Staab: "Meine größte Belohnung war immer ein Lächeln"

Als Monika Staab ein Kind war, war der Frauenfußball offiziell verboten. Trotzdem wollte sie unbedingt Fußball spielen. Als der Frauenfußball erlaubt wurde, spielte sie mit elf Jahren in einer Frauenmannschaft, wechselte schnell ins Ausland und spielte für Queens Park Rangers und Paris Saint-Germain.

Nach ihrer aktiven Karriere gründete sie den 1. FFC Frankfurt und machte ihn zum damals erfolgreichsten Frauenteam Deutschlands. Danach wurde sie Nationaltrainerin der Frauen-Nationalmannschaft Bahrains, ehe sie als Beraterin für die FIFA und UEFA bei Entwicklungsprojekten mithalf. Dabei arbeitete sie in über 90 Ländern. Momentan ist sie die erste Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft in Saudi-Arabien. Überall hat sie ein großes Ziel: den Frauenfußball zu fördern. Und damit Frauen zu stärken. Dafür erhielt sie jetzt das Bundesverdienstkreuz. DFB.de hat mit ihr über ihre Motivation, Projekte und Ziele gesprochen.

DFB.de: Glückwunsch zum Bundesverdienstkreuz. Wie war das, als sie erfahren haben, dass Sie das Bundesverdienstkreuz erhalten sollen?

Monika Staab: Ich hatte plötzlich einen Brief in meinem Briefkasten und konnte es erst gar nicht glauben. Ich habe immer gedacht, dass man so etwas erst im Rentenalter bekommt, aber gut, ich bin auch schon 64 Jahre alt (lacht). Ich war total überrascht und konnte es erst gar nicht fassen und habe dann Kontakt mit dem Hessischen Innenministerium gehabt – und dann war ich im Juli vor Ort. Das war eine tolle Sache! Ich glaube Herr Beuth, der hessische Innenminister, war auch über meine Vita sehr überrascht. Mit den ganzen Stationen, die ich miterleben dürfte, hat er auch nicht gerechnet. Da wurde aber auch mir nochmal bewusst, was ich alles für den Frauenfußball getan habe. Ich habe in den letzten 16 Jahren meine Zeit in über 90 Ländern verbracht und versucht, den Frauenfußball voranzubringen. Ich habe auch im Schluss meiner Rede gesagt, dass ich diese Auszeichnung all den Frauen widmen will, die jetzt Fußball spielen dürfen, wie ich es mit elf Jahren nicht durfte. Ich glaube das hat mich sehr geprägt in meinem Leben. Ich bin immer noch überwältigt.

DFB.de: Als Sie ein Kind waren, war der Frauenfußball in Deutschland noch verboten. Warum wolltest du trotzdem unbedingt Fußball spielen?

Staab: Naja, ich war die dritte Tochter und ich sollte eigentlich ein Junge werden, um später mal die Bäckerei zu übernehmen. Das hat meinen Vater etwas enttäuscht, dass das nicht klappte. Ich habe im Kindergarten schon Fußball gespielt und war dem Fußball schon immer verbunden. Aber Frauenfußball war damals verboten. Das war eine schwierige Zeit. Das hat mich aber sehr geprägt und ich versuche jetzt jedem Mädchen die Möglichkeit zu geben, Fußball zu spielen. Ich glaube in Deutschland ist die Entwicklung abgeschlossen, deswegen habe ich mich entschieden, ins Ausland zu gehen und da vor allem die arabische Welt aufzumischen, Vorurteile abzubauen und dort etwas erschaffen. Es war schon immer in meinem Leben ein Kampf, dass der Frauenfußball in der Gesellschaft ankommt und akzeptiert wird. Seit 54 Jahren kämpfe ich jetzt schon als Pionierin des Frauenfußballs und versuche, jedem die Möglichkeit zu geben, Fußball zu spielen. Es ist schon immer meine Aufgabe gewesen, den Männern zu zeigen, dass auch Mädchen gut Fußball spielen können und Spaß am Fußballspielen haben. Frauen und Männer sollten die gleichen Möglichkeiten haben, ihren Sport auszuüben. Da ist noch ein weiter Weg zu gehen und ein großer Kampf zu besiegen, bis der Frauenfußball auf der ganzen Welt ankommt.

