St. Paulis Nachwuchsleiter Stilz: "Gehörig Respekt erarbeitet"

Erster gegen Zweiter: Für die U 19 des FC St. Pauli steht am Samstag (ab 13 Uhr, live bei DFB-TV) das Topspiel in der Staffel Nord/Nordost der A-Junioren-Bundesliga beim punktgleichen Tabellenführer VfL Wolfsburg an. Seit 2016 ist der Schweizer Roger Stilz Nachwuchsleiter bei St. Pauli. Im DFB.de-Interview spricht Stilz mit Mitarbeiter Dominik Dittmar nicht nur über das Spitzenspiel.

DFB.de: Müssen Sie sich ab und zu kneifen, dass die U 19 des FC St. Pauli am Samstag zum Spitzenspiel beim punktgleichen VfL Wolfsburg antritt, Herr Stilz?

Roger Stilz: Mittlerweile nicht mehr. Wir sind jetzt schon einige Monate oben dabei und haben unter Beweis gestellt, dass wir zurecht um die Endrundenteilnahme mitspielen. Unsere Mannschaft hat sich das Topspiel in Wolfsburg mit guten Leistungen verdient.

DFB.de: Spielen bei den A-Junioren die besten Jahrgänge, die der FC St. Pauli jemals in seinem Nachwuchs hatte?

Stilz: Die Aussage wäre unfair gegenüber starken Jahrgängen in der Vergangenheit. Aber der aktuellen Mannschaft merkt man an, dass sie schon über mehrere Jahre fast in der gleichen Besetzung zusammenspielt und wir auch unsere vielversprechenden Talente von unserem Weg überzeugen konnten. Aber auch beim Blick auf die jüngeren Jahrgänge bin ich überzeugt, dass noch einige gute Spielerkader nachkommen werden.

DFB.de: Was zeichnet die U 19 von Trainer Timo Schultz in dieser Saison aus?

Stilz: Die individuelle Qualität und die Kaderbreite sind in dieser Spielzeit schon außergewöhnlich. Dazu sind durch die Eingespieltheit der Mannschaft viele Abläufe automatisiert. Außerdem legen unsere A-Junioren eine hohe Leistungsbereitschaft an den Tag. Wir hatten einige Spiele, die wir souverän bestritten haben. Genauso ist das Team aber auch in der Lage, die engen Duelle für sich zu entscheiden.

DFB.de: Hat die Mannschaft die Außenseiterrolle im Titelrennen abgestreift?

Stilz: Das merkt man vor allem daran, wie die Gegner gegen uns auftreten und sich auf uns vorbereiten. Unsere Mannschaft hat sich gehörig Respekt erarbeitet. Wir dürfen getrost auch einmal kurz stolz auf das bisher Geleistete sein. Allerdings bin ich auch stets ein Freund davon, die nächsten Entwicklungsschritte vom Team und von jedem einzelnen Spieler im Blick zu haben.

DFB.de: Wie groß ist der Ansporn, mit der U 19 des FC St. Pauli Historisches zu schaffen und die Endrunde um die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft zu erreichen?

Stilz: Der Ehrgeiz ist von Spieltag zu Spieltag gewachsen. Ganz klar: Wenn man so lange um die vorderen Plätze mitspielt, will man auch am Ende ganz oben landen. Bei dem Ziel, sportlich erfolgreich zu sein, darf aber der einzelne Spieler nicht in den Hintergrund rücken. Wir wollen jedem Charakter gerecht werden.

DFB.de: Welchen Anteil am Erfolg hat U 19-Trainer und Ex-Profi Timo Schultz?

Stilz: Klar ist, dass alle Trainer, die diese Mannschaft in der Vergangenheit betreut hatten, ihren Anteil am aktuellen Leistungsvermögen haben. Unbestritten ist aber auch, dass Timo mit seinem Trainerstab die Arbeit konsequent fortgeführt und die vorhandene Qualität weiterentwickelt hat. Er arbeitet strukturiert. Er individualisiert, ist ehrgeizig und außerdem auch ein Wettkampftyp. Dabei vermittelt er den Spielern gut, dass sie mit dem Erreichten nicht zufrieden sein dürfen, sondern hungrig bleiben müssen, weil es noch einige Schritte bis in den Profifußball sind.

DFB.de: Sie sind seit 2016 Nachwuchsleiter beim FC St. Pauli. Einen weiter von der Schweiz entfernten Ort in Deutschland als Hamburg hätten Sie sich kaum aussuchen können, oder?

