"Suchtmittel wie Handy deutlich mehr im Mittelpunkt als Alkohol"

Anton Schumacher (33) arbeitet als pädagogischer Leiter im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von Eintracht Frankfurt. Unweit der Commerzbank-Arena trainiert Don Müller (32) die B-Junioren des FC Union Niederrad. Im DFB.de-Interview sprechen die beiden mit Redakteur Tim Noller über Alkohol im Jugendfußball, erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen Profi- und Amateurverein und ein neues, deutlich präsenteres Suchtmittel.

DFB.de: Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie Ihr erstes Bier in einem Fußballverein getrunken haben?

Don Müller: Erst im Herrenbereich, in der zweiten Mannschaft. In der Jugend spielte Alkohol bei uns keine Rolle. Wir sind damals in die Gruppenliga aufgestiegen, da wurde nicht mit Bierflaschen rumgewedelt. Auch wenn wir alle wussten, dass es mit einer professionellen Karriere wohl nichts mehr werden würde.

Anton Schumacher: Auch bei mir spielte Alkohol in der Jugend kaum eine Rolle. Ich erinnere mich noch an ein Erlebnis, als ich in der A-Jugend des VfB Unterliederbach gespielt habe. Wir hatten ein wichtiges Spiel gewonnen, und der Vorstand stellte uns einen Kasten Bier in die Kabine. Als er nach einer Stunde immer noch halbvoll war, hagelte es Sprüche. Aber wir hatten einige Muslime im Team, und auch bei den anderen spielte Alkohol eine geringe oder sogar gar keine Rolle. Das lag aber auch an den sehr frühen Anstoßzeiten. Unsere Spiele haben meistens um 11 Uhr oder sogar schon um 10 Uhr angefangen. Daher war das kein zentraler Bestandteil unserer Fußballkultur. Der ein oder andere hat dann eher mal ein Bierchen getrunken, wenn wir mit der Mannschaft abends losgezogen sind.

DFB.de: Nun haben Sie unterschiedliche Wege im Fußball eingeschlagen. Können Sie kurz beschreiben, welche Funktionen Sie in Ihren Vereinen aktuell ausüben?

Müller: Ich bin seit fünf Jahren bei der Union. Angefangen habe ich mit einer E2, mittlerweile trainiere ich die Jahrgänge 2003 und 2004. Es macht mir einfach großen Spaß, diese riesigen Entwicklungssprünge bei den Jugendspielern zu sehen.

Schumacher: Ich habe mich beim Übergang vom Junioren- in den Herrenbereich am Knie verletzt und bekam in dieser Zeit eine Anfrage von der TuS Hornau. So bin ich dann mit 19 Jahren schon A-Jugendtrainer geworden. Während meines Pädagogikstudiums habe ich parallel meine Trainerlizenzen bis hin zur A-Lizenz gemacht und bei Germania Schwanheim die U 19 trainiert. Anschließend wechselte ich 2009 zur Eintracht und übernahm dort nach Beendigung meines Studiums die Leitung des Sportinternats. Insgesamt acht Jahre habe ich bei der Eintracht verschiedene Jugendmannschaften trainiert und konzentriere mich nun seit 2017 voll auf meine Aufgabe als pädagogischer Leiter des NLZ, wo wir mit den Jungs unter anderem durch Schule, Ausbildung und Beruf an einem Plan B arbeiten, falls es mit der Profikarriere nicht klappen sollte.

DFB.de: Klären Sie die Spieler frühzeitig über die negativen Auswirkungen von Alkohol auf?

Schumacher: Wir machen das proaktiv im Vorbereitungstrainingslager ab der U 15 aufwärts. Unsere Spieler haben alle den Traum, Profifußballer zu werden. Sie lernen schnell, dass ihr Körper ihr Kapital ist, und wissen, wie sie damit umgehen müssen und wie wichtig Regeneration ist. Unsere Athletiktrainer und Physiotherapeuten klären sie über die Folgen von Alkohol auf: Welche Art Gift ist Alkohol, wie wird er abgebaut? Aber auch, wie er Spieler zurückwirft, weil Trainingsreize verlorengehen.

