Sammer: "Unser Anspruch ist die absolute Weltspitze"

Nach seinen Erinnerungen zum EM-Titelgewinn 1996 im ersten Teil zieht Matthias Sammer im zweiten Teil des aktuellen "DFB.de-Gesprächs der Woche" mit den DFB-Internetredakteuren Thomas Hackbarth und Christian Müller eine Bilanz seiner am Dienstag genau zwei Jahre währenden Amtszeit als DFB-Sportdirektor.

Der frühere Meistertrainer von Borussia Dortmund erläutert die Philosophie bei der Arbeit mit Talenten und formuliert hohe Ziele: Mit den DFB-Junioren will er "in die absolute Weltspitze".

Frage: Fast genau auf den Tag vor zwei Jahren haben Sie beim DFB den neu geschaffenen Posten als Sportdirektor trotz einiger skeptischer Stimmen angetreten - und binnen kürzester Zeit auch Kritiker überzeugt. Ist der Verband heute ohne diese Position überhaupt noch denkbar?

Matthias Sammer: Ich habe damals bereits gesagt, dass unabhängig von meiner Person eine kluge Entscheidung gefällt wurde. Erst durch die Besetzung des Sportdirektors wird der Verband den anstehenden Aufgaben und der Zusammenarbeit mit der sportlichen Leitung gerecht.

Frage: Wie haben Sie in den vergangenen beiden Jahren Ihr Profil als Sportdirektor schärfen können?

Matthias Sammer: Für mich war es entscheidend, dass ich damals, als ich mich erstmals mit dieser Position und den Aufgaben konfrontiert sah, ein Feuer in mir gespürt habe. Es handelt sich um ein breites Spektrum, so dass entscheidend war, die Dinge zu strukturieren. Dabei war es auch eine Hilfe, dass mir ein wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Seite gestellt wurde. Dann konnte ich daran gehen, die genauen Aufgaben und Ziele unserer Leitungsfunktion entsprechend zu definieren.

Frage: Ein Prestigeprojekt ist dabei die von Ihnen formulierte Eliteförderung. Sind Sie damit beim Verband oder den Vereinen auf Widerstände gestoßen?

Matthias Sammer: Ich habe mich vom ersten Tag an ganz klar zur Elite bekannt. Das ist eine zentrale Position, und das wurde auch seitens des DFB von Beginn an so mitgetragen. Parallel dazu habe ich eine Ausbildungskonzeption geschrieben, die auch frühe Etappen beinhaltet, bei denen wir etwa schon die dreijährigen Kinder ansprechen und fördern wollen. Als ich diese Gedanken erstmals offen formulierte, begegnete mir schon Skepsis. "Was will er denn jetzt?" werden manche gedacht haben. Aber Elite kann eben ohne Basis nicht funktionieren. Wir müssen bereits in den Kindergärten und während der ersten Schuljahre Grundlagen legen, um später sportlich und inhaltlich darauf aufzubauen. Für diesen ganzheitlichen Ansatz, sowohl sportlich als auch erzieherisch, entstand dann schnell eine breite Zustimmung, für die ich dankbar bin.

Frage: In besagter Ausbildungskonzeption skizzieren Sie den "weiten Weg zum Erfolg". Welche Etappen auf diesem Weg sind bereits zurückgelegt?

Matthias Sammer: Wir wollen mit dieser Konzeption, die wir in den Vereinen verteilt und über die einschlägigen Trainerzeitschriften lanciert haben, auf einfache und strukturierte Weise Hinweise geben, wie der Fußball gelehrt und umgesetzt werden soll. Als nächsten Schritt wurde in Abstimmung mit der sportlichen Leitung der Nationalmannschaft und nach intensivem Gedankenaustausch im Sport-Kompetenzgremium eine Spielphilosophie für die U-Nationalmannschaften entwickelt. Die Schlüsselposition aber war, ist und bleibt der Trainer, also haben wir die Trainerausbildung weiter entwickelt. Mit Frank Wormuth haben wir einen exzellenten Mann gefunden, der die guten Vorgaben von seinem Vorgänger Erich Rutemöller weiter optimiert und ein Stück auch verändern wird.

DFB-Sportdirektor Matthias Sammer: Bilder eine Laufbahn

Frage: Wie ist die Ansprache an die jungen Spieler, die ja vielen Einflüssen ausgesetzt sind?

