Sieg gegen Österreich: Kein Grund zur Freude

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

25. Juni 1982 in Gijón - drittes Gruppenspiel: Deutschland - Österreich 1:0

Vor dem Spiel:

Die Ausgangslage war heikel. Das am Vortag ausgetragene Gruppenspiel zwischen Algerien und Chile (3:2) erlaubte es, beiden Mannschaften weiterzukommen, sofern Deutschland mit einem Tor Vorsprung gewänne. Das würde zugleich den Gruppensieg bedeuten. Schon in der Qualifikation zur WM hatten sich die Nachbarn getroffen, beide Spiele hatte die DFB-Auswahl (2:0 und 3:1) gewonnen. Bei den Österreichern, die ihre ersten beiden Spiele gewannen, spielten vier Bundesliga-Kicker mit, man kannte sich bestens. Das nährte die Gerüchte, man werde sich schon auf ein 1:0 oder 2:1 einigen.

Jupp Derwall hoffte auf "ein großes Spiel" und stellte zum dritten Mal in Folge dieselbe Elf auf, die Angeschlagenen Paul Breitner, Karl-Heinz Rummenigge und Uli Stielike erhielten grünes Licht von der medizinischen Abteilung. Der Kicker kommentierte: "Jupp Derwall hat sich dafür entschieden, weniger auf die Form einzelne Spieler zu setzen, was häufigere Umstellungen erforderlich macht, sondern auf eine eingespielte Mannschaft, in der die Spieler gemeinsam ihre Bestform finden sollen." Den Etablierten war es natürlich recht. Kommentar von Rummenigge: "Ich ziehe meinen Hut vor dem Trainer. Er hat der Mannschaft sein Vertrauen geschenkt, und diese Mannschaft wird für ihn durchs Feuer gehen."

Ein weiterer Antrieb war die Schmach von Cordoba, die im Vorfeld wieder medial in Erinnerung gerufen wurde. Dabei waren auf deutscher Seite nur noch drei Spieler dabei, bei den Österreichern waren es fünf. Manfred Kaltz sagte: "Ist doch ganz gut für uns, dass die immer noch von Cordoba träumen, oder?" Um Hans Krankl sollte sich diesmal Förster kümmern, Hans-Peter Briegel war für Walter Schachner verantwortlich.

Die Österreicher waren gegen den großen Nachbarn ohnehin immer motiviert. "Die Deutschen in der bisherigen Form sind zu schlagen, würden wir die Deutschen nach Hause schicken, wäre das ein nationaler Feiertag", sagte Co-Trainer Felix Latzke. Sie wollten nicht nur weiterkommen, sondern auch Spiel und Gruppe gewinnen. Latzke: "Wir sind hitzeempfindlich und werden deshalb alles daran setzen, in der zweite Finalrunde um 21 Uhr abends spielen zu können. Der Gruppenzweite muss bekanntlich um 17.15 Uhr nachmittags spielen." Das Abschlusstraining absolvierten die Österreicher unter Ausschluss der Öffentlichkeit, denn "wir wollen die Deutschen ein wenig überraschen." Was dann kam, überraschte alle.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

25. Juni 1982 in Gijón - drittes Gruppenspiel: Deutschland - Österreich 1:0

Vor dem Spiel:

Die Ausgangslage war heikel. Das am Vortag ausgetragene Gruppenspiel zwischen Algerien und Chile (3:2) erlaubte es, beiden Mannschaften weiterzukommen, sofern Deutschland mit einem Tor Vorsprung gewänne. Das würde zugleich den Gruppensieg bedeuten. Schon in der Qualifikation zur WM hatten sich die Nachbarn getroffen, beide Spiele hatte die DFB-Auswahl (2:0 und 3:1) gewonnen. Bei den Österreichern, die ihre ersten beiden Spiele gewannen, spielten vier Bundesliga-Kicker mit, man kannte sich bestens. Das nährte die Gerüchte, man werde sich schon auf ein 1:0 oder 2:1 einigen.

