Stromberg im Interview: "War ein einmaliges Jahrzehnt"

Mit 23 Jahren war Holger Stromberg Deutschlands jüngster Koch mit einem Michelin-Stern. Mit 42 Jahren verdiente er sich wieder einen Stern, diesmal als Koch und Ernährungscoach der deutschen Nationalmannschaft während der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Nach einem Jahrzehnt verabschiedet sich der Wahl-Münchner aus dem Kreis der Mannschaft. Im Interview auf DFB.de nennt Stromberg die Gründe für seinen Rücktritt, erklärt wie er Koch der Nationalmannschaft wurde und spricht über das gewachsene Bewusstsein der Spieler für gutes Essen. Außerdem verrät er, wie eine perfekte Tomatensuppe gelingt.

DFB.de: Holger Stromberg, allen hat es immer geschmeckt, Sie haben bei den Spielern und zumindest den meisten Betreuern ein neues Bewusstsein für eine gesunde Ernährung entstehen lassen. Warum bloß hören Sie denn auf?

Holger Stromberg: Es fällt mir weiß Gott nicht leicht, nach zehn Jahren als Koch und Ernährungscoach der Nationalmannschaft aufzuhören. Mir hat meine Aufgabe zuletzt mindestens genauso viel Spaß gemacht wie am ersten Tag. Ausschlaggebend sind private Gründe: Es geht um Zeit, um Familie, um meine Gesundheit. Meine Wirbelsäule bereitet mir seit vielen Jahren Probleme, perspektivisch ist der Zustand tatsächlich alarmierend. Ich muss also mein Leben anders priorisieren und meine beruflichen Aufgaben reduzieren, um zumindest die Chance zu haben, künftig gesünder zu leben. Bei meinem Tagespensum, konnte ich einfach kein regelmäßiges Sport- und Fitnessprogramm durchziehen. Als Koch der Mannschaft hast Du diese Zeit nicht, da beginnt der Tag morgens um kurz nach sechs Uhr mit den Frühstücksvorbereitungen und endet meist erst gegen Mitternacht. Diese Aufgaben kann man auch nicht delegieren. Einer muss verantwortlich sein. Das habe ich zehn Jahre gemacht. Jetzt ist Schluss.

DFB.de: Und wie begann alles? Wie wurden Sie der Koch der Mannschaft?

Stromberg: Der Kontakt kam über Bierhoffs Assistentin Heike Dahl zustande. Heikes damaliger Freund besuchte meinen Kochkurs. Es muss im Frühjahr 2006 gewesen sein, da saß an einem Abend Oliver Bierhoff mit seiner Frau Klara in meinem Restaurant in München. Wir kamen ins Gespräch, über Qualität, über Ernährung, auch über Motivation. Dinge, die auch ihn beschäftigt haben, vor allem betonte er, dass für die Ernährung der Nationalmannschaft nur die höchsten Ansprüche gelten können. Ich habe ihm zum Abschied meine Visitenkarte gegeben. Dreieinhalb Wochen später erhielt ich einen Anruf, Oliver Bierhoff war am Telefon. Ohne Umschweife fragte er mich, ob ich künftig für die Nationalmannschaft kochen würde. Das hat mich direkt umgehauen, ich war sehr berührt – und habe sofort und durchaus mit belegter Stimme "Ja" gesagt.

DFB.de: War es auch sofort ein bedingungsloses "Ja"?

Stromberg: Was Zeit und Einsatz angeht, auf jeden Fall. Aber ich sagte vom ersten Moment auch, dass ich der Falsche wäre, wenn er nur jemanden sucht, der die Nudeln in der Kabine heiß macht. Ich wollte etwas bewegen, etwas verändern. Mir war klar, dass ich zuerst die Mannschaft überzeugen musste. Aber ich machte Oliver Bierhoff direkt klar, dass ich, sollte mir das gelingen, mit dieser Botschaft über eine gute Ernährung auch an die Öffentlichkeit gehen wollte. Dass die Mannschaft gerade auch für Informationen und Tipps über eine gesunde Ernährung einfach das perfekte Vorbild sein könnte. Wir wurden uns einig. Und dann ging das los. Das erste Mal in meinem Leben im Wembley-Stadion. Mein erstes Länderspiel. Ich werde es nie vergessen, wie so vieles aus diesem einmaligen Jahrzehnt.

DFB.de: Wie oft stand Poldi bei Ihnen am Kochtopf?

Stromberg: Ich würde sagen, so etwa hundert Mal. Manchmal habe ich gedacht, er will jetzt bei mir in der Küche anfangen.

DFB.de: Ist denn das Bewusstsein der Spieler für ein gutes Essen und eine gesunde Ernährung gewachsen?

