Stephan Lerch: "Sieben Titel sind keine schlechte Bilanz"

Abschied mit einem Titel: Nach acht Jahren in der Frauenabteilung des VfL Wolfsburg - zuletzt vier als Cheftrainer - verlässt Stephan Lerch den Verein und wechselt in die Nachwuchsabteilung der TSG Hoffenheim. Im DFB.de-Interview blickt der 36 Jahre alte Fußball-Lehrer auf eine ereignisreiche und extrem erfolgreiche Zeit zurück - auch wenn es in dieser Saison nicht mit dem Titel in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga geklappt hat.

DFB.de: Herr Lerch, eine in jeder Hinsicht ereignisreiche Saison ist beendet. Wie fällt mit etwas Abstand Ihr Fazit aus?

Stephan Lerch: Wir sind glücklich darüber, dass wir erneut im DFB-Pokal erfolgreich waren. Wir haben uns diesen Titel sehr hart erarbeitet und verdient diesen Wettbewerb gewonnen. Für uns ist das kein Trostpreis für die verpasste deutsche Meisterschaft. Im Gegenteil: Wir sind stolz, dass wir den DFB-Pokal zum siebten Mal in Folge nach Wolfsburg holen konnten. Das ist eine wahnsinnige Serie, die wir ausbauen konnten.

DFB.de: Warum hat es in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga nicht geklappt?

Lerch: Darüber ärgern wir uns natürlich. Aber man muss fairerweise auch sagen, dass der FC Bayern eine sehr gute Saison gespielt hat und verdient nach 22 Spieltagen ganz oben steht. Ich gratuliere dazu gerne auch an dieser Stelle noch mal. Schön, dass wir es bis zum letzten Spieltag offenhalten konnten. Lange Zeit sah es ja nicht danach aus. Wir gehen als bester Vizemeister in die Geschichtsbücher ein. Wir können uns dafür zwar nichts kaufen, aber aufgrund der vielen Schwierigkeiten im vergangenen Jahr war es dennoch eine gute positive Saison...

DFB.de: ... mit 19 Siegen, zwei Unentschieden und nur einer Niederlage. Gibt es trotz dieser Bilanz aus Ihrer Sicht etwas zu kritisieren?

Lerch: Die direkten Duelle gegen die Bayern sind oft entscheidend für die Meisterschaft. Und da kann alles passieren. Das haben wir in dieser Saison erlebt. Man muss damit rechnen, dass man gegen München mal verliert. Das ist uns passiert und gehört dazu. Ärgerlich ist im Rückblick das Unentschieden gegen Freiburg, das so nicht geplant war und uns weit zurückgeworfen hat. Aber am Ende hätten die Punkte auch nicht gereicht, weil die Bayern das deutlich bessere Torverhältnis hatten. Grundsätzlich kann ich meiner Mannschaft überhaupt keinen Vorwurf machen. Es war für alle extrem herausfordernd. Und vor diesem Hintergrund haben wir es super gemacht. Trotzdem ist der Titel für die Bayern verdient, weil sie vor uns stehen und mehr Punkte eingefahren haben. Nach 22 Spieltag kann man nur dieses Fazit ziehen.

DFB.de: Ihnen wird oft vorgeworfen, dass die Konstanz gefehlt hätte.

Lerch: Sie haben es eben ganz richtig gesagt: Wir haben nur ein einziges Spiel in der Bundesliga verloren, dazu zwei Unentschieden. Ich kann nicht erkennen, dass uns die Konstanz gefehlt hat. Vielleicht hat uns etwas die Dominanz gefehlt, was die Ergebnisse angeht. Aber an fehlender Konstanz hat es sicher nicht gelegen.

DFB.de: Sie haben aber 17 Gegentore kassiert - mehr als in den Jahren zuvor. War die Defensivarbeit der gesamten Mannschaft womöglich nicht optimal?

