Stein über Happel: "Einer wie keiner"

Als Ernst Happel 1981 zum Hamburger SV kam, wurde Uli Stein als Torwart mit ihm auf Anhieb Deutscher Meister. Unter Happel, der am 14. November 1992 mit 66 Jahren starb, feierte er 1983 als Europapokalsieger seinen und Hamburgs größten Erfolg. Und als der charismatische Österreicher 1987 mit dem DFB-Pokalsieg den HSV verließ, war Stein dort immer noch die Nr. 1. 30 Jahre danach erklärt Uli Stein im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Wolfgang Tobien, was er als Nationalspieler, der Hamburger SV und der Fußball in Deutschland dem Erfolgstrainer mit der einzigartigen Aura bis heute zu verdanken haben.

DFB.de: Am 14. November 1992 starb Ernst Happel. Woran denken Sie spontan, wenn Sie genau 25 Jahre danach auf Ihren langjährigen Trainer beim HSV angesprochen werden?

Uli Stein: Dass der innovativste Trainer der Bundesliga-Geschichte viel zu früh von uns gegangen ist. Mit 66 Jahren! Ein kleiner Trost ist dabei, dass sein Wunsch, auf der Trainerbank zu sterben, fast in Erfüllung gegangen ist. Drei Wochen vor seinem Tod saß er ja noch als Österreichs Bundestrainer bei einem Länderspiel am Spielfeldrand.

DFB.de: Vor 30 Jahren verabschiedete sich Happel mit dem DFB-Pokaltriumph vom HSV und aus der Bundesliga. Welche Spuren hat er in Hamburg und im deutschen Fußball hinterlassen?

Stein: Ernst Happel, das war auf seine Art einer wie keiner. Seine taktische Kreativität ist bis heute wegweisend. Unter ihm haben wir beim HSV in den 80er-Jahren den modernen Fußball gespielt, der heute in der Bundesliga maßgebend ist. Speziell beim HSV wurde er dazu freilich geradezu gezwungen.

DFB.de: Gezwungen?

Stein: Ja, weil Franz Beckenbauer Anfang der Achtziger aus den USA zurückkam. Ernst hat auf Anhieb erkannt, dass Franz mit seiner überragenden spielerischen und strategischen Klasse nicht mehr schnell genug war für den Job des Liberos. Da er auf dessen große fußballerischen Qualitäten aber nicht verzichten wollte, hat er für ihn den heutzutage klassischen Sechser entwickelt im defensiven Mittelfeld vor der Abwehr und drum herum ein ganz neues Spielsystem entworfen.

DFB.de: In Ihrer Zeit als HSV-Profi zwischen 1980 und 1987 haben Sie alle Titel, die Happel dort erreichte, miterlebt. Was war sein Erfolgsgeheimnis?

Stein: Seine Ausstrahlung. Wir wussten alle, welch großer Spieler er in Österreich und vor allem welch überragender Erfolgstrainer er in Holland und Belgien gewesen war. Zudem brauchte er nicht viele Worte, um uns klar zu machen, was er wollte. Das hatte mit hoher Glaubwürdigkeit immer Hand und Fuß. Hinzu kam seine Bereitschaft, immer wieder neue Ideen zu entwickeln, neue Wege zu gehen.

DFB.de: Wie würden Sie im Detail die besonderen Merkmale am "System Happel" beschreiben, mit dem er den Bundesligafußball beeinflusst und bereichert hat?

Stein: Er hat die Raumdeckung salonfähig gemacht, das zu jenem Zeitpunkt noch völlig unbekannte Angriffspressing eingeführt und die Abseitsfalle perfektioniert. Dabei hat er mir das heute moderne Torwartspiel aufgezwungen. Mit mir als letzte Absicherung quasi als Libero beim Forechecking hinter der Viererkette.

DFB.de: Hat sein besonderes Augenmerk auf totale Fitness Ihnen geholfen, mit 42 Jahren, fünf Monaten und 19 Tagen zum bis heute ältesten Torwart aller Bundesligazeiten geworden zu sein?

