Sensationshalbfinalisten: Das Vorbild sind die "Hertha-Bubis"

Zum siebten Mal steht heute (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) mit Arminia Bielefeld eine drittklassige Mannschaft im Halbfinale des DFB-Pokals - auf der heimischen Alm geht es gegen den Bundesligazweiten VfL Wolfsburg. Der Historiker Udo Muras erinnert auf DFB.de an die sechs Vorgänger, von denen es immerhin drei bis ins Finale schafften.

1989/1990: Kickers Offenbach

Am 28. März 1990 traf der Dritte der Oberliga Hessen auf den Vorletzten der Bundesliga, den 1. FC Kaiserslautern. Die Pfälzer hatten gerade ihren Trainer gewechselt, Karl-Heinz Feldkamp saß nun auf der Bank. Auf der Gegenseite stand mit Hans-Günter Neues ein ehemaliger Spieler Feldkamps und ein Ex-Lauterer. Sie begegneten sich während Feldkamps erster Lauterer Zeit zwischen 1978 und 1982. Feldkamp missfiel die Favoritenrolle: "Das ist für uns natürlich eine Riesenbelastung, während es für die Kickers das Spiel des Jahrhunderts ist." Der OFC hatte schon zwei Bundesligisten und einen Zweit-ligisten eliminiert und setzte auf den Heim-Vorteil.

Der Bieberer Berg brodelte, 28.000 füllten ihn bis unters Dach und die ARD übertrug live. Am Vormittag bekam der FCK quasi noch einen neuen Spieler. Bisher hatten alle gedacht, Reinhard Stumpf sei nach drei Verwarnungen gesperrt gewesen, doch was im Europacup galt, galt nicht im DFB-Pokal, wie Feldkamp zu seiner Freude erfuhr. So konnte Stumpf an alter Wirkungsstätte auflaufen. Bei den Kickers spielte mit Axel Brummer ein Ex-Lauterer, es war ein Abend der Begegnungen.

Bis zur Pause hielten die Kickers um Libero Ronald Borchers (sechs Länderspiele) das Spiel absolut offen, Bruno Labbadia und Stefan Kuntz konnten ihre Chancen für die Gäste nicht nutzen. Das erledigte nach 52 Minuten Mittelfeldrecke Tom Dooley besser, er staubte nach einem Kuntz-Freistoß ab. Es blieb das Tor des Tages, der Finaltraum der Kickers platzte. Kleiner Trost: die 300.000 DM. Die sie von den Einnahmen behalten durften, verhinderten die Insolvenz. Störfeuer am Rande zündelten die OFC-Fans, sie schossen Plastikbälle, die vor dem Spiel ins Publikum geschossen wurden, einfach zurück und provozierten Unterbrechungen.



Zum siebten Mal steht heute (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) mit Arminia Bielefeld eine drittklassige Mannschaft im Halbfinale des DFB-Pokals - auf der heimischen Alm geht es gegen den Bundesligazweiten VfL Wolfsburg. Der Historiker Udo Muras erinnert auf DFB.de an die sechs Vorgänger, von denen es immerhin drei bis ins Finale schafften.

1989/1990: Kickers Offenbach

Am 28. März 1990 traf der Dritte der Oberliga Hessen auf den Vorletzten der Bundesliga, den 1. FC Kaiserslautern. Die Pfälzer hatten gerade ihren Trainer gewechselt, Karl-Heinz Feldkamp saß nun auf der Bank. Auf der Gegenseite stand mit Hans-Günter Neues ein ehemaliger Spieler Feldkamps und ein Ex-Lauterer. Sie begegneten sich während Feldkamps erster Lauterer Zeit zwischen 1978 und 1982. Feldkamp missfiel die Favoritenrolle: "Das ist für uns natürlich eine Riesenbelastung, während es für die Kickers das Spiel des Jahrhunderts ist." Der OFC hatte schon zwei Bundesligisten und einen Zweit-ligisten eliminiert und setzte auf den Heim-Vorteil.

Der Bieberer Berg brodelte, 28.000 füllten ihn bis unters Dach und die ARD übertrug live. Am Vormittag bekam der FCK quasi noch einen neuen Spieler. Bisher hatten alle gedacht, Reinhard Stumpf sei nach drei Verwarnungen gesperrt gewesen, doch was im Europacup galt, galt nicht im DFB-Pokal, wie Feldkamp zu seiner Freude erfuhr. So konnte Stumpf an alter Wirkungsstätte auflaufen. Bei den Kickers spielte mit Axel Brummer ein Ex-Lauterer, es war ein Abend der Begegnungen.