DFB.de: Was ist mit anderen Drogen?

Schumacher: Wir haben tatsächlich mal einen Sozialarbeiter aus der Drogenhilfe eingeladen. Aber weniger, weil es in diesem Bereich Probleme bei uns gab, sondern weil viele Spieler Deutsch-Rap hören, und ich wollte, dass sie sich mit den Texten auseinandersetzen. Da wird Crack, H oder Kokain als cool und total krass dargestellt. Wenn dann jemand aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel in einem beeindruckenden Vortrag über die Realität berichtet, hinterlässt das bei den Jungs definitiv Eindruck.

Müller: Das klingt beeindruckend! In unserem Verein ist es so, dass ich die Jungs nur dreimal pro Woche für etwa zwei Stunden sehe. Was sie dazwischen machen, kann und will ich auch überhaupt nicht kontrollieren. Daher hängt sehr viel vom Elternhaus ab. Interessieren sich die Eltern für ihre Kinder oder nicht? Da merkt man deutliche Unterschiede. Ich kann den Jungs natürlich erzählen, was Alkohol bewirkt, aber sicherlich nicht in dem Ausmaß, wie es in einem Nachwuchsleistungszentrum möglich ist, wo man die Jungs ständig im Blick hat.

DFB.de: Informieren sich die Spieler stattdessen im Internet über die Folgen von Alkohol oder die richtige Ernährung für Sportler?

Müller: Da muss man die Kirche im Dorf lassen. Das primäre Ziel von uns Trainern ist es, die Jungs in die erste Mannschaft zu bringen. Vielleicht müsste man sie auch noch häufiger darauf hinweisen, aber das Thema Ernährung spielt bei unseren Jungs gar keine Rolle. Im Gegenteil: Nach dem Training gehen bestimmt einige noch zur Dönerbude, ohne groß darüber nachzudenken, welche Auswirkungen das auf ihre Leistung hat.

DFB.de: Lassen es die wenigen Stunden, in denen die Spieler im Verein sind, überhaupt zu, einen vernünftigen Umgang mit Alkohol zu vermitteln?

Müller: Im Fußball geht es primär darum zu gewinnen. Für mich ist aber die Entwicklung der Jungs viel wichtiger. Sie sollen später gerne daran zurückdenken, wie schön die Zeit mit mir im Jugendfußball war. Nicht, weil ich ein so toller Typ bin, sondern weil ich sie charakterlich und menschlich weitergebracht habe. Wenn Spieler Grenzen überschreiten, ist ein ehrliches Gespräch unheimlich wichtig. Wenn das auf Dauer Früchte trägt, ist es super, aber wir haben natürlich nur einen bedingten Einfluss.

DFB.de: Wie schätzen Sie den Gruppenzwang innerhalb einer Mannschaft ein? Sind Pubertierende durch ihre Unsicherheit anfälliger für einen unvernünftigen Umgang mit Alkohol?

Schumacher: Gruppendynamik spielt in Fußballmannschaften eine riesige Rolle. Das kann aber in beide Richtungen gehen. Du brauchst also gute Jungs, zum Beispiel den Kapitän. Es ist okay, wenn drei oder vier Spieler mal etwas trinken. Aber einer sollte eingreifen, wenn Spieler unter Druck gesetzt werden, nur weil sie kein Bier trinken möchten. Das ist unheimlich wichtig.

Müller: Genau! Ich finde einen Mannschaftsrat auch in Jugendmannschaften enorm wichtig, damit man einen verlängerten Arm hat, der die Werte vermittelt, die man als Trainer fördern möchte. Klar, Alkohol ist bei uns ein Thema, das will ich überhaupt nicht leugnen. Und ich bin auch der Erste, der sich freut, wenn ich mit den Jungs nach ihrem ersten Sieg im Herrenbereich ein Pils trinken kann. Aber noch ist eben nicht die Zeit dafür. Das könnte ich auch gegenüber den Eltern nicht rechtfertigen. Da nehme ich meine Vorbildfunktion und Erzieherrolle sehr ernst.

