Sasic über Integration: "Alle müssen jeden Tag daran arbeiten"

"Als Stürmerin veredelt man die Arbeit der ganzen Mannschaft", sagt Celia Šašić. Die frühere Champions-League-Siegerin und WM-Torschützenkönigin hat vor drei Jahren ihre aktive Laufbahn beendet. Im September nun stand sie neben Philipp Lahm und DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius auf einer Bühne im schweizerischen Nyon und warb für Deutschland als Ausrichter der EURO 2024. Im DFB.de-Interview spricht Celia Šašić mit Redakteur Thomas Hackbarth am Rande der 4. DFB-Jahreskonferenz Gesellschaftliche Verantwortung über Tore und andere Treffer fürs Fußballland Deutschland.

DFB.de: Am Abend der erfolgreichen Bewerbung meldete die Bild-Zeitung "Šašić machte die EM endgültig klar". Was war das für ein Moment?

Celia Šašić: Ein seltsamer Moment. Wir saßen abends zusammen, und dann war es Friedrich (Curtius, der DFB-Generalsekretär; Anm. d. Red.), der mir sein Handy rüberreichte und sagte: "Schau' mal." Ich glaube, da wurde mir erst bewusst, wie wichtig jeder einzelne Auftritt gewesen war. Für mich war es von Beginn an eine Ehre, ich war stolz, zur offiziellen DFB-Delegation zu gehören und aktiv auf dem Podium mitwirken zu können. Klar bin ich glücklich, dass unsere Mission erfolgreich gelaufen ist.

DFB.de: UEFA-Exko-Mitglied Michael van Praag hatte während der Präsentation der deutschen Bewerbung eine kritische Frage gestellt, darauf haben Sie reagiert.

Šašić: Van Praag hat das Menschenrechtskonzept angesprochen, das der DFB als erster Sportverband weltweit beim Pitch um die EURO-Ausrichtung abgegeben hatte. Im Endeffekt erwies sich seine Frage als Vorlage, weil uns das ganz offensichtlich von der türkischen Bewerbung abgehoben hat. Ich habe dann versucht zu schildern, wie wir dieses Konzept umsetzen wollen. Für einen großen Sportverband halte ich das für unerlässlich.

DFB.de: War es abgesprochen, dass Sie antworten würden?

Šašić: Man geht vorbereitet in so eine wichtige Entscheidung. Wir hatten für uns fünf Podiumsmitglieder die Themenfelder definiert. Auf der Bühne standen Friedrich Curtius, Philipp Lahm, Joachim Löw, DFB-Abteilungsleiter Markus Stenger und ich. Zur Delegation gehörten viele andere.

DFB.de: Wie war die Stimmung im Team?

Šašić: Für das Fußballgeschäft waren wir schon eine recht junge Delegation. Bei Fußballfunktionären denkt man sonst eher an Ü 60. Da lagen wir deutlich drunter. Wir haben uns extrem gut vorbereitet und dann sehr locker und sehr lebendig präsentiert. Hat Spaß gemacht.

DFB.de: Vom Titelgewinn mal abgesehen, was wünschen Sie sich für die EURO 2024?

Šašić: Ich wünsche mir, dass viele Menschen die Werte dieser EURO - Vielfalt, Fair Play, Europa - mittragen und sich dabei einbringen. Wir alle wünschen uns, dass wieder dieser positive Spirit wie beim Sommermärchen spürbar wird. Wir werden Gäste aus ganz Europa im Land haben. Alle sollen nach Hause gehen und tolle, unvergessliche Eindrücke von Deutschland mitnehmen.

DFB.de: Wie weit ist das EURO-Gastgeberland Deutschland bei der Integration?

Šašić: So etwas ist nicht messbar. Die Frage impliziert auch, dass es irgendwann vorbei, irgendwann geschafft ist. Aber Integration ist ein stetiger Prozess. Ich tue mich sehr schwer, mit ein, zwei Worten zu sagen, das mit der Integration ist so und so. Wir müssen alle jeden Tag daran arbeiten.

DFB.de: Sie waren 15 Jahre, hatten noch einen französischen Pass und nahmen trotzdem an einem Sichtungstraining der deutschen Juniorinnennationalmannschaft teil. Wie kam es damals dazu?