Lerch: Ja, das will ich gar nicht abstreiten. Aber da darf man nicht alleine die Defensive betrachten. Wir haben unsere Dominanz und unsere Ballbesitzphasen teilweise nicht in die entsprechenden Ergebnisse umgemünzt. Es ist immer ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Was ich damit meine: Wenn wir es teilweise geschafft hätten, die Partien frühzeitig zu entscheiden, wäre das eine oder andere Gegentor vielleicht gar nicht gefallen.

DFB.de: Haben Sie die Messlatte in den vergangenen Jahren womöglich einfach extrem hochgelegt?

Lerch: Ja, genauso sehe ich es auch. Es wird immer vorausgesetzt, dass das so weitergeht. Aber das ist kein Selbstläufer. Man kann nicht einen Rekord nach dem anderen übertreffen. Wie sollen wir eine Saison wie die Spielzeit 2019/2020 unter der Berücksichtigung der externen Faktoren, mit denen wir in dieser Saison zurechtkommen mussten, übertreffen? Wir sind da mit 20 Siegen und zwei Unentschieden ungeschlagen Meister geworden. Viel mehr geht ja nicht.

DFB.de: Für Sie endet nun Ihre Zeit beim VfL Wolfsburg. Was bleibt Ihnen aus dieser Zeit besonders in Erinnerung?

Lerch: Wir haben mit mir als Cheftrainer viermal den DFB-Pokal gewonnen und dreimal die deutsche Meisterschaft. Sieben Titel sind keine schlechte Bilanz. Aber wir haben auch zweimal das Finale der Champions League verloren. Viele Ereignisse kommen hier zusammen. Es ist mir nicht möglich, dass auf wenige Momente oder Augenblicke zu reduzieren. Klar, der erste DFB-Pokalsieg war besonders. Auch die erste deutsche Meisterschaft war sehr emotional. Das sind Triumphe, die ich in meinem Leben nicht mehr vergessen werde. Aber fast noch wichtiger sind für mich die Begegnungen mit ganz, ganz vielen tollen Menschen in diesem Verein. Und damit meine ich auch ganz besonders das Team hinter dem Team. Ich nehme extrem viele bereichernde Dinge aus dieser Zeit in Wolfsburg mit. Es macht mich stolz, dass ich als Cheftrainer meinen Teil zum Erfolg beitragen kann.

DFB.de: Wie haben Sie sich in dieser Zeit als Cheftrainer auch verändert?

Lerch: Als Trainer fühlt man sich manchmal wie der Dirigent eines Orchesters. Der Trainer muss den Takt vorgeben, vielleicht auch schon vorausschauend handeln, Entscheidungen treffen. Man muss das ganze Orchester managen, motivieren, helfen, auch mal Kritik üben. Aber am Ende bringt ein Orchester nur ein gutes Stück auf die Bühne, wenn alle an einem Strang ziehen. Und so war es hier definitiv der Fall. Wir hatten als Team Erfolg, das war natürlich keine One-Man-Show. Ich habe viel gelernt in meiner Zeit in Wolfsburg.

DFB.de: Sie werden nun die U 17 der TSG Hoffenheim übernehmen.

Lerch: Ich freue mich auf diese neue Herausforderung. Es ist immer mein Anspruch, im Hier und Jetzt das Bestmöglich herauszuholen. So werde ich auch meine neue Aufgabe angehen. Ich habe bereits Erfahrungen in der Talentförderung sammeln können und möchte mein Wissen nun gerne an dieser Stelle einbringen.

DFB.de: Können Sie sich irgendwann auch eine Rückkehr in den Frauenfußball vorstellen?

Lerch: Natürlich, ich bin grundsätzlich offen für alles. Ich hatte insgesamt acht überragende Jahre bei den Frauen des VfL Wolfsburg. Es hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht. Es war eine absolute Bereicherung für mich. Vielleicht kehre ich irgendwann auf die Frauenfußballbühne zurück. Aber jetzt wird sich ein anderes Kapitel für mich öffnen.

