Stefan Kuntz: "Das olympische Dorf soll ein magischer Ort sein"

Im kommenden Jahr hat die deutsche U 21-Nationalmannschaft Gelegenheit, olympisches Gold zu gewinnen. Als aktueller Vize-Europameister ist das Team für die Sommerspiele in Tokio qualifiziert. Im Interview spricht DFB-Trainer Stefan Kuntz über das Sportgroßereignis, feuchte Augen bei der Nationalhymne und ein mögliches Frühstück im olympischen Dorf.

Frage: Herr Kuntz, haben Sie als Kind bei Olympia-Übertragungen mitgefiebert?

Stefan Kuntz: Nicht nur als Kind, auch noch heute. Olympia hat ein besonderes Flair. Neben der Fußball-WM und dem Super Bowl gehört es zu den einzigartigen Sportereignissen, die die ganze Welt zusammenbringen. Unsere Vorfreude ist daher sehr groß. Diese Chance bekommen ja nicht viele Menschen.

Frage: Ist Ihnen ein olympischer Moment besonders in Erinnerung geblieben?

Kuntz: Ich habe immer geschaut, wer weint, wenn er die Goldmedaille bekommt und die Nationalhymne gespielt wird. Ich bin ja auch nah am Wasser gebaut und habe mir immer gedacht: Wäre ich die einzige Heulsuse, wenn ich so etwas erreichen würde? (lacht)

Frage: Wissen Sie denn, dass der Trainer bei Olympia gar keine Medaille bekommt?

Kuntz: Nein, das wusste ich nicht. Aber ganz ehrlich: Auch bei den anderen Sportarten stehen die Mannschaften auf dem Treppchen, nicht die Trainer. Das ist bei Olympia so.

Frage: Aber eine Medaille für die Vitrine wäre doch schon schön?

Kuntz: Falls wir eine gewinnen, werde ich einen Weg finden und mir vielleicht ein Duplikat machen.

Frage: Warum haben Fußball und Olympia nicht immer zueinander gepasst?

Kuntz: Olympia war für mich immer das Highlight der anderen Sportarten. Fußball hat ja eine extreme Öffentlichkeit, vielleicht sogar eine zu extreme. Da denkt man automatisch: Die anderen müssen diese Bühne auch bekommen.

Frage: Hatten Sie 1988 eine Chance, mit nach Seoul zu fahren?

Kuntz: Bei einem Trainingslager war ich dabei, ich glaube in Estepona. Erich Ribbeck hat die Mannschaft damals betreut. Wolfgang Funkel, Rudi Bommer, Armin Görtz - das sind ein paar Namen, an die ich mich erinnere. Damals habe ich es für nicht so schlimm empfunden, dass ich nicht dabei bin. Heute ist das Bewusstsein für Olympia wesentlich höher.

Frage: Nach 1988 hat es 28 Jahre bis zur nächsten Olympia-Teilnahme Deutschlands gedauert. Warum?

Kuntz: Wir haben zum richtigen Zeitpunkt leider nicht die richtigen Ergebnisse eingefahren. Aber 2016 haben Horst Hrubesch und die Mannschaft gezeigt, dass Olympia eine tolle, wenn auch etwas andere Bühne für den Fußball sein kann.

Frage: Wie haben Sie den Einzug ins Finale im Maracana erlebt?

Kuntz: Hautnah. Das war ja kurz vor meiner Verpflichtung. Ich war nicht vor Ort, habe aber total mitgefiebert. Ich hätte Horst und der Mannschaft den Sieg gegönnt. Aber: Selbst wenn es Bronze geworden wäre, wären sie Sieger gewesen.

Frage: Spielt Tokio in ihrem Kopf überhaupt schon eine Rolle? Immerhin geht es zunächst um die Qualifikation für die U 21-EM.

Kuntz: Schon ein bisschen. Bei den Spielbeobachtungen schaue ich mir immer auch die Spieler aus dem Jahrgang 1997 an, die ich noch nicht kenne. Die könnten ja auch mitfahren.

Frage: Bis wann muss der Kader denn stehen?

Kuntz: Wir müssen im Januar eine "Longlist" nominieren, wegen der Verfügbarkeit für Dopingproben. Ausgenommen von dieser Liste sind nur A-Nationalspieler.

Frage: Die drei älteren Spieler, die Sie nominieren dürfen, müssen also schon im Januar gelistet sein?

Kuntz: Genau. Daher werde ich mich mit Joachim Löw und Oliver Bierhoff abstimmen, damit wir niemanden vergessen und nachher sagen: Ach, schade, den würden wir ganz gerne mitnehmen.

Frage: Wie lang ist diese "Longlist"?

Kuntz: Wir können 40, 50 oder 60 Namen drauf schreiben. Aber das möchte ich natürlich nicht. Ich habe schon mit den Managern der Klubs gesprochen, schließlich müssen die Vereine Bescheid wissen.

Frage: Wie wird der Kader am Ende aussehen?

