, haben meinen Ehrgeiz geweckt", sagt Incesu. Dass der Start holprig wird, war dem 42-Jährigen bewusst. Alle Spieler seien darauf mental vorbereitet gewesen. Solange die Mannschaft nicht wettbewerbsfähig sei, müsse man halt jedes Spiel als eine Art Trainingsspiel ansehen. Das sagt sich leicht, denn damit muss man auch umgehen können. Es braucht wohl eine Leidenschaft wie die Ugur Incesus, der seit seinem Comeback wieder Feuer und Flamme für das Spiel ist: "Ich liebe einfach alles am Fußball, angefangen vom Duft des Rasens bis hin zum Rausch des Sieges."

14 Spieler beim Training

Von diesem Rausch ist er mit seinen Kollegen noch ein gutes Stück entfernt, – aber gerade deswegen wird er sicher umso größer sein. Irgendwann. Bis dahin sind es die kleinen Erfolgserlebnisse, die Mut machen. Der Führungstreffer am 15. Spieltag hatte zur Folge, dass ein kleiner Ruck durch die Mannschaft ging. Die Trainingsbeteiligung ist gestiegen, mittlerweile sind meistens 14 Leute da, nachdem zuvor vier Monate lang kein reguläres Training stattgefunden hatte. Napoli brach die Einheiten oft ab, weil zu wenige Spieler vor Ort waren. Konditionstraining wurde vermieden, um Kräfte fürs Wochenende zu sparen.

In den ersten Duellen verteidigte Napolis Team wie eine Handballmannschaft. Als es gegen Niedernhausen II zur Pause 0:13 stand, war seine Ansprache kurz und knapp: "Sauber runterspielen – kein Gemecker, kein Frustfoul. Niemand kriegt hier eine Rote Karte." Meistens bekommen Kapitän Incesu und seine Mitspieler dafür Beifall: "Es gibt respektvolle Mannschaften. Es gibt aber auch Mannschaften, die sich wie Kinder freuen und die Bälle schnell aus dem Kasten holen, um noch mehr Tore zu schießen."

"Dieser Verein gehört einfach nicht ans Tabellenende"

Davon lässt sich im Verein niemand aus der Ruhe bringen. Alle wissen, dass es jeden braucht. Damit sind nicht nur Spieler und Trainer gemeint, sondern auch viele Helfer, die dazugekommen sind und zu den Stammfans gehören. "Das sind süße Rentner, die sich nochmal ins Grillhäuschen stellen und die Wäsche waschen", sagt Barbuto. "Zu sehen, wie sich die Mannschaft trotz der schlechten Ergebnisse entwickelt, wie sich der Zusammenhalt verbessert, mit welcher Leidenschaft die Spieler kämpfen, das reißt mich mit."

Bis zur Winterpause will die Mannschaft, was das Sportliche angeht, irgendwie über die Runden kommen und dann Verstärkung holen. Trainer Napoli ist jedenfalls überzeugt, dass sein Team in der Rückrunde die Kehrtwende schafft und nicht absteigen wird. Falls nicht, schwört Incesu Italia die Treue und greift mit dem Team eine Liga tiefer an: "Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut." 2025 beim 50. Geburtstag will der SV Italia wieder in der Spur sein. "Dieser Verein gehört einfach nicht ans Tabellenende", sagt Vincenzo Saimbene, der dazu seinen Teil beitragen möchte. Ohne Rückenschmerzen.

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Spieler weg, Trainer weg – der SV Italia Wiesbaden stand im Sommer vor dem Aus. Doch dank vielfältiger Unterstützung schafften es die neuen Verantwortlichen, die Mannschaft und den Klub am Leben zu erhalten. In dieser Saison hagelt es zwar hohe Niederlagen, zweimal war sogar ein 0:25 dabei. Aber das ist im Moment gar nicht so wichtig.

Man könnte annehmen, Vincenzo Saimbene müsste es langsam am Rücken haben, vielleicht Bandscheiben, Ischias oder ähnliches, so oft musste er sich in den Spielen der bisherigen Saison nach dem Ball bücken, – um ihn aus dem Netz zu holen. Mit dem SV Italia Wiesbaden hat der Torhüter, Stand Mitte November, jedes Spiel in der Kreisliga A verloren, 18 von 18. Im Schnitt gab es pro Partie mehr als elf Gegentore. Wo der SV Italia ist, ist derzeit unten. In einer an Tiefpunkten reichen Saison waren die Spiele gegen die zweite Mannschaft des SV Niedernhausen und den 1. FSV Schierstein 08 die schmerzhaftesten: 0:25, beide Male zu Hause, ein Déjà-vu des Grauens. "Wenn du zweimal 25 Dinger kassierst, bist du als Torwart der Depp", sagt Saimbene. Da ist es umso wichtiger, sich gerade zu machen. Aber warum tut man sich das überhaupt an? Ja, warum?

Lichtblicke - allerdings kleine

Zum einen, weil es Lichtblicke gibt, zugegeben, es sind kleine: Beim 3:8 im Derby gegen den FC Albania Mainz-Kastel ging der SV Italia erstmals in dieser Saison in Führung. Ein Anfang. Die Passion für den Verein und das familiäre Umfeld sind die Gründe, warum sich Saimbene (34) im Wechsel mit seinem sieben Jahre älteren Torhüter-Kollegen Salvatore Caserta noch mal zwischen die Pfosten gestellt hat. Eigentlich hatte Saimbene schon Schluss gemacht mit Fußball. Wie so viele seiner jetzigen Mitspieler.

