Sirigu: "Zusammenhalt mehr denn je gefragt"

Für Sandro Sirigu vom Drittligisten Chemnitzer FC ist diese Saison besonders bewegend. Nach langer Vereinssuche und insgesamt sechs Monaten ohne Klub trägt der 31-Jährige seit Dezember das CFC-Trikot. Nach fünf Spielen in der Startelf muss sich der Deutsch-Italiener wegen der Corona-Krise erneut in Geduld üben. Im DFB.de-Interview spricht Sirigu mit Mitarbeiter Dominik Dittmar über das Auf und Ab.

DFB.de: Fühlt sich das Training in Kleingruppen, das der CFC vor wenigen Tagen ausgenommen hat, zumindest ein wenig wieder nach Alltag an, Herr Sirigu?

Sandro Sirigu: Es ist auf jeden Fall ein positiver Schritt auf dem Weg dorthin. Auf dem Fußballplatz zu trainieren, macht deutlich mehr Spaß als in den eigenen vier Wänden oder im Wald. Außerdem ist es schön, zumindest wieder einige Mitspieler sehen zu können. Klar ist aber auch: Völlig normal fühlt es sich noch nicht an, da wir noch nicht in Mannschaftsstärke und noch ohne Zweikämpfe trainieren. Auch an gemeinsame Zeit in der Kabine ist bislang nicht zu denken.

DFB.de: Konnten Sie die Situation für Dinge nutzen, für die sonst eher weniger Zeit bleibt?

Sirigu: Da ich mit meiner Frau Virginia erst im Dezember nach Chemnitz gezogen bin, gibt es in unserer Wohnung immer wieder etwas zu tun. In letzter Zeit habe ich zum Beispiel viele Lampen aufgehängt. Ich bin ein Spezialist darin, einige Dinge hinauszuzögern. (lacht) Auch um mein Fernstudium im Bereich Fußball-Management habe ich mich vermehrt gekümmert. Auch wenn die Stellen begrenzt sind: Ich will nach meiner aktiven Zeit dem Fußball verbunden bleiben.

DFB.de: Haben Sie auch einige Hobbys (wieder-)entdeckt?

Sirigu: Ich spiele mit meiner Frau recht häufig das Kartenspiel "Uno" und lese immer mal wieder ein Buch. Mit Dominik Stroh-Engel, Stürmer bei der SpVgg Unterhaching und während meiner Zeit beim SV Darmstadt 98 mein Mitspieler, zocke ich regelmäßig am Computer. Die Spaziergänge mit Virginia und unserer Hündin Ivy fallen aktuell länger aus.

DFB.de: Was hat Sie denn mehr genervt: Die knapp sechs Monate ohne Verein oder das Warten auf eine Rückkehr ins Training?

Sirigu: Eindeutig die Vereinslosigkeit. Ich habe mir während dieser Zeit sehr viele Gedanken um meine Zukunft gemacht. Da wir zu dieser Zeit keinen festen Wohnsitz hatten, sind wir quasi von Hotel zu Hotel gezogen. Ich war unter anderem bei der SpVgg Unterhaching und bei Holstein Kiel zum Probetraining. Auch in den USA bei Chicago Fire, dem Ex-Verein von Bastian Schweinsteiger, habe ich mich für eine Woche vorgestellt. Ich wurde für ein weiteres Probetraining während eines Trainingslagers in Madrid eingeladen. Allerdings wäre das erst im Januar gewesen und drei Tage nachdem ich mich in Chicago vorgestellt hatte, wurde Trainer Veljko Paunovic entlassen. Bei so einer langen Zeit ohne Verein beginnt man, an sich selbst zu zweifeln. Meine Frau Virginia und Hündin Ivy haben mir sehr geholfen.

DFB.de: Im vergangenen Sommer war für Sie das Kapitel beim SV Darmstadt 98 zu Ende gegangen. Wie bewerten Sie die sechs Jahre rückblickend?

Sirigu: Das war die bislang schönste Zeit in meiner Karriere. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Nachdem der Verein sportlich zwar abgestiegen, dann aber doch noch in der 3. Liga geblieben war, hatte mich der damalige Trainer Dirk Schuster angerufen. Er wolle eine schlagkräftige Mannschaft aufstellen und hat mich als Teil davon gesehen. Und wenn Dirk Schuster dich unbedingt als Spieler haben will, kann man nur schwer Nein zu ihm sagen. (lacht) Dass uns dann der Aufstieg von der 3. Liga bis in die Bundesliga gelungen ist und wir in der höchsten Spielklasse sogar den Klassenverbleib geschafft haben, ist unbeschreiblich. Mindestens genauso außergewöhnlich war die Unterstützung der Fans. Obwohl wir im zweiten Bundesligajahr abgestiegen sind, war der Rückhalt unserer Anhänger ungebrochen.

DFB.de: Warum dann im Dezember die Entscheidung für den Chemnitzer FC?