Stein: Mit Sicherheit. Ernst hat mir immer gesagt, je älter du wirst, desto mehr musst du für deine Fitness tun, um die Form auf dem hohen Niveau zu halten. Das habe ich nie vergessen.



Als Ernst Happel 1981 zum Hamburger SV kam, wurde Uli Stein als Torwart mit ihm auf Anhieb Deutscher Meister. Unter Happel, der am 14. November 1992 mit 66 Jahren starb, feierte er 1983 als Europapokalsieger seinen und Hamburgs größten Erfolg. Und als der charismatische Österreicher 1987 mit dem DFB-Pokalsieg den HSV verließ, war Stein dort immer noch die Nr. 1. 30 Jahre danach erklärt Uli Stein im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Wolfgang Tobien, was er als Nationalspieler, der Hamburger SV und der Fußball in Deutschland dem Erfolgstrainer mit der einzigartigen Aura bis heute zu verdanken haben.

DFB.de: Am 14. November 1992 starb Ernst Happel. Woran denken Sie spontan, wenn Sie genau 25 Jahre danach auf Ihren langjährigen Trainer beim HSV angesprochen werden?

Uli Stein: Dass der innovativste Trainer der Bundesliga-Geschichte viel zu früh von uns gegangen ist. Mit 66 Jahren! Ein kleiner Trost ist dabei, dass sein Wunsch, auf der Trainerbank zu sterben, fast in Erfüllung gegangen ist. Drei Wochen vor seinem Tod saß er ja noch als Österreichs Bundestrainer bei einem Länderspiel am Spielfeldrand.

DFB.de: Vor 30 Jahren verabschiedete sich Happel mit dem DFB-Pokaltriumph vom HSV und aus der Bundesliga. Welche Spuren hat er in Hamburg und im deutschen Fußball hinterlassen?

Stein: Ernst Happel, das war auf seine Art einer wie keiner. Seine taktische Kreativität ist bis heute wegweisend. Unter ihm haben wir beim HSV in den 80er-Jahren den modernen Fußball gespielt, der heute in der Bundesliga maßgebend ist. Speziell beim HSV wurde er dazu freilich geradezu gezwungen.

DFB.de: Gezwungen?

Stein: Ja, weil Franz Beckenbauer Anfang der Achtziger aus den USA zurückkam. Ernst hat auf Anhieb erkannt, dass Franz mit seiner überragenden spielerischen und strategischen Klasse nicht mehr schnell genug war für den Job des Liberos. Da er auf dessen große fußballerischen Qualitäten aber nicht verzichten wollte, hat er für ihn den heutzutage klassischen Sechser entwickelt im defensiven Mittelfeld vor der Abwehr und drum herum ein ganz neues Spielsystem entworfen.

DFB.de: In Ihrer Zeit als HSV-Profi zwischen 1980 und 1987 haben Sie alle Titel, die Happel dort erreichte, miterlebt. Was war sein Erfolgsgeheimnis?

Stein: Seine Ausstrahlung. Wir wussten alle, welch großer Spieler er in Österreich und vor allem welch überragender Erfolgstrainer er in Holland und Belgien gewesen war. Zudem brauchte er nicht viele Worte, um uns klar zu machen, was er wollte. Das hatte mit hoher Glaubwürdigkeit immer Hand und Fuß. Hinzu kam seine Bereitschaft, immer wieder neue Ideen zu entwickeln, neue Wege zu gehen.

DFB.de: Wie würden Sie im Detail die besonderen Merkmale am "System Happel" beschreiben, mit dem er den Bundesligafußball beeinflusst und bereichert hat?

Stein: Er hat die Raumdeckung salonfähig gemacht, das zu jenem Zeitpunkt noch völlig unbekannte Angriffspressing eingeführt und die Abseitsfalle perfektioniert. Dabei hat er mir das heute moderne Torwartspiel aufgezwungen. Mit mir als letzte Absicherung quasi als Libero beim Forechecking hinter der Viererkette.