DFB.de: Und wenn dann doch ein Spieler über die Stränge schlägt?

Schumacher: Wir unterscheiden zwischen Regeln für die Mannschaft und Regeln für das Internatsleben. Strafenkataloge fürs Team entwickeln die Jungs gemeinsam mit ihren Trainern. Bei den Regeln für das Internat werden sie von uns vorgegeben. Punkt 4 besagt eindeutig: "Alkohol und Suchtmittel sind verboten." Wenn jemand diese Regel verletzt, schauen wir gemeinsam mit Beratern genau hin. Liegt wirklich eine Sucht vor? Dann würde es natürlich nicht helfen, auch noch auf den Spieler draufzuhauen. Wer allerdings nur Grenzen austesten möchte, muss auch die Konsequenzen tragen. Wir fragen den Spieler dann: Hast du verstanden, warum es diese Regeln gibt, warum wir das nicht dulden können? Hast du verstanden, dass du für jüngere Spieler ein Vorbild bist? In der Regel verstehen die Jungs das auch. Zumal wir ihnen das wegnehmen können, was ihre große Leidenschaft ist: den Fußball. Das ist ein sehr starkes Instrument.

Müller: Auch wenn es ein anderes Niveau ist, haben wir dieses Druckmittel natürlich auch. Wer sich daneben benimmt, kann ausgeschlossen werden. Und auch mit der Vorbildfunktion verhält es sich bei uns ähnlich. Wir sind die älteste Jugend, und die jüngeren Jahrgänge schauen darauf, was die B-Jugend macht. Das vermittle ich meinen Spielern. Sie wissen aber ohnehin, wie mein Co-Trainer und ich ticken. Wer mit einer Fahne zum Spiel aufschlagen würde, weiß, dass er nicht spielt. Er müsste sich umziehen und warmmachen, aber er würde nicht spielen. Ich finde aber sowieso, dass Alkohol unter Jugendlichen nicht mehr ganz so wichtig zu sein scheint. Wie man sich auf Social Media präsentiert oder wer bei einem Onlinespiel am besten ist, das wird immer wichtiger.

DFB.de: Könnte man also sagen, dass im Jugendfußball das Suchtmittel Smartphone präsenter ist als das Suchtmittel Alkohol?

Müller: Auf jeden Fall! Alleine wenn ich an meine WhatsApp-Gruppen denke: Eine für die Spieler, eine für die Eltern, eine mit dem Präsidenten, eine für alle Trainer im Verein. Ein Smartphone vereinfacht die Kommunikation innerhalb eines Vereins und wird daher intensiv genutzt. Zum Beispiel auch, um es in der Kabine an unsere Musikbox anzuschließen. Meine Spieler wissen aber, wann das Handy ausgeschaltet sein sollte. Da müssen wir gar nicht viel vorgeben.

Schumacher: Das ist bei uns ähnlich. Bei der Eintracht wurde eine App eingeführt, die tolle Möglichkeiten bietet. Hierüber läuft unsere Kommunikation, beispielsweise Videoanalysen, Abfragen und vieles mehr. Das Handy ist somit ein Arbeitsgerät für uns, so dass es hin und wieder schwierig ist, den Spielern zum einen zu sagen, dass sie das Handy nutzen sollen, es in manchen Momenten dann aber wieder stört. Manchmal muss man den Jungs schon deutlich machen, dass das Smartphone in der Kabine oder bei einer Internatssitzung aus sein sollte. Da gibt es in allen Teams unterschiedliche Strafenkataloge. Das Smartphone einfach mal wegzulegen, fällt den Jungs aber unheimlich schwer. Daher sollte man Alkohol weiterhin sehr ernst nehmen, aber andere Suchtmittel wie das Handy oder Social Media stehen deutlich mehr im Mittelpunkt.