Noch wesentlicher aber ist eine andere Sache: Es geht um den Erhalt des Vereins, der im Sommer auseinanderzubrechen drohte. Der SV Italia Wiesbaden, 1975 gegründet, hat aktuell im Spielbetrieb nur eine Mannschaft gemeldet, die damit automatisch eine erste Mannschaft ist. Im Winter der vergangenen Spielzeit kündigte der damalige Trainer an, den Verein im Sommer zu verlassen und mit ihm zahlreiche Spieler. Roberto Barbuto hatte gerade den Posten des Vorsitzenden übernommen, – nur eine Mannschaft, die hatte er nicht mehr. Und was ist ein Fußballverein ohne Menschen, die Fußball spielen?

Club-Beraterin hilft

Barbuto startete deshalb auf FuPa einen Hilferuf, auf den Club-Beraterin Jutta Samii vom Hessischen Fußball-Verband aufmerksam wurde. Sie gab Tipps für Anträge auf finanzielle Unterstützung und die korrekte Buchführung. "Das war sehr wertvoll für uns", sagt Barbuto. Die Gestaltung des sportlichen Neustarts liegt in den Händen Pino Orianas. In seiner Autowerkstatt überredete der neue Sportliche Leiter zehn Tage vor der Abmeldefrist den ehemaligen Italia-Stürmer Salvatore Napoli beim Reifenwechsel, ein zweites Mal Trainer von Italia zu werden. Eine im Schnitt etwa 40 Jahre alte Mannschaft wurde zusammengebastelt, bestehend aus Spielern der Alten Herren, vereinslosen Spielern und Akteuren, die vor langer Zeit für Italia mal im Einsatz waren. Auch Napoli spielt mit seinen 46 Jahren noch ab und an mit. Wer mit ihm spricht, spürt seinen Enthusiasmus für das Projekt und seinen Willen, die Existenz des Vereins zu sichern. "Ich selbst will keinen Applaus. Ich mache das für die nächste Generation italienischer Kinder in Wiesbaden, die Fußball spielen wollen", sagt er.

Aufgeben ist keine Option für ihn. Positiv überrascht ist er jedoch von seinen Spielern, die Niederlage für Niederlage wegstecken und sich Woche für Woche neu motivieren. Allen voran seinem Freund und Kapitän Ugur Incesu zollt er Respekt, der bis 2015 für Italia spielte, aber eigentlich schon seit ein paar Jahren mit dem aktiven Fußball abgeschlossen hatte. "Das Konzept des Vorstands und die zentrale Rolle, die ich beim Wiederaufbau spielen soll, haben meinen Ehrgeiz geweckt", sagt Incesu. Dass der Start holprig wird, war dem 42-Jährigen bewusst. Alle Spieler seien darauf mental vorbereitet gewesen. Solange die Mannschaft nicht wettbewerbsfähig sei, müsse man halt jedes Spiel als eine Art Trainingsspiel ansehen. Das sagt sich leicht, denn damit muss man auch umgehen können. Es braucht wohl eine Leidenschaft wie die Ugur Incesus, der seit seinem Comeback wieder Feuer und Flamme für das Spiel ist: "Ich liebe einfach alles am Fußball, angefangen vom Duft des Rasens bis hin zum Rausch des Sieges."

14 Spieler beim Training

Von diesem Rausch ist er mit seinen Kollegen noch ein gutes Stück entfernt, – aber gerade deswegen wird er sicher umso größer sein. Irgendwann. Bis dahin sind es die kleinen Erfolgserlebnisse, die Mut machen. Der Führungstreffer am 15. Spieltag hatte zur Folge, dass ein kleiner Ruck durch die Mannschaft ging. Die Trainingsbeteiligung ist gestiegen, mittlerweile sind meistens 14 Leute da, nachdem zuvor vier Monate lang kein reguläres Training stattgefunden hatte. Napoli brach die Einheiten oft ab, weil zu wenige Spieler vor Ort waren. Konditionstraining wurde vermieden, um Kräfte fürs Wochenende zu sparen.

In den ersten Duellen verteidigte Napolis Team wie eine Handballmannschaft. Als es gegen Niedernhausen II zur Pause 0:13 stand, war seine Ansprache kurz und knapp: "Sauber runterspielen – kein Gemecker, kein Frustfoul. Niemand kriegt hier eine Rote Karte." Meistens bekommen Kapitän Incesu und seine Mitspieler dafür Beifall: "Es gibt respektvolle Mannschaften. Es gibt aber auch Mannschaften, die sich wie Kinder freuen und die Bälle schnell aus dem Kasten holen, um noch mehr Tore zu schießen."

"Dieser Verein gehört einfach nicht ans Tabellenende"

Davon lässt sich im Verein niemand aus der Ruhe bringen. Alle wissen, dass es jeden braucht. Damit sind nicht nur Spieler und Trainer gemeint, sondern auch viele Helfer, die dazugekommen sind und zu den Stammfans gehören. "Das sind süße Rentner, die sich nochmal ins Grillhäuschen stellen und die Wäsche waschen", sagt Barbuto. "Zu sehen, wie sich die Mannschaft trotz der schlechten Ergebnisse entwickelt, wie sich der Zusammenhalt verbessert, mit welcher Leidenschaft die Spieler kämpfen, das reißt mich mit."

Bis zur Winterpause will die Mannschaft, was das Sportliche angeht, irgendwie über die Runden kommen und dann Verstärkung holen. Trainer Napoli ist jedenfalls überzeugt, dass sein Team in der Rückrunde die Kehrtwende schafft und nicht absteigen wird. Falls nicht, schwört Incesu Italia die Treue und greift mit dem Team eine Liga tiefer an: "Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut." 2025 beim 50. Geburtstag will der SV Italia wieder in der Spur sein. "Dieser Verein gehört einfach nicht ans Tabellenende", sagt Vincenzo Saimbene, der dazu seinen Teil beitragen möchte. Ohne Rückenschmerzen.

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