DFB.de: Hat sein besonderes Augenmerk auf totale Fitness Ihnen geholfen, mit 42 Jahren, fünf Monaten und 19 Tagen zum bis heute ältesten Torwart aller Bundesligazeiten geworden zu sein?

Stein: Mit Sicherheit. Ernst hat mir immer gesagt, je älter du wirst, desto mehr musst du für deine Fitness tun, um die Form auf dem hohen Niveau zu halten. Das habe ich nie vergessen.

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DFB.de: Welchen konkreten Anteil hatte Happel an Ihrem Aufstieg zum Torwart der Nationalmannschaft, der 1983 mit Ihrem Debüt gegen Jugoslawien begann?

Stein: Als ich 1980 zum HSV kam, war Jupp Koitka die Nr. 1 und blieb es über die gesamte Saison. Mit Happels Antritt ein Jahr später kam es dann zur Wachablösung im Tor, womöglich weil ich als der bessere Fußballer geeigneter für sein System war.

DFB.de: Happel war unter anderem Nationaltrainer in den Niederlanden und Österreich. Hätten Sie mit ihm als Bundestrainer des DFB mehr als nur sechs Länderspiele absolviert?

Stein: Da bin ich mir ganz sicher. Ich war ja kein einfacher Spieler, weil ich nicht nur einen hohen Anspruch an mich selbst, sondern auch an meine Mitspieler hatte. Auch nach seiner Hamburger Zeit hat er immer wieder betont, dass er mich nie und nimmer rausgeschmissen hätte. Das war für mich das größte Kompliment.

DFB.de: Was konnte Happel als Trainer speziell einem Torwart vermitteln und gerade Ihnen bis heute mit auf dem Weg geben?

Stein: Außer der besonderen taktischen Rolle des Torwarts, die er mir damals beigebracht hat und die danach mein Torwartspiel geprägt hat, konnte Ernst mit Torhütern nichts anfangen. Torhüter, so sagte er oft, stelle ich nur auf, damit wir mit elf Spielern anfangen können. (lacht)

DFB.de: Außer Ihnen hat Happel auch Milewski, Rolff, Kroth oder Hieronymus zu Länderspielehren verholfen und darüber hinaus Magath, Kaltz, Hrubesch oder Jakobs zu festen Größen im Nationalteam bleiben und dort sogar noch stärker werden lassen. War er also einer, der ganz besonders auch Spieler besser gemacht hat

Stein: Mit seinem klaren Auge für die besonderen Qualitäten eines Spielers hat er nicht nur Mannschaften stärker, sondern auch jeden einzelnen Spieler besser gemacht. Mit dem Resultat, dass der HSV unter Happel so viele Nationalspieler wie nie zuvor und auch nie wieder danach abstellen konnte.

DFB.de: Wären Sie, oder zum Beispiel auch Magath, Hrubesch oder Hartwig, tatsächlich, wie es heißt, für Happel durchs Feuer gegangen?

Stein: Das stimmt uneingeschränkt. Weil wir alle und ganz besonders auch Hrubesch und Magath von ihm total überzeugt waren.

DFB.de: Interviews gab er kaum. Und so manchen Medienvertreter ließ er oft voller Spott und Ironie grantelnd und abweisend gegen die Wand laufen. Wie war sein Verhalten in der Kabine, wie haben Sie den Menschen Happel erlebt?

Stein: Im Umgang mit uns hat man gemerkt, dass er ein Mann aus dem Leben war. Mit einem feinen hintersinnigen Humor. Mit einem guten Spruch, allerdings immer zum richtigen Zeitpunkt. Er hat ja mit uns zusammen geduscht, da kam auch immer ein flapsiger Spruch von ihm. Ich kam damit total klar.

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DFB.de: Wäre der Ernst Happel der 80er Jahre auch heute ein erfolgreicher Bundesligacoach?

Stein: Unser System von damals ist ja heute das große aktuelle Zauberwort im deutschen Fußball. Logisch wäre er heute noch erfolgreich.

DFB.de: Auch mit der Zigarette im Mund auf der Trainerbank?