Šašić: (lacht) Na ja, mir war schon klar, dass ich nur einen französischen Pass habe. Wenn man gut ist, kommt man in die Kreisauswahl, dann in die Verbandsauswahl und danach ist eben der nächste Schritt die Nationalmannschaft. Eine USA-Reise stand bevor, da wollte ich dabei sein. Und dann hieß es, mir fehle aber der Pass. Das gab mir den Anstoß, endlich die deutsche Staatsbürgerschaft anzufragen. Ich fühlte mich dadurch aber nicht weniger oder mehr deutsch.

DFB.de: Und ein paar Jahre später waren Sie U 19-Weltmeisterin.

Šašić: Im Januar 2004 habe ich mein erstes U 17-Länderspiel für Deutschland gemacht, im November sind wir mit der Mannschaft U 19-Weltmeister geworden.

DFB.de: In diesen Sommer sind Sie nun 30 geworden. Eigentlich eine gute Zeit fürs Comeback.

Šašić: Für die meisten Leute ist das eine gute Zeit, um aufzuhören... (lacht) Ich habe die Entscheidung, meine aktive Zeit zu beenden, vor drei Jahren sehr bewusst getroffen. Der Fußball wird immer meine große Leidenschaft bleiben. Für mich ist und bleibt er der schönste Sport. Wenn ich etwa für einen guten Zweck spiele, macht es mir bis heute riesigen Spaß. Ich habe jetzt so viele neue Orte und Handlungsfelder des Fußballs kennengelernt. Gerade auch die Mitarbeit bei der EURO-Bewerbung hat mir gut gefallen. Da will ich mich weiterentwickeln.

DFB.de: Seit Kurzem sind Sie auch TV-Fußballexpertin für Sport1. Wie waren die ersten Sendungen?

Šašić: Ja, das ist auch etwas ganz Neues für mich, beim Fantalk und im Sport1-Doppelpass. Ich lerne neue Sichtweisen kennen, bisher habe ich ja über den Fußball immer nur aus der Perspektive der Spielerin nachgedacht.

DFB.de: So furchtbar viele Frauen sitzen sonst eher nicht in der sonntäglichen Doppelpass-Runde.

Šašić: Mir gefällt das. Die Sendung hat Gewicht, was hier gesagt wird, bestimmt für die nächsten Tage die Fußballdiskussion in Deutschland. Schon als Kind habe ich den Doppelpass geschaut. Sonntags 11 Uhr, das war in unserer Familie eine Institution. Dass ich dort meistens in einer Männerrunde sitze, finde ich nicht schlimm. Als ich angefangen habe Fußball zu spielen, war ich auch meistens das einzige Mädchen.

DFB.de: Als deutsche Nationalstürmerin zeichnete Sie Ihr starker Kopfball aus, Sie waren beidfüßig und kalt im Abschluss, haben aber durchaus auch mal die freie Mitspielerin bedient. War das Ihr Anspruch, eine komplette Stürmerin zu sein?

Šašić: (lacht) Tore schießen konnte ich immer am besten. Für mich war beim Fußball immer klar: Das Ziel ist es, ein Tor zu schießen. Das gibt einem die größtmögliche Befriedigung. Diese Rolle wollte ich tatsächlich komplett ausfüllen. Und es hat ja über die Jahre ganz gut funktioniert. Als Stürmerin veredelt man die Arbeit der gesamten Mannschaft.

DFB.de: Welchem Stürmer schauen Sie momentan am liebsten bei der Arbeit zu?

Šašić: Kylian Mbappé. Wenn wir über Weltklassestürmer reden, muss man natürlich immer auch Cristiano Ronaldo und Lionel Messi nennen - wenn man alleine bedenkt, über welchen Zeitraum beide konstant Leistung bringen. Aber Kylian Mbappé ist mit seinen jungen Jahren schon enorm weit. Bei extremen Tempo ist er immer noch trickreich, auch im gegnerischen Strafraum, er ist mutig, geht dauernd ins Eins-gegen-Eins. Bei der WM hat er eine Schlüsselrolle gespielt. Mit seinen 19 Jahren ist er ein Vorbild für junge französische Fußballer.

DFB.de: Haben Sie hier in Berlin auch mal einen Moment gefunden, um mit DFB-Präsident Reinhard Grindel über Ihre weitere Rolle auf dem Weg zur EURO 2024 zu sprechen?

Šašić: Wir sind jedenfalls im Gespräch. Vieles muss noch strukturiert werden. Die Rollen müssen erst mal definiert, dann konkrete Aufgaben den Rollen zugeteilt werden. Für mich ist es wichtig, dass ich von einer Sache zu 100 Prozent überzeugt bin. Die EURO 2024 in Deutschland gehört sicher dazu.