DFB.de: Ihre erste Auslandsstation war im Bahrain als Nationaltrainerin. Kurz darauf waren sie Beraterin in Entwicklungsprojekten der FIFA. Was waren dort Ihre konkreten Aufgaben?

Staab: Ich habe damals für verschiedene NGOs gearbeitet und habe viel in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Olympischen Sportbund gemacht. Insgesamt habe ich für die FIFA acht Jahre als Expertin für den Frauenfußball gearbeitet. Danach bin ich zur UEFA und habe bei allen möglichen Frauenfußballprojekten mitgearbeitet, zum Beispiel in Gambia, Botswana, Sierra Leone oder Nepal. Jetzt bin ich Nationaltrainerin von Saudi-Arabien, aber weiterhin nebenbei für die UEFA tätig. Dort will ich meine Erfahrung weitergeben, um den Mädchen Hoffnung zu geben, dranzubleiben und nie aufzugeben. Meine Aufgabe ist es vor allem auch, Überzeugung zu leisten. Nicht nur als Trainerin auf dem Platz zu stehen, sondern mit Funktionären, Verbänden und Präsidenten zu sprechen und ihnen klarzumachen, dass es sich auch lohnt, in den Frauenfußball zu investieren. Dafür brauchst du Grassroot-Programme, denn du brauchst immer eine Basis. Marokko ist das beste Beispiel dafür: Erst vor einigen Jahren haben sie damit angefangen, in den Frauenfußball zu investieren, und sind jetzt bei der WM dabei. So etwas ist immer eine tolle Motivation! Auch in Saudi-Arabien träumen sie davon, einmal eine WM zu spielen. Träume sind schön, um Dinge mit viel Ehrgeiz, Leidenschaft und Durchhaltevermögen zu verwirklichen. Das hat auch bei mir dafür gesorgt, dass ich hartnäckig geblieben bin, immer wieder viel zu leisten, um dann am Ende auch wieder belohnt zu werden. Meine größte Belohnung war immer ein Lächeln von den Mädchen zu bekommen, die endlich Fußball spielen durften.

DFB.de: Vor Ihrem Engagement in Saudi-Arabien haben Sie eineinhalb Jahre lang die Frauen-Nationalmannschaft von Katar trainiert. Seitdem Sie von Katar weg sind, hat sich aber vieles wieder zurückentwickelt. Eine offizielle Frauennationalmannschaft gibt es inzwischen nicht mehr. Hat sich das Engagement in Katar trotzdem gelohnt oder war das im Nachhinein Zeitverschwendung?

Staab: Ich habe bisher nie bereut, was ich getan habe – egal in welchem Land ich auch war. Natürlich war es manchmal erfolgreicher und manchmal weniger erfolgreich. Katar war eine tolle Sache. Wir haben eine Nationalmannschaft und eine U 16- und U 14-Nationalmannschaft aufgebaut. Ich hatte damals eine tolle Chefin in dem Women-Committee, die das Ganze mit unterstützt, forciert und auch gefördert hat. Doch dann bin ich gegangen und sie auch – und dann fehlen plötzlich diese Säulen. Ich glaube, das ist in jedem Land so, du brauchst engagierte Leaderships und natürlich auch immer die Unterstützung von oben. Und in Katar war das nach meinem Weggang leider nicht mehr der Fall. Ich habe noch viel Kontakt mit meinen Spielerinnen, die das natürlich auch sehr, sehr schade finden. Ich bin auch nicht happy darüber.

DFB.de: Jetzt sind Sie Nationaltrainerin in Saudi-Arabien. Inwiefern unterscheidet sich die Lage im Frauenfußball in Saudi-Arabien von Katar?

Staab: Der Präsident und der der Generalsekretär sind hier absolut frauenfußballfreundlich und versuchen uns alles zu ermöglichen. Außerdem haben wir eine tolle Abteilungsleiterin, die auch selbst Fußball gespielt hat. Und erst vor kurzem wurde eine Frau als Vizepräsidentin gewählt. Das sind schon Zeichen, dass der Frauenfußball auch dementsprechend ernst genommen und gefördert wird. Das war dann leider in Katar nicht mehr der Fall. Und man muss auch immer schauen, dass man die Verantwortlichen hat, die dahinterstehen und dementsprechend auch die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Ich glaube, das ist das Schlüsselwort: Eine Entwicklung ohne finanzielle Mittel ist nur schwer umsetzen. Und so ist Katar momentan ein bisschen verloren. Aber mal schauen, wie weit der Nachbar Saudi-Arabien sie motiviert, den Frauenfußball wieder ein bisschen ernster zu nehmen. Die Mädels wollen alle gerne Fußball spielen, überall auf der Welt.

