Stielike: "Aus alter Verbundenheit tippe ich auf Spanien"

1980 gewann Uli Stielike mit der deutschen Nationalmannschaft den EM-Titel. Vier Jahre später scheiterte er bei der Titelverteidigung schon in der Vorrunde – an Spanien – und verlor 1982 das WM-Finale in Madrid – gegen Italien, nachdem er zuvor im Viertelfinale 1982 mit dem deutschen Team Gastgeber Spanien in der Zwischenrunde besiegt hatte. Spanien war zu jenem Zeitpunkt für den Abwehr- und Mittelfeldspieler, der mit Borussia Möchengladbach dreimal Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger und UEFA-Cupsieger wurde, zur zweiten Heimat geworden. Und Real Madrid trägt er nach acht überaus erfolgreichen Jahren zwischen 1977 und 1985 noch immer im Herzen.

Uli Stielike (57) kann die Enttäuschung also nachvollziehen, die jetzt im aktuellen deutschen Nationalteam nach dem EM-Scheitern gegen Italien herrscht. Im DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteur Wolfgang Tobien blickt der 42-malige Nationalspieler zurück auf das EM-Halbfinale in Warschau, sieht in der Niederlage gegen Italien weder ein Drama noch einen Weltuntergang, nennt aber auch Gründe für den K.o. Gleichzeitig blickt der Fußball-Lehrer, der als Trainer unter anderem als Assistent (September 1998 bis Mai 2000) von DFB-Teamchef Erich Ribbeck sowie danach bis 2006 als Trainer im DFB-Nachwuchsbereich fungierte und jetzt seit 2008 als Trainer in Doha/Katar arbeit, voraus auf das EM-Finale an diesem Sonntag zwischen Spanien und Italien (ab 20.45 Uhr, live im ZDF).

DFB.de: 1980 gelang Ihnen, was die aktuelle deutsche Nationalmannschaft diesmal nicht geschafft hat: mit dem jüngsten Team des Turniers Europameister zu werden. Welche besonderen Erinnerungen verbinden Sie mit dem größten Erfolg Ihrer Länderspielkarriere?

Stielike: Das war natürlich ein einmaliges Erlebnis. Ebenso wie das WM-Endspiel zwei Jahre später gegen Italien. Auch wenn dieses zweite Finale verloren ging. Das sind Erlebnisse, die sind unvergesslich, die bleiben einem ewig im Gedächtnis.

DFB.de: Für viele Fans sollte Deutschland gegen Spanien das Traumfinale der EURO 2012 werden. War das auch Ihr Endspiel-Tipp im Vorfeld gewesen?

Uli Stielike: Das war mein Tipp im Vorfeld des Turniers. Das war aber auch mein Tipp vor dem Anpfiff der beiden Halbfinals.

DFB.de: Die Enttäuschung unter den deutschen Fußballfans ist groß. Wie sehen Sie die 1:2-Niederlage gegen Italien?

Stielike: Ich werte sie nicht als Drama. Und sehe darin auch keinen Weltuntergang. Das ist einfach ein Tatbestand, der passieren kann, wenn man im Halbfinale eines großen Turniers steht. Dort sind nun einmal nur noch sehr gute, sicherlich in ihrer Spielweise sehr unterschiedliche, aber doch nahezu gleichwertige Mannschaften vertreten.



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1980 gewann Uli Stielike mit der deutschen Nationalmannschaft den EM-Titel. Vier Jahre später scheiterte er bei der Titelverteidigung schon in der Vorrunde – an Spanien – und verlor 1982 das WM-Finale in Madrid – gegen Italien, nachdem er zuvor im Viertelfinale 1982 mit dem deutschen Team Gastgeber Spanien in der Zwischenrunde besiegt hatte. Spanien war zu jenem Zeitpunkt für den Abwehr- und Mittelfeldspieler, der mit Borussia Möchengladbach dreimal Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger und UEFA-Cupsieger wurde, zur zweiten Heimat geworden. Und Real Madrid trägt er nach acht überaus erfolgreichen Jahren zwischen 1977 und 1985 noch immer im Herzen.

Uli Stielike (57) kann die Enttäuschung also nachvollziehen, die jetzt im aktuellen deutschen Nationalteam nach dem EM-Scheitern gegen Italien herrscht. Im DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteur Wolfgang Tobien blickt der 42-malige Nationalspieler zurück auf das EM-Halbfinale in Warschau, sieht in der Niederlage gegen Italien weder ein Drama noch einen Weltuntergang, nennt aber auch Gründe für den K.o. Gleichzeitig blickt der Fußball-Lehrer, der als Trainer unter anderem als Assistent (September 1998 bis Mai 2000) von DFB-Teamchef Erich Ribbeck sowie danach bis 2006 als Trainer im DFB-Nachwuchsbereich fungierte und jetzt seit 2008 als Trainer in Doha/Katar arbeit, voraus auf das EM-Finale an diesem Sonntag zwischen Spanien und Italien (ab 20.45 Uhr, live im ZDF).