Stilz: Das stimmt (lacht). Ich wollte mein Germanistik-Studium mit dem Fußball unter einen Hut bringen und bin daher 2004 vom Zweitligisten FC Vaduz, der zu Liechtenstein gehört, aber in der Schweiz an den Start geht, zu Altona 93 in die Regionalliga gewechselt. In Hamburg habe ich mich vom ersten Moment an sehr wohl gefühlt. Die Stadt hat sich für mich zu einer zweiten Heimat entwickelt. Bis auf zwei Jahre als Co-Trainer beim 1. FC Nürnberg bin ich seitdem auch in Hamburg geblieben.

DFB.de: Vermissen Sie manchmal die Schweizer Berge?

Stilz: Anfangs gar nicht. Ich hatte die alle ja lange genug um mich herum. Das Gefühl des Vermissens kam erst nach ein paar Jahren. Mit meiner Familie bin ich nun ab und zu in unserem Chalet in den Bündner Bergen, in der Nähe der Gemeinde Laax, rund 140 Kilometer südöstlich von Zürich. Das ist für uns ein kleiner Zufluchtsort, um wieder eine richtige Dosis Heimat abzubekommen. Ich habe eine große Verbundenheit zu beiden Ländern. Zumal mein Vater Deutscher und meine Mutter Schweizerin ist.



Erster gegen Zweiter: Für die U 19 des FC St. Pauli steht am Samstag (ab 13 Uhr, live bei DFB-TV) das Topspiel in der Staffel Nord/Nordost der A-Junioren-Bundesliga beim punktgleichen Tabellenführer VfL Wolfsburg an. Seit 2016 ist der Schweizer Roger Stilz Nachwuchsleiter bei St. Pauli. Im DFB.de-Interview spricht Stilz mit Mitarbeiter Dominik Dittmar nicht nur über das Spitzenspiel.

DFB.de: Müssen Sie sich ab und zu kneifen, dass die U 19 des FC St. Pauli am Samstag zum Spitzenspiel beim punktgleichen VfL Wolfsburg antritt, Herr Stilz?

Roger Stilz: Mittlerweile nicht mehr. Wir sind jetzt schon einige Monate oben dabei und haben unter Beweis gestellt, dass wir zurecht um die Endrundenteilnahme mitspielen. Unsere Mannschaft hat sich das Topspiel in Wolfsburg mit guten Leistungen verdient.

DFB.de: Spielen bei den A-Junioren die besten Jahrgänge, die der FC St. Pauli jemals in seinem Nachwuchs hatte?

Stilz: Die Aussage wäre unfair gegenüber starken Jahrgängen in der Vergangenheit. Aber der aktuellen Mannschaft merkt man an, dass sie schon über mehrere Jahre fast in der gleichen Besetzung zusammenspielt und wir auch unsere vielversprechenden Talente von unserem Weg überzeugen konnten. Aber auch beim Blick auf die jüngeren Jahrgänge bin ich überzeugt, dass noch einige gute Spielerkader nachkommen werden.

DFB.de: Was zeichnet die U 19 von Trainer Timo Schultz in dieser Saison aus?

Stilz: Die individuelle Qualität und die Kaderbreite sind in dieser Spielzeit schon außergewöhnlich. Dazu sind durch die Eingespieltheit der Mannschaft viele Abläufe automatisiert. Außerdem legen unsere A-Junioren eine hohe Leistungsbereitschaft an den Tag. Wir hatten einige Spiele, die wir souverän bestritten haben. Genauso ist das Team aber auch in der Lage, die engen Duelle für sich zu entscheiden.

DFB.de: Hat die Mannschaft die Außenseiterrolle im Titelrennen abgestreift?

Stilz: Das merkt man vor allem daran, wie die Gegner gegen uns auftreten und sich auf uns vorbereiten. Unsere Mannschaft hat sich gehörig Respekt erarbeitet. Wir dürfen getrost auch einmal kurz stolz auf das bisher Geleistete sein. Allerdings bin ich auch stets ein Freund davon, die nächsten Entwicklungsschritte vom Team und von jedem einzelnen Spieler im Blick zu haben.

DFB.de: Wie groß ist der Ansporn, mit der U 19 des FC St. Pauli Historisches zu schaffen und die Endrunde um die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft zu erreichen?

Stilz: Der Ehrgeiz ist von Spieltag zu Spieltag gewachsen. Ganz klar: Wenn man so lange um die vorderen Plätze mitspielt, will man auch am Ende ganz oben landen. Bei dem Ziel, sportlich erfolgreich zu sein, darf aber der einzelne Spieler nicht in den Hintergrund rücken. Wir wollen jedem Charakter gerecht werden.

DFB.de: Welchen Anteil am Erfolg hat U 19-Trainer und Ex-Profi Timo Schultz?