DFB.de: Fehlende Menschenrechte und Unterdrückung der Frauen: Bei der WM in Katar gab es viel Kritik am Gastgeber. Auch jetzt werden viele Spieler dafür kritisiert, dass sie nach Saudi-Arabien wechseln. Warum entscheidet sich Ihr Engagement von dem der männlichen Fußballspieler?

Staab: Ich versuche Politik und Sport zu trennen. Das ist mein Lebensmotto und mein Lebensprinzip. Das werde ich auch in diesem Fall tun. Und setze mich egal wo für den Frauenfußball ein. Es wird sehr seriös in Saudi-Arabien durchgeführt. Als ich damals gekommen bin, haben sie die erste Liga für die Frauen eingeführt. Inzwischen haben wir eine tolle Liga mit Al Hilal, mit Al Nasser und so weiter. Alle die großen Männerclubs haben sofort zugesagt, auch den Frauenfußball zu fördern. Ich glaube, in Deutschland hat es 30 Jahren gedauert, bis der FC Bayern mal darauf kam, dass er auch Frauen in seinem Verein hat und diese dementsprechend fördert. Und dort unten haben wir diese Liga angekündigt und innerhalb von ein paar Tagen haben fünf Männervereine gesagt: "Da wollen wir dabei sein!" Und dementsprechend bekommen die Frauen professionelle Strukturen und kriegen ähnliche Trainingsbedingungen die Männer. Für mich ist es wichtig, dass der Frauenfußball seriös und vor allem nachhaltig betrieben wird. Dafür braucht es einen guten Unterbau. Wir haben schon drei Akademien aufgebaut, wo vier bis 17-jährige ins Training kommen. Wir haben jetzt gerade eine U 17 etabliert, nächstes Jahr werden wir eine U 15 und U 20 aufbauen. Natürlich war das Leben in Saudi-Arabien vor einigen Jahren noch anders, inzwischen hat sich aber alles sehr geöffnet. Die Frauen finden das natürlich schön, dass sie jetzt das dürfen, was sie vielleicht vorher nicht so durften. Zum Beispiel an der Prinz Nora-Universität gibt es 33. 000 Studentinnen. Frauen werden in der Gesellschaft anerkannt und bekommen dementsprechend Unterstützung. Das finde ich, zumindest was es den Frauenfußball angeht, alles sehr positiv.

DFB.de: Glauben Sie, dass es in diesen Ländern bald auch einen Boom im Frauenfußball geben könnte wie in Europa?

Staab: Ich glaube, Saudi-Arabien kann man nicht mit Katar vergleichen. Saudi-Arabien ist ein Fußball verrücktes Land, das wissen nur die wenigsten. Alle werden hier groß mit Barcelona, Real Madrid, Manchester United oder City. In Katar habe ich das so in der Form nicht erlebt. Man muss erst mal dort unten gelebt haben, um zu bemerken, wie groß die Unterschiede sind. Saudi-Arabien hat eine unglaubliche Geschichte und hat einen anderen Bezug zum Fußball. Fußballspielen bedeutet ihnen unglaublich viel. Saudi-Arabien hat auch schon bei vielen Weltmeisterschaften mitgespielt. Hier wollen alle Fußball spielen. Die Frauen gehen ins Stadion und feuern die Männer an und umgekehrt. Wir haben jetzt im ersten Jahr über 1000 Zuschauer bei den Frauen gehabt – da waren Männer und Frauen zusammen im Stadion. Die Fans von den Männermannschaften haben auch die Frauen unterstützt und das finde ich toll, dass es da keine Unterschiede gibt

DFB.de: In Ihrer Karriere mussten Sie sich gegen viele Widerstände durchsetzen. Was war Ihre größte Herausforderung?