Sirigu: Ich hatte einige Spiele gesehen und im Probetraining das Niveau als hoch empfunden. Ich war überzeugt: Mit dieser Mannschaft können wir die Abstiegsplätze verlassen. Aus vier Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz sind mittlerweile auch zwei Zähler Vorsprung auf die Gefahrenzone geworden. Wir sind also auf einem guten Weg. Ein weiterer Pluspunkt war, dass Virginia in Leipzig Verwandtschaft hat und wir somit direkt einen Anlaufpunkt in der Region hatten.

DFB.de: Die Mannschaft hat nicht nur der Kurzarbeit zugestimmt, sondern den Verein auch noch mit dem Kauf von virtuellen Tickets unterstützt. Warum?

Sirigu: Ob nun Präsidentin, Vorstand, Trainer, Betreuer, Mitarbeiter oder Spieler: Wir sitzen alle im selben Boot. Zusammenhalt ist mehr denn je gefragt. Alle Seiten geben ihr Möglichstes, um sich gegenseitig in dieser schwierigen Situation zu helfen. Dabei ist es eine Sache des Gebens und Nehmens. Die Absprache innerhalb der Mannschaft, dass wir uns mit Unterstützertickets im Wert von 1000 Euro beteiligen wollen, verlief in unserer WhatsApp-Gruppe gut und völlig reibungslos.

DFB.de: Insgesamt kamen mehr als 50.000 Euro bei der Aktion zusammen. Auch frühere CFC-Profis wie Michael Ballack und Philipp Pentke haben sich beteiligt. Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie davon erfahren haben?

Sirigu: Es hat mich sehr begeistert und zeigt, dass der Chemnitzer FC für viele Spieler nicht nur irgendein Verein ist. Den CFC auch nach einigen Jahren noch zu unterstützen, ist eine tolle Geste und zeigt, dass sie dem Chemnitzer FC weiterhin dankbar sind.

DFB.de: Wie beeinflusst die Corona-Krise sonst Ihren Alltag und Ihr Leben? Sind Sie oder Ihre Familie auch persönlich betroffen?

Sirigu: Meine Frau Virginia und ich sind seit dem 17. August verheiratet. Die Hochzeit war damals relativ spontan und fand daher in einem kleinen Rahmen statt. Das wollten wir nun am 29. Mai in einem größeren Kreis nachholen. Dominik Stroh-Engel wäre mein Trauzeuge gewesen. Das mussten wir nun aber verschieben. Meine Großeltern sind vor zehn Jahren wegen der besseren medizinischen Versorgung von Sardinien nach Deutschland gezogen. Mein Opa hat seit einigen Jahren mit Leukämie zu kämpfen, ein Onkel gehört ebenfalls zur Risikogruppe. Ihnen geht es soweit aber gut. Und das ist das Wichtigste.

[mspw]

Für Sandro Sirigu vom Drittligisten Chemnitzer FC ist diese Saison besonders bewegend. Nach langer Vereinssuche und insgesamt sechs Monaten ohne Klub trägt der 31-Jährige seit Dezember das CFC-Trikot. Nach fünf Spielen in der Startelf muss sich der Deutsch-Italiener wegen der Corona-Krise erneut in Geduld üben. Im DFB.de-Interview spricht Sirigu mit Mitarbeiter Dominik Dittmar über das Auf und Ab.

DFB.de: Fühlt sich das Training in Kleingruppen, das der CFC vor wenigen Tagen ausgenommen hat, zumindest ein wenig wieder nach Alltag an, Herr Sirigu?

Sandro Sirigu: Es ist auf jeden Fall ein positiver Schritt auf dem Weg dorthin. Auf dem Fußballplatz zu trainieren, macht deutlich mehr Spaß als in den eigenen vier Wänden oder im Wald. Außerdem ist es schön, zumindest wieder einige Mitspieler sehen zu können. Klar ist aber auch: Völlig normal fühlt es sich noch nicht an, da wir noch nicht in Mannschaftsstärke und noch ohne Zweikämpfe trainieren. Auch an gemeinsame Zeit in der Kabine ist bislang nicht zu denken.

DFB.de: Konnten Sie die Situation für Dinge nutzen, für die sonst eher weniger Zeit bleibt?

Sirigu: Da ich mit meiner Frau Virginia erst im Dezember nach Chemnitz gezogen bin, gibt es in unserer Wohnung immer wieder etwas zu tun. In letzter Zeit habe ich zum Beispiel viele Lampen aufgehängt. Ich bin ein Spezialist darin, einige Dinge hinauszuzögern. (lacht) Auch um mein Fernstudium im Bereich Fußball-Management habe ich mich vermehrt gekümmert. Auch wenn die Stellen begrenzt sind: Ich will nach meiner aktiven Zeit dem Fußball verbunden bleiben.

DFB.de: Haben Sie auch einige Hobbys (wieder-)entdeckt?

Sirigu: Ich spiele mit meiner Frau recht häufig das Kartenspiel "Uno" und lese immer mal wieder ein Buch. Mit Dominik Stroh-Engel, Stürmer bei der SpVgg Unterhaching und während meiner Zeit beim SV Darmstadt 98 mein Mitspieler, zocke ich regelmäßig am Computer. Die Spaziergänge mit Virginia und unserer Hündin Ivy fallen aktuell länger aus.