[tn]

Anton Schumacher (33) arbeitet als pädagogischer Leiter im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von Eintracht Frankfurt. Unweit der Commerzbank-Arena trainiert Don Müller (32) die B-Junioren des FC Union Niederrad. Im DFB.de-Interview sprechen die beiden mit Redakteur Tim Noller über Alkohol im Jugendfußball, erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen Profi- und Amateurverein und ein neues, deutlich präsenteres Suchtmittel.

DFB.de: Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie Ihr erstes Bier in einem Fußballverein getrunken haben?

Don Müller: Erst im Herrenbereich, in der zweiten Mannschaft. In der Jugend spielte Alkohol bei uns keine Rolle. Wir sind damals in die Gruppenliga aufgestiegen, da wurde nicht mit Bierflaschen rumgewedelt. Auch wenn wir alle wussten, dass es mit einer professionellen Karriere wohl nichts mehr werden würde.

Anton Schumacher: Auch bei mir spielte Alkohol in der Jugend kaum eine Rolle. Ich erinnere mich noch an ein Erlebnis, als ich in der A-Jugend des VfB Unterliederbach gespielt habe. Wir hatten ein wichtiges Spiel gewonnen, und der Vorstand stellte uns einen Kasten Bier in die Kabine. Als er nach einer Stunde immer noch halbvoll war, hagelte es Sprüche. Aber wir hatten einige Muslime im Team, und auch bei den anderen spielte Alkohol eine geringe oder sogar gar keine Rolle. Das lag aber auch an den sehr frühen Anstoßzeiten. Unsere Spiele haben meistens um 11 Uhr oder sogar schon um 10 Uhr angefangen. Daher war das kein zentraler Bestandteil unserer Fußballkultur. Der ein oder andere hat dann eher mal ein Bierchen getrunken, wenn wir mit der Mannschaft abends losgezogen sind.

DFB.de: Nun haben Sie unterschiedliche Wege im Fußball eingeschlagen. Können Sie kurz beschreiben, welche Funktionen Sie in Ihren Vereinen aktuell ausüben?

Müller: Ich bin seit fünf Jahren bei der Union. Angefangen habe ich mit einer E2, mittlerweile trainiere ich die Jahrgänge 2003 und 2004. Es macht mir einfach großen Spaß, diese riesigen Entwicklungssprünge bei den Jugendspielern zu sehen.

Schumacher: Ich habe mich beim Übergang vom Junioren- in den Herrenbereich am Knie verletzt und bekam in dieser Zeit eine Anfrage von der TuS Hornau. So bin ich dann mit 19 Jahren schon A-Jugendtrainer geworden. Während meines Pädagogikstudiums habe ich parallel meine Trainerlizenzen bis hin zur A-Lizenz gemacht und bei Germania Schwanheim die U 19 trainiert. Anschließend wechselte ich 2009 zur Eintracht und übernahm dort nach Beendigung meines Studiums die Leitung des Sportinternats. Insgesamt acht Jahre habe ich bei der Eintracht verschiedene Jugendmannschaften trainiert und konzentriere mich nun seit 2017 voll auf meine Aufgabe als pädagogischer Leiter des NLZ, wo wir mit den Jungs unter anderem durch Schule, Ausbildung und Beruf an einem Plan B arbeiten, falls es mit der Profikarriere nicht klappen sollte.

DFB.de: Klären Sie die Spieler frühzeitig über die negativen Auswirkungen von Alkohol auf?

Schumacher: Wir machen das proaktiv im Vorbereitungstrainingslager ab der U 15 aufwärts. Unsere Spieler haben alle den Traum, Profifußballer zu werden. Sie lernen schnell, dass ihr Körper ihr Kapital ist, und wissen, wie sie damit umgehen müssen und wie wichtig Regeneration ist. Unsere Athletiktrainer und Physiotherapeuten klären sie über die Folgen von Alkohol auf: Welche Art Gift ist Alkohol, wie wird er abgebaut? Aber auch, wie er Spieler zurückwirft, weil Trainingsreize verlorengehen.