Staab: All die Projekte waren für mich wichtig. Überall habe ich versucht, mein Bestes zu geben. Und überall haben wir immer irgendwas erreichen können. Manchmal mehr, manchmal weniger. Aber letztendlich habe ich mich immer da zu Hause gefühlt, wo auch immer ich gerade gearbeitet habe. Auch in den Ländern, wo sich durch die politische Ausrichtung vielleicht nicht jeder ganz so wohlfühlt, egal ob das in Nordkorea, im Iran oder in China war. Aber für mich ging es immer um den Frauenfußball, ich wollte immer den Frauen helfen, sie weiterbilden und ihnen meine Erfahrung übermitteln. Und letztendlich habe ich dann vergessen, wo ich genau bin. Ich glaube, ich konnte immer ein bisschen, einen Funken versprühen. Das Feuer müssen sie selbst entfachen. Es ist schwer, ein bestimmtes Projekt herauszustellen. Ich war in Pakistan sehr lange an der Grenze von Afghanistan, wo ich immer einen Bodyguard mit dabeihatte. Das Hotel, in dem ich dort gewohnt habe, ist dann zwei Monate nachdem ich weggegangen bin, in die Luft gesprengt worden. Es gibt aber auch noch viele andere kleine Geschichten, die einen sehr prägen. Und ich glaube, ich habe immer ein bisschen meine Spuren hinterlassen.

DFB.de: Was sind Ihre Ziele für die Zukunft?

Staab: Ich lebe momentan von Tag zu Tag. Ich genieße jeden Tag. Es macht mir so viel Spaß und ich habe so viel Freude in meinem Job. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Das ist ein Privileg. Ich bin Gott sei Dank gesundheitlich noch fit, das kann morgen aber schon ganz anders sein. Von daher lebe ich heute, genieße jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde. Ich fühle mich momentan in Saudi-Arabien sehr wohl und solange ich etwas mit Spaß mache, weiß ich, dass ich es gut mache. Aber ich nehme an, das wird mein letztes Projekt sein. Mal schauen, wie lange ich noch in Saudi-Arabien bleiben werde. Das kann ich noch nicht so ganz vorhersehen. Irgendwann werde ich ja auch in Rente gehen und dann mal schauen, was da noch kommt.

DFB.de: Danke für Ihre Zeit und weiterhin viel Erfolg!

[sis]

Als Monika Staab ein Kind war, war der Frauenfußball offiziell verboten. Trotzdem wollte sie unbedingt Fußball spielen. Als der Frauenfußball erlaubt wurde, spielte sie mit elf Jahren in einer Frauenmannschaft, wechselte schnell ins Ausland und spielte für Queens Park Rangers und Paris Saint-Germain.

Nach ihrer aktiven Karriere gründete sie den 1. FFC Frankfurt und machte ihn zum damals erfolgreichsten Frauenteam Deutschlands. Danach wurde sie Nationaltrainerin der Frauen-Nationalmannschaft Bahrains, ehe sie als Beraterin für die FIFA und UEFA bei Entwicklungsprojekten mithalf. Dabei arbeitete sie in über 90 Ländern. Momentan ist sie die erste Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft in Saudi-Arabien. Überall hat sie ein großes Ziel: den Frauenfußball zu fördern. Und damit Frauen zu stärken. Dafür erhielt sie jetzt das Bundesverdienstkreuz. DFB.de hat mit ihr über ihre Motivation, Projekte und Ziele gesprochen.

DFB.de: Glückwunsch zum Bundesverdienstkreuz. Wie war das, als sie erfahren haben, dass Sie das Bundesverdienstkreuz erhalten sollen?

Monika Staab: Ich hatte plötzlich einen Brief in meinem Briefkasten und konnte es erst gar nicht glauben. Ich habe immer gedacht, dass man so etwas erst im Rentenalter bekommt, aber gut, ich bin auch schon 64 Jahre alt (lacht). Ich war total überrascht und konnte es erst gar nicht fassen und habe dann Kontakt mit dem Hessischen Innenministerium gehabt – und dann war ich im Juli vor Ort. Das war eine tolle Sache! Ich glaube Herr Beuth, der hessische Innenminister, war auch über meine Vita sehr überrascht. Mit den ganzen Stationen, die ich miterleben dürfte, hat er auch nicht gerechnet. Da wurde aber auch mir nochmal bewusst, was ich alles für den Frauenfußball getan habe. Ich habe in den letzten 16 Jahren meine Zeit in über 90 Ländern verbracht und versucht, den Frauenfußball voranzubringen. Ich habe auch im Schluss meiner Rede gesagt, dass ich diese Auszeichnung all den Frauen widmen will, die jetzt Fußball spielen dürfen, wie ich es mit elf Jahren nicht durfte. Ich glaube das hat mich sehr geprägt in meinem Leben. Ich bin immer noch überwältigt.