DFB.de: 1980 gelang Ihnen, was die aktuelle deutsche Nationalmannschaft diesmal nicht geschafft hat: mit dem jüngsten Team des Turniers Europameister zu werden. Welche besonderen Erinnerungen verbinden Sie mit dem größten Erfolg Ihrer Länderspielkarriere?

Stielike: Das war natürlich ein einmaliges Erlebnis. Ebenso wie das WM-Endspiel zwei Jahre später gegen Italien. Auch wenn dieses zweite Finale verloren ging. Das sind Erlebnisse, die sind unvergesslich, die bleiben einem ewig im Gedächtnis.

DFB.de: Für viele Fans sollte Deutschland gegen Spanien das Traumfinale der EURO 2012 werden. War das auch Ihr Endspiel-Tipp im Vorfeld gewesen?

Uli Stielike: Das war mein Tipp im Vorfeld des Turniers. Das war aber auch mein Tipp vor dem Anpfiff der beiden Halbfinals.

DFB.de: Die Enttäuschung unter den deutschen Fußballfans ist groß. Wie sehen Sie die 1:2-Niederlage gegen Italien?

Stielike: Ich werte sie nicht als Drama. Und sehe darin auch keinen Weltuntergang. Das ist einfach ein Tatbestand, der passieren kann, wenn man im Halbfinale eines großen Turniers steht. Dort sind nun einmal nur noch sehr gute, sicherlich in ihrer Spielweise sehr unterschiedliche, aber doch nahezu gleichwertige Mannschaften vertreten.

DFB.de: Was sind für Sie die Hauptgründe für das Scheitern im Halbfinale?

Stielike: Die Mannschaft wurde erstmals bei dieser EM mit der Situation konfrontiert, einem Rückstand hinterherlaufen zu müssen. Dabei hat sie sich sehr schwer getan. Die Leichtigkeit, mit der einem alles vom Fuß geht, wenn man in Führung liegt, die war nicht mehr da. Der eine oder andere Spieler, in diesem Fall unter anderem Özil und Kroos, müssen unbedingt daran arbeiten, in solchen Situationen, wie zum Beispiel einem Rückstand, eine andere Körpersprache an den Tag zu legen, wenn sie Führungsspieler sein wollen.

DFB.de: Wie werden Ihrer Meinung nach Bundestrainer Löw und die Mannschaft auf den vierten vergeblichen Anlauf auf einen großen Titel in Folge reagieren?

Stielike: Ich glaube, es bedarf jetzt keiner Revolution. Man sollte über einige Korrekturen nachdenken. Und es sind hoffentlich Lernprozesse in Gang gesetzt worden, von denen jeder profitiert. Das sind normale Mechanismen. Mats Hummels zum Beispiel unterlief vor dem ersten Tor ein Fehler. Er verhielt sich etwas unglücklich, was passieren kann, wenn man noch nicht die nötige internationale Erfahrung hat. Die Mannschaft ist auf jeden Fall entwicklungsfähig. Sie braucht vielleicht noch den einen oder anderen Spieler auf entsprechendem Niveau. Doch umwälzende Änderungen sind nicht notwendig.

DFB.de: Welche Erwartungen verbinden Sie jetzt mit dem Endspiel Spanien gegen Italien?

Stielike: Vor der EM hätte ich klar auf Spanien getippt. Was die Italiener aber bisher gezeigt haben, das hält sie bei diesem Endspiel zwar immer noch in einer Außenseitersituation. Doch genau diese Ausgangslage ist ihnen ja auch gegen Deutschland zu Gute gekommen. Und damit werden sie am Sonntag auch im Finale den Spaniern ein gleichwertiger und ungemein gefährlicher Gegner sein.

DFB.de: Sie selbst bestritten das vorletzte Spiel Ihrer Karriere als Nationalspieler beim EM-Aus 1984 in Frankreich gegen Spanien. Welche Erinnerungen haben Sie noch daran?

Stielike: Das war damals für uns noch enttäuschender als für das heutige Team, weil unser Aus in der 88. Minute durch das spanische Kopfballtor zum 0:1 zustande kam, von uns in der Kürze der Zeit nicht mehr wieder gutzumachen und damit schon in der Gruppenphase Schluss war. Mit einem 0:0 wären wir ja weitergekommen. Ich denke, der Frust war bei uns damals noch um einiges größer.

DFB.de: Im Vergleich zu damals präsentiert sich Spaniens Team heute mit einer ganz anderen Spielweise. Worauf führen Sie diese grundlegende Änderung zurück?

Stielike: Das Fundament der heutigen spanischen Nationalmannschaft ist der FC Barcelona. Er stellt personell wichtige Spieler ab, hat aber auch seine Spielweise mehr oder weniger ins Nationalteam integriert. Zusammen mit den Spielern von Real Madrid ergibt sich daraus eine spezielle Art von Erfolgsgarantie, die mich an das deutsche Nationalteam in den siebziger Jahren mit den Spielern aus Bayern München und Borussia Mönchengladbach erinnert.