[sw]

Abschied mit einem Titel: Nach acht Jahren in der Frauenabteilung des VfL Wolfsburg - zuletzt vier als Cheftrainer - verlässt Stephan Lerch den Verein und wechselt in die Nachwuchsabteilung der TSG Hoffenheim. Im DFB.de-Interview blickt der 36 Jahre alte Fußball-Lehrer auf eine ereignisreiche und extrem erfolgreiche Zeit zurück - auch wenn es in dieser Saison nicht mit dem Titel in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga geklappt hat.

DFB.de: Herr Lerch, eine in jeder Hinsicht ereignisreiche Saison ist beendet. Wie fällt mit etwas Abstand Ihr Fazit aus?

Stephan Lerch: Wir sind glücklich darüber, dass wir erneut im DFB-Pokal erfolgreich waren. Wir haben uns diesen Titel sehr hart erarbeitet und verdient diesen Wettbewerb gewonnen. Für uns ist das kein Trostpreis für die verpasste deutsche Meisterschaft. Im Gegenteil: Wir sind stolz, dass wir den DFB-Pokal zum siebten Mal in Folge nach Wolfsburg holen konnten. Das ist eine wahnsinnige Serie, die wir ausbauen konnten.

DFB.de: Warum hat es in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga nicht geklappt?

Lerch: Darüber ärgern wir uns natürlich. Aber man muss fairerweise auch sagen, dass der FC Bayern eine sehr gute Saison gespielt hat und verdient nach 22 Spieltagen ganz oben steht. Ich gratuliere dazu gerne auch an dieser Stelle noch mal. Schön, dass wir es bis zum letzten Spieltag offenhalten konnten. Lange Zeit sah es ja nicht danach aus. Wir gehen als bester Vizemeister in die Geschichtsbücher ein. Wir können uns dafür zwar nichts kaufen, aber aufgrund der vielen Schwierigkeiten im vergangenen Jahr war es dennoch eine gute positive Saison...

DFB.de: ... mit 19 Siegen, zwei Unentschieden und nur einer Niederlage. Gibt es trotz dieser Bilanz aus Ihrer Sicht etwas zu kritisieren?

Lerch: Die direkten Duelle gegen die Bayern sind oft entscheidend für die Meisterschaft. Und da kann alles passieren. Das haben wir in dieser Saison erlebt. Man muss damit rechnen, dass man gegen München mal verliert. Das ist uns passiert und gehört dazu. Ärgerlich ist im Rückblick das Unentschieden gegen Freiburg, das so nicht geplant war und uns weit zurückgeworfen hat. Aber am Ende hätten die Punkte auch nicht gereicht, weil die Bayern das deutlich bessere Torverhältnis hatten. Grundsätzlich kann ich meiner Mannschaft überhaupt keinen Vorwurf machen. Es war für alle extrem herausfordernd. Und vor diesem Hintergrund haben wir es super gemacht. Trotzdem ist der Titel für die Bayern verdient, weil sie vor uns stehen und mehr Punkte eingefahren haben. Nach 22 Spieltag kann man nur dieses Fazit ziehen.

DFB.de: Ihnen wird oft vorgeworfen, dass die Konstanz gefehlt hätte.

Lerch: Sie haben es eben ganz richtig gesagt: Wir haben nur ein einziges Spiel in der Bundesliga verloren, dazu zwei Unentschieden. Ich kann nicht erkennen, dass uns die Konstanz gefehlt hat. Vielleicht hat uns etwas die Dominanz gefehlt, was die Ergebnisse angeht. Aber an fehlender Konstanz hat es sicher nicht gelegen.

DFB.de: Sie haben aber 17 Gegentore kassiert - mehr als in den Jahren zuvor. War die Defensivarbeit der gesamten Mannschaft womöglich nicht optimal?

