Sepp Maier: Die "Katze von Anzing" wird 80

Die Frage nach seinem Befinden bleibt Besuchern im Halse stecken. Sie sehen ja, wie es ihm geht. Sicher, das Haupt ist in Ehren ergraut, aber noch immer begegnet einem in Sepp Maier ein drahtiger Mann, der aufrecht geht und dazu keinerlei Hilfsmittel braucht. Auch keine Brille oder Hörgerät, "ich habe auch keine Ersatzteile in mir." Und der Geist? Wach wie eh und je. Den Interviewmarathon, der dieser Tage auf ihn zukam, hat er souverän gemeistert, und der Schalk, der Zeit Lebens in seinem Nacken wohnt, ist nicht müde geworden. So fit möchten alle sein, wenn der 80. Geburtstag naht.

Sepp Maier, einer der größten Torhüter des deutschen Fußballs und fraglos sein größter Spaßvogel, wird heute 80 - und hat sich noch lange nicht zu Ruhe gesetzt. Das sieht man schon daran, wo und wie er seinen runden Geburtstag am heutigen Mittwoch mit seiner Frau Monika verbringt: auf Mauritius, bei der "Sepp-Maier-Golf-Trophy", die einmal im Jahr stattfindet - dies ist Ausgabe Nummer 15. Die Bälle im Leben des Sepp Maier sind immer kleiner geworden, erst fing er Fußbälle, dann drosch er auf Tennisbälle ein, sogar im eigenen Tennis-Park, und nun schlägt er mit Passion Golfbälle. "Ich bin ein Golf-Verrückter", gesteht er seine größte Leidenschaft im Alter.

"Ich möchte 100 Jahre alt werden"

Wobei das mit dem Tennis noch nicht ganz vorbei ist, aber er übertreibt es nicht mehr. "Beim Tennis merke ich, dass ich wirklich alt geworden bin", hat Maier jetzt der Münchner Abendzeitung erzählt. "Wenn ich eine Stunde spiele, habe ich danach drei Tage Muskelkater." Da also hat er keine Ziele mehr, schließlich sei er mit den "Jungsenioren" des TC Hasenbergl genauso oft Deutscher Meister geworden wie mit dem FC Bayern München, dessen Bundesligarekordspieler er immer noch ist, im Fußball.

Und nun also, mit 80? Was kommt noch, Herr Maier? Der Abendzeitung, dem kicker und der Bild am Sonntag hat er allen das Gleiche erzählt: "Ich möchte 100 Jahre alt werden!" Aber schon jetzt zieht er die Bilanz eines glücklichen Menschen: "Mein Leben war schön und erfolgreich. Ich habe die ganze Welt gesehen. Ich glaube, es gibt wenige Menschen, die so gut gelebt haben wie ich."

Geprägt war es von dem größten Ball in seinem Sportlerleben - der Fußball hat ihn weltberühmt gemacht, weil er ihn besser fangen konnte als die allermeisten. Er beschützte das Tor seines Vereins und seines Landes und wer über 15 Jahre die Nummer 1 des FC Bayern und ein Dutzend Jahre die von Deutschland, der stand oft auf der Siegerseite. Dabei hätte es ganz anders kommen können, denn Torwart wollte er nie werden.

"Am Schönsten fand ich es, wenn es ordentlich geregnet hatte"

Bloß um seinem Trainer zu gefallen, stellte er sich in der Stunde der Not als Jugendlicher ins Tor des TSV Haar bei München, eigentlich sah sich Sepp Maier eher als großer Torjäger. Doch seinem Trainer war seine turnerische Begabung nicht entgangen und was sprach schon gegen einen gelenkigen Torwart? Maier stellte fest, dass es ihm einen Heidenspaß machte, sich in den Dreck zu werfen - zum Leidwesen der Mutter. Zitat Maier: "Am Schönsten fand ich es, wenn es ordentlich geregnet hatte, wenn ich mich im Morast richtig suhlen konnte."

