Sammer: "2011? Wir dürfen optimistisch sein"

Seit vier Jahren ist Matthias Sammer Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Mit viel Engagement und Leidenschaft füllt er den Posten aus, der 2006 mit seiner Berufung neu geschaffen wurde.

Im exklusiven DFB.de-Interview mit Redakteur Maximilian Geis zieht Matthias Sammer seine Bilanz 2010, daraus die Schlüsse für das neue Jahr - und blickt das nächste Großereignis in Deutschland.

DFB.de: Matthias Sammer, für 2010 wünschten Sie sich einen Titelgewinn im U-Bereich...

Matthias Sammer: Wünsche gehen nun mal nicht immer in Erfüllung. Natürlich haben sich unsere Ambitionen durch die erfolgreichen Jahre 2008 und 2009 nicht geändert. Unser Maßstab bleibt die Weltspitze. Aber es sind nun mal viele Faktoren ausschlaggebend dafür, dass man in diesen harten Wettbewerben einen Preis erhält. Wir wissen, woran es in den einzelnen Fällen gelegen hat und ziehen unsere Schlüsse daraus.

DFB.de: Sowohl die U 17, als auch die U 19 und die U 21 verpassten die Endrunden-Teilnahme.

Sammer: Der ungemein schwierige Qualifikationsmodus im U-Bereich ermöglicht nun mal nur dem Gruppenersten die Teilnahme an der EM-Endrunde. Zwar hat die U 17 eine ordentliche Qualifikation gespielt, aber das genügt auf diesem hohen Niveau nicht. Zudem hatten wir Pech, da auch die Konstellationen der anderen Gruppen für das EM-Ticket entscheidend waren. Das Abschneiden der U 19 war ärgerlich, weil der Jahrgang 1991 nun an keiner einzigen Endrunde im Nachwuchsbereich teilgenommen hat. Auch die U 21 hat mit vielen hoch veranlagten Spielern keine gute Figur gemacht. Die Erfahrung einer Endrunde oder eines Titelgewinns fehlt den meisten Jungs auf ihrem weiteren Karriereweg.

DFB.de: Die Chancen werden auch in diesem Jahr wieder gegeben sein. Sowohl die U 17 als auch die U 19 haben sich für die Eliterunde qualifiziert.

Sammer: Es ist unser Anspruch, die EM-Endrunden mit beiden Teams zu erreichen. Da kann es keine andere Zielsetzung geben. Steffen Freund betreut mit der U 17 einen außergewöhnlichen Jahrgang, der zudem in der Zwischenrunde zu Hause in Deutschland antreten wird. Das U 19-Team von Ralf Minge reist in die Türkei. Die Jungs - einige von ihnen waren bereits bei der erfolgreichen U 17-EM 2009 dabei - verfügen über die nötige Qualität, um diese Herausforderung zu meistern.



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Seit vier Jahren ist Matthias Sammer Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Mit viel Engagement und Leidenschaft füllt er den Posten aus, der 2006 mit seiner Berufung neu geschaffen wurde.

Im exklusiven DFB.de-Interview mit Redakteur Maximilian Geis zieht Matthias Sammer seine Bilanz 2010, daraus die Schlüsse für das neue Jahr - und blickt das nächste Großereignis in Deutschland.

DFB.de: Matthias Sammer, für 2010 wünschten Sie sich einen Titelgewinn im U-Bereich...

Matthias Sammer: Wünsche gehen nun mal nicht immer in Erfüllung. Natürlich haben sich unsere Ambitionen durch die erfolgreichen Jahre 2008 und 2009 nicht geändert. Unser Maßstab bleibt die Weltspitze. Aber es sind nun mal viele Faktoren ausschlaggebend dafür, dass man in diesen harten Wettbewerben einen Preis erhält. Wir wissen, woran es in den einzelnen Fällen gelegen hat und ziehen unsere Schlüsse daraus.

DFB.de: Sowohl die U 17, als auch die U 19 und die U 21 verpassten die Endrunden-Teilnahme.