Stromberg: Heute ist es gigantisch. Arne Friedrich war mein Schlüsselspieler, er war sehr interessiert. Und Poldi war in dieser Hinsicht mein schwerster Brocken. Er hat zu Beginn die Kräuter mit der Gabel vom Steak gekratzt. Fünf Jahre später musste ich ihm die Gewürze nach London schicken, so begeistert und interessiert war er. Irgendwann habe ich Sauerteigbrot auf die Tische gestellt. Ich war mir nicht sicher, ob ich das durchsetzen kann, aber als Per Mertesacker überzeugt war, stand bald auf allen Tischen das dunkle, gesündere Brot. Seitdem servieren wir nur noch Brot mit einem hohen Vollkornanteil.



Mit 23 Jahren war Holger Stromberg Deutschlands jüngster Koch mit einem Michelin-Stern. Mit 42 Jahren verdiente er sich wieder einen Stern, diesmal als Koch und Ernährungscoach der deutschen Nationalmannschaft während der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Nach einem Jahrzehnt verabschiedet sich der Wahl-Münchner aus dem Kreis der Mannschaft. Im Interview auf DFB.de nennt Stromberg die Gründe für seinen Rücktritt, erklärt wie er Koch der Nationalmannschaft wurde und spricht über das gewachsene Bewusstsein der Spieler für gutes Essen. Außerdem verrät er, wie eine perfekte Tomatensuppe gelingt.

DFB.de: Holger Stromberg, allen hat es immer geschmeckt, Sie haben bei den Spielern und zumindest den meisten Betreuern ein neues Bewusstsein für eine gesunde Ernährung entstehen lassen. Warum bloß hören Sie denn auf?

Holger Stromberg: Es fällt mir weiß Gott nicht leicht, nach zehn Jahren als Koch und Ernährungscoach der Nationalmannschaft aufzuhören. Mir hat meine Aufgabe zuletzt mindestens genauso viel Spaß gemacht wie am ersten Tag. Ausschlaggebend sind private Gründe: Es geht um Zeit, um Familie, um meine Gesundheit. Meine Wirbelsäule bereitet mir seit vielen Jahren Probleme, perspektivisch ist der Zustand tatsächlich alarmierend. Ich muss also mein Leben anders priorisieren und meine beruflichen Aufgaben reduzieren, um zumindest die Chance zu haben, künftig gesünder zu leben. Bei meinem Tagespensum, konnte ich einfach kein regelmäßiges Sport- und Fitnessprogramm durchziehen. Als Koch der Mannschaft hast Du diese Zeit nicht, da beginnt der Tag morgens um kurz nach sechs Uhr mit den Frühstücksvorbereitungen und endet meist erst gegen Mitternacht. Diese Aufgaben kann man auch nicht delegieren. Einer muss verantwortlich sein. Das habe ich zehn Jahre gemacht. Jetzt ist Schluss.

DFB.de: Und wie begann alles? Wie wurden Sie der Koch der Mannschaft?

Stromberg: Der Kontakt kam über Bierhoffs Assistentin Heike Dahl zustande. Heikes damaliger Freund besuchte meinen Kochkurs. Es muss im Frühjahr 2006 gewesen sein, da saß an einem Abend Oliver Bierhoff mit seiner Frau Klara in meinem Restaurant in München. Wir kamen ins Gespräch, über Qualität, über Ernährung, auch über Motivation. Dinge, die auch ihn beschäftigt haben, vor allem betonte er, dass für die Ernährung der Nationalmannschaft nur die höchsten Ansprüche gelten können. Ich habe ihm zum Abschied meine Visitenkarte gegeben. Dreieinhalb Wochen später erhielt ich einen Anruf, Oliver Bierhoff war am Telefon. Ohne Umschweife fragte er mich, ob ich künftig für die Nationalmannschaft kochen würde. Das hat mich direkt umgehauen, ich war sehr berührt – und habe sofort und durchaus mit belegter Stimme "Ja" gesagt.

DFB.de: War es auch sofort ein bedingungsloses "Ja"?

Stromberg: Was Zeit und Einsatz angeht, auf jeden Fall. Aber ich sagte vom ersten Moment auch, dass ich der Falsche wäre, wenn er nur jemanden sucht, der die Nudeln in der Kabine heiß macht. Ich wollte etwas bewegen, etwas verändern. Mir war klar, dass ich zuerst die Mannschaft überzeugen musste. Aber ich machte Oliver Bierhoff direkt klar, dass ich, sollte mir das gelingen, mit dieser Botschaft über eine gute Ernährung auch an die Öffentlichkeit gehen wollte. Dass die Mannschaft gerade auch für Informationen und Tipps über eine gesunde Ernährung einfach das perfekte Vorbild sein könnte. Wir wurden uns einig. Und dann ging das los. Das erste Mal in meinem Leben im Wembley-Stadion. Mein erstes Länderspiel. Ich werde es nie vergessen, wie so vieles aus diesem einmaligen Jahrzehnt.