Mit 15 also fing sie an, die vielleicht erfolgreichste Torwartkarriere des deutschen Fußballs - und wenn er es auch widerwillig tat zu Beginn, so machte er es mit vollstem Einsatz. Ursache seines Ehrgeizes sei ein traumatisches Kindheitserlebnis gewesen, schrieb er in seiner ersten Biographie "Ich bin doch kein Tor". Der kleine Sepp nämlich hatte bei einer Theateraufführung in der Schule vor Aufregung seinen Text vergessen, was das Auditorium sichtlich amüsierte, während er zu heulen begann. "Damals habe ich mir in meinen winzigen Dickschädel gesetzt: Nie wieder würde ich mich auslachen lassen."

Nein, lieber wollte er bewundert werden und selbst lachen. Zum Lachen brachte er andere trotzdem, aber nicht aus Spott. Sepp Maier war immer ein "Gaudi-Bursch". Er band Funktionären beim Bankett die Schnürsenkel unter dem Tisch zusammen, Journalisten packte er Ziegelsteine in die Tasche und jedes Kind kennt die Bilder von seiner Entenjagd 1976 im Münchner Olympiastadion, die bei keinem Rückblick auf 60 Jahre Bundesliga fehlten.

Talent zum Comedian

Wie oft er aus Trainingslagern ausgebüchst ist, wird er selbst nicht mehr wissen. Mit Uli Hoeneß floh er 1974 aus dem WM-Quartier Malente nach Hamburg ins Hotel der Frauen und weil die Bremse kaputt ging, fuhr er mit angezogener Handbremse zurück, was schöne Blasen zu Tage förderte. 1968 wurde er mit Ersatzkeeper Horst Wolter in Santiago de Chile zum Fassadenkletterer auf der Flucht vor dem Bundestrainer. Vier Meter sprangen sie in die Tiefe - erst in seinen Memoiren kam es heraus.

Als er vor einem Spiel in Madrid eine Sonnenbrille am Flughafen kaufte, machte er einem Reporter weiß, er habe eine Sehschwäche und trage im Spiel schon länger Kontaktlinsen. Prompt stand in der Zeitung: "Maier spielt in Madrid mit Haftschalen." Das war mal eine "Exklusiv-Geschichte" - monatelang war der Reporter noch sauer auf den Sepp.  Auch DFB-Physiotherapeut Adi Katzenmaier war ein paar Tage verstimmt über den Hasen, den ihm der Sepp bei der WM 1990 in den Arztkoffer gepackt hatte.

Trotz der verpatzten Theaterpremiere hatte er das Talent zum Comedian und wurde nicht ganz zu Unrecht mit Karl Valentin verwechselt, den er auch dank äußerer Ähnlichkeit phantastisch zu imitieren wusste. Auch ohne den Fußball wäre er wohl ein Liebling der Massen geworden, aber zum Glück ließen sich seine Talente vereinbaren. Der Gaudi-Bursch wurde ein Weltklasse-Torhüter.

Trauer um Beckenbauer und Brehme

Entdeckt wurde er ausgerechnet nach einem Spiel, in dem er zwölf Tore kassiert hatte - gegen die zweite Jugend des FC Bayern. Deren Trainer Rudi Weiß machte ihm noch auf dem Platz ein Angebot. Maier protestierte, er sei doch gar kein Torwart und man ging auseinander ohne Entscheidung, der Sepp wollte es sich überlegen. Das war 1959. Natürlich überlegte er es sich und ging zu den Bayern, schon 1960 trug er den Bundesadler: Helmut Schön berief ihn in die Juniorennationalmannschaft.

Da und in München schon an seiner Seite: Der ein Jahr jüngere Franz Beckenbauer, dessen Tod am 7. Januar ihn sehr getroffen hat. "Mir fehlt ein Freund, mit dem ich durchs ganze Leben gegangen bin." Als Torwart stand er 15 Jahre hinter seiner Abwehr, als Bundestorwarttrainer (BTT) war er vier Jahre in seinem Betreuerstab. Zweimal wurden sie zusammen Weltmeister, 1990 gemeinsam mit Andreas Brehme. Auch dessen Tod trübte die Geburtstagsfreude Maiers sehr, "sein frühes Gehen tut weh."