Stein: Das glaube ich allerdings nicht. In diesem Fall hätte bei ihm, der sich als Lebemann ansonsten nichts hatte verbieten lassen, die Liebe zum Fußball über seine Leidenschaft zum Rauchen gesiegt. Rauchen auf der Trainerbank wäre heute allein schon wegen der Vorbildfunktion undenkbar.

DFB.de: Lassen Sie uns noch kurz über seinen und Ihren größten Erfolg sprechen, den Triumph 1983 im Europapokal der Landesmeister, wie die Champions League damals noch hieß. Wie war er vor dem Spiel gegen Juventus Turins Starensemble um Michel Platini und wie verhielt er sich danach?

Stein: Völlig anders als sonst. Vor dem Spiel hat man gemerkt, welch hohen Stellenwert dieses Spiel für ihn hatte. Er hat schon bei der Platzbesichtigung auf uns eingeredet wie ein Wasserfall. Da hat man seine Nervosität unmittelbar gespürt.

DFB.de: Und nach dem Abpfiff?

Stein: …ist er rumgesprungen, wie wir es vorher nie von ihm erlebt haben. Dies war für ihn die ganz große Bestätigung als Trainer in der Bundesliga.

DFB.de: Seit Happels Weggang 1987 hat der HSV bis heute keinen Titel mehr gewonnen. War und ist Ernst Happels Schatten in Hamburg zu groß?

Stein: Diese großartige Ära nur mit Ernst Happel zu verbinden, wäre nicht richtig. An dieser Stelle muss man betonen, welch wichtige Rolle Günter Netzer als HSV-Manager damals gespielt hat. Nicht nur weil es ihm gelang, diesen Trainer mit seinen großen Erfolgen nach Hamburg zu lotsen. Sondern auch welchen Einfluss er mit seinen vielen Gesprächen auf uns Spieler hatte. Und nicht vergessen darf man Wolfgang Klein als damaligen HSV-Präsidenten. Happel, Netzer und Klein – das war ein einzigartiges Gesamtpaket.

DFB.de: Das gesprengt wurde, als Netzer 1986 als HSV-Manager aufhörte?

Stein: Ich glaube, das war der Hauptgrund, warum ein Jahr später auch Ernst Happel den HSV verließ. Er spürte instinktiv, dass jetzt etwas auseinanderzubröckeln begann, dass ein größerer Umbruch bevorstand. Mit dem Pokalsieg 1987 hat er im Rückblick den richtigen Zeitpunkt getroffen.


Das war Ernst Happel: Visionär und Lebemann

Als Ernst Happel (66) am 14. November 1992 an Lungenkrebs starb, glich seine Beisetzung in Wien einem Staatsbegräbnis. Schon als Spieler bei Rapid Wien und Nationalspieler (51 Länderspiele) war er eine Ausnahmeerscheinung. Als Trainer eilte er danach vor allem im Ausland von Erfolg zu Erfolg. Mit dem Gewinn des Europapokals der Landesmeister bei Feyenoord Rotterdam, wo er auch Weltpokalsieger wurde, und beim HSV als Höhepunkte. Mit dem Nationalteam der Niederlande wurde er 1978 Vize-Weltmeister und in Hamburg zweimal, 1982 und 1983, Deutscher Meister sowie 1987 DFB-Pokalsieger. "Ernst Happel war seiner Zeit voraus", urteilt Günter Netzer im Rückblick über den legendären Fußball-Visionär. Drei Wochen vor seinem Tod saß der kettenrauchende Lebemann, der das Glücksspiel, die Karten und die Frauen liebte, noch als Österreichs Nationaltrainer bei seinem letzten Sieg, dem 5:2 über Israel, am Spielfeldrand. "Ernst Happel war ein Genie", sagt Horst Hrubesch, der nach seinen großen Erfolgen als Mittelstürmer unter Happel danach zwei Jahre bei Wacker Innsbruck als Assistent mit der Trainerlegende gearbeitet hat. Das Wiener Praterstadion trägt heute Ernst Happels Namen.

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