Lerch: Ja, das will ich gar nicht abstreiten. Aber da darf man nicht alleine die Defensive betrachten. Wir haben unsere Dominanz und unsere Ballbesitzphasen teilweise nicht in die entsprechenden Ergebnisse umgemünzt. Es ist immer ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Was ich damit meine: Wenn wir es teilweise geschafft hätten, die Partien frühzeitig zu entscheiden, wäre das eine oder andere Gegentor vielleicht gar nicht gefallen.

DFB.de: Haben Sie die Messlatte in den vergangenen Jahren womöglich einfach extrem hochgelegt?

Lerch: Ja, genauso sehe ich es auch. Es wird immer vorausgesetzt, dass das so weitergeht. Aber das ist kein Selbstläufer. Man kann nicht einen Rekord nach dem anderen übertreffen. Wie sollen wir eine Saison wie die Spielzeit 2019/2020 unter der Berücksichtigung der externen Faktoren, mit denen wir in dieser Saison zurechtkommen mussten, übertreffen? Wir sind da mit 20 Siegen und zwei Unentschieden ungeschlagen Meister geworden. Viel mehr geht ja nicht.

DFB.de: Für Sie endet nun Ihre Zeit beim VfL Wolfsburg. Was bleibt Ihnen aus dieser Zeit besonders in Erinnerung?

Lerch: Wir haben mit mir als Cheftrainer viermal den DFB-Pokal gewonnen und dreimal die deutsche Meisterschaft. Sieben Titel sind keine schlechte Bilanz. Aber wir haben auch zweimal das Finale der Champions League verloren. Viele Ereignisse kommen hier zusammen. Es ist mir nicht möglich, dass auf wenige Momente oder Augenblicke zu reduzieren. Klar, der erste DFB-Pokalsieg war besonders. Auch die erste deutsche Meisterschaft war sehr emotional. Das sind Triumphe, die ich in meinem Leben nicht mehr vergessen werde. Aber fast noch wichtiger sind für mich die Begegnungen mit ganz, ganz vielen tollen Menschen in diesem Verein. Und damit meine ich auch ganz besonders das Team hinter dem Team. Ich nehme extrem viele bereichernde Dinge aus dieser Zeit in Wolfsburg mit. Es macht mich stolz, dass ich als Cheftrainer meinen Teil zum Erfolg beitragen kann.

DFB.de: Wie haben Sie sich in dieser Zeit als Cheftrainer auch verändert?

Lerch: Als Trainer fühlt man sich manchmal wie der Dirigent eines Orchesters. Der Trainer muss den Takt vorgeben, vielleicht auch schon vorausschauend handeln, Entscheidungen treffen. Man muss das ganze Orchester managen, motivieren, helfen, auch mal Kritik üben. Aber am Ende bringt ein Orchester nur ein gutes Stück auf die Bühne, wenn alle an einem Strang ziehen. Und so war es hier definitiv der Fall. Wir hatten als Team Erfolg, das war natürlich keine One-Man-Show. Ich habe viel gelernt in meiner Zeit in Wolfsburg.

DFB.de: Sie werden nun die U 17 der TSG Hoffenheim übernehmen.

Lerch: Ich freue mich auf diese neue Herausforderung. Es ist immer mein Anspruch, im Hier und Jetzt das Bestmöglich herauszuholen. So werde ich auch meine neue Aufgabe angehen. Ich habe bereits Erfahrungen in der Talentförderung sammeln können und möchte mein Wissen nun gerne an dieser Stelle einbringen.

DFB.de: Können Sie sich irgendwann auch eine Rückkehr in den Frauenfußball vorstellen?

Lerch: Natürlich, ich bin grundsätzlich offen für alles. Ich hatte insgesamt acht überragende Jahre bei den Frauen des VfL Wolfsburg. Es hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht. Es war eine absolute Bereicherung für mich. Vielleicht kehre ich irgendwann auf die Frauenfußballbühne zurück. Aber jetzt wird sich ein anderes Kapitel für mich öffnen.

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