Im Traum nach den Flanken gehechtet

Zurück in unbeschwerte Tage: Vier Wochen nach seinem Bundesligadebüt im August 1965 war Maier, gerade 21, schon unter der Haube und verließ die elterliche Wohnung. Er zog zur Braut nach Anzing, was deshalb von Bedeutung ist, weil sein Spitzname alsbald "die Katze von Anzing" lautete. Die Glücksmomente rissen nicht ab im Leben des jungen Sepp Maier. Geriet er doch mitten in die Phase hinein, in der der FC Bayern eine große Hausnummer des deutschen Fußballs wurde. Als Aufsteiger wurden sie 1966 Dritter und Pokalsieger, noch vor dem Finale debütierte er am 4. Mai in Irland in der A-Nationalmannschaft. 94 weitere Spiele sollten folgen, erst vor drei Jahren löste ihn Manuel Neuer als Rekordtorhüter ab. "Na endlich kommt mal einer", hat er es locker genommen.

Die Münchner Himmelsstürmer schwammen weiter auf der Erfolgswelle, die Achse Maier-Beckenbauer-Müller lief wie geschmiert: Zum erneuten DFB-Pokalsieg kam 1967 der erste Europapokalsieg - ein 1:0 gegen die Glasgow Rangers in Nürnberg. In der Nacht vor dem Spiel ereignete sich wieder eine typische Maier-Geschichte: Weil er auch im Traum nach Bällen hechtete, griff er nach dem Kopf seines Zimmer-Partners Hans Rigotti, der vor Schreck das ganze Hotel weckte. Alles nur, weil Trainer Tschik Cajkovski dem Maier-Sepp eingetrichtert hatte, dass das Spiel des Gegners auf Flanken angelegt sei, die er möglichst fangen solle.

442 Bundesligaspiele am Stück ohne Unterbrechung

1969 wurden die Bayern Meister, 1970 spielte er in Mexiko seine erste WM, während er 1966 in England noch auf der Tribüne gesessen hatte - als dritter Torwart. Im Verein passierte ihm das nie. Bis heute hält Maier einen Rekord für die Ewigkeit - er spielte 13 Jahre ohne Unterbrechung in der Bundesliga. Zwischen dem 20. August 1966 und dem 9. Juni 1979 verpasste er keine Sekunde in 442 Bundesligaspielen (von insgesamt 473). Ab 1972 stand dann ein Europameister im Bayern-Tor, ab 1974 ein Weltmeister. Seinen Glanzparaden in den beiden letzten WM-Spielen gegen Polen und die Niederlande verdankt Deutschland ganz wesentlich den zweiten Titel.

Auch der sagenhafte Hattrick im Europacup der Landesmeister (1974 bis 1976) wäre ohne ihn kaum vorstellbar gewesen. Denn die Bayern-Dominanz war nach dem Meister-Hattrick 1974 national zu Ende und auch inter-national standen sie oft mit dem Rücken zur Wand - aber Maier hielt gerade in den Finals gegen Leeds United (1975) oder AS St. Etienne (1976) den Sieg fest. Nach Franz Beckenbauers Abschied 1977 rückte er in der Hierarchie ganz nach oben, nun war er Kapitän in beiden Mannschaften. Bis zu jenem Tag, der sein Leben veränderte.

Verkehrsunfall mit Folgen

Die große Karriere endete in einer Linkskurve. Am 14. Juli 1979 geriet sein Wagen bei Aquaplaning von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem anderen, in dem zwei Frauen saßen. "Ich bin gar nicht so schnell gefahren - vielleicht 80 Stundenkilometer - da merkte ich, wie ich die Gewalt über meinen Wagen verlor." Im Krankenhaus diagnostizierten sie nur ein paar Rippenbrüche, aber zu seinem Glück traute der herbeigeeilte Freund und Neu-Manager Uli Hoeneß den Diagnosen des Wochenenddienstes der Klinik nicht.

