Stephan Rahn: Der Pokalheld aus der Oberliga

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt, im Schnitt finden 4400 Spiele statt - pro Tag. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga, der Nationalmannschaft, den Klubs wie Bayern München, Borussia Dortmund oder Schalke 04. Die heimlichen Helden aber spielen woanders, in der Verbands-, Bezirks-, Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen, mit hingebungsvollen Ehrenamtlichen an ihrer Seite. Sie alle haben eines gemeinsam: die Liebe zum Fußball.

Diesen heimlichen Helden widmet sich DFB.de in seiner neuen Serie. Auf der Reise durch die Republik stellt die Redaktion jeden Dienstag einen Amateurverein vor - ob aufstrebender Newcomer oder gestrauchelter Traditionsklub, ob kleiner Dorf- oder städtischer Großverein, ob Oberligist oder C-Ligist, ob Jugendspielgemeinschaft oder reine Hobbytruppe. Wir zeigen, wie besonders der deutsche Fußball-Alltag ist. Heute: Stephan Rahn, der Bruder des fünfmaligen Nationalspielers Christian Rahn. Der heute 32-Jährige kickte mit dem SC Victoria Hamburg bereits im DFB-Pokal.

Siegtor gegen Zweitligisten

Es war der 15. August 2010: Der Hamburger Oberligist SC Victoria stand in der ersten Runde des DFB-Pokals. Der Gegner Rot-Weiß Oberhausen, damals noch ein Zweitligist, ging als haushoher Favorit in das Spiel. "Aber wir haben an unsere Chance geglaubt", erinnert sich der Stürmer Stephan Rahn. In den ersten 29 Minuten war davon eher wenig zu sehen. Die Profis dominierten das Spiel. Dann schlug die große Stunde des Stephan Rahn. Eine Freistoßsituation aus halbrechter Position, rund 25 Meter vom Tor entfernt. Er schnappte sich den Ball, nahm Anlauf und schoss den Ball zentimetergenau unter die Latte.

Die Sensation gelang. Mit 1:0 besiegte der Fünftligist den Zweitligisten. "Das war eines der Highlights meiner Karriere", sagt der fast 30 Jahre alte Freistoßspezialist heute. Das Medieninteresse nach diesem Sieg war groß. Ob nun Sky oder der NDR, die Bild-Zeitung oder das Hamburger Abendblatt - Rahn konnte sich vor lauter Interviewanfragen kaum noch retten. "Das hat schon Spaß gemacht", gibt er zu. Es war fast so, als wäre er ein berühmter Profi. Genau das, was er als Jugendlicher immer werden wollte.

Training unter Doll und Böger

Solange Stephan Rahn denken kann, ist Fußball sein Lebensinhalt. Sein drei Jahre älterer Bruder Christian, der es zum fünfmaligen Nationalspieler brachte und derzeit für die SpVgg Greuther Fürth II spielt, war sein erstes Vorbild. "Kaum konnte ich laufen, bin ich ihm zum Training gefolgt", erinnert sich Stephan Rahn. Sein Potenzial wurde schnell erkannt. Vom Hamburger Traditionsverein Altona 93 wechselte er in der Jugend zum FC St. Pauli und als 17-Jähriger zu dem Amateuren des Hamburger SV. Hier trainierte er unter anderem unter Stefan Böger und Thomas Doll.

Doch der nächste große Schritt, der Sprung zu den Profis, gelang nicht. "Die Bindung zwischen den Amateuren und den Profis war damals nicht so groß. Es hat nie jemand von der ersten Mannschaft zugeschaut", lautet seine Erklärung. Die Doppelbelastung, weil Stephan Rahn neben dem Fußball eine Ausbildung zum Autoverkäufer absolvierte, setzte ihm ebenfalls zu. "Vielleicht hätte ich es zum Profi geschafft, hätte ich mich nur auf den Fußball konzentriert", überlegt er: "Andererseits bin ich heute froh, die Ausbildung gemacht zu haben und als Autoverkäufer arbeiten zu können."

"Eine ganz andere Welt"

Stephan Rahn wurde älter, die Einsätze beim HSV wurden weniger. "Als der Vertrag auslief, wollte mein damaliger Spielerberater ein Probetraining bei anderen Vereinen, zum Beispiel bei den Amateuren von Schalke 04, organisieren", erinnert er sich. Doch er wurde fallengelassen. Sein Berater vermittelte ihm kein einziges Probetraining. Stephan Rahn musste sich auf eine Zukunft als Amateurspieler einstellen und unterschrieb beim Hamburger Oberligisten SC Concordia Hamburg.