Jupp Derwall hoffte auf "ein großes Spiel" und stellte zum dritten Mal in Folge dieselbe Elf auf, die Angeschlagenen Paul Breitner, Karl-Heinz Rummenigge und Uli Stielike erhielten grünes Licht von der medizinischen Abteilung. Der Kicker kommentierte: "Jupp Derwall hat sich dafür entschieden, weniger auf die Form einzelne Spieler zu setzen, was häufigere Umstellungen erforderlich macht, sondern auf eine eingespielte Mannschaft, in der die Spieler gemeinsam ihre Bestform finden sollen." Den Etablierten war es natürlich recht. Kommentar von Rummenigge: "Ich ziehe meinen Hut vor dem Trainer. Er hat der Mannschaft sein Vertrauen geschenkt, und diese Mannschaft wird für ihn durchs Feuer gehen."

Ein weiterer Antrieb war die Schmach von Cordoba, die im Vorfeld wieder medial in Erinnerung gerufen wurde. Dabei waren auf deutscher Seite nur noch drei Spieler dabei, bei den Österreichern waren es fünf. Manfred Kaltz sagte: "Ist doch ganz gut für uns, dass die immer noch von Cordoba träumen, oder?" Um Hans Krankl sollte sich diesmal Förster kümmern, Hans-Peter Briegel war für Walter Schachner verantwortlich.

Die Österreicher waren gegen den großen Nachbarn ohnehin immer motiviert. "Die Deutschen in der bisherigen Form sind zu schlagen, würden wir die Deutschen nach Hause schicken, wäre das ein nationaler Feiertag", sagte Co-Trainer Felix Latzke. Sie wollten nicht nur weiterkommen, sondern auch Spiel und Gruppe gewinnen. Latzke: "Wir sind hitzeempfindlich und werden deshalb alles daran setzen, in der zweite Finalrunde um 21 Uhr abends spielen zu können. Der Gruppenzweite muss bekanntlich um 17.15 Uhr nachmittags spielen." Das Abschlusstraining absolvierten die Österreicher unter Ausschluss der Öffentlichkeit, denn "wir wollen die Deutschen ein wenig überraschen." Was dann kam, überraschte alle.

###more###

"Wir haben uns dem Ballgeschiebe angepasst"

Spielbericht:

Der Rahmen ist auch im letzten Gruppenspiel der gleiche: ein volles Haus in Gijon, Anpfiff um 17.15 Uhr. Nur dass auffällig viele Anhänger einer unbeteiligten Mannschaft da sind. Hunderte Algerier wollen sehen, ob sich die Nachbarn wirklich nicht wehtun wollen. Die ARD ist wieder dran, Eberhard Stanjek überträgt das Spiel. Wieder wird es eins, das keiner vergessen kann. Auch der Kommentator wird an diesem Tag Geschichte schreiben. Auf der Tribüne fiebern diesmal Bernd Franke, Wilfried Hannes und Hansi Müller mit, während Bernd Förster von dort auf die Bank zurückkehrt. Da sitzen auch Lothar Matthäus, Klaus Fischer und Uwe Reinders.

Sie sehen einen druckvollen Start ihrer Kollegen, Breitner hat schon in der ersten Minute die Führung auf dem Kopf. Und schon nach zehn Minuten sehen sie ein Tor. Das Tor. Wie schon gegen Chile bereitet es Pierre Littbarski vor, dessen Linksflanke Horst Hrubesch mit Kopf und Knie an Friedl Koncilia vorbei bugsiert. Das reicht beiden, aber was anfangen mit den restlichen 80 Minuten? Schachner scheint sich als einziger über den Rückstand zu ärgern, enteilt Briegel und wird von Stielike und Förster im Strafraum in die Zange genommen. Kein Elfmeter, aber wenigstens Aufregung. Wolfgang Dremmler ist noch für ein bisschen Unterhaltung, dringt in den Strafraum ein und muss eigentlich das 2:0 machen. Doch der Münchner ist kein Torjäger, schießt Koncilia an (14.). Breitner hat die nächste Chance, schießt drüber. Es wird die letzte sein.