Hoeneß alarmierte Bayerns Vereinsarzt und der ordnete die Verlegung in das Krankenhaus Harlaching an, wo die Röntgenbilder einen Lungenriss ergaben. Die Leber hatte sich hineingeschoben. Das Zwerchfell war auch gerissen und zweieinhalb Liter Blut hatte sich in der Bauchhöhle gesammelt. "Der Uli hat mir das Leben gerettet", betont Maier bei jedem runden Geburtstag, wenn man ihn zu dieser Zäsur befragt. "Einen Tag länger in Ebersberg mit meinen 'Rippenbrüchen' und es wäre aus gewesen."

Aus war es nur mit dem Fußball, was er noch nicht gleich wahr haben wollte. Die EM 1980 und die WM 1982 standen auf seinem Programmzettel und außerdem wollte er die 500 Spiele für Bayern vollmachen. "Der Junghans wird hier noch zum Althans", hatte er dem nächsten Nachwuchstorwart schon im Spaß wissen lassen, aber es kam anders, Trainer Pal Csernai sortierte ihn mit 35 aus. Die Karriere des Sepp Maier hätte sicher ein besseres Ende verdient gehabt, und doch war sie einzigartig erfolgreich.

Welt- und Europameister als "BTT"

Weltmeister und Europameister ist er trotzdem noch mal geworden. 1990 mit seinem Freund Franz Beckenbauer, 1996 an der Seite von Berti Vogts - und immer lief die "Sepp-Cam". Die intimen Aufnahmen aus dem Kreis der Helden von Rom wurden auf dem Berliner Fußballfilmfestival 2012 aufgeführt. Da war er schon nicht mehr "BTT", Jürgen Klinsmann legte 2004 keinen Wert mehr auf seine Dienste, was Maier ihm nachtrug.

Längst aber haben sie sich ausgesprochen, "das Leben ist viel zu kurz, um auf andere Menschen sauer zu sein." Aber noch lebt er ja, und das gut. 100 Tage im Jahr in Meran in seinem Zweitwohnsitz, zum Golfplatz sind es acht Kilometer. "Die gehe ich zu Fuß, das ist mein Fitnessprogramm seit 32 Jahren." Worte eines Mannes, der im Leben viel richtig gemacht hat.

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Die Frage nach seinem Befinden bleibt Besuchern im Halse stecken. Sie sehen ja, wie es ihm geht. Sicher, das Haupt ist in Ehren ergraut, aber noch immer begegnet einem in Sepp Maier ein drahtiger Mann, der aufrecht geht und dazu keinerlei Hilfsmittel braucht. Auch keine Brille oder Hörgerät, "ich habe auch keine Ersatzteile in mir." Und der Geist? Wach wie eh und je. Den Interviewmarathon, der dieser Tage auf ihn zukam, hat er souverän gemeistert, und der Schalk, der Zeit Lebens in seinem Nacken wohnt, ist nicht müde geworden. So fit möchten alle sein, wenn der 80. Geburtstag naht.

Sepp Maier, einer der größten Torhüter des deutschen Fußballs und fraglos sein größter Spaßvogel, wird heute 80 - und hat sich noch lange nicht zu Ruhe gesetzt. Das sieht man schon daran, wo und wie er seinen runden Geburtstag am heutigen Mittwoch mit seiner Frau Monika verbringt: auf Mauritius, bei der "Sepp-Maier-Golf-Trophy", die einmal im Jahr stattfindet - dies ist Ausgabe Nummer 15. Die Bälle im Leben des Sepp Maier sind immer kleiner geworden, erst fing er Fußbälle, dann drosch er auf Tennisbälle ein, sogar im eigenen Tennis-Park, und nun schlägt er mit Passion Golfbälle. "Ich bin ein Golf-Verrückter", gesteht er seine größte Leidenschaft im Alter.

"Ich möchte 100 Jahre alt werden"

Wobei das mit dem Tennis noch nicht ganz vorbei ist, aber er übertreibt es nicht mehr. "Beim Tennis merke ich, dass ich wirklich alt geworden bin", hat Maier jetzt der Münchner Abendzeitung erzählt. "Wenn ich eine Stunde spiele, habe ich danach drei Tage Muskelkater." Da also hat er keine Ziele mehr, schließlich sei er mit den "Jungsenioren" des TC Hasenbergl genauso oft Deutscher Meister geworden wie mit dem FC Bayern München, dessen Bundesligarekordspieler er immer noch ist, im Fußball.