"Das war natürlich eine ganz andere Welt. Das Trainingsniveau und die Betreuung ist nicht vergleichbar", sagt er rückblickend. War beim Hamburger SV der Trainingsbetrieb komplett durchorganisiert, wussten sie beim SC Concordia teilweise nicht einmal, wo man trainieren könnte. "Trainieren wir heute auf Rasen oder auf Grant? Wer kommt zu spät zum Training, weil er länger arbeiten muss? Mit solchen Fragen muss man sich im Amateurfußball beschäftigen."

Erfolgreichtse Zeit bei Victoria

Nach zwei Jahren, Stephan Rahn war 23 Jahre alt, wechselte er zum SC Victoria. Hier erlebte er seine erfolgreichste Zeit: vier Hamburger Meisterschaften in Folge, zweimal den Oddset-Pokal, zudem zu Hamburgs Fußballer des Jahres 2007 gewählt. Im selben Jahr lief Stephan Rahn mit "Vicki" (so der Spitzname des Vereins) im DFB Pokal auf. Der Gegner, der damals frischgebackene DFB-Pokalsieger 1. FC Nürnberg, ließ dem Hamburger Amateurverein keine Chance. Das ernüchternde Ergebnis lautete 0:6.

Drei Jahre später lief es im DFB-Pokal erfolgreicher. Nachdem Rot-Weiß Oberhausen ausgeschaltet war, kamen weitaus berühmtere Fußballer nach Hamburg. Der VfL Wolfsburg brachte unter anderem Diego, Mario Mandzukic und Grafite mit. 7000 Zuschauer kamen zum Hamburger Millerntor und sahen das 1:3. Den Ehrentreffer erzielte, wie könnte es anders sein, Stephan Rahn.

Trikottausch mit Diego

In Erinnerung geblieben ist dem Torschütze besonders die Begegnung mit Superstar Diego. "Ich habe ihn noch vor dem Anpfiff angesprochen und nach einem Trikottausch nach dem Spiel gefragt. Aber nach Abpfiff sah ich ihn plötzlich nicht mehr", erinnert sich Rahn. Als die "Vicki"-Spieler in der Kabine noch einmal auf das tolle Erlebnis angestoßen haben, ging plötzlich die Tür auf. Diego hatte Stephan Rahn nicht vergessen. Der Superstar brachte ihm das Trikot und trank bei der Gelegenheit ein Bierchen mit. "Ein super Kicker und ein echt sympathischer Kerl", sagt Rahn über ihn.

Die Erlebnisse im DFB-Pokal hatten ihren Preis: In der Oberliga stürzte der viermalige Meister ins Mittelfeld ab. "Wir hatten den Fokus auf dem Pokal", gibt Rahn zu: "Wir haben uns gar nicht mehr auf die Liga konzentriert. Alle wollten im DFB Pokal spielen und sich bloß nicht verletzen." Der Vereinsvorstand hatte dafür wenig Verständnis und entließ Trainer Bert Ehm. "Meiner Meinung nach gehört sich das nicht, einen Trainer so schnell zu entlassen, der uns zu vier Meisterschaften geführt hatte", so Rahn, der im Sommer 2011 die Konsequenz zog und innerhalb der Oberliga zu TuS Germania Schnelsen wechselte.

Pokalfinale gegen den ehemaligen Verein

Bei der Germania, die von dem langjährigen St. Pauli-Torwart Klaus Thomforde trainiert wird, fühlt sich Stephan Rahn pudelwohl. "Vier ehemalige Mitspieler sind ebenfalls hierher gekommen", verrät er: "Es ist wichtig für mich, gemeinsam mit Kollegen zu spielen und einfach Spaß zu haben. Profi werde ich schließlich nicht mehr."

Das heißt allerdings nicht, dass er keine Ziele mehr hat. Am kommenden Montag, findet das Oddset-Pokalfinale statt. Der Gegner von Germania Schnelsen: der SC Victoria. "Ich freue mich darauf, die Jungs wiederzusehen. Mit vielen habe ich jahrelang zusammengespielt", so Rahn. Und sollte es tatsächlich wieder mit dem Pokalsieg und der Teilnahme am DFB Pokal klappen, wüsste er bereits den Wunschgegner: "Bayern München wäre ein Traum." Wer weiß: Vielleicht würde sich dann auch wieder eine Freistoßsituation ergeben...