Bis zur Pause hielten die Kickers um Libero Ronald Borchers (sechs Länderspiele) das Spiel absolut offen, Bruno Labbadia und Stefan Kuntz konnten ihre Chancen für die Gäste nicht nutzen. Das erledigte nach 52 Minuten Mittelfeldrecke Tom Dooley besser, er staubte nach einem Kuntz-Freistoß ab. Es blieb das Tor des Tages, der Finaltraum der Kickers platzte. Kleiner Trost: die 300.000 DM. Die sie von den Einnahmen behalten durften, verhinderten die Insolvenz. Störfeuer am Rande zündelten die OFC-Fans, sie schossen Plastikbälle, die vor dem Spiel ins Publikum geschossen wurden, einfach zurück und provozierten Unterbrechungen.

###more###

1992/1993: Hertha BSC Amateure

Dass ein unterklassiger Verein das Finale erreichen würde, stand schon vor Anpfiff des Halbfinales am 31. März 1993 fest. Das Los hatte die drittklassigen Hertha-Bubis und Zweitligist Chemnitzer FC zusammen geführt. Und das Interesse an der ungewöhnlichen Paarung war so groß, dass schon das Halbfinale im Olympia-Stadion stattfand – quasi zur Generalprobe. 56.540 Zuschauer drückten mehrheitlich der Sensations-Elf von Hertha BSC die Daumen. Die Verbandsliga-Amateure beschämten die eigene, damals zweitklassige Profi-Abteilung, der es bis heute nicht gelungen ist, das Pokal-Finale zu erreichen. Die Bubis von Trainer Jochem Ziegert aber nahmen alle Hürden, wobei allerdings nur ein Bundesligist ihren Weg kreuzte.

Erst ein Freilos, dann kam die SKG Heidelberg (3:0). In Runde 3 war der kommende Bundesliga-Aufsteiger VfB Leipzig schon ein anderes Kaliber, aber die aus Studenten, Schülern und Feierabend-Fußballern bestehende Mannschaft bestand auch diese Prüfung (4:2). Nun kam der Titelverteidiger nach Berlin – Hannover 96, der erste Zweitligist, der je den Pokal gewann. Auch er scheiterte, im Mommsen-Stadion gewann die kleinen Hertha mit 4:3 und die Spieler dichteten den Finalsong um: "Berlin, Berlin, wir bleiben in Berlin!" Im verrückten Viertelfinale, nun schon vor 13.700 Zuschauern, kassierte Hertha in der 89. Minute gegen Bundesligist 1. FC Nürnberg den Ausgleich und schoss im Gegenzug das 2:1!

Entsetzt sahen sich die Club-Profis um Andreas Köpke, Hans Dorfner und Dieter Eckstein an, Letzterer stellte fest: "Schlimm daran ist, dass Hertha verdient weiter gekommen ist." Nicht ganz so schlimm war der spontane Rücktritt von BSC-Trainer Ziegert, im Hauptberuf Finanzbeamter ("So geht’s nicht weiter, auf meinem Schreibtisch stapeln sich die Aktenberge"), man konnte ihn beruhigen. Für seine Spieler, über die niemand etwas wusste, sagte Ziegert stolz: "Alles intelligente Jungs, da ist keiner darunter der wegen dem Fußball seine Lehre abgebrochen hat. Die wissen alle, was sie wollen."

Das Ziel "Profi" hatten trotzdem alle , am weitesten brachte es Carsten Ramelow, der 2002 im WM-Finale stand. Auch Torwart Christian Fiedler oder die Schmidt-Zwillinge Andreas und Oliver wurden im eigenen Verein Bundesliga-Spieler. Im Halbfinale gegen Chemnitz, von Hans Meyer trainiert, schoss Ramelow das frühe 1:0 (5.), das Sven Meyer ausbaute (22.). Steffen Heidrichs Elfmeter (36.) bedeutete schon den Endstand der Partie, die von RTL übertragen wurde. Die Gesamteinnahmen übertrafen alles, was die Hertha-Profis je im Pokal verdient hatten: 860.000 Mark. Die jugendlichen Helden nahmen eine Platte auf, auch ein Buch erschien über den ungewöhnlichsten Finalisten der DFB-Historie. Mit dem hatte auch Bayer Leverkusens Star-Ensemble seine Mühe, nur ein Tor von Ulf Kirsten gelang dem Bundesligisten. Aber es reichte. Doch selten war der Beifall für einen zweiten Sieger lauter.