Und nun also, mit 80? Was kommt noch, Herr Maier? Der Abendzeitung, dem kicker und der Bild am Sonntag hat er allen das Gleiche erzählt: "Ich möchte 100 Jahre alt werden!" Aber schon jetzt zieht er die Bilanz eines glücklichen Menschen: "Mein Leben war schön und erfolgreich. Ich habe die ganze Welt gesehen. Ich glaube, es gibt wenige Menschen, die so gut gelebt haben wie ich."

Geprägt war es von dem größten Ball in seinem Sportlerleben - der Fußball hat ihn weltberühmt gemacht, weil er ihn besser fangen konnte als die allermeisten. Er beschützte das Tor seines Vereins und seines Landes und wer über 15 Jahre die Nummer 1 des FC Bayern und ein Dutzend Jahre die von Deutschland, der stand oft auf der Siegerseite. Dabei hätte es ganz anders kommen können, denn Torwart wollte er nie werden.

"Am Schönsten fand ich es, wenn es ordentlich geregnet hatte"

Bloß um seinem Trainer zu gefallen, stellte er sich in der Stunde der Not als Jugendlicher ins Tor des TSV Haar bei München, eigentlich sah sich Sepp Maier eher als großer Torjäger. Doch seinem Trainer war seine turnerische Begabung nicht entgangen und was sprach schon gegen einen gelenkigen Torwart? Maier stellte fest, dass es ihm einen Heidenspaß machte, sich in den Dreck zu werfen - zum Leidwesen der Mutter. Zitat Maier: "Am Schönsten fand ich es, wenn es ordentlich geregnet hatte, wenn ich mich im Morast richtig suhlen konnte."

Mit 15 also fing sie an, die vielleicht erfolgreichste Torwartkarriere des deutschen Fußballs - und wenn er es auch widerwillig tat zu Beginn, so machte er es mit vollstem Einsatz. Ursache seines Ehrgeizes sei ein traumatisches Kindheitserlebnis gewesen, schrieb er in seiner ersten Biographie "Ich bin doch kein Tor". Der kleine Sepp nämlich hatte bei einer Theateraufführung in der Schule vor Aufregung seinen Text vergessen, was das Auditorium sichtlich amüsierte, während er zu heulen begann. "Damals habe ich mir in meinen winzigen Dickschädel gesetzt: Nie wieder würde ich mich auslachen lassen."

Nein, lieber wollte er bewundert werden und selbst lachen. Zum Lachen brachte er andere trotzdem, aber nicht aus Spott. Sepp Maier war immer ein "Gaudi-Bursch". Er band Funktionären beim Bankett die Schnürsenkel unter dem Tisch zusammen, Journalisten packte er Ziegelsteine in die Tasche und jedes Kind kennt die Bilder von seiner Entenjagd 1976 im Münchner Olympiastadion, die bei keinem Rückblick auf 60 Jahre Bundesliga fehlten.

Talent zum Comedian

Wie oft er aus Trainingslagern ausgebüchst ist, wird er selbst nicht mehr wissen. Mit Uli Hoeneß floh er 1974 aus dem WM-Quartier Malente nach Hamburg ins Hotel der Frauen und weil die Bremse kaputt ging, fuhr er mit angezogener Handbremse zurück, was schöne Blasen zu Tage förderte. 1968 wurde er mit Ersatzkeeper Horst Wolter in Santiago de Chile zum Fassadenkletterer auf der Flucht vor dem Bundestrainer. Vier Meter sprangen sie in die Tiefe - erst in seinen Memoiren kam es heraus.

Als er vor einem Spiel in Madrid eine Sonnenbrille am Flughafen kaufte, machte er einem Reporter weiß, er habe eine Sehschwäche und trage im Spiel schon länger Kontaktlinsen. Prompt stand in der Zeitung: "Maier spielt in Madrid mit Haftschalen." Das war mal eine "Exklusiv-Geschichte" - monatelang war der Reporter noch sauer auf den Sepp.  Auch DFB-Physiotherapeut Adi Katzenmaier war ein paar Tage verstimmt über den Hasen, den ihm der Sepp bei der WM 1990 in den Arztkoffer gepackt hatte.