Stilz: Klar ist, dass alle Trainer, die diese Mannschaft in der Vergangenheit betreut hatten, ihren Anteil am aktuellen Leistungsvermögen haben. Unbestritten ist aber auch, dass Timo mit seinem Trainerstab die Arbeit konsequent fortgeführt und die vorhandene Qualität weiterentwickelt hat. Er arbeitet strukturiert. Er individualisiert, ist ehrgeizig und außerdem auch ein Wettkampftyp. Dabei vermittelt er den Spielern gut, dass sie mit dem Erreichten nicht zufrieden sein dürfen, sondern hungrig bleiben müssen, weil es noch einige Schritte bis in den Profifußball sind.

DFB.de: Sie sind seit 2016 Nachwuchsleiter beim FC St. Pauli. Einen weiter von der Schweiz entfernten Ort in Deutschland als Hamburg hätten Sie sich kaum aussuchen können, oder?

Stilz: Das stimmt (lacht). Ich wollte mein Germanistik-Studium mit dem Fußball unter einen Hut bringen und bin daher 2004 vom Zweitligisten FC Vaduz, der zu Liechtenstein gehört, aber in der Schweiz an den Start geht, zu Altona 93 in die Regionalliga gewechselt. In Hamburg habe ich mich vom ersten Moment an sehr wohl gefühlt. Die Stadt hat sich für mich zu einer zweiten Heimat entwickelt. Bis auf zwei Jahre als Co-Trainer beim 1. FC Nürnberg bin ich seitdem auch in Hamburg geblieben.

DFB.de: Vermissen Sie manchmal die Schweizer Berge?

Stilz: Anfangs gar nicht. Ich hatte die alle ja lange genug um mich herum. Das Gefühl des Vermissens kam erst nach ein paar Jahren. Mit meiner Familie bin ich nun ab und zu in unserem Chalet in den Bündner Bergen, in der Nähe der Gemeinde Laax, rund 140 Kilometer südöstlich von Zürich. Das ist für uns ein kleiner Zufluchtsort, um wieder eine richtige Dosis Heimat abzubekommen. Ich habe eine große Verbundenheit zu beiden Ländern. Zumal mein Vater Deutscher und meine Mutter Schweizerin ist.

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DFB.de: Wo sehen Sie die größten fußballerischen Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland?

Stilz: Der Stellenwert, den der Fußball in der Gesellschaft einnimmt, ist nicht zu vergleichen. Dass in Deutschland die Verbundenheit zu Verein oder Vereinsfarben über Generationen quasi über die Muttermilch weitergegeben wird, gibt es in diesem Ausmaß in der Schweiz nicht. Der Fußball war lange hinter Skifahren und Eishockey die Sportart Nummer drei. In meiner Schulzeit haben sich mehrere Klassen am Samstagmorgen um 10 Uhr vor dem Fernseher versammelt, wenn die Lauberhorn-Abfahrt aus Wengen übertragen wurde. Wir konnten alle die Namen unserer Ski-Idole im Schlaf runterbeten. Im Fußball wurde in den 90er Jahren, als Roy Hodgson Nationaltrainer der Schweiz war, anhand des 4-4-2-Systems und der Zonenverteidigung eine Ausbildungsphilosophie für Trainer und Spieler entwickelt. Damit hat sich der Schweizer Fußball ein Gesicht und ein Profil verschafft. Nicht nur national, sondern Dank regelmäßiger Teilnahmen an großen Turnieren auch international. Zudem waren Schweizer Spieler im Ausland in meiner Kindheit eine Seltenheit. In den vergangenen 15 Jahren hat sich das komplett verändert. Dass die Schweiz im Jahr 2008 gemeinsam mit Österreich die Europameisterschaft ausgetragen hat, hat dann noch einmal die Attraktivität des Fußballs im Land erhöht. Kulturell ist sowohl in Deutschland als auch der Schweiz vieles sehr gut organisiert. Die Menschen in Deutschland sind oft emotionaler. In der Schweiz gibt es häufig die entspannte Einstellung: Das wird schon gut. Ich glaube, ich trage beides in mir.

DFB.de: Über welche Fortschritte seit Ihrem Amtsantritt beim FC St. Pauli haben Sie sich am meisten gefreut?

Stilz: Wir haben uns breiter aufgestellt - und zwar in allen Bereichen: Bei den Fußballtrainern, der Athletik, der Sportpsychologie, der Pädagogik und der Video-Analyse. So ist unser Ausbildungs-Paket umfassender geworden. Seit kurzem sind wir außerdem im Besitz eines zweiten Talenthauses, in dem wir mehr externe Spieler unterbringen können. Hinzu kommt die Entwicklung der Spielphilosophie. Ich glaube, dass es deutlich wird, dass wir den Spagat zwischen guter Fußball-Ausbildung und Wertevermittlung ernst meinen. Am meisten freue ich mich aber darüber, dass wir mittlerweile viel mehr Talente an uns binden können. Beispiele wie Florian Carstens oder Ersin Zehir, die regelmäßig bei den Profis spielen, zeigen, dass wir den Nachwuchsspielern und deren Eltern einen glaubwürdigen Weg bis in die Lizenzmannschaft aufzeigen können.