[th]

"Als Stürmerin veredelt man die Arbeit der ganzen Mannschaft", sagt Celia Šašić. Die frühere Champions-League-Siegerin und WM-Torschützenkönigin hat vor drei Jahren ihre aktive Laufbahn beendet. Im September nun stand sie neben Philipp Lahm und DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius auf einer Bühne im schweizerischen Nyon und warb für Deutschland als Ausrichter der EURO 2024. Im DFB.de-Interview spricht Celia Šašić mit Redakteur Thomas Hackbarth am Rande der 4. DFB-Jahreskonferenz Gesellschaftliche Verantwortung über Tore und andere Treffer fürs Fußballland Deutschland.

DFB.de: Am Abend der erfolgreichen Bewerbung meldete die Bild-Zeitung "Šašić machte die EM endgültig klar". Was war das für ein Moment?

Celia Šašić: Ein seltsamer Moment. Wir saßen abends zusammen, und dann war es Friedrich (Curtius, der DFB-Generalsekretär; Anm. d. Red.), der mir sein Handy rüberreichte und sagte: "Schau' mal." Ich glaube, da wurde mir erst bewusst, wie wichtig jeder einzelne Auftritt gewesen war. Für mich war es von Beginn an eine Ehre, ich war stolz, zur offiziellen DFB-Delegation zu gehören und aktiv auf dem Podium mitwirken zu können. Klar bin ich glücklich, dass unsere Mission erfolgreich gelaufen ist.

DFB.de: UEFA-Exko-Mitglied Michael van Praag hatte während der Präsentation der deutschen Bewerbung eine kritische Frage gestellt, darauf haben Sie reagiert.

Šašić: Van Praag hat das Menschenrechtskonzept angesprochen, das der DFB als erster Sportverband weltweit beim Pitch um die EURO-Ausrichtung abgegeben hatte. Im Endeffekt erwies sich seine Frage als Vorlage, weil uns das ganz offensichtlich von der türkischen Bewerbung abgehoben hat. Ich habe dann versucht zu schildern, wie wir dieses Konzept umsetzen wollen. Für einen großen Sportverband halte ich das für unerlässlich.

DFB.de: War es abgesprochen, dass Sie antworten würden?

Šašić: Man geht vorbereitet in so eine wichtige Entscheidung. Wir hatten für uns fünf Podiumsmitglieder die Themenfelder definiert. Auf der Bühne standen Friedrich Curtius, Philipp Lahm, Joachim Löw, DFB-Abteilungsleiter Markus Stenger und ich. Zur Delegation gehörten viele andere.

DFB.de: Wie war die Stimmung im Team?

Šašić: Für das Fußballgeschäft waren wir schon eine recht junge Delegation. Bei Fußballfunktionären denkt man sonst eher an Ü 60. Da lagen wir deutlich drunter. Wir haben uns extrem gut vorbereitet und dann sehr locker und sehr lebendig präsentiert. Hat Spaß gemacht.

DFB.de: Vom Titelgewinn mal abgesehen, was wünschen Sie sich für die EURO 2024?

Šašić: Ich wünsche mir, dass viele Menschen die Werte dieser EURO - Vielfalt, Fair Play, Europa - mittragen und sich dabei einbringen. Wir alle wünschen uns, dass wieder dieser positive Spirit wie beim Sommermärchen spürbar wird. Wir werden Gäste aus ganz Europa im Land haben. Alle sollen nach Hause gehen und tolle, unvergessliche Eindrücke von Deutschland mitnehmen.

DFB.de: Wie weit ist das EURO-Gastgeberland Deutschland bei der Integration?

Šašić: So etwas ist nicht messbar. Die Frage impliziert auch, dass es irgendwann vorbei, irgendwann geschafft ist. Aber Integration ist ein stetiger Prozess. Ich tue mich sehr schwer, mit ein, zwei Worten zu sagen, das mit der Integration ist so und so. Wir müssen alle jeden Tag daran arbeiten.

DFB.de: Sie waren 15 Jahre, hatten noch einen französischen Pass und nahmen trotzdem an einem Sichtungstraining der deutschen Juniorinnennationalmannschaft teil. Wie kam es damals dazu?