Sammer: Der ungemein schwierige Qualifikationsmodus im U-Bereich ermöglicht nun mal nur dem Gruppenersten die Teilnahme an der EM-Endrunde. Zwar hat die U 17 eine ordentliche Qualifikation gespielt, aber das genügt auf diesem hohen Niveau nicht. Zudem hatten wir Pech, da auch die Konstellationen der anderen Gruppen für das EM-Ticket entscheidend waren. Das Abschneiden der U 19 war ärgerlich, weil der Jahrgang 1991 nun an keiner einzigen Endrunde im Nachwuchsbereich teilgenommen hat. Auch die U 21 hat mit vielen hoch veranlagten Spielern keine gute Figur gemacht. Die Erfahrung einer Endrunde oder eines Titelgewinns fehlt den meisten Jungs auf ihrem weiteren Karriereweg.

DFB.de: Die Chancen werden auch in diesem Jahr wieder gegeben sein. Sowohl die U 17 als auch die U 19 haben sich für die Eliterunde qualifiziert.

Sammer: Es ist unser Anspruch, die EM-Endrunden mit beiden Teams zu erreichen. Da kann es keine andere Zielsetzung geben. Steffen Freund betreut mit der U 17 einen außergewöhnlichen Jahrgang, der zudem in der Zwischenrunde zu Hause in Deutschland antreten wird. Das U 19-Team von Ralf Minge reist in die Türkei. Die Jungs - einige von ihnen waren bereits bei der erfolgreichen U 17-EM 2009 dabei - verfügen über die nötige Qualität, um diese Herausforderung zu meistern.

DFB.de: Welche Schlüsse haben Sie aus dem vergangenen Jahr gezogen?

Sammer: Wir müssen dafür sorgen, dass der U-Bereich in Zukunft erneut ein hohes Niveau erreicht und die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Nationalmannschaft perspektivisch erfolgreich bleibt. Wir brauchen dafür Spieler, die komplex - in allen Leistungsvoraussetzungen - hervorragend ausgebildet sind. Und die auch Sieger sein wollen. Die Ausbildung beinhaltet unserer Meinung eben auch die Erziehung und das Streben nach Titelgewinnen. Derzeit sind wir in der Wirkung dieser umfassenden Maßnahmen noch nicht stabil genug.

DFB.de: Dr. Theo Zwanziger lobt immer wieder Ihre Arbeit. Freuen Sie sich über die Rückendeckung des DFB-Präsidenten?

Sammer: Selbstverständlich. Daher habe ich mich auch gefreut, dass er im vergangenen Herbst im Amt bestätigt wurde. Theo Zwanziger, Generalsekretär Wolfgang Niersbach und Schatzmeister Horst R. Schmidt unterstützen unsere Philosophie in der Nachwuchsarbeit. Dadurch schaffen sie gemeinsam mit vielen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern die Voraussetzungen für unsere Arbeit. Ich werde unsere Tätigkeiten aber auch im kommenden Jahr immer wieder kritisch hinterfragen. Denn meiner Meinung nach kann sich eine fruchtbare Atmosphäre nur aus einer kritischen Auseinandersetzung entwickeln.

DFB.de: Unterm Strich bleibt die erfreuliche Nachwuchsförderung des DFB in den vergangenen Jahren.

Sammer: Bei allem berechtigtem Optimismus haben wir nach ersten guten Konzepten zeitlich erst 2002 mit dem Beginn des Talentförderprogramms - auch mit der Installierung der Nachwuchsleistungszentren und der Eliteschulen des Fußballs - einen entscheidenden Schritt zur Professionalität beim DFB gemacht. Wir dürfen uns von diesem Weg nicht abbringen lassen, auch wenn es mal den einen oder anderen Rückschlag gibt. Es muss einen langfristigen und altersgerechten Leistungsaufbau für unsere jungen Spieler geben. In Südafrika hat der Bundestrainer mit seinem Team die Früchte geerntet. Der dritte Platz unseres Teams ist ein Produkt der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen DFB, DFL und den Landesverbänden. Zu den 366 Stützpunkten aus der ersten Phase der Talentförderung sind mittlerweile 46 Leistungszentren und 29 Eliteschulen in ganz Deutschland entstanden. Damit vereinen wir Talent- und Eliteförderung. Nur in dieser Gemeinschaft kann der deutsche Fußball in der Nachwuchsförderung erfolgreich arbeiten.

DFB.de: Auch die vielen Talente aus den Juniorenteams des DFB überraschen, die in der Bundesliga auftauchen und ins Blickfeld der Nationalmannschaft treten.