DFB.de: Sie waren zuvor schon Nachwuchskoordinator beim SC Victoria Hamburg. Wie groß war die Umstellung?

Stilz: Es sind definitiv zwei verschiedene Arbeitsweisen, weil man unterschiedliche Ziele verfolgt: In einem Amateurverein bildet man die Breite aus, in einem Nachwuchs-Leistungszentrum die Spitze. Es heißt schließlich nicht umsonst Leistungszentrum. Es geht schneller und zügiger um effektive Leistung. Im Amateurverein arbeitet man regional, manchmal sogar einfach im Stadtteil, bei einem Profiklub ist die Arbeit überregionaler. Allerdings gibt es bei den alltäglichen Abläufen auch viele Parallelen, die ich in den sechs Jahren beim SC Victoria Hamburg von der Pike auf gelernt habe. Ich will die Zeit nicht missen. Bei Trainern, die sich bei uns bewerben, ist es oft der Fall, dass sie möglichst früh hoch und weit hinauswollen. Das halte ich nicht immer für den richtigen Weg. Die Arbeit an der Basis kann eine sehr wichtige Erfahrung sein.

DFB.de: Der FC St. Pauli hat schon zahlreiche Spieler aus dem Nachwuchsbereich mit einem Profivertrag ausgestattet. Wie groß ist dann noch der Sprung nach oben?

Stilz: Sehr häufig größer, als die meisten Spieler denken. Beim Weg der Nachwuchsspieler in den Profibereich orientieren wir uns an unserer Fünf-Finger-Formel. Dazu gehören: Die fußballerischen Qualitäten, der athletische Bereich, die Mentalität und Persönlichkeit des Spielers, Schule und Beruf sowie das Umfeld. Anhand dieser Aspekte ordnen wir den Spieler ein und wollen dann gemeinsam mit ihm die Stärken ausbauen und mögliche Potenziale erkennen.

DFB.de: Auch der erst 15-jährige Igor Matanovic, der für die U 17 am Ball ist, hat schon einen Profivertrag unterschrieben. Sorgt das nicht für zusätzlichen Druck?

Stilz: Bei Igor habe ich keinerlei Bedenken, dass er damit nicht umgehen könnte. Mental ist er vielen Spielern in seinem Alter voraus. Er denkt schon wie ein Profi und hat einen unstillbaren Hunger auf Erfolg. Außerdem bringt er alles mit, um ein guter Stürmer zu werden: Athletik, Technik, Spielintelligenz und ein variabler Torabschluss.

DFB.de: Gute Leistungen wecken immer auch Begehrlichkeiten: Haben Sie die Sorge, dass einige talentierte Spieler den Verein verlassen könnten?

Stilz: Nein, weil ich weiß, dass wir ein sehr gutes Paket anbieten. Im Vergleich zu anderen, auch größeren Leistungszentren müssen sich die Spieler dann entscheiden: Will ich lieber ein kleiner Fisch in einem großen Teich oder doch lieber ein großer Fisch in einem etwas kleineren Teich sein. Unser Credo wird immer heißen: Der Mensch kommt an erster Stelle. Wir wollen den Spieler und den Menschen in unseren Mannschaften verstehen und versprechen den Jungs nichts, was wir nicht halten können. Dass Ersin Zehir oder Florian Carstens den Weg zu den Profis nachweislich geschafft haben und U 19-Nationalspieler Finn-Ole Becker bereits seit dem vergangenen Sommer dem Profi-Kader angehört, dient als Vorbild. Ich bin überzeugt, dass mittelfristig gute Arbeit respektiert und geschätzt wird und unsere Glaubwürdigkeit weiter steigt. Und dann ist das Band zwischen Spieler und Verein hoffentlich so ausgeprägt, dass die Jungs auch bei anderen Angeboten bei uns bleiben.

DFB.de: Welche Bedeutung hat das Duell mit dem VfL Wolfsburg mit Blick auf die Qualifikation zur Endrunde?

Stilz: Egal, welche Mannschaft gewinnt: Es sind erst einmal nur drei Punkte Abstand. Eine Vorentscheidung wäre das wohl nicht. Bei der Beständigkeit beider Mannschaften besitzt das Spiel aber unbestritten einen richtungweisenden Charakter.

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