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Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt, im Schnitt finden 4400 Spiele statt - pro Tag. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga, der Nationalmannschaft, den Klubs wie Bayern München, Borussia Dortmund oder Schalke 04. Die heimlichen Helden aber spielen woanders, in der Verbands-, Bezirks-, Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen, mit hingebungsvollen Ehrenamtlichen an ihrer Seite. Sie alle haben eines gemeinsam: die Liebe zum Fußball.

Diesen heimlichen Helden widmet sich DFB.de in seiner neuen Serie. Auf der Reise durch die Republik stellt die Redaktion jeden Dienstag einen Amateurverein vor - ob aufstrebender Newcomer oder gestrauchelter Traditionsklub, ob kleiner Dorf- oder städtischer Großverein, ob Oberligist oder C-Ligist, ob Jugendspielgemeinschaft oder reine Hobbytruppe. Wir zeigen, wie besonders der deutsche Fußball-Alltag ist. Heute: Stephan Rahn, der Bruder des fünfmaligen Nationalspielers Christian Rahn. Der heute 32-Jährige kickte mit dem SC Victoria Hamburg bereits im DFB-Pokal.

Siegtor gegen Zweitligisten

Es war der 15. August 2010: Der Hamburger Oberligist SC Victoria stand in der ersten Runde des DFB-Pokals. Der Gegner Rot-Weiß Oberhausen, damals noch ein Zweitligist, ging als haushoher Favorit in das Spiel. "Aber wir haben an unsere Chance geglaubt", erinnert sich der Stürmer Stephan Rahn. In den ersten 29 Minuten war davon eher wenig zu sehen. Die Profis dominierten das Spiel. Dann schlug die große Stunde des Stephan Rahn. Eine Freistoßsituation aus halbrechter Position, rund 25 Meter vom Tor entfernt. Er schnappte sich den Ball, nahm Anlauf und schoss den Ball zentimetergenau unter die Latte.

Die Sensation gelang. Mit 1:0 besiegte der Fünftligist den Zweitligisten. "Das war eines der Highlights meiner Karriere", sagt der fast 30 Jahre alte Freistoßspezialist heute. Das Medieninteresse nach diesem Sieg war groß. Ob nun Sky oder der NDR, die Bild-Zeitung oder das Hamburger Abendblatt - Rahn konnte sich vor lauter Interviewanfragen kaum noch retten. "Das hat schon Spaß gemacht", gibt er zu. Es war fast so, als wäre er ein berühmter Profi. Genau das, was er als Jugendlicher immer werden wollte.

Training unter Doll und Böger

Solange Stephan Rahn denken kann, ist Fußball sein Lebensinhalt. Sein drei Jahre älterer Bruder Christian, der es zum fünfmaligen Nationalspieler brachte und derzeit für die SpVgg Greuther Fürth II spielt, war sein erstes Vorbild. "Kaum konnte ich laufen, bin ich ihm zum Training gefolgt", erinnert sich Stephan Rahn. Sein Potenzial wurde schnell erkannt. Vom Hamburger Traditionsverein Altona 93 wechselte er in der Jugend zum FC St. Pauli und als 17-Jähriger zu dem Amateuren des Hamburger SV. Hier trainierte er unter anderem unter Stefan Böger und Thomas Doll.

Doch der nächste große Schritt, der Sprung zu den Profis, gelang nicht. "Die Bindung zwischen den Amateuren und den Profis war damals nicht so groß. Es hat nie jemand von der ersten Mannschaft zugeschaut", lautet seine Erklärung. Die Doppelbelastung, weil Stephan Rahn neben dem Fußball eine Ausbildung zum Autoverkäufer absolvierte, setzte ihm ebenfalls zu. "Vielleicht hätte ich es zum Profi geschafft, hätte ich mich nur auf den Fußball konzentriert", überlegt er: "Andererseits bin ich heute froh, die Ausbildung gemacht zu haben und als Autoverkäufer arbeiten zu können."

"Eine ganz andere Welt"

Stephan Rahn wurde älter, die Einsätze beim HSV wurden weniger. "Als der Vertrag auslief, wollte mein damaliger Spielerberater ein Probetraining bei anderen Vereinen, zum Beispiel bei den Amateuren von Schalke 04, organisieren", erinnert er sich. Doch er wurde fallengelassen. Sein Berater vermittelte ihm kein einziges Probetraining. Stephan Rahn musste sich auf eine Zukunft als Amateurspieler einstellen und unterschrieb beim Hamburger Oberligisten SC Concordia Hamburg.