DFB.de: Als Sie ein Kind waren, war der Frauenfußball in Deutschland noch verboten. Warum wolltest du trotzdem unbedingt Fußball spielen?

Staab: Naja, ich war die dritte Tochter und ich sollte eigentlich ein Junge werden, um später mal die Bäckerei zu übernehmen. Das hat meinen Vater etwas enttäuscht, dass das nicht klappte. Ich habe im Kindergarten schon Fußball gespielt und war dem Fußball schon immer verbunden. Aber Frauenfußball war damals verboten. Das war eine schwierige Zeit. Das hat mich aber sehr geprägt und ich versuche jetzt jedem Mädchen die Möglichkeit zu geben, Fußball zu spielen. Ich glaube in Deutschland ist die Entwicklung abgeschlossen, deswegen habe ich mich entschieden, ins Ausland zu gehen und da vor allem die arabische Welt aufzumischen, Vorurteile abzubauen und dort etwas erschaffen. Es war schon immer in meinem Leben ein Kampf, dass der Frauenfußball in der Gesellschaft ankommt und akzeptiert wird. Seit 54 Jahren kämpfe ich jetzt schon als Pionierin des Frauenfußballs und versuche, jedem die Möglichkeit zu geben, Fußball zu spielen. Es ist schon immer meine Aufgabe gewesen, den Männern zu zeigen, dass auch Mädchen gut Fußball spielen können und Spaß am Fußballspielen haben. Frauen und Männer sollten die gleichen Möglichkeiten haben, ihren Sport auszuüben. Da ist noch ein weiter Weg zu gehen und ein großer Kampf zu besiegen, bis der Frauenfußball auf der ganzen Welt ankommt.

DFB.de: Ihre erste Auslandsstation war im Bahrain als Nationaltrainerin. Kurz darauf waren sie Beraterin in Entwicklungsprojekten der FIFA. Was waren dort Ihre konkreten Aufgaben?

Staab: Ich habe damals für verschiedene NGOs gearbeitet und habe viel in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Olympischen Sportbund gemacht. Insgesamt habe ich für die FIFA acht Jahre als Expertin für den Frauenfußball gearbeitet. Danach bin ich zur UEFA und habe bei allen möglichen Frauenfußballprojekten mitgearbeitet, zum Beispiel in Gambia, Botswana, Sierra Leone oder Nepal. Jetzt bin ich Nationaltrainerin von Saudi-Arabien, aber weiterhin nebenbei für die UEFA tätig. Dort will ich meine Erfahrung weitergeben, um den Mädchen Hoffnung zu geben, dranzubleiben und nie aufzugeben. Meine Aufgabe ist es vor allem auch, Überzeugung zu leisten. Nicht nur als Trainerin auf dem Platz zu stehen, sondern mit Funktionären, Verbänden und Präsidenten zu sprechen und ihnen klarzumachen, dass es sich auch lohnt, in den Frauenfußball zu investieren. Dafür brauchst du Grassroot-Programme, denn du brauchst immer eine Basis. Marokko ist das beste Beispiel dafür: Erst vor einigen Jahren haben sie damit angefangen, in den Frauenfußball zu investieren, und sind jetzt bei der WM dabei. So etwas ist immer eine tolle Motivation! Auch in Saudi-Arabien träumen sie davon, einmal eine WM zu spielen. Träume sind schön, um Dinge mit viel Ehrgeiz, Leidenschaft und Durchhaltevermögen zu verwirklichen. Das hat auch bei mir dafür gesorgt, dass ich hartnäckig geblieben bin, immer wieder viel zu leisten, um dann am Ende auch wieder belohnt zu werden. Meine größte Belohnung war immer ein Lächeln von den Mädchen zu bekommen, die endlich Fußball spielen durften.

