Schiedsrichter mit Pfiff: Das "Phantomtor" und die Folgen

Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff!

Nicht viele Menschen können von sich behaupten, Schöpfer eines Begriffs zu sein, der Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat. Das Wembley-Tor ist untrennbar mit Gottfried Dienst und Tofiq Bahramov verbunden, der Gienger-Salto, richtig, mit Eberhard Gienger, Klaus Fischer hat dem Fallrückzieher ein Gesicht gegeben.

In dieser Reihe ist auch Jörg Jablonski zu nennen. Als er am 23. April 1994 um 15.56 Uhr seinen Arm hob und Schiedsrichter Joachim Osmers im Spiel zwischen Bayern München und dem 1. FC Nürnberg signalisierte, dass Thomas Helmer ein Tor erzielt habe, war das "Phantomtor "geboren. Ein Begriff, der mittlerweile einen eigenen Wikipedia-Eintrag aufweist, so wie Abwrackprämie und Nobelpreis.

Fehler aufgearbeitet, Häme verkraftet

Zwei Jahre nach dem Phantomtor beendete Berufsoldat Jablonski seine Karriere als Schiedsrichter, die alte Freude am Wirken auf dem Platz hat er damals nicht wieder gefunden. 16 Jahre sind seither vergangen, mittlerweile hat Jablonski seinen Fehler aufgearbeitet und auch die Häme verkraftet, die seine Entscheidung ausgelöst hat.

In multipler Funktion ist er dem Schiedsrichterwesen erhalten geblieben, heute ist er Vorsitzender im Kreisschiedsrichter-Ausschuss und Mitglied im Verbandsschiedsrichterausschuss, Schiedsrichteransetzer und Ansprechpartner für die Jungschiedsrichter.

Das Phantomtor hat er verarbeitet, aber nicht verdrängt, es gehört zu seiner Vita, Leugnen zwecklos. „Es war eine schwierige Zeit“, blickt Jablonski zurück. Täglich musste er Anfeindungen aushalten, sogar Morddrohungen hat er damals bekommen. „Ich bin meiner Familie sehr dankbar“, sagt Jörg Jablonski. „Sie hat mich aufgefangen und mir Halt gegeben. Das alles war damals nicht leicht für mich.“

Fehlentscheidung als Initialzündung

Einen positiven Aspekt aber gibt es, den seine Fehlentscheidung nach sich gezogen hat. Sie war nicht nur die Geburtstunde eines neuen Begriffs, sie war in gewisser Weise auch die Initialzündung einer hoffnungsvollen Schiedsrichter-Karriere: der seines Sohnes. „Das kann man schon so sagen“, sagt Sven Jablonski.

Der 20-Jährige wurde zu Beginn der Spielzeit 2009/2010 von der Schiedsrichter-Kommission des Deutschen Fußball-Bundes in den Kreis der Schiedsrichter-Assistenten der 2. Bundesliga berufen, Jablonski junior ist damit der jüngste Schiedsrichter im deutschen Profifußball.

„Sven ist ein junger, dynamischer und bescheidener Schiedsrichter, der aufgrund seiner hohen Sachkenntnis und seiner ruhigen Art und Weise schnell einen guten Kontakt zu den Spielern findet“, sagt Schiedsrichter-Kommissionsmitglied Wilfried Heitmann.

Zu klein, um die Aufregung zu erfassen

All das nahm seinen Anfang am 23. April 1994. Mittelbar. Vier Jahre war Sven damals alt. Er war zu klein, um die Aufregung um seinen Vater erfassen zu können, war zu jung, um zu begreifen, wie sehr und weswegen sein Vater damals gelitten hat. „Zum Glück war das so“, sagt Jörg Jablonski im Rückblick, „denn sonst wäre er wahrscheinlich nicht selber Schiedsrichter geworden.“

Knapp neun Jahre später war es soweit. Auch wegen densPhantomtores. Immer wieder wurde Sven Jablonski in der Schule darauf angesprochen. Jahr für Jahr kochte das Thema in den Medien an den Jahrestagen hoch.

Und Sven Jablonski begann, seinen Vater mit Fragen zu löchern. Bis dieser die alten Videos hervorkramte und seinem Sohn das "Tor" in Wort und Bild erläuterte. „Ich habe ihm alle Umstände geschildert und erklärt, wie es dazu kommen konnte“, sagt der Senior.

Spielen oder Pfeifen?

Bei seinem Sohn hatten diese Erzählungen einen sehr erfreulichen Effekt: Er begann, sich für das Wirken der Schiedsrichters zu interessieren und machte wenig später den Schiedsrichter-Schein.

Mit weitreichenden Folgen. Neun Jahre lang war er als Spieler für den Blumenthaler SV aktiv, durchaus erfolgreich. Bis in die Kreisauswahl hatte es Sven Jablonski geschafft, die Entscheidung zwischen Spielen und Pfeifen fiel ihm deswegen nicht leicht.