"Die deutsche Mannschaft, die den Gegner praktisch im Sack hatte, paßt sich der Verzögerungstaktik der Österreicher an, und fortan wurde noch mit dem Ball getändelt", protokolliert der Kicker. "Von einem sportlichen Wettkampf war keine Spur mehr zu sehen." Der Wiener Kronenzeitung fällt auf: "Bruno Pezzey und Horst Hrubesch taten nicht einmal so, als seien sie Gegner. Während Eckbälle geschossen wurden, unterhielten sie sich in aller Freundschaft." Bruno Pezzey, Abwehrchef der Österreicher, ringt später mit den Reportern um Verständnis: "Die Deutschen waren in dieser Phase schon so stark, dass wir gar nichts anderes tun konnten, als uns freiwillig zurückzuziehen und hinten dicht zu machen."

Schon zur Halbzeit gibt es böse Pfiffe von den Rängen. In der Kabine der Österreicher beschwert sich Stürmer Walter Schachner, der als einziger vor Ehrgeiz brennt, warum ihn denn keiner anspiele. Wiederanpfiff. Der letzte Angriff wird in der 56. Minute festgehalten, Hrubesch vergibt - der Rest ist Ballgeschiebe. Im Spielbericht des Kicker findet sich für die zweite Halbzeit keine Torchance mehr. Stattdessen liest man: "Da über weite Strecken ein Fußballspiel überhaupt nicht stattfand, ist auch eine Einzelkritik der spielerischen Leistungen nicht möglich." Rummenigge gesteht in seinem WM-Buch: "In der zweiten Halbzeit, als wir merkten, dass die Österreicher das Ergebnis halten wollten, haben wir uns dem Ballgeschiebe angepasst, weil's auch uns in den Kram passte."

Die Zuschauer, allen voran die algerischen, pfeifen und buhen. Einige wedeln mit Geldscheinen, die Hitzigsten unter ihnen müssen von der Polizei am Betreten des Spielfeldes gehindert werden. Die Spanier winken mit weißen Taschentüchern, was sie beim Stierkampf zu tun pflegen, wenn ihnen der Torrero nicht gefällt. Der dazu passende Ruf "fuera" (Raus!) ertönt vielstimmig. Derwall erlöst zunächst Rummenigge, dessen Zerrung ihn ab Minute 20 wieder stark beeinträchtigt, und später Hrubesch, bringt Matthäus und Fischer. Der 21-jährige Lothar Matthäus ist voller Tatendrang, was nicht so recht zum Spiel passt, und so pfeift ihn Breitner gleich mal zurück: "Spiel ruhig, Lothar!" ARD-Reporter Eberhard Stanjek pfeift sich selbst zurück und stellt den Kommentar ein, "denn das ist ja kein Fußballspiel mehr". Der Kurier aus Wien lässt den Spielbericht ausfallen und druckt eine weiße Seite.

Es ist kein guter Tag für den Sport und keiner für die WM. Einen Betrug im juristischen Sinne hat es jedoch nie gegeben. Rummenigge beteuert: "Aber Absprache? So etwas war und ist überhaupt nicht drin: Dagegen verwahre ich mich mit aller Entschiedenheit. Seit Cordoba 1978 ist das Verhältnis zwischen unserer Nationalelf und dem Austria-Team gespannt. In einer solchen Atmosphäre ist es undenkbar, daß einer auf die andere Seite zugehen und irgendeine 'Abmachung' treffen würde."

Ins gleiche Horn bläst Reinhold Hintermaier 35 Jahre später. Dem Kicker sagt der Österreicher 2017: "Nein, da war nichts abgesprochen. Wir haben einfach alle gemerkt: Keiner will mehr so richtig." Algeriens Verband legt dennoch bei der FIFA offiziell Protest ein. Der Wortlaut: "Wir fordern die FIFA auf, das Spiel wegen Mangel an Kampfgeist zu annullieren und Deutschland und Österreich wegen Verstoßes gegen den Geist der FIFA-Regeln aus dem Turnier auszuschließen." Das tut der Weltverband nicht, beschließt aber, dass fortan alle letzten Vorrundenspiele gleichzeitig stattfinden.