Sammer: Insgesamt haben wir bei den Nachwuchsspielern, die sich im Profibereich etabliert haben, eine gute Mixtur. Einige Spieler wurden früh in Leistungszentren der Profiklubs ausgebildet, ich denke da an Thomas Müller, Lewis Holtby oder die Bender-Zwillinge Lars und Sven. Andere wie André Schürrle, Timo Gebhart oder Christoph Moritz erhielten zunächst zusätzlich zum Training in ihren Heimatklubs die Förderung an den Stützpunkten unseres Programms und wechselten dann zu Profiklubs. Und schließlich wurden Spieler in Stützpunkten gesichtet und dann in Leistungszentren gefördert wie Sebastian Rudy oder Taner Yalcin.

DFB.de: Auch in der Öffentlichkeit wird diese Entwicklung wahrgenommen. Nicht zuletzt durch die Berufungen ins A-Team von Lewis Holtby, André Schürrle und Mario Götze, die allesamt noch für die U 21 spielberechtigt wären. Von einer "Jugendwelle" ist die Rede...

Sammer: Das lässt sich aber nicht bedingungslos fortführen. Nehmen wir die aktuelle Nationalmannschaft: Lewis Holtby müsste sich im direkten Vergleich gegen Mesut Özil von Real Madrid behaupten, André Schürrle gegen Toni Kroos, der sich bei Bayern etabliert hat, Mario Götze gegen WM-Torschützenkönig Thomas Müller... Die jungen Spieler haben durchaus gute Fähigkeiten. Aber sie wachsen jetzt erst in die Rolle hinein, Verantwortung übernehmen zu müssen. Der Übergang wird fließender werden, und der Bundestrainer kann künftig aus einem großen Reservoir an Talenten schöpfen.

DFB.de: Nur im Angriff drückt der Schuh ein wenig. Es scheint, als wäre seit Anfang der 2000er-Jahre ein Übermaß an hochtalentierten offensiven Mittelfeldspieler ausgebildet worden - dagegen herrscht ein Mangel an zentralen Angreifern.

Sammer: Dem müssen wir entgegenwirken. Wir haben die Individualität lange Zeit nicht richtig erkannt, geschätzt und gefördert - da haben wir aber mittlerweile die richtigen Lehren gezogen. Es ist die gesunde Mischung, die gefragt ist, aber wir wissen auch, dass gerade die Spieler mit individuellen Qualitäten am Ende den Unterschied ausmachen. Im Angriffstraining werden wir einige Stellschrauben verändern.

DFB.de: Ein großes Anliegen im vergangenen Jahr war für Sie die Reform der Spielfeldgrößen im D-Jugendbereich.

Sammer: In dieser Alterstufe ist es für die fußballerische Entwicklung der Kinder wichtig, möglichst viele Ballkontakte und Eins-gegen-Eins-Situationen zu haben. Beim Spiel Elf gegen Elf auf großem Feld stehen die physischen Elemente im Vordergrund, auch das raumorientierte Spiel. Das ist für die Alterstufe der Jüngeren der falsche Ansatz. Wir müssen die Kleinraummotorik schulen. Denn wir wollen Spieler sehen, die in der Lage sind, sich in Eins-gegen-Eins-Situationen zu behaupten. So hat unser Team bei der Weltmeisterschaft in Südafrika immer wieder Glanzpunkte gesetzt. Daher freue ich mich, dass diese sinnvolle Maßnahme auf dem DFB-Bundestag 2010 in Essen beschlossen wurde. Von dieser Weichenstellung werden wir langfristig profitieren.

DFB.de: Ein weiteres großes Thema waren im vergangenen Jahr die Spieler mit Migrationshintergrund. Wie ist Ihr Standpunkt dazu?

Sammer: Unsere Position in dieser Frage ist bekannt: Wir zeigen den Spielern in fairen Gesprächen ihre Perspektiven auf. Die Entscheidung muss der Spieler alleine treffen. Wir achten darauf, dass die jeweiligen Trainer realistisch mit den Spielern umgehen. Wir wollen die Talente durch unsere Strategie in der Eliteförderung, die professionellen Bedingungen beim DFB und die individuellen Chancen überzeugen.