Doch nach einem Jahr in Doppelfunktion gab er schließlich das Spielen auf. „Es ging nicht anders“, sagt Sven Jablonski, „wenn ich etwas mache, dann mache ich es auch richtig.“

Unterstützt, ohne zu drängen

Sein Vater hat ihn in dieser Entscheidung gestützt, ohne ihn zu drängen. „Ich habe schnell gemerkt, dass er außergewöhnliches Talent hat“, sagt Jörg Jablonski über seinen Sohn. Natürliche Autorität, Fähigkeiten in der verbalen und nonverbalen Kommunikation sowie der Umgang mit den Spielern nennt er als Stärken seines Sohnes. „Bei ihm gab es noch nie irgendwelche Probleme“, sagt der Vater.

So soll es auch bleiben. Sven Jablonski jedenfalls hat nicht vor, von seinem Weg abzukommen. „Mir hat es immer Spaß gemacht, auf dem Platz zu stehen und Entscheidungen zu treffen“, sagt er. Ob, wie zu Beginn, im Jugendbereich, oder jetzt als junger Schiedsrichter bei den Herren.

Jedes Jahr ein Stück weiter nach oben

Jedes Jahr ging es für ihn ein Stück die Karriereleiter hinauf. Im abgelaufenen Spieljahr überzeugte er mit einer herausragenden Leistung in der Regionalliga, gleichzeitig bewährte er sich als Schiedsrichterassistent in der 3. Liga.

Die Belohnung erfolgte durch die Schiedsrichter-Kommission in Form der Berufung in den Kader der Zweitligaassistenten für die Spielzeit 2010/2011. „Sven Jablonski ist eines der vielen großen Talente unter den deutschen Schiedsrichtern“, sagt Heitmann. Der Vertreter des Regionalverbands Nord setzt große Hoffnungen in den zweiten Jablonski, der als Schiedsrichter in Deutschland Karriere macht.

"Viel Spaß auf dem Platz haben"

Im Januar 2011 wird Sven Jablonski seine Ausbildung als Bankkaufmann abgeschlossen haben und in den Beruf einsteigen. Negative Auswirkungen auf seine Laufbahn wird dies nicht haben. „Mit meinem Arbeitgeber ist alles besprochen“, sagt Sven Jablonski. „Ich bekomme volle Unterstützung, dafür bin ich sehr dankbar.“

Konkrete Ziele für seine Karriere als Schiedsrichter setzt er sich nicht. Zweite Liga, Bundesliga, internationale Einsätze? Jablonski sieht seine Aussichten ganz entspannt. „Natürlich würde ich mich nicht dagegen wehren“, sagt er, „wichtig ist mir aber vor allem, dass ich weiter so viel Spaß auf dem Platz habe und gute Leistungen bringe. Alles andere kommt von ganz alleine.“

[sl]

[bild1]

Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff!

Nicht viele Menschen können von sich behaupten, Schöpfer eines Begriffs zu sein, der Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat. Das Wembley-Tor ist untrennbar mit Gottfried Dienst und Tofiq Bahramov verbunden, der Gienger-Salto, richtig, mit Eberhard Gienger, Klaus Fischer hat dem Fallrückzieher ein Gesicht gegeben.

In dieser Reihe ist auch Jörg Jablonski zu nennen. Als er am 23. April 1994 um 15.56 Uhr seinen Arm hob und Schiedsrichter Joachim Osmers im Spiel zwischen Bayern München und dem 1. FC Nürnberg signalisierte, dass Thomas Helmer ein Tor erzielt habe, war das "Phantomtor "geboren. Ein Begriff, der mittlerweile einen eigenen Wikipedia-Eintrag aufweist, so wie Abwrackprämie und Nobelpreis.

Fehler aufgearbeitet, Häme verkraftet

Zwei Jahre nach dem Phantomtor beendete Berufsoldat Jablonski seine Karriere als Schiedsrichter, die alte Freude am Wirken auf dem Platz hat er damals nicht wieder gefunden. 16 Jahre sind seither vergangen, mittlerweile hat Jablonski seinen Fehler aufgearbeitet und auch die Häme verkraftet, die seine Entscheidung ausgelöst hat.

In multipler Funktion ist er dem Schiedsrichterwesen erhalten geblieben, heute ist er Vorsitzender im Kreisschiedsrichter-Ausschuss und Mitglied im Verbandsschiedsrichterausschuss, Schiedsrichteransetzer und Ansprechpartner für die Jungschiedsrichter.

Das Phantomtor hat er verarbeitet, aber nicht verdrängt, es gehört zu seiner Vita, Leugnen zwecklos. „Es war eine schwierige Zeit“, blickt Jablonski zurück. Täglich musste er Anfeindungen aushalten, sogar Morddrohungen hat er damals bekommen. „Ich bin meiner Familie sehr dankbar“, sagt Jörg Jablonski. „Sie hat mich aufgefangen und mir Halt gegeben. Das alles war damals nicht leicht für mich.“

Fehlentscheidung als Initialzündung

Einen positiven Aspekt aber gibt es, den seine Fehlentscheidung nach sich gezogen hat. Sie war nicht nur die Geburtstunde eines neuen Begriffs, sie war in gewisser Weise auch die Initialzündung einer hoffnungsvollen Schiedsrichter-Karriere: der seines Sohnes. „Das kann man schon so sagen“, sagt Sven Jablonski.