DFB.de: Was hat Sie denn mehr genervt: Die knapp sechs Monate ohne Verein oder das Warten auf eine Rückkehr ins Training?

Sirigu: Eindeutig die Vereinslosigkeit. Ich habe mir während dieser Zeit sehr viele Gedanken um meine Zukunft gemacht. Da wir zu dieser Zeit keinen festen Wohnsitz hatten, sind wir quasi von Hotel zu Hotel gezogen. Ich war unter anderem bei der SpVgg Unterhaching und bei Holstein Kiel zum Probetraining. Auch in den USA bei Chicago Fire, dem Ex-Verein von Bastian Schweinsteiger, habe ich mich für eine Woche vorgestellt. Ich wurde für ein weiteres Probetraining während eines Trainingslagers in Madrid eingeladen. Allerdings wäre das erst im Januar gewesen und drei Tage nachdem ich mich in Chicago vorgestellt hatte, wurde Trainer Veljko Paunovic entlassen. Bei so einer langen Zeit ohne Verein beginnt man, an sich selbst zu zweifeln. Meine Frau Virginia und Hündin Ivy haben mir sehr geholfen.

DFB.de: Im vergangenen Sommer war für Sie das Kapitel beim SV Darmstadt 98 zu Ende gegangen. Wie bewerten Sie die sechs Jahre rückblickend?

Sirigu: Das war die bislang schönste Zeit in meiner Karriere. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Nachdem der Verein sportlich zwar abgestiegen, dann aber doch noch in der 3. Liga geblieben war, hatte mich der damalige Trainer Dirk Schuster angerufen. Er wolle eine schlagkräftige Mannschaft aufstellen und hat mich als Teil davon gesehen. Und wenn Dirk Schuster dich unbedingt als Spieler haben will, kann man nur schwer Nein zu ihm sagen. (lacht) Dass uns dann der Aufstieg von der 3. Liga bis in die Bundesliga gelungen ist und wir in der höchsten Spielklasse sogar den Klassenverbleib geschafft haben, ist unbeschreiblich. Mindestens genauso außergewöhnlich war die Unterstützung der Fans. Obwohl wir im zweiten Bundesligajahr abgestiegen sind, war der Rückhalt unserer Anhänger ungebrochen.

DFB.de: Warum dann im Dezember die Entscheidung für den Chemnitzer FC?

Sirigu: Ich hatte einige Spiele gesehen und im Probetraining das Niveau als hoch empfunden. Ich war überzeugt: Mit dieser Mannschaft können wir die Abstiegsplätze verlassen. Aus vier Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz sind mittlerweile auch zwei Zähler Vorsprung auf die Gefahrenzone geworden. Wir sind also auf einem guten Weg. Ein weiterer Pluspunkt war, dass Virginia in Leipzig Verwandtschaft hat und wir somit direkt einen Anlaufpunkt in der Region hatten.

DFB.de: Die Mannschaft hat nicht nur der Kurzarbeit zugestimmt, sondern den Verein auch noch mit dem Kauf von virtuellen Tickets unterstützt. Warum?

Sirigu: Ob nun Präsidentin, Vorstand, Trainer, Betreuer, Mitarbeiter oder Spieler: Wir sitzen alle im selben Boot. Zusammenhalt ist mehr denn je gefragt. Alle Seiten geben ihr Möglichstes, um sich gegenseitig in dieser schwierigen Situation zu helfen. Dabei ist es eine Sache des Gebens und Nehmens. Die Absprache innerhalb der Mannschaft, dass wir uns mit Unterstützertickets im Wert von 1000 Euro beteiligen wollen, verlief in unserer WhatsApp-Gruppe gut und völlig reibungslos.

DFB.de: Insgesamt kamen mehr als 50.000 Euro bei der Aktion zusammen. Auch frühere CFC-Profis wie Michael Ballack und Philipp Pentke haben sich beteiligt. Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie davon erfahren haben?

Sirigu: Es hat mich sehr begeistert und zeigt, dass der Chemnitzer FC für viele Spieler nicht nur irgendein Verein ist. Den CFC auch nach einigen Jahren noch zu unterstützen, ist eine tolle Geste und zeigt, dass sie dem Chemnitzer FC weiterhin dankbar sind.

DFB.de: Wie beeinflusst die Corona-Krise sonst Ihren Alltag und Ihr Leben? Sind Sie oder Ihre Familie auch persönlich betroffen?

Sirigu: Meine Frau Virginia und ich sind seit dem 17. August verheiratet. Die Hochzeit war damals relativ spontan und fand daher in einem kleinen Rahmen statt. Das wollten wir nun am 29. Mai in einem größeren Kreis nachholen. Dominik Stroh-Engel wäre mein Trauzeuge gewesen. Das mussten wir nun aber verschieben. Meine Großeltern sind vor zehn Jahren wegen der besseren medizinischen Versorgung von Sardinien nach Deutschland gezogen. Mein Opa hat seit einigen Jahren mit Leukämie zu kämpfen, ein Onkel gehört ebenfalls zur Risikogruppe. Ihnen geht es soweit aber gut. Und das ist das Wichtigste.

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