DFB.de: Wie schwer ist es, sich auf diesen Spielstil einzustellen, sich dagegen zu behaupten und eigene Initiativen zu entwickeln?

Stielike: Ich glaube, dass die Spanier inzwischen darunter leiden, dass praktisch alle Mannschaften die Besonderheit ihrer Spielweise erkannt haben und sich darauf einstellen können. Es fällt zwar immer noch schwer, sie in den Griff zu bekommen, weil sie technisch auf einem sehr hohen Niveau spielen. Taktisch aber dürften die Spanier keinen mehr überraschen und vor größere Rätsel stellen.

DFB.de: Italiens Mannschaft wird im Finale also entsprechend gerüstet sein?

Stielike: Das haben die Italiener doch schon in der Vorrunde bewiesen, als sie eindrucksvoll Paroli geboten haben. Mit der Euphorie ihrer Erfolge im Viertel- und Halbfinale im Rücken werden sie jetzt im Endspiel ein noch ernst zu nehmenderer Gegner sein.

DFB.de: Man hat den Eindruck, dass sich die Rivalität zwischen Real Madrid und FC Barcelona seit dem Gewinn des WM-Titels und vor allem in der vergangenen Saison noch verschärft hat. Wie erklären Sie sich trotzdem dieses beinahe blinde Verständnis beim oft so perfekten Zusammenspiel der Nationalmannschaft auf dem Spielfeld?

Stielike: Weil sie intelligente Jungs sind, die wissen, dass es trotz aller Rivalität zwischen den Vereinen im Nationalteam nicht ohne Harmonie und Geschlossenheit auf dem Spielfeld geht. Diese Erkenntnis setzt eine gewisse Intelligenz und auch Toleranz voraus. Beides bringen die Spieler in del Bosques Team mit.

DFB.de: Wer also wird an diesem Sonntag das Endspiel gewinnen?

Stielike: Aus alter Verbundenheit tippe ich auf Spanien. Doch Italien hat eine absolut reelle Chance.

DFB.de: Welchen Einfluss hätte die erfolgreiche Titelverteidigung der Spanier auf die sozialpolitische Situation des Landes?

Stielike: In dieser Hinsicht ist ja die Situation in Italien nicht viel anders. In beiden Ländern leiden die Menschen sehr unter der Krise. Ein sportlicher Erfolg mit dem EM-Titel wäre jetzt auf jeden Fall eine Aufmunterung, vielleicht könnte er sogar eine Aufbruchstimmung auslösen.

DFB.de: Acht Jahre haben sie für Real Madrid gespielt, haben dort große Erfolge erreicht, wurden in dieser Zeit viermal zum besten Ausländer gewählt und waren der beliebteste Spieler der "Königlichen". Warum sind Sie nicht dauerhaft in Spanien geblieben?

Stielike: Weil ich zu dem damaligen Zeitpunkt 30 Jahre alt war. Hätte man mir dort noch mal einen Zwei-Jahres-Vertrag gegeben, wäre ich in Madrid geblieben und hätte dort meine Spielerkarriere beendet. Man hat mir aber nur einen Ein-Jahres-Vertrag angeboten. Dadurch kam es zum Bruch.

DFB.de: Mit der Familie wieder nach Spanien zurückzugehen und dort zu leben, kam für Sie nie in Frage?

Stielike: Doch, doch. Fürs Rentenalter ist das durchaus eine Option.

DFB.de: Wann wird das für Sie soweit sein?

Stielike: In vier, fünf Jahren.

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DFB.de: Katar, wo Sie seit dreieinhalb Jahren als Trainer arbeiten, ist alles andere als ein klassisches Fußball-Land. Worin besteht für Sie dort die besondere Herausforderung?

Stielike: Zunächst einmal überzeugt mich die Lebensqualität. Du kannst dort das Auto offen auf dem Parkplatz stehen lassen, musst die Haustüre nicht abschließen. Das ist außerhalb des Fußballs schon mal etwas Besonderes. Zum anderen bist du als Trainer auf dem Platz stark gefordert, weil du dich sehr einbringen musst. Es geht nicht darum, eine Gruppe von Spielern, die schon viel mitbringen, zu verwalten. Es geht hier vielmehr darum, etwas aufzubauen und zu entwickeln. Und wenn du als Trainer deine Handschrift einbringen und hinterlassen kannst, das ist doch etwas, was du als Fußball-Lehrer willst.

DFB.de: Katar bleibt also mittelfristig eine berufliche Perspektive für Sie?

Stielike: Ich habe noch bis 2013 Vertrag. Wenn es nach mir ginge, würde ich noch drei, vier Jahre in Katar arbeiten, dann vielleicht nach Andalusien gehen und mich dort für meinen Lebensabend einrichten.