Der 20-Jährige wurde zu Beginn der Spielzeit 2009/2010 von der Schiedsrichter-Kommission des Deutschen Fußball-Bundes in den Kreis der Schiedsrichter-Assistenten der 2. Bundesliga berufen, Jablonski junior ist damit der jüngste Schiedsrichter im deutschen Profifußball.

„Sven ist ein junger, dynamischer und bescheidener Schiedsrichter, der aufgrund seiner hohen Sachkenntnis und seiner ruhigen Art und Weise schnell einen guten Kontakt zu den Spielern findet“, sagt Schiedsrichter-Kommissionsmitglied Wilfried Heitmann.

Zu klein, um die Aufregung zu erfassen

All das nahm seinen Anfang am 23. April 1994. Mittelbar. Vier Jahre war Sven damals alt. Er war zu klein, um die Aufregung um seinen Vater erfassen zu können, war zu jung, um zu begreifen, wie sehr und weswegen sein Vater damals gelitten hat. „Zum Glück war das so“, sagt Jörg Jablonski im Rückblick, „denn sonst wäre er wahrscheinlich nicht selber Schiedsrichter geworden.“

Knapp neun Jahre später war es soweit. Auch wegen densPhantomtores. Immer wieder wurde Sven Jablonski in der Schule darauf angesprochen. Jahr für Jahr kochte das Thema in den Medien an den Jahrestagen hoch.

Und Sven Jablonski begann, seinen Vater mit Fragen zu löchern. Bis dieser die alten Videos hervorkramte und seinem Sohn das "Tor" in Wort und Bild erläuterte. „Ich habe ihm alle Umstände geschildert und erklärt, wie es dazu kommen konnte“, sagt der Senior.

Spielen oder Pfeifen?

Bei seinem Sohn hatten diese Erzählungen einen sehr erfreulichen Effekt: Er begann, sich für das Wirken der Schiedsrichters zu interessieren und machte wenig später den Schiedsrichter-Schein.

Mit weitreichenden Folgen. Neun Jahre lang war er als Spieler für den Blumenthaler SV aktiv, durchaus erfolgreich. Bis in die Kreisauswahl hatte es Sven Jablonski geschafft, die Entscheidung zwischen Spielen und Pfeifen fiel ihm deswegen nicht leicht.

Doch nach einem Jahr in Doppelfunktion gab er schließlich das Spielen auf. „Es ging nicht anders“, sagt Sven Jablonski, „wenn ich etwas mache, dann mache ich es auch richtig.“

[bild2]

Unterstützt, ohne zu drängen

Sein Vater hat ihn in dieser Entscheidung gestützt, ohne ihn zu drängen. „Ich habe schnell gemerkt, dass er außergewöhnliches Talent hat“, sagt Jörg Jablonski über seinen Sohn. Natürliche Autorität, Fähigkeiten in der verbalen und nonverbalen Kommunikation sowie der Umgang mit den Spielern nennt er als Stärken seines Sohnes. „Bei ihm gab es noch nie irgendwelche Probleme“, sagt der Vater.

So soll es auch bleiben. Sven Jablonski jedenfalls hat nicht vor, von seinem Weg abzukommen. „Mir hat es immer Spaß gemacht, auf dem Platz zu stehen und Entscheidungen zu treffen“, sagt er. Ob, wie zu Beginn, im Jugendbereich, oder jetzt als junger Schiedsrichter bei den Herren.

Jedes Jahr ein Stück weiter nach oben

Jedes Jahr ging es für ihn ein Stück die Karriereleiter hinauf. Im abgelaufenen Spieljahr überzeugte er mit einer herausragenden Leistung in der Regionalliga, gleichzeitig bewährte er sich als Schiedsrichterassistent in der 3. Liga.

Die Belohnung erfolgte durch die Schiedsrichter-Kommission in Form der Berufung in den Kader der Zweitligaassistenten für die Spielzeit 2010/2011. „Sven Jablonski ist eines der vielen großen Talente unter den deutschen Schiedsrichtern“, sagt Heitmann. Der Vertreter des Regionalverbands Nord setzt große Hoffnungen in den zweiten Jablonski, der als Schiedsrichter in Deutschland Karriere macht.

"Viel Spaß auf dem Platz haben"

Im Januar 2011 wird Sven Jablonski seine Ausbildung als Bankkaufmann abgeschlossen haben und in den Beruf einsteigen. Negative Auswirkungen auf seine Laufbahn wird dies nicht haben. „Mit meinem Arbeitgeber ist alles besprochen“, sagt Sven Jablonski. „Ich bekomme volle Unterstützung, dafür bin ich sehr dankbar.“

Konkrete Ziele für seine Karriere als Schiedsrichter setzt er sich nicht. Zweite Liga, Bundesliga, internationale Einsätze? Jablonski sieht seine Aussichten ganz entspannt. „Natürlich würde ich mich nicht dagegen wehren“, sagt er, „wichtig ist mir aber vor allem, dass ich weiter so viel Spaß auf dem Platz habe und gute Leistungen bringe. Alles andere kommt von ganz alleine.“