"Das war natürlich eine ganz andere Welt. Das Trainingsniveau und die Betreuung ist nicht vergleichbar", sagt er rückblickend. War beim Hamburger SV der Trainingsbetrieb komplett durchorganisiert, wussten sie beim SC Concordia teilweise nicht einmal, wo man trainieren könnte. "Trainieren wir heute auf Rasen oder auf Grant? Wer kommt zu spät zum Training, weil er länger arbeiten muss? Mit solchen Fragen muss man sich im Amateurfußball beschäftigen."

Erfolgreichtse Zeit bei Victoria

Nach zwei Jahren, Stephan Rahn war 23 Jahre alt, wechselte er zum SC Victoria. Hier erlebte er seine erfolgreichste Zeit: vier Hamburger Meisterschaften in Folge, zweimal den Oddset-Pokal, zudem zu Hamburgs Fußballer des Jahres 2007 gewählt. Im selben Jahr lief Stephan Rahn mit "Vicki" (so der Spitzname des Vereins) im DFB Pokal auf. Der Gegner, der damals frischgebackene DFB-Pokalsieger 1. FC Nürnberg, ließ dem Hamburger Amateurverein keine Chance. Das ernüchternde Ergebnis lautete 0:6.

Drei Jahre später lief es im DFB-Pokal erfolgreicher. Nachdem Rot-Weiß Oberhausen ausgeschaltet war, kamen weitaus berühmtere Fußballer nach Hamburg. Der VfL Wolfsburg brachte unter anderem Diego, Mario Mandzukic und Grafite mit. 7000 Zuschauer kamen zum Hamburger Millerntor und sahen das 1:3. Den Ehrentreffer erzielte, wie könnte es anders sein, Stephan Rahn.

Trikottausch mit Diego

In Erinnerung geblieben ist dem Torschütze besonders die Begegnung mit Superstar Diego. "Ich habe ihn noch vor dem Anpfiff angesprochen und nach einem Trikottausch nach dem Spiel gefragt. Aber nach Abpfiff sah ich ihn plötzlich nicht mehr", erinnert sich Rahn. Als die "Vicki"-Spieler in der Kabine noch einmal auf das tolle Erlebnis angestoßen haben, ging plötzlich die Tür auf. Diego hatte Stephan Rahn nicht vergessen. Der Superstar brachte ihm das Trikot und trank bei der Gelegenheit ein Bierchen mit. "Ein super Kicker und ein echt sympathischer Kerl", sagt Rahn über ihn.

Die Erlebnisse im DFB-Pokal hatten ihren Preis: In der Oberliga stürzte der viermalige Meister ins Mittelfeld ab. "Wir hatten den Fokus auf dem Pokal", gibt Rahn zu: "Wir haben uns gar nicht mehr auf die Liga konzentriert. Alle wollten im DFB Pokal spielen und sich bloß nicht verletzen." Der Vereinsvorstand hatte dafür wenig Verständnis und entließ Trainer Bert Ehm. "Meiner Meinung nach gehört sich das nicht, einen Trainer so schnell zu entlassen, der uns zu vier Meisterschaften geführt hatte", so Rahn, der im Sommer 2011 die Konsequenz zog und innerhalb der Oberliga zu TuS Germania Schnelsen wechselte.

Pokalfinale gegen den ehemaligen Verein

Bei der Germania, die von dem langjährigen St. Pauli-Torwart Klaus Thomforde trainiert wird, fühlt sich Stephan Rahn pudelwohl. "Vier ehemalige Mitspieler sind ebenfalls hierher gekommen", verrät er: "Es ist wichtig für mich, gemeinsam mit Kollegen zu spielen und einfach Spaß zu haben. Profi werde ich schließlich nicht mehr."

Das heißt allerdings nicht, dass er keine Ziele mehr hat. Am kommenden Montag, findet das Oddset-Pokalfinale statt. Der Gegner von Germania Schnelsen: der SC Victoria. "Ich freue mich darauf, die Jungs wiederzusehen. Mit vielen habe ich jahrelang zusammengespielt", so Rahn. Und sollte es tatsächlich wieder mit dem Pokalsieg und der Teilnahme am DFB Pokal klappen, wüsste er bereits den Wunschgegner: "Bayern München wäre ein Traum." Wer weiß: Vielleicht würde sich dann auch wieder eine Freistoßsituation ergeben...