DFB.de: Was ist mit anderen Drogen?

Schumacher: Wir haben tatsächlich mal einen Sozialarbeiter aus der Drogenhilfe eingeladen. Aber weniger, weil es in diesem Bereich Probleme bei uns gab, sondern weil viele Spieler Deutsch-Rap hören, und ich wollte, dass sie sich mit den Texten auseinandersetzen. Da wird Crack, H oder Kokain als cool und total krass dargestellt. Wenn dann jemand aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel in einem beeindruckenden Vortrag über die Realität berichtet, hinterlässt das bei den Jungs definitiv Eindruck.

Müller: Das klingt beeindruckend! In unserem Verein ist es so, dass ich die Jungs nur dreimal pro Woche für etwa zwei Stunden sehe. Was sie dazwischen machen, kann und will ich auch überhaupt nicht kontrollieren. Daher hängt sehr viel vom Elternhaus ab. Interessieren sich die Eltern für ihre Kinder oder nicht? Da merkt man deutliche Unterschiede. Ich kann den Jungs natürlich erzählen, was Alkohol bewirkt, aber sicherlich nicht in dem Ausmaß, wie es in einem Nachwuchsleistungszentrum möglich ist, wo man die Jungs ständig im Blick hat.

DFB.de: Informieren sich die Spieler stattdessen im Internet über die Folgen von Alkohol oder die richtige Ernährung für Sportler?

Müller: Da muss man die Kirche im Dorf lassen. Das primäre Ziel von uns Trainern ist es, die Jungs in die erste Mannschaft zu bringen. Vielleicht müsste man sie auch noch häufiger darauf hinweisen, aber das Thema Ernährung spielt bei unseren Jungs gar keine Rolle. Im Gegenteil: Nach dem Training gehen bestimmt einige noch zur Dönerbude, ohne groß darüber nachzudenken, welche Auswirkungen das auf ihre Leistung hat.

DFB.de: Lassen es die wenigen Stunden, in denen die Spieler im Verein sind, überhaupt zu, einen vernünftigen Umgang mit Alkohol zu vermitteln?

Müller: Im Fußball geht es primär darum zu gewinnen. Für mich ist aber die Entwicklung der Jungs viel wichtiger. Sie sollen später gerne daran zurückdenken, wie schön die Zeit mit mir im Jugendfußball war. Nicht, weil ich ein so toller Typ bin, sondern weil ich sie charakterlich und menschlich weitergebracht habe. Wenn Spieler Grenzen überschreiten, ist ein ehrliches Gespräch unheimlich wichtig. Wenn das auf Dauer Früchte trägt, ist es super, aber wir haben natürlich nur einen bedingten Einfluss.

DFB.de: Wie schätzen Sie den Gruppenzwang innerhalb einer Mannschaft ein? Sind Pubertierende durch ihre Unsicherheit anfälliger für einen unvernünftigen Umgang mit Alkohol?

Schumacher: Gruppendynamik spielt in Fußballmannschaften eine riesige Rolle. Das kann aber in beide Richtungen gehen. Du brauchst also gute Jungs, zum Beispiel den Kapitän. Es ist okay, wenn drei oder vier Spieler mal etwas trinken. Aber einer sollte eingreifen, wenn Spieler unter Druck gesetzt werden, nur weil sie kein Bier trinken möchten. Das ist unheimlich wichtig.

Müller: Genau! Ich finde einen Mannschaftsrat auch in Jugendmannschaften enorm wichtig, damit man einen verlängerten Arm hat, der die Werte vermittelt, die man als Trainer fördern möchte. Klar, Alkohol ist bei uns ein Thema, das will ich überhaupt nicht leugnen. Und ich bin auch der Erste, der sich freut, wenn ich mit den Jungs nach ihrem ersten Sieg im Herrenbereich ein Pils trinken kann. Aber noch ist eben nicht die Zeit dafür. Das könnte ich auch gegenüber den Eltern nicht rechtfertigen. Da nehme ich meine Vorbildfunktion und Erzieherrolle sehr ernst.