Šašić: (lacht) Na ja, mir war schon klar, dass ich nur einen französischen Pass habe. Wenn man gut ist, kommt man in die Kreisauswahl, dann in die Verbandsauswahl und danach ist eben der nächste Schritt die Nationalmannschaft. Eine USA-Reise stand bevor, da wollte ich dabei sein. Und dann hieß es, mir fehle aber der Pass. Das gab mir den Anstoß, endlich die deutsche Staatsbürgerschaft anzufragen. Ich fühlte mich dadurch aber nicht weniger oder mehr deutsch.

DFB.de: Und ein paar Jahre später waren Sie U 19-Weltmeisterin.

Šašić: Im Januar 2004 habe ich mein erstes U 17-Länderspiel für Deutschland gemacht, im November sind wir mit der Mannschaft U 19-Weltmeister geworden.

DFB.de: In diesen Sommer sind Sie nun 30 geworden. Eigentlich eine gute Zeit fürs Comeback.

Šašić: Für die meisten Leute ist das eine gute Zeit, um aufzuhören... (lacht) Ich habe die Entscheidung, meine aktive Zeit zu beenden, vor drei Jahren sehr bewusst getroffen. Der Fußball wird immer meine große Leidenschaft bleiben. Für mich ist und bleibt er der schönste Sport. Wenn ich etwa für einen guten Zweck spiele, macht es mir bis heute riesigen Spaß. Ich habe jetzt so viele neue Orte und Handlungsfelder des Fußballs kennengelernt. Gerade auch die Mitarbeit bei der EURO-Bewerbung hat mir gut gefallen. Da will ich mich weiterentwickeln.

DFB.de: Seit Kurzem sind Sie auch TV-Fußballexpertin für Sport1. Wie waren die ersten Sendungen?

Šašić: Ja, das ist auch etwas ganz Neues für mich, beim Fantalk und im Sport1-Doppelpass. Ich lerne neue Sichtweisen kennen, bisher habe ich ja über den Fußball immer nur aus der Perspektive der Spielerin nachgedacht.

DFB.de: So furchtbar viele Frauen sitzen sonst eher nicht in der sonntäglichen Doppelpass-Runde.

Šašić: Mir gefällt das. Die Sendung hat Gewicht, was hier gesagt wird, bestimmt für die nächsten Tage die Fußballdiskussion in Deutschland. Schon als Kind habe ich den Doppelpass geschaut. Sonntags 11 Uhr, das war in unserer Familie eine Institution. Dass ich dort meistens in einer Männerrunde sitze, finde ich nicht schlimm. Als ich angefangen habe Fußball zu spielen, war ich auch meistens das einzige Mädchen.

DFB.de: Als deutsche Nationalstürmerin zeichnete Sie Ihr starker Kopfball aus, Sie waren beidfüßig und kalt im Abschluss, haben aber durchaus auch mal die freie Mitspielerin bedient. War das Ihr Anspruch, eine komplette Stürmerin zu sein?

Šašić: (lacht) Tore schießen konnte ich immer am besten. Für mich war beim Fußball immer klar: Das Ziel ist es, ein Tor zu schießen. Das gibt einem die größtmögliche Befriedigung. Diese Rolle wollte ich tatsächlich komplett ausfüllen. Und es hat ja über die Jahre ganz gut funktioniert. Als Stürmerin veredelt man die Arbeit der gesamten Mannschaft.

DFB.de: Welchem Stürmer schauen Sie momentan am liebsten bei der Arbeit zu?

Šašić: Kylian Mbappé. Wenn wir über Weltklassestürmer reden, muss man natürlich immer auch Cristiano Ronaldo und Lionel Messi nennen - wenn man alleine bedenkt, über welchen Zeitraum beide konstant Leistung bringen. Aber Kylian Mbappé ist mit seinen jungen Jahren schon enorm weit. Bei extremen Tempo ist er immer noch trickreich, auch im gegnerischen Strafraum, er ist mutig, geht dauernd ins Eins-gegen-Eins. Bei der WM hat er eine Schlüsselrolle gespielt. Mit seinen 19 Jahren ist er ein Vorbild für junge französische Fußballer.

DFB.de: Haben Sie hier in Berlin auch mal einen Moment gefunden, um mit DFB-Präsident Reinhard Grindel über Ihre weitere Rolle auf dem Weg zur EURO 2024 zu sprechen?

Šašić: Wir sind jedenfalls im Gespräch. Vieles muss noch strukturiert werden. Die Rollen müssen erst mal definiert, dann konkrete Aufgaben den Rollen zugeteilt werden. Für mich ist es wichtig, dass ich von einer Sache zu 100 Prozent überzeugt bin. Die EURO 2024 in Deutschland gehört sicher dazu.

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