Aufstellung: Schumacher – Kaltz, Stielike, Karlheinz Förster, Briegel – Dremmler, Breitner, Magath – Rummenigge (66. Matthäus), Hrubesch (68. Fischer), Littbarski.

Tor: 1:0 Hrubesch (10.).

Zuschauer: 41.000 in Gijón.

###more###

"Verständnis für Unmutsbekundungen"

Stimmen zum Spiel:

Jupp Derwall: "Ich habe um den Sieg gezittert. Wir wären dumm gewesen, wenn wir nach dem 1:0 nicht vorsichtig gespielt hätten, und die Österreicher wären auch dumm gewesen, wenn sie nicht vorsichtig gespielt hätten. Warum sollste doof sein und noch einen Konter einfangen? Das macht der Boxer auch nicht, der seine Punkte gemacht hat. Ich will kein Lob, wenn wir Mist gespielt hätten, aber ich fühle mich wirklich besser, als wenn wir ausgeschieden wären."

Karlheinz Förster: "Für die Unmutsbekundungen der algerischen Fans habe ich schon ein bisschen Verständnis, weil es so aussah, als sei es abgesprochen. Das Spiel konnte man Mitte der zweiten Halbzeit nicht mehr ansehen. Das war ja ein Nichtangriffspakt."

Paul Breitner: "Das Publikum hat überhaupt nicht kapiert, um was es für uns ging, nämlich nur ums Weiterkommen. Wir haben hier eine WM."

Lothar Matthäus: "Ja, mein Gott, ich kam rein, als alles schon gelaufen war. Hätte ich denn als einziger nach vorne spielen sollen?"

Wolfgang Dremmler: "Ich kann mich nicht um die Reaktionen der Zuschauer kümmern, das ist das Risiko der Leute. Genauso wie es mein Risiko ist, hierherzukommen als Spieler, um dann vielleicht früh auszuscheiden."

Werner Liebrich (Weltmeister 1954): "Mit diesem Spiel haben wir uns auf Jahre hinaus viele Sympathien in der Welt verscherzt."

Georg Schmidt (Trainer Österreichs): "Ich glaube nicht an einen Betrug an den Zuschauern. Die nervlichen Belastungen für beide Mannschaften waren sehr hoch. Es war unser Recht, nach dem Gegentor auf Sicherheit zu spielen, um weiterzukommen. Außerdem hatten wir mit Deutschland einen starken Gegner. Auch wir hätten gern Tore gemacht und gewonnen."

Reinhold Hintermaier (Österreich): "Wir sind froh, Gruppenzweiter geworden zu sein. Mit etwas Glück stehen wir im WM-Halbfinale, das hat seit 1954 kein österreichisches Team mehr geschafft. Da muss doch eine schwache Partie vergessen werden können."

"Fußball wurde zum reinen Schattenboxen, zur Pseudo-Angelegenheit, zum Skandalspiel (...) Die Schilderung eines Spielverlaufs erübrigt sich, erst recht eine ernsthafte Kritik, denn das, was in den 90 Minuten zusammengekickt wurde, verdient eigentlich keine Zeile." (FAZ)

"Wenn auch das Reglement des Turniers eine so miese Abart von Fußball begünstigt (...) so war das Spiel, vor allem nach der Pause, eine Provokation für die Zuschauer, im Stadion und an den Fernsehgeräten. Und es war grobe Unsportlichkeit gegenüber den Algeriern." (Kicker)

"Eine gute Viertelstunde vor der Pause stellten beide Mannschaften das Fußballspielen ein, sie taten nicht einmal so, als 'wollten' sie Tore schießen. Die beiden Torleute wurden in der letzten Stunde erst gar nicht mehr in dieses öffentliche Training einbezogen." (Kronenzeitung/Wien)

###more###