###more###

1996/1997: Energie Cottbus

Noch heute schwärmen sie in der Lausitz von jener Saison, als Energie nicht mehr aus den Schlagzeilen herauskam. Nicht nur wegen des Siegeszugs im Pokal. Die Lausitzer blieben in 53 Pflichtspielen ungeschlagen, sicherten sich die Meisterschaft in der Regionalliga Nordost und in zwei dramatischen Entscheidungs-spielen gegen Hannover 96 den Aufstieg in die 2. Liga. Und er lieferte rührende Geschichten, für die der gestrenge Zuchtmeister auf der Bank Eduard Geyer, freilich wenige zuständig war. Er war für die Pokal-Wunder, die 1996/97 in Serie gingen, verantwortlich. Die Stuttgarter Kickers, der VfL Wolfsburg, der MSV Duisburg und der FC St. Pauli – alle fuhren sie als Favorit in die Lausitz und kehrten geschlagen zurück. Nun machte sich mit dem KSC der dritte Bundesligist auf den Weg und an diesem 15. April 1997 wurde sie geschrieben, die rührende Pokalgeschichte. Von einem Fußballer, mit einem Edding.

Auch nach seinem großen Tag wusste man noch nicht viel von Willi Kronhardt – nur wie seine Freundin heiß. "Jule" stand auf seinem Unterhemd, das er nach dem Tor zum 1:0 (64.) einem Millionen-Publikum präsentierte. Der Drittligist gewann durch weitere Tore von Detlef Irrgang (68.) und Toralf Konetzke (82.) sogar mit 3:0 und zog sensationell ins Finale ein. Verdient, begeisternd, winterfest – denn es schneite heftig in der Lausitz. An sein Tor konnte sich Kronhardt noch 14 Jahre später erinnern: "Melle (Jens Melzig; Anm. d. Red.) legt mir den Ball auf, ich trampel voll gegen die Kugel und der Ball geht genau in den Knick".

Das Jule-T-Shirt fertigte er erst in der Halbzeit an. Nun war das Paar in aller Munde, Kronhardt hatte die private Grußbotschaft im Fußball erfunden und alle Boulevard-Zeitungen forschten nach, wer eigentlich Jule ist. Die Freundin war weniger begeistert ob der ungewollten Popularität, und bald nach dem gegen den VfB Stuttgart 0:2 verlorenen Finale war die Beziehung beendet. Aber die Erinnerung an den großen Tag lebt fort – auch dank "Jule". In Cottbus begann die große Zeit erst, mit Geyer, aber ohne Kronhardt, zog man 2000 in die Bundesliga, wo Energie mit Unterbrechung sechs Jahre blieb.

###more###

1997/1998: Eintracht Trier

Im Herbst 1997 schaffte der Südwest-Regionalligist Eintracht Trier etwas Unglaubliches. Binnen 35 Tagen schlug dieser Verein zwei amtierende Europapokal-Sieger, was zumindest deutscher Rekord ist. Möglich machte es der DFB-Pokal. In der 2. Runde empfing die Eintracht den UEFA-Cup-Sieger Schalke 04 und gewann durch ein Tor von Rudi Thömmes 1:0. Im Oktober kreuzte Champions League-Gewinner Borussia Dortmund im Moselstadion auf und wieder schlug. Rudi, der Schrecken des Reviers, zu. Wieder erzielte er das 1:0, diesmal endete das Spiel 2:1, das Anschlusstor von Weltmeister Jürgen Kohler war nur für die Statistik relevant.

Im Viertelfinale räumten sie auch Zweitligist Waldhof Mannheim aus dem Weg (1:0). Nach diesen Triumphen gab es Menschen, die der Eintracht im Halbfinale gegen den dritten Gegner aus dem Ruhrpott, dem MSV Duisburg, die Favoritenrolle zuschusterten. Aber an jenem 28. Februar war das Glück der Helden von der Mosel aufgebraucht. Im Spiel waren sie wieder nicht zu bezwingen gewesen, Waldhof-Schreck Dirk Fengler traf in der 89. Minute auch gegen den MSV zum 1:1. Nach 120 Minuten ging es ins Elfmeter-Schießen, bei dem alle Spieler antreten mussten. Tragisch, dass Eintracht-Keeper Daniel Ischdonat mit dem 22. Elfmeter des Abends an Kollege Thomas Gill scheiterte. So kam der MSV ins Finale, wo er sich gegen Bayern tapfer schlug und nur knapp mit 1:2 verlor.

2000/2001: Union Berlin

Wie vier Jahre zuvor Energie Cottbus schafften die Köpenicker den Spagat zwischen Pokalerfolgen und Ligaaufgaben. Als sie am 26. Mai 2001 im Finale auf Schalke 04 trafen, stand der erste Aufstieg in die 2. Liga schon fest. Für seine sechs Pokal-Spiele musste Union die Hauptstadt nie verlassen, von der 1. Runde bis zum Halbfinale hatten sie Heimrecht in der Alten Försterei, dann ging es ins Olympiastadion, wo sie den Schalkern einen großen Kampf lieferten und 0:2 verloren. Auf dem Weg dorthin schaltete die Mannschaft von Trainer Georgi Wassilev zunächst die Zweitligisten RW Oberhausen (2:0), SpVgg. Fürth (1:0) und SSV Ulm (4:2) aus.