DFB.de: Vor Ihrem Engagement in Saudi-Arabien haben Sie eineinhalb Jahre lang die Frauen-Nationalmannschaft von Katar trainiert. Seitdem Sie von Katar weg sind, hat sich aber vieles wieder zurückentwickelt. Eine offizielle Frauennationalmannschaft gibt es inzwischen nicht mehr. Hat sich das Engagement in Katar trotzdem gelohnt oder war das im Nachhinein Zeitverschwendung?

Staab: Ich habe bisher nie bereut, was ich getan habe – egal in welchem Land ich auch war. Natürlich war es manchmal erfolgreicher und manchmal weniger erfolgreich. Katar war eine tolle Sache. Wir haben eine Nationalmannschaft und eine U 16- und U 14-Nationalmannschaft aufgebaut. Ich hatte damals eine tolle Chefin in dem Women-Committee, die das Ganze mit unterstützt, forciert und auch gefördert hat. Doch dann bin ich gegangen und sie auch – und dann fehlen plötzlich diese Säulen. Ich glaube, das ist in jedem Land so, du brauchst engagierte Leaderships und natürlich auch immer die Unterstützung von oben. Und in Katar war das nach meinem Weggang leider nicht mehr der Fall. Ich habe noch viel Kontakt mit meinen Spielerinnen, die das natürlich auch sehr, sehr schade finden. Ich bin auch nicht happy darüber.

DFB.de: Jetzt sind Sie Nationaltrainerin in Saudi-Arabien. Inwiefern unterscheidet sich die Lage im Frauenfußball in Saudi-Arabien von Katar?

Staab: Der Präsident und der der Generalsekretär sind hier absolut frauenfußballfreundlich und versuchen uns alles zu ermöglichen. Außerdem haben wir eine tolle Abteilungsleiterin, die auch selbst Fußball gespielt hat. Und erst vor kurzem wurde eine Frau als Vizepräsidentin gewählt. Das sind schon Zeichen, dass der Frauenfußball auch dementsprechend ernst genommen und gefördert wird. Das war dann leider in Katar nicht mehr der Fall. Und man muss auch immer schauen, dass man die Verantwortlichen hat, die dahinterstehen und dementsprechend auch die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Ich glaube, das ist das Schlüsselwort: Eine Entwicklung ohne finanzielle Mittel ist nur schwer umsetzen. Und so ist Katar momentan ein bisschen verloren. Aber mal schauen, wie weit der Nachbar Saudi-Arabien sie motiviert, den Frauenfußball wieder ein bisschen ernster zu nehmen. Die Mädels wollen alle gerne Fußball spielen, überall auf der Welt.

DFB.de: Fehlende Menschenrechte und Unterdrückung der Frauen: Bei der WM in Katar gab es viel Kritik am Gastgeber. Auch jetzt werden viele Spieler dafür kritisiert, dass sie nach Saudi-Arabien wechseln. Warum entscheidet sich Ihr Engagement von dem der männlichen Fußballspieler?

Staab: Ich versuche Politik und Sport zu trennen. Das ist mein Lebensmotto und mein Lebensprinzip. Das werde ich auch in diesem Fall tun. Und setze mich egal wo für den Frauenfußball ein. Es wird sehr seriös in Saudi-Arabien durchgeführt. Als ich damals gekommen bin, haben sie die erste Liga für die Frauen eingeführt. Inzwischen haben wir eine tolle Liga mit Al Hilal, mit Al Nasser und so weiter. Alle die großen Männerclubs haben sofort zugesagt, auch den Frauenfußball zu fördern. Ich glaube, in Deutschland hat es 30 Jahren gedauert, bis der FC Bayern mal darauf kam, dass er auch Frauen in seinem Verein hat und diese dementsprechend fördert. Und dort unten haben wir diese Liga angekündigt und innerhalb von ein paar Tagen haben fünf Männervereine gesagt: "Da wollen wir dabei sein!" Und dementsprechend bekommen die Frauen professionelle Strukturen und kriegen ähnliche Trainingsbedingungen die Männer. Für mich ist es wichtig, dass der Frauenfußball seriös und vor allem nachhaltig betrieben wird. Dafür braucht es einen guten Unterbau. Wir haben schon drei Akademien aufgebaut, wo vier bis 17-jährige ins Training kommen. Wir haben jetzt gerade eine U 17 etabliert, nächstes Jahr werden wir eine U 15 und U 20 aufbauen. Natürlich war das Leben in Saudi-Arabien vor einigen Jahren noch anders, inzwischen hat sich aber alles sehr geöffnet. Die Frauen finden das natürlich schön, dass sie jetzt das dürfen, was sie vielleicht vorher nicht so durften. Zum Beispiel an der Prinz Nora-Universität gibt es 33. 000 Studentinnen. Frauen werden in der Gesellschaft anerkannt und bekommen dementsprechend Unterstützung. Das finde ich, zumindest was es den Frauenfußball angeht, alles sehr positiv.