Matthias Sammer: Im nächsten Monat werden wir einen wie schon lange beim A-Team üblichen nun auch für die Junioren-Nationalmannschaften an die Spieler adressierten Verhaltenskatalog herausbringen. Dieser Katalog fußt auf den Werten des DFB. Wir wollen gewisse Verhaltensweisen beschreiben, da wir einen Teil der Betreuung von Juniorenmannschaften durchaus auch als erzieherische Aufgabe verstehen. Die Spieler sind fußballerisch wieder wesentlich besser ausgebildet, aber es gibt klar erkennbare Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung. Der rote Faden ist erkennbar: Ausbildungskonzeption, Spielphilosophie, Verhaltenskatalog, Trainerausbildung.

Frage: Ein ebenso wichtiges wie aufwändiges Projekt ist die umfassende Datenbank für die Junioren-Nationalspieler. Wie weit ist der Aufbau gediehen?

Matthias Sammer: Wir brauchen die Datenbank, um unsere Spieler einzeln zu betreuen. Wenn wir von individualisierter Betreuung sprechen, müssen wir diese Daten bereit halten, und aus diesen Daten müssen letztendlich Trainingsempfehlungen entstehen und dann in einer Kontrollfunktion enden - nur dann sind wir wirklich an der Entwicklung des Spielers beteiligt. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Die Benennung von Eliteschulen und damit die Voraussetzung für die Leistungszentren zu schaffen, war ebenfalls eine kluge Entscheidung des DFB. Der junge Spieler trainiert hier mehr.

Frage: Sie haben auch die "Rundum-Betreuung" der U-Nationalmannschaften, etwa mit noch intensiverer medizinischer und sportpsychologischer Hilfe, vorangetrieben. Haben sich diese Maßnahmen in der Praxis schon positiv ausgewirkt?

Matthias Sammer: Unser Anspruch muss doch einfach sein, den Spielern und dem Trainer die Möglichkeit zu geben, mit Spezialisten zusammenzuarbeiten. Egal ob bei der taktischen Schulung, dem Trainieren der Fitness oder bei der Persönlichkeitsentwicklung. Die Spieler müssen begreifen, dass sie selbst für ihre Entwicklung verantwortlich sind. Trainer und Stab begleiten diese Entwicklung nur. Auf diesem Weg durften wir bereits Teilerfolge feiern, wenn ich beispielsweise an den dritten Platz bei der U 17-WM 2007 denke. Bayern Münchens Toni Kroos wurde bei diesem Turnier zum weltbesten Spieler seiner Altersstufe gewählt. Es gibt sicher auch mal Rückschläge, aber die nehmen wir in Kauf, denn der von uns eingeschlagene Weg ist konkurrenzlos.

Frage: In diesem Jahr steht für die U 21 die EM-Qualifikation auf dem Programm. Was erwarten Sie vom Eilts-Team und den anderen Auswahlmannschaften 2008?

Matthias Sammer: Das Erreichen der Play-offs ist einfach Pflicht, dann ist es auch abhängig davon, auf wenn man trifft. Dieser Modus birgt eben einige Risiken. Doch wir haben ein hohes Maß and Quantität und Qualität, wir müssen im entscheidenden Moment präsent sein. Wir wollen mit unserer Mannschaft nach Schweden. Denn das ist unser Anspruch: Wir wollen mit unseren Junioren in die absolute Weltspitze.

Frage: Abschließende Frage: Beim DFB-Bundestag 2007 in Mainz sind Sie ins DFB-Präsidium aufgerückt – eine Anerkennung Ihrer Arbeit. Wie können Sie dafür den nun sicher noch größeren Einfluss nutzen?

Matthias Sammer: Mein persönlicher Dank gilt Dr. Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt und auch Wolfgang Niersbach dafür, dass sowohl Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff als auch ich Gelegenheit haben, im Präsidium dabeizusein. Bierhoff vertritt besonders die Interessen der Nationalmannschaft, während ich eher die Nachwuchsarbeit und die gesamte sportliche Entwicklung der Talente im Blickpunkt habe. Das Präsidium bespricht viele organisatorische Schwerpunkte, und wir versuchen, diese Diskussionen sportlich zu begleiten. Letztlich informieren wir das Präsidium über den aktuellen Stand. Denn eins ist doch ganz klar: Der deutsche Fußball steht und fällt mit der A-Nationalmannschaft. Dass diese absolute Priorität erkannt ist und die sportlich Verantwortlichen auch gehört werden, bringt eine ganz neue Qualität in diesen Verband.

Den ersten Teil des Gesprächs der Woche mit Matthias Sammer finden Sie hier.