Trotz der verpatzten Theaterpremiere hatte er das Talent zum Comedian und wurde nicht ganz zu Unrecht mit Karl Valentin verwechselt, den er auch dank äußerer Ähnlichkeit phantastisch zu imitieren wusste. Auch ohne den Fußball wäre er wohl ein Liebling der Massen geworden, aber zum Glück ließen sich seine Talente vereinbaren. Der Gaudi-Bursch wurde ein Weltklasse-Torhüter.

Trauer um Beckenbauer und Brehme

Entdeckt wurde er ausgerechnet nach einem Spiel, in dem er zwölf Tore kassiert hatte - gegen die zweite Jugend des FC Bayern. Deren Trainer Rudi Weiß machte ihm noch auf dem Platz ein Angebot. Maier protestierte, er sei doch gar kein Torwart und man ging auseinander ohne Entscheidung, der Sepp wollte es sich überlegen. Das war 1959. Natürlich überlegte er es sich und ging zu den Bayern, schon 1960 trug er den Bundesadler: Helmut Schön berief ihn in die Juniorennationalmannschaft.

Da und in München schon an seiner Seite: Der ein Jahr jüngere Franz Beckenbauer, dessen Tod am 7. Januar ihn sehr getroffen hat. "Mir fehlt ein Freund, mit dem ich durchs ganze Leben gegangen bin." Als Torwart stand er 15 Jahre hinter seiner Abwehr, als Bundestorwarttrainer (BTT) war er vier Jahre in seinem Betreuerstab. Zweimal wurden sie zusammen Weltmeister, 1990 gemeinsam mit Andreas Brehme. Auch dessen Tod trübte die Geburtstagsfreude Maiers sehr, "sein frühes Gehen tut weh."

Im Traum nach den Flanken gehechtet

Zurück in unbeschwerte Tage: Vier Wochen nach seinem Bundesligadebüt im August 1965 war Maier, gerade 21, schon unter der Haube und verließ die elterliche Wohnung. Er zog zur Braut nach Anzing, was deshalb von Bedeutung ist, weil sein Spitzname alsbald "die Katze von Anzing" lautete. Die Glücksmomente rissen nicht ab im Leben des jungen Sepp Maier. Geriet er doch mitten in die Phase hinein, in der der FC Bayern eine große Hausnummer des deutschen Fußballs wurde. Als Aufsteiger wurden sie 1966 Dritter und Pokalsieger, noch vor dem Finale debütierte er am 4. Mai in Irland in der A-Nationalmannschaft. 94 weitere Spiele sollten folgen, erst vor drei Jahren löste ihn Manuel Neuer als Rekordtorhüter ab. "Na endlich kommt mal einer", hat er es locker genommen.

Die Münchner Himmelsstürmer schwammen weiter auf der Erfolgswelle, die Achse Maier-Beckenbauer-Müller lief wie geschmiert: Zum erneuten DFB-Pokalsieg kam 1967 der erste Europapokalsieg - ein 1:0 gegen die Glasgow Rangers in Nürnberg. In der Nacht vor dem Spiel ereignete sich wieder eine typische Maier-Geschichte: Weil er auch im Traum nach Bällen hechtete, griff er nach dem Kopf seines Zimmer-Partners Hans Rigotti, der vor Schreck das ganze Hotel weckte. Alles nur, weil Trainer Tschik Cajkovski dem Maier-Sepp eingetrichtert hatte, dass das Spiel des Gegners auf Flanken angelegt sei, die er möglichst fangen solle.