DFB.de: Wie oft stand Poldi bei Ihnen am Kochtopf?

Stromberg: Ich würde sagen, so etwa hundert Mal. Manchmal habe ich gedacht, er will jetzt bei mir in der Küche anfangen.

DFB.de: Ist denn das Bewusstsein der Spieler für ein gutes Essen und eine gesunde Ernährung gewachsen?

Stromberg: Heute ist es gigantisch. Arne Friedrich war mein Schlüsselspieler, er war sehr interessiert. Und Poldi war in dieser Hinsicht mein schwerster Brocken. Er hat zu Beginn die Kräuter mit der Gabel vom Steak gekratzt. Fünf Jahre später musste ich ihm die Gewürze nach London schicken, so begeistert und interessiert war er. Irgendwann habe ich Sauerteigbrot auf die Tische gestellt. Ich war mir nicht sicher, ob ich das durchsetzen kann, aber als Per Mertesacker überzeugt war, stand bald auf allen Tischen das dunkle, gesündere Brot. Seitdem servieren wir nur noch Brot mit einem hohen Vollkornanteil.

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DFB.de: Aus Sicht des Kochs - wie schlimm war die Situation in Brasilien?

Stromberg: Sehr, sehr schlimm. Auf der Fahne steht Fortschritt und Ordnung, das gibt’s beides eher begrenzt in Brasilien. Die Menschen waren unglaublich toll – sehr offen, keine Ängste. Aber die Bildung ist eine Katastrophe. Ich bin da in eine Küche gekommen, die hatte seit 20 Jahren kein Stück Seife mehr gesehen. In den meisten Küchen, in denen wir während der WM bei den Gruppen- und Finalspielen kochen mussten, war es unterirdisch. Meine Assistenten und ich haben dann die Nächte vor der Ankunft der Mannschaft durchgeschrubbt. Teilweise hat es durch die Decken getropft. Und jeder zweite Hoteldirektor in Brasilien erklärt dir, dass es keine Vanille in Brasilien gäbe - dabei wächst die im Amazonasgebiet. Die meisten Produkte waren von unglaublich schlechter Qualität. Ich habe aber niemandem von den Problemen erzählt, wir wollten die Trainer oder gar die Spieler auf keinen Fall verunsichern. Wir haben es einfach hinbekommen.

DFB.de: Mit einem ziemlich guten Ende.

Stromberg: Ich hatte in den Jahren davor einfach zu oft Spieler in der Kabine weinen gesehen. In Brasilien war die Mannschaft bis in die letzte Haarspitze motiviert, und wenn ich das als Koch sagen darf, einfach im gesamten Verhalten, nicht nur auf dem Platz, überwältigend klug und zielgerichtet. Und diese Energie gab es auch im Betreuerstab. Alle wollten - mit aller Körper- und Gedankenkraft. Vielleicht haben wir die Mannschaft dadurch auch ein klein wenig mitgetragen.

DFB.de: Sie haben ein einziges Mal in zehn Jahren bei einem Kick der Betreuer mitgespielt. Einige Nationalspieler schauten zu. Was mussten Sie sich anhören?

Stromberg: Die Nationalspieler waren okay. Außer im Hinterhof, habe ich mein Leben lang nie gekickt. Das heißt, ich kenne nicht mal genau die Regeln. Wenn mir jemand sagt, du musst auf der Sechs spielen, bin ich völlig ratlos. Im Fußball bin ich also fleißig und versuche das zu machen, was man mir sagt. Einmal bin ich dann zum sogenannten Betreuerkick mitgegangen, ich meine es war auf Sizilien, vor der WM 2010. Ich dachte fälschlicherweise, beim Betreuerkick gehe es um die Freude an der Bewegung. Als Oliver Bierhoff mich dann permanent anschrie, wusste ich aber, hier steht eindeutig mehr auf dem Spiel. Mein Team hat verloren. Nach dem Kick, ich war völlig im Eimer, teilte ich mir mit Hansi Flick ein Golfcart, hintendrauf saßen noch ein paar andere aus dem Staab. Es herrschte Totenstille. Kurz bevor wir vor der Hotellobby vorfuhren, lehnt sich Hansi rüber: "Holger, eins muss ich dir nochmal sagen, keiner im Team inklusive der Spieler kocht so schlecht wie du Fußball spielst."

DFB.de: Ganz zum Schluss bitte verraten Sie uns noch den besonderen Pfiff für die legendäre Tomatensuppe?

Stromberg: Ganz viele Karotten reinschneiden. Später kommt Pesto, Parmesan und Basilikum dazu. Die Tomatensuppe schmeckt heute noch jedem in der Nationalmannschaft.

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