[th/cm]

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Nach seinen Erinnerungen zum EM-Titelgewinn 1996 im ersten Teil zieht Matthias Sammer im zweiten Teil des aktuellen "DFB.de-Gesprächs der Woche" mit den DFB-Internetredakteuren Thomas Hackbarth und Christian Müller eine Bilanz seiner am Dienstag genau zwei Jahre währenden Amtszeit als DFB-Sportdirektor.

Der frühere Meistertrainer von Borussia Dortmund erläutert die Philosophie bei der Arbeit mit Talenten und formuliert hohe Ziele: Mit den DFB-Junioren will er "in die absolute Weltspitze".

Frage: Fast genau auf den Tag vor zwei Jahren haben Sie beim DFB den neu geschaffenen Posten als Sportdirektor trotz einiger skeptischer Stimmen angetreten - und binnen kürzester Zeit auch Kritiker überzeugt. Ist der Verband heute ohne diese Position überhaupt noch denkbar?

Matthias Sammer: Ich habe damals bereits gesagt, dass unabhängig von meiner Person eine kluge Entscheidung gefällt wurde. Erst durch die Besetzung des Sportdirektors wird der Verband den anstehenden Aufgaben und der Zusammenarbeit mit der sportlichen Leitung gerecht.

Frage: Wie haben Sie in den vergangenen beiden Jahren Ihr Profil als Sportdirektor schärfen können?

Matthias Sammer: Für mich war es entscheidend, dass ich damals, als ich mich erstmals mit dieser Position und den Aufgaben konfrontiert sah, ein Feuer in mir gespürt habe. Es handelt sich um ein breites Spektrum, so dass entscheidend war, die Dinge zu strukturieren. Dabei war es auch eine Hilfe, dass mir ein wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Seite gestellt wurde. Dann konnte ich daran gehen, die genauen Aufgaben und Ziele unserer Leitungsfunktion entsprechend zu definieren.

Frage: Ein Prestigeprojekt ist dabei die von Ihnen formulierte Eliteförderung. Sind Sie damit beim Verband oder den Vereinen auf Widerstände gestoßen?

Matthias Sammer: Ich habe mich vom ersten Tag an ganz klar zur Elite bekannt. Das ist eine zentrale Position, und das wurde auch seitens des DFB von Beginn an so mitgetragen. Parallel dazu habe ich eine Ausbildungskonzeption geschrieben, die auch frühe Etappen beinhaltet, bei denen wir etwa schon die dreijährigen Kinder ansprechen und fördern wollen. Als ich diese Gedanken erstmals offen formulierte, begegnete mir schon Skepsis. "Was will er denn jetzt?" werden manche gedacht haben. Aber Elite kann eben ohne Basis nicht funktionieren. Wir müssen bereits in den Kindergärten und während der ersten Schuljahre Grundlagen legen, um später sportlich und inhaltlich darauf aufzubauen. Für diesen ganzheitlichen Ansatz, sowohl sportlich als auch erzieherisch, entstand dann schnell eine breite Zustimmung, für die ich dankbar bin.

Frage: In besagter Ausbildungskonzeption skizzieren Sie den "weiten Weg zum Erfolg". Welche Etappen auf diesem Weg sind bereits zurückgelegt?

Matthias Sammer: Wir wollen mit dieser Konzeption, die wir in den Vereinen verteilt und über die einschlägigen Trainerzeitschriften lanciert haben, auf einfache und strukturierte Weise Hinweise geben, wie der Fußball gelehrt und umgesetzt werden soll. Als nächsten Schritt wurde in Abstimmung mit der sportlichen Leitung der Nationalmannschaft und nach intensivem Gedankenaustausch im Sport-Kompetenzgremium eine Spielphilosophie für die U-Nationalmannschaften entwickelt. Die Schlüsselposition aber war, ist und bleibt der Trainer, also haben wir die Trainerausbildung weiter entwickelt. Mit Frank Wormuth haben wir einen exzellenten Mann gefunden, der die guten Vorgaben von seinem Vorgänger Erich Rutemöller weiter optimiert und ein Stück auch verändern wird.

DFB-Sportdirektor Matthias Sammer: Bilder eine Laufbahn

Frage: Wie ist die Ansprache an die jungen Spieler, die ja vielen Einflüssen ausgesetzt sind?