442 Bundesligaspiele am Stück ohne Unterbrechung

1969 wurden die Bayern Meister, 1970 spielte er in Mexiko seine erste WM, während er 1966 in England noch auf der Tribüne gesessen hatte - als dritter Torwart. Im Verein passierte ihm das nie. Bis heute hält Maier einen Rekord für die Ewigkeit - er spielte 13 Jahre ohne Unterbrechung in der Bundesliga. Zwischen dem 20. August 1966 und dem 9. Juni 1979 verpasste er keine Sekunde in 442 Bundesligaspielen (von insgesamt 473). Ab 1972 stand dann ein Europameister im Bayern-Tor, ab 1974 ein Weltmeister. Seinen Glanzparaden in den beiden letzten WM-Spielen gegen Polen und die Niederlande verdankt Deutschland ganz wesentlich den zweiten Titel.

Auch der sagenhafte Hattrick im Europacup der Landesmeister (1974 bis 1976) wäre ohne ihn kaum vorstellbar gewesen. Denn die Bayern-Dominanz war nach dem Meister-Hattrick 1974 national zu Ende und auch inter-national standen sie oft mit dem Rücken zur Wand - aber Maier hielt gerade in den Finals gegen Leeds United (1975) oder AS St. Etienne (1976) den Sieg fest. Nach Franz Beckenbauers Abschied 1977 rückte er in der Hierarchie ganz nach oben, nun war er Kapitän in beiden Mannschaften. Bis zu jenem Tag, der sein Leben veränderte.

Verkehrsunfall mit Folgen

Die große Karriere endete in einer Linkskurve. Am 14. Juli 1979 geriet sein Wagen bei Aquaplaning von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem anderen, in dem zwei Frauen saßen. "Ich bin gar nicht so schnell gefahren - vielleicht 80 Stundenkilometer - da merkte ich, wie ich die Gewalt über meinen Wagen verlor." Im Krankenhaus diagnostizierten sie nur ein paar Rippenbrüche, aber zu seinem Glück traute der herbeigeeilte Freund und Neu-Manager Uli Hoeneß den Diagnosen des Wochenenddienstes der Klinik nicht.

Hoeneß alarmierte Bayerns Vereinsarzt und der ordnete die Verlegung in das Krankenhaus Harlaching an, wo die Röntgenbilder einen Lungenriss ergaben. Die Leber hatte sich hineingeschoben. Das Zwerchfell war auch gerissen und zweieinhalb Liter Blut hatte sich in der Bauchhöhle gesammelt. "Der Uli hat mir das Leben gerettet", betont Maier bei jedem runden Geburtstag, wenn man ihn zu dieser Zäsur befragt. "Einen Tag länger in Ebersberg mit meinen 'Rippenbrüchen' und es wäre aus gewesen."

Aus war es nur mit dem Fußball, was er noch nicht gleich wahr haben wollte. Die EM 1980 und die WM 1982 standen auf seinem Programmzettel und außerdem wollte er die 500 Spiele für Bayern vollmachen. "Der Junghans wird hier noch zum Althans", hatte er dem nächsten Nachwuchstorwart schon im Spaß wissen lassen, aber es kam anders, Trainer Pal Csernai sortierte ihn mit 35 aus. Die Karriere des Sepp Maier hätte sicher ein besseres Ende verdient gehabt, und doch war sie einzigartig erfolgreich.

Welt- und Europameister als "BTT"

Weltmeister und Europameister ist er trotzdem noch mal geworden. 1990 mit seinem Freund Franz Beckenbauer, 1996 an der Seite von Berti Vogts - und immer lief die "Sepp-Cam". Die intimen Aufnahmen aus dem Kreis der Helden von Rom wurden auf dem Berliner Fußballfilmfestival 2012 aufgeführt. Da war er schon nicht mehr "BTT", Jürgen Klinsmann legte 2004 keinen Wert mehr auf seine Dienste, was Maier ihm nachtrug.

Längst aber haben sie sich ausgesprochen, "das Leben ist viel zu kurz, um auf andere Menschen sauer zu sein." Aber noch lebt er ja, und das gut. 100 Tage im Jahr in Meran in seinem Zweitwohnsitz, zum Golfplatz sind es acht Kilometer. "Die gehe ich zu Fuß, das ist mein Fitnessprogramm seit 32 Jahren." Worte eines Mannes, der im Leben viel richtig gemacht hat.

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