Kuntz: Ich versuche, auf viele Spieler zurückzugreifen, mit denen ich in den vergangenen Jahren zu tun hatte. Vor allem die 97er. Wir haben ja keine Vorbereitungszeit, es gibt kein Trainingslager. Wir fliegen hin, haben zwei Tage zum Akklimatisieren, und dann ist schon das erste Spiel. Es wäre also gut, wenn die Spieler uns und unsere Abläufe schon kennen - und wir die Spieler.

Frage: Klingt nicht nach einer optimalen Vorbereitung?

Kuntz: Anders als vor einer U21-EM haben die Spieler erst einmal Urlaub und fangen dann sogar bei ihren Vereinen mit dem Training an. Olympia findet parallel zur Vorbereitung der Klubs statt. Aber: Die Vereine können sicher sein, dass die Spieler bei ihrer Rückkehr auf einem ähnlichen Level sind, wie wenn sie die Vorbereitung mitgemacht hätten.

Frage: Und die drei älteren Spieler? Es werden schon illustre Namen genannt, von Lukas Podolski bis Mats Hummels...

Kuntz: Nennen kann man im Grunde alle. Aber im Moment ist nicht einmal eine Vorauswahl getroffen. Ich spreche erst mit Joachim Löw, bzw. der A-Nationalmannschaft, außerdem bin ich mit den Sportdirektoren im Austausch. Dann wissen wir auch, ob vielleicht aus einem Verein vier Spieler in Frage kommen, der Klub aber nur zwei abgeben will.

Frage: 2016 führte genau diese Frage dazu, dass in letzter Sekunde Hektik ausbrach und die Nominierung sogar um einen Tag verschoben wurde.

Kuntz: Das war für beide Seiten unbefriedigend. Wir sollten dieses Mal vermeiden, dass in der letzten Woche noch telefoniert wird. Ich bin optimistisch, dass wir das hinkriegen.

Frage: Wenn dann alles klappt - würden Sie gerne im olympischen Dorf wohnen?

Kuntz: Das olympische Dorf soll ja ein magischer Ort sein, die Begegnungsstätte mit vielen Athleten aus anderen Sportarten und Kontinenten. Aber es ist ja fraglich, ob wir überhaupt in Tokio spielen. Wenn nicht, wird es natürlich ein Ziel, für die entscheidenden Spiele in das Dorf zu ziehen.

Frage: Neben wem würden Sie da gerne beim Frühstück sitzen?

Kuntz: Zum Beispiel neben einem Ruderer, der im Deutschlandachter sitzt. Der 30 Stunden in der Woche trainiert, zum Schluss ein bisschen Sporthilfe bekommt - und daneben noch studiert. Über diese intrinsische Motivation würde ich gerne mal reden.

[sid]

Im kommenden Jahr hat die deutsche U 21-Nationalmannschaft Gelegenheit, olympisches Gold zu gewinnen. Als aktueller Vize-Europameister ist das Team für die Sommerspiele in Tokio qualifiziert. Im Interview spricht DFB-Trainer Stefan Kuntz über das Sportgroßereignis, feuchte Augen bei der Nationalhymne und ein mögliches Frühstück im olympischen Dorf.

Frage: Herr Kuntz, haben Sie als Kind bei Olympia-Übertragungen mitgefiebert?

Stefan Kuntz: Nicht nur als Kind, auch noch heute. Olympia hat ein besonderes Flair. Neben der Fußball-WM und dem Super Bowl gehört es zu den einzigartigen Sportereignissen, die die ganze Welt zusammenbringen. Unsere Vorfreude ist daher sehr groß. Diese Chance bekommen ja nicht viele Menschen.

Frage: Ist Ihnen ein olympischer Moment besonders in Erinnerung geblieben?

Kuntz: Ich habe immer geschaut, wer weint, wenn er die Goldmedaille bekommt und die Nationalhymne gespielt wird. Ich bin ja auch nah am Wasser gebaut und habe mir immer gedacht: Wäre ich die einzige Heulsuse, wenn ich so etwas erreichen würde? (lacht)

Frage: Wissen Sie denn, dass der Trainer bei Olympia gar keine Medaille bekommt?

Kuntz: Nein, das wusste ich nicht. Aber ganz ehrlich: Auch bei den anderen Sportarten stehen die Mannschaften auf dem Treppchen, nicht die Trainer. Das ist bei Olympia so.

Frage: Aber eine Medaille für die Vitrine wäre doch schon schön?

Kuntz: Falls wir eine gewinnen, werde ich einen Weg finden und mir vielleicht ein Duplikat machen.

Frage: Warum haben Fußball und Olympia nicht immer zueinander gepasst?

Kuntz: Olympia war für mich immer das Highlight der anderen Sportarten. Fußball hat ja eine extreme Öffentlichkeit, vielleicht sogar eine zu extreme. Da denkt man automatisch: Die anderen müssen diese Bühne auch bekommen.

Frage: Hatten Sie 1988 eine Chance, mit nach Seoul zu fahren?

Kuntz: Bei einem Trainingslager war ich dabei, ich glaube in Estepona. Erich Ribbeck hat die Mannschaft damals betreut. Wolfgang Funkel, Rudi Bommer, Armin Görtz - das sind ein paar Namen, an die ich mich erinnere. Damals habe ich es für nicht so schlimm empfunden, dass ich nicht dabei bin. Heute ist das Bewusstsein für Olympia wesentlich höher.