Im Viertelfinale kam Bundesligist VfL Bochum vorbei, ein Treffer von Daniel Ernemann in letzter Minute schickte ihn 1:0 geschlagen nach Hause. Schon dreieinhalb Monate vor dem Finale stieg am 6. Februar 2001 das Halbfinale gegen den designierten Aufsteiger Borussia Mönchengladbach. Dessen Trainer Hans Meyer erlebte zum zweiten Mal nach dem Reinfall gegen die Hertha-Bubis eine Halbfinal-Pleite gegen einen Drittligisten. Obwohl es danach nicht aussah, als Arie van Lent binnen sechs Minuten (61., 67.) die Union-Führung in ein 1:2 verwandelte.

Ein Kopfball von Steffen Menze (80.) sorgte jedoch wieder für Gleichstand und Freudenfeste auf den vollbesetzten Rängen (18.100 Zuschauer). Es kam zum Elfmeterschießen, was Union vor jedem Pokalspiel extra geübt hatte. Es sollte sich auszahlen, Torwart Sven Beuckert hielt gleich die ersten Schüsse von van Lent und Borussias heutigem Sport-Direktor Max Eberl und legte die Basis für den 4:2-Sieg. Hans Meyer seufzte: "Je weiter man kommt, ohne das Finale zu erreichen, desto mehr schmerzt es." Union wiederum konnte bei Einnahmen von über vier Millionen DM die Final-Niederlage gegen Schalke durch zwei Tore von Jörg Böhme leicht verschmerzen. Aber noch immer galt: keine Berliner Mannschaft kann den Pokal gewinnen.

###more###

2005/2006: FC St. Pauli

Im Kader standen noch ein paar Klublegenden wie Thomas Meggle und Michel Mazingu-Dinzey, aber mit der goldenen Bundesligazeit als sie zum "Weltpokal-Sieger-Besieger" hatte der FC St. Pauli 2005/2006 wenig zu tun. Seit drei Jahren war man mittlerweile drittklassig, die Rückkehr in die 2. Bundesliga war überfällig. Dass es wieder nicht klappte im Jahr, das ins deutsche WM-Sommermärchen mündete, lag auch am außerplanmäßigen Siegeszug im DFB-Pokal. Dort feierte am Pauli am Millerntor einige magische Nächte. Nach Siegen über die Zweitligisten Wacker Burghausen (3:2 n.V.) und VfL Bochum (4:0) wurden auch die Bundesligisten gerupft.

Kurz vor Weihnachten platzte der nächste Traum der Hertha, im Mai Gast im eigenen Zuhause zu sein. St. Pauli drehte ein zweimal verloren geglaubtes Spiel und gewann nach 0:2 und 2:3 in der Verlängerung noch 4:3. Und so strömten am 25. Januar 2006 trotz bitterer Kälte wieder 18.900 ans Millerntor, Werder Bremen kam. Die Nummer drei der Bundesliga wollte aber nicht spielen, als der vereiste Platz besichtigt wurde. Manager Klaus Allofs sprach von einem "Glücksspiel, mit erhöhtem Risiko für die Spieler" und legte Protest ein – als es verloren war. Wütend empfahl er den Gastgebern die Anschaffung einer Rasenheizung, auch weil sich Nationalstürmer Miroslav Klose verletzt hatte.

St. Pauli gewann die "Rutsch-Partie" 3:1 und hatte neue Helden. Die Torschützen Dinzey, Fabian Boll und Timo Schultz sowie Torwart Achim Hollerieth, der beim Stand von 3:1 einen Elfmeter von Tim Borowski hielt. Den Spruch des Tages lieferte Timo Schultz vor dem Spiel: "Bei Werder kämpfen alle um die WM-Teilnahme, wir nur um die Eintrittskarten. Aber heute haben alle nur zwei Beine."

Im Halbfinale galt das auch, bloß lag kein Schnee mehr, als am 12. April die Bayern kamen. Es war der fünfte Gegner mit "B" für St. Pauli, aber das Omen versagte an diesem Tag. Auf tiefem Rasen gingen die Münchner durch Owen Hargreaves früh in Führung, die Oliver Kahn danach mehrmals retten musste. Erst in den letzten sechs Minuten fuhren die Gäste, die auf dem Weg zum Double waren, durch zwei Pizarro-Tore (84., 89.) einen 3:0-Auswärtssieg ein. In der Höhe etwas schmeichelhaft, fand nicht nur Pauli-Keeper Hollerieth: "Wir waren die bessere Mannschaft."