DFB.de: Auch in die Trainerausbildung ist wieder Bewegung gekommen. Sie planen, einen Lehrgang für verdiente Bundesligaprofis anzubieten.

Sammer: Dazu haben wir uns im Oktober mit Stefan Effenberg, Oliver Kahn, Jens Lehmann und Mehmet Scholl ausgetauscht. Es muss im Interesse des DFB sein, diese und weitere Persönlichkeiten, die dem Fußball viel gegeben haben, auch für die Zukunft zu gewinnen. Gleichzeitig haben wir auch eine Verantwortung, ihnen den Einstieg in eine Laufbahn nach der Spielerkarriere zu ermöglichen. Diesen Persönlichkeiten wollen wir anbieten, den Fußball-Lehrer-Lehrgang zu absolvieren. Wir meinen, dass sie diese umfassende Ausbildung besser auf künftige Aufgaben im Fußball vorbereitet. Zudem arbeiten wir an einer weiteren Spezialisierung unserer Ausbildung, wollen beispielsweise spezielle Lehrgänge für Torwart- und Fitnesstrainer anbieten.

DFB.de: Auch für das Großereignis Frauen-WM 2011 in Deutschland haben Sie Verantwortung übernommen. Sie sind Städtebotschafter für den Spielort Dresden.

Sammer: Dresden hat eine große Sporttradition und ist eine fußballbegeisterte Stadt. Die Dresdner sind daher voller Vorfreude auf die WM 2011. Dass wir zudem bei der U 20-Frauen-WM - ob bei der Auslosung oder den Spielen - mitwirken durften, war eine tolle Gelegenheit, Dresden der Welt als moderne Großstadt zu präsentieren. Da war und ist es für mich als gebürtigen Dresdner keine Frage, mich zu engagieren.

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DFB.de: Wie sehen Sie die Vorbereitungen der Frauen auf die WM im eigenen Land?

Sammer: Der Deutsche Fußball-Bund mit dem Präsidenten Theo Zwanziger an der Spitze leistet unvergleichliche Arbeit für den Frauenfußball. Mich beeindruckt die Konstanz, mit der sich unsere Frauen immer wieder an die Spitze setzen. Silvia Neid, ihr Trainerteam, der Betreuerstab und ihre Mannschaft stehen für Zuverlässigkeit und sportliche Höchstleistungen über Jahre hinweg. Silvia hat es - wie ihre Vorgängerin Tina Theune, die ihre Kompetenz heute im DFB zu Gunsten des Frauenfußballs einbringt - immer wieder geschafft, erfahrene Kräfte und aufstrebende Talente zu einer erfolgreichen Einheit zu formen. Ich bin überzeugt davon, dass die DFB-Auswahl mit dem fußballbegeisterten Publikum in Deutschland im Rücken ein hervorragendes Turnier spielen wird. Wir dürfen optimistisch sein.

DFB.de: Sicher besteht Ihr Wunsch nach einem Titelgewinn auch für 2011 unverändert. Wo sehen Sie noch Optimierungspotenzial?

Sammer: Die Strukturen in den Nachwuchsleistungszentren können wir sicher noch verbessern, da oft Ansprechpartner für jene Spieler fehlen, die an der Schwelle vom Nachwuchs- in den Profibereich stehen. Das und die bereits genannten Punkte sind unsere Themen für 2011. Um seitens des DFB noch besser unserer inhaltlichen Leitfunktion in der Arbeit mit den Talenten gerecht zu werden, haben wir Frank Engel als Leiter der Nachwuchsförderung installiert. Er ist mein verlängerter Arm und wird sich noch intensiver und detaillierter mit den sportlichen und fußballerischen Inhalten in der Talentförderung und den Leistungszentren mit den Eliteschulen auseinandersetzen.

DFB.de: Zum Abschluss: Immer wieder mal fällt Ihr Name in den Medien, wenn in der Bundesliga eine Stelle vakant ist...

Sammer: Ich bin gerne Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes. Für mich geht es einzig um die effektive inhaltliche Arbeit im Nachwuchsbereich. Für mich ist entscheidend, dass wir den eingeschlagenen Weg mit Konsequenz und Nachhaltigkeit weitergehen. Ich bin überzeugt davon, dass das 2011 auch fortgeführt wird.