Matthias Sammer: Im nächsten Monat werden wir einen wie schon lange beim A-Team üblichen nun auch für die Junioren-Nationalmannschaften an die Spieler adressierten Verhaltenskatalog herausbringen. Dieser Katalog fußt auf den Werten des DFB. Wir wollen gewisse Verhaltensweisen beschreiben, da wir einen Teil der Betreuung von Juniorenmannschaften durchaus auch als erzieherische Aufgabe verstehen. Die Spieler sind fußballerisch wieder wesentlich besser ausgebildet, aber es gibt klar erkennbare Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung. Der rote Faden ist erkennbar: Ausbildungskonzeption, Spielphilosophie, Verhaltenskatalog, Trainerausbildung.

Frage: Ein ebenso wichtiges wie aufwändiges Projekt ist die umfassende Datenbank für die Junioren-Nationalspieler. Wie weit ist der Aufbau gediehen?

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Matthias Sammer: Wir brauchen die Datenbank, um unsere Spieler einzeln zu betreuen. Wenn wir von individualisierter Betreuung sprechen, müssen wir diese Daten bereit halten, und aus diesen Daten müssen letztendlich Trainingsempfehlungen entstehen und dann in einer Kontrollfunktion enden - nur dann sind wir wirklich an der Entwicklung des Spielers beteiligt. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Die Benennung von Eliteschulen und damit die Voraussetzung für die Leistungszentren zu schaffen, war ebenfalls eine kluge Entscheidung des DFB. Der junge Spieler trainiert hier mehr.

Frage: Sie haben auch die "Rundum-Betreuung" der U-Nationalmannschaften, etwa mit noch intensiverer medizinischer und sportpsychologischer Hilfe, vorangetrieben. Haben sich diese Maßnahmen in der Praxis schon positiv ausgewirkt?

Matthias Sammer: Unser Anspruch muss doch einfach sein, den Spielern und dem Trainer die Möglichkeit zu geben, mit Spezialisten zusammenzuarbeiten. Egal ob bei der taktischen Schulung, dem Trainieren der Fitness oder bei der Persönlichkeitsentwicklung. Die Spieler müssen begreifen, dass sie selbst für ihre Entwicklung verantwortlich sind. Trainer und Stab begleiten diese Entwicklung nur. Auf diesem Weg durften wir bereits Teilerfolge feiern, wenn ich beispielsweise an den dritten Platz bei der U 17-WM 2007 denke. Bayern Münchens Toni Kroos wurde bei diesem Turnier zum weltbesten Spieler seiner Altersstufe gewählt. Es gibt sicher auch mal Rückschläge, aber die nehmen wir in Kauf, denn der von uns eingeschlagene Weg ist konkurrenzlos.

Frage: In diesem Jahr steht für die U 21 die EM-Qualifikation auf dem Programm. Was erwarten Sie vom Eilts-Team und den anderen Auswahlmannschaften 2008?

Matthias Sammer: Das Erreichen der Play-offs ist einfach Pflicht, dann ist es auch abhängig davon, auf wenn man trifft. Dieser Modus birgt eben einige Risiken. Doch wir haben ein hohes Maß and Quantität und Qualität, wir müssen im entscheidenden Moment präsent sein. Wir wollen mit unserer Mannschaft nach Schweden. Denn das ist unser Anspruch: Wir wollen mit unseren Junioren in die absolute Weltspitze.

Frage: Abschließende Frage: Beim DFB-Bundestag 2007 in Mainz sind Sie ins DFB-Präsidium aufgerückt – eine Anerkennung Ihrer Arbeit. Wie können Sie dafür den nun sicher noch größeren Einfluss nutzen?

Matthias Sammer: Mein persönlicher Dank gilt Dr. Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt und auch Wolfgang Niersbach dafür, dass sowohl Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff als auch ich Gelegenheit haben, im Präsidium dabeizusein. Bierhoff vertritt besonders die Interessen der Nationalmannschaft, während ich eher die Nachwuchsarbeit und die gesamte sportliche Entwicklung der Talente im Blickpunkt habe. Das Präsidium bespricht viele organisatorische Schwerpunkte, und wir versuchen, diese Diskussionen sportlich zu begleiten. Letztlich informieren wir das Präsidium über den aktuellen Stand. Denn eins ist doch ganz klar: Der deutsche Fußball steht und fällt mit der A-Nationalmannschaft. Dass diese absolute Priorität erkannt ist und die sportlich Verantwortlichen auch gehört werden, bringt eine ganz neue Qualität in diesen Verband.

Den ersten Teil des Gesprächs der Woche mit Matthias Sammer finden Sie hier.