Frage: Nach 1988 hat es 28 Jahre bis zur nächsten Olympia-Teilnahme Deutschlands gedauert. Warum?

Kuntz: Wir haben zum richtigen Zeitpunkt leider nicht die richtigen Ergebnisse eingefahren. Aber 2016 haben Horst Hrubesch und die Mannschaft gezeigt, dass Olympia eine tolle, wenn auch etwas andere Bühne für den Fußball sein kann.

Frage: Wie haben Sie den Einzug ins Finale im Maracana erlebt?

Kuntz: Hautnah. Das war ja kurz vor meiner Verpflichtung. Ich war nicht vor Ort, habe aber total mitgefiebert. Ich hätte Horst und der Mannschaft den Sieg gegönnt. Aber: Selbst wenn es Bronze geworden wäre, wären sie Sieger gewesen.

Frage: Spielt Tokio in ihrem Kopf überhaupt schon eine Rolle? Immerhin geht es zunächst um die Qualifikation für die U 21-EM.

Kuntz: Schon ein bisschen. Bei den Spielbeobachtungen schaue ich mir immer auch die Spieler aus dem Jahrgang 1997 an, die ich noch nicht kenne. Die könnten ja auch mitfahren.

Frage: Bis wann muss der Kader denn stehen?

Kuntz: Wir müssen im Januar eine "Longlist" nominieren, wegen der Verfügbarkeit für Dopingproben. Ausgenommen von dieser Liste sind nur A-Nationalspieler.

Frage: Die drei älteren Spieler, die Sie nominieren dürfen, müssen also schon im Januar gelistet sein?

Kuntz: Genau. Daher werde ich mich mit Joachim Löw und Oliver Bierhoff abstimmen, damit wir niemanden vergessen und nachher sagen: Ach, schade, den würden wir ganz gerne mitnehmen.

Frage: Wie lang ist diese "Longlist"?

Kuntz: Wir können 40, 50 oder 60 Namen drauf schreiben. Aber das möchte ich natürlich nicht. Ich habe schon mit den Managern der Klubs gesprochen, schließlich müssen die Vereine Bescheid wissen.

Frage: Wie wird der Kader am Ende aussehen?

Kuntz: Ich versuche, auf viele Spieler zurückzugreifen, mit denen ich in den vergangenen Jahren zu tun hatte. Vor allem die 97er. Wir haben ja keine Vorbereitungszeit, es gibt kein Trainingslager. Wir fliegen hin, haben zwei Tage zum Akklimatisieren, und dann ist schon das erste Spiel. Es wäre also gut, wenn die Spieler uns und unsere Abläufe schon kennen - und wir die Spieler.

Frage: Klingt nicht nach einer optimalen Vorbereitung?

Kuntz: Anders als vor einer U21-EM haben die Spieler erst einmal Urlaub und fangen dann sogar bei ihren Vereinen mit dem Training an. Olympia findet parallel zur Vorbereitung der Klubs statt. Aber: Die Vereine können sicher sein, dass die Spieler bei ihrer Rückkehr auf einem ähnlichen Level sind, wie wenn sie die Vorbereitung mitgemacht hätten.

Frage: Und die drei älteren Spieler? Es werden schon illustre Namen genannt, von Lukas Podolski bis Mats Hummels...

Kuntz: Nennen kann man im Grunde alle. Aber im Moment ist nicht einmal eine Vorauswahl getroffen. Ich spreche erst mit Joachim Löw, bzw. der A-Nationalmannschaft, außerdem bin ich mit den Sportdirektoren im Austausch. Dann wissen wir auch, ob vielleicht aus einem Verein vier Spieler in Frage kommen, der Klub aber nur zwei abgeben will.

Frage: 2016 führte genau diese Frage dazu, dass in letzter Sekunde Hektik ausbrach und die Nominierung sogar um einen Tag verschoben wurde.

Kuntz: Das war für beide Seiten unbefriedigend. Wir sollten dieses Mal vermeiden, dass in der letzten Woche noch telefoniert wird. Ich bin optimistisch, dass wir das hinkriegen.

Frage: Wenn dann alles klappt - würden Sie gerne im olympischen Dorf wohnen?

Kuntz: Das olympische Dorf soll ja ein magischer Ort sein, die Begegnungsstätte mit vielen Athleten aus anderen Sportarten und Kontinenten. Aber es ist ja fraglich, ob wir überhaupt in Tokio spielen. Wenn nicht, wird es natürlich ein Ziel, für die entscheidenden Spiele in das Dorf zu ziehen.

Frage: Neben wem würden Sie da gerne beim Frühstück sitzen?

Kuntz: Zum Beispiel neben einem Ruderer, der im Deutschlandachter sitzt. Der 30 Stunden in der Woche trainiert, zum Schluss ein bisschen Sporthilfe bekommt - und daneben noch studiert. Über diese intrinsische Motivation würde ich gerne mal reden.

###more###