DFB.de: Glauben Sie, dass es in diesen Ländern bald auch einen Boom im Frauenfußball geben könnte wie in Europa?

Staab: Ich glaube, Saudi-Arabien kann man nicht mit Katar vergleichen. Saudi-Arabien ist ein Fußball verrücktes Land, das wissen nur die wenigsten. Alle werden hier groß mit Barcelona, Real Madrid, Manchester United oder City. In Katar habe ich das so in der Form nicht erlebt. Man muss erst mal dort unten gelebt haben, um zu bemerken, wie groß die Unterschiede sind. Saudi-Arabien hat eine unglaubliche Geschichte und hat einen anderen Bezug zum Fußball. Fußballspielen bedeutet ihnen unglaublich viel. Saudi-Arabien hat auch schon bei vielen Weltmeisterschaften mitgespielt. Hier wollen alle Fußball spielen. Die Frauen gehen ins Stadion und feuern die Männer an und umgekehrt. Wir haben jetzt im ersten Jahr über 1000 Zuschauer bei den Frauen gehabt – da waren Männer und Frauen zusammen im Stadion. Die Fans von den Männermannschaften haben auch die Frauen unterstützt und das finde ich toll, dass es da keine Unterschiede gibt

DFB.de: In Ihrer Karriere mussten Sie sich gegen viele Widerstände durchsetzen. Was war Ihre größte Herausforderung?

Staab: All die Projekte waren für mich wichtig. Überall habe ich versucht, mein Bestes zu geben. Und überall haben wir immer irgendwas erreichen können. Manchmal mehr, manchmal weniger. Aber letztendlich habe ich mich immer da zu Hause gefühlt, wo auch immer ich gerade gearbeitet habe. Auch in den Ländern, wo sich durch die politische Ausrichtung vielleicht nicht jeder ganz so wohlfühlt, egal ob das in Nordkorea, im Iran oder in China war. Aber für mich ging es immer um den Frauenfußball, ich wollte immer den Frauen helfen, sie weiterbilden und ihnen meine Erfahrung übermitteln. Und letztendlich habe ich dann vergessen, wo ich genau bin. Ich glaube, ich konnte immer ein bisschen, einen Funken versprühen. Das Feuer müssen sie selbst entfachen. Es ist schwer, ein bestimmtes Projekt herauszustellen. Ich war in Pakistan sehr lange an der Grenze von Afghanistan, wo ich immer einen Bodyguard mit dabeihatte. Das Hotel, in dem ich dort gewohnt habe, ist dann zwei Monate nachdem ich weggegangen bin, in die Luft gesprengt worden. Es gibt aber auch noch viele andere kleine Geschichten, die einen sehr prägen. Und ich glaube, ich habe immer ein bisschen meine Spuren hinterlassen.

DFB.de: Was sind Ihre Ziele für die Zukunft?

Staab: Ich lebe momentan von Tag zu Tag. Ich genieße jeden Tag. Es macht mir so viel Spaß und ich habe so viel Freude in meinem Job. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Das ist ein Privileg. Ich bin Gott sei Dank gesundheitlich noch fit, das kann morgen aber schon ganz anders sein. Von daher lebe ich heute, genieße jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde. Ich fühle mich momentan in Saudi-Arabien sehr wohl und solange ich etwas mit Spaß mache, weiß ich, dass ich es gut mache. Aber ich nehme an, das wird mein letztes Projekt sein. Mal schauen, wie lange ich noch in Saudi-Arabien bleiben werde. Das kann ich noch nicht so ganz vorhersehen. Irgendwann werde ich ja auch in Rente gehen und dann mal schauen, was da noch kommt.

DFB.de: Danke für Ihre Zeit und weiterhin viel Erfolg!

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