DFB.de: Und wenn dann doch ein Spieler über die Stränge schlägt?

Schumacher: Wir unterscheiden zwischen Regeln für die Mannschaft und Regeln für das Internatsleben. Strafenkataloge fürs Team entwickeln die Jungs gemeinsam mit ihren Trainern. Bei den Regeln für das Internat werden sie von uns vorgegeben. Punkt 4 besagt eindeutig: "Alkohol und Suchtmittel sind verboten." Wenn jemand diese Regel verletzt, schauen wir gemeinsam mit Beratern genau hin. Liegt wirklich eine Sucht vor? Dann würde es natürlich nicht helfen, auch noch auf den Spieler draufzuhauen. Wer allerdings nur Grenzen austesten möchte, muss auch die Konsequenzen tragen. Wir fragen den Spieler dann: Hast du verstanden, warum es diese Regeln gibt, warum wir das nicht dulden können? Hast du verstanden, dass du für jüngere Spieler ein Vorbild bist? In der Regel verstehen die Jungs das auch. Zumal wir ihnen das wegnehmen können, was ihre große Leidenschaft ist: den Fußball. Das ist ein sehr starkes Instrument.

Müller: Auch wenn es ein anderes Niveau ist, haben wir dieses Druckmittel natürlich auch. Wer sich daneben benimmt, kann ausgeschlossen werden. Und auch mit der Vorbildfunktion verhält es sich bei uns ähnlich. Wir sind die älteste Jugend, und die jüngeren Jahrgänge schauen darauf, was die B-Jugend macht. Das vermittle ich meinen Spielern. Sie wissen aber ohnehin, wie mein Co-Trainer und ich ticken. Wer mit einer Fahne zum Spiel aufschlagen würde, weiß, dass er nicht spielt. Er müsste sich umziehen und warmmachen, aber er würde nicht spielen. Ich finde aber sowieso, dass Alkohol unter Jugendlichen nicht mehr ganz so wichtig zu sein scheint. Wie man sich auf Social Media präsentiert oder wer bei einem Onlinespiel am besten ist, das wird immer wichtiger.

DFB.de: Könnte man also sagen, dass im Jugendfußball das Suchtmittel Smartphone präsenter ist als das Suchtmittel Alkohol?

Müller: Auf jeden Fall! Alleine wenn ich an meine WhatsApp-Gruppen denke: Eine für die Spieler, eine für die Eltern, eine mit dem Präsidenten, eine für alle Trainer im Verein. Ein Smartphone vereinfacht die Kommunikation innerhalb eines Vereins und wird daher intensiv genutzt. Zum Beispiel auch, um es in der Kabine an unsere Musikbox anzuschließen. Meine Spieler wissen aber, wann das Handy ausgeschaltet sein sollte. Da müssen wir gar nicht viel vorgeben.

Schumacher: Das ist bei uns ähnlich. Bei der Eintracht wurde eine App eingeführt, die tolle Möglichkeiten bietet. Hierüber läuft unsere Kommunikation, beispielsweise Videoanalysen, Abfragen und vieles mehr. Das Handy ist somit ein Arbeitsgerät für uns, so dass es hin und wieder schwierig ist, den Spielern zum einen zu sagen, dass sie das Handy nutzen sollen, es in manchen Momenten dann aber wieder stört. Manchmal muss man den Jungs schon deutlich machen, dass das Smartphone in der Kabine oder bei einer Internatssitzung aus sein sollte. Da gibt es in allen Teams unterschiedliche Strafenkataloge. Das Smartphone einfach mal wegzulegen, fällt den Jungs aber unheimlich schwer. Daher sollte man Alkohol weiterhin sehr ernst nehmen, aber andere Suchtmittel wie das Handy oder Social Media stehen deutlich mehr im Mittelpunkt.

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