RWE-Trainer Wagner: "Auf einer Skala von eins bis zehn die Zwölf"

Ex-Kapitän Vincent Wagner kehrt nach Stationen im Nachwuchsbereich beim VfL Bochum und MSV Duisburg als U 19-Trainer zu "seinem" Verein Rot-Weiss Essen zurück. Der 35-Jährige ist eng mit RWE verbunden, wohnt in Bergeborbeck, nur fünf Minuten vom Stadion entfernt. Im DFB.de-Interview spricht Wagner mit Mitarbeiter Peter Haidinger über Höhen und Tiefen sowie seinen Job als Gymnasiallehrer.

DFB.de: Wie groß ist bei Ihnen bereits die Vorfreude, künftig als Cheftrainer der U 19 in der West-Staffel der A-Junioren-Bundesliga für Ihren "Herzensverein" Rot-Weiss Essen zu arbeiten, Herr Wagner?

Vincent Wagner: Als Christian Flüthmann, der neue Leiter des RWE-Nachwuchsleistungszentrums, und Sportdirektor Jörn Nowak angefragt hatten, war ich sofort Feuer und Flamme. Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich die Zahl zwölf wählen. (lacht) Ich liebe den Fußball und ich liebe es, mit jungen Erwachsenen zu arbeiten. Fortan beides zusammen bei meinem Ruhrgebiets-Heimatverein auf höchstem Level tun zu dürfen, freut mich sehr.

DFB.de: Sie kamen 2007 vom Verbandsligisten Eintracht Schwerin zum damaligen Zweitliga-Absteiger RWE, sind seitdem eng mit dem Verein verwurzelt. Was bedeutet Ihnen Rot-Weiss Essen?

Wagner: Wenn man in sieben Jahren als Spieler alle Höhen und Tiefen bei einem Klub miterlebt hat, dann geht das nicht spurlos an einem vorbei. Ich hätte mir am Ende noch einen Aufstieg mehr gewünscht, bin damals in der dritthöchsten Spielklasse gekommen und wäre auch gerne in der 3. Liga gegangen. Das hat leider nicht mehr geklappt. Sonst war wohl alles dabei: Drohendes Karriereende wegen einer schweren Verletzung, Insolvenz, Ab- und Aufstieg, dazu Erfolge im DFB-Pokal. Eine wahnsinnig intensive Zeit. Ich habe seitdem meinen Lebensmittelpunkt in Essen, lebe mit meiner Frau und unseren drei Kindern in Bergeborbeck, nur fünf Minuten vom Stadion entfernt.

DFB.de: Mit der Insolvenz 2010 und dem Absturz in die damalige NRW-Liga haben Sie auch den absoluten Tiefpunkt der RWE-Vereinsgeschichte miterlebt. An welche Momente erinnern Sie sich auf der anderen Seite besonders gerne?

Wagner: Die Erfolge im DFB-Pokal gegen die damaligen Zweitligisten FC Energie Cottbus und 1. FC Union Berlin, bei denen ich jeweils den entscheidenden Elfmeter verwandelt hatte, bleiben unvergessen. Der Wiederaufstieg von der fünftklassigen NRW-Liga in die Regionalliga West, bei dem rund 4000 RWE-Fans mit nach Siegen fuhren und uns gegen die Sportfreunde unterstützt hatten, war ebenfalls nicht ohne. Auch die Momente im Stadion, die Siege, die ich mit unserer damals noch kleinen Tochter Vivienne auf den Schultern oder auf dem Arm feierte, werde ich nie vergessen.

DFB.de: Wie kam es dazu, dass Sie nach Ihrer Karriere Trainer werden wollten?

Wagner: Nach meinem Abschied als RWE-Spieler bin ich zum Stadtnachbarn FC Kray gewechselt. Im Zuge meines Lehramtsstudiums musste ich ein Praktikum machen, was mir der FC Kray bei seiner A-Jugend ermöglichte. Nach zwei Wochen Hospitation fragte man mich, ob ich nicht bleiben will. So kam es, dass ich gleichzeitig Spieler der ersten Mannschaft und Co-Trainer bei der U 19 war. Anschließend wechselte ich zum KFC Uerdingen 05, stieg mit den Krefeldern in die Regionalliga auf, habe aber parallel in Kray weiterhin die A-Junioren trainiert. Die Aufgabe bereitete mir großen Spaß und es war schnell klar, dass ich das weitermache.

DFB.de: Sie hatten beim FC Kray als Co-Trainer der U 19 begonnen. Nur zwei Jahre und vier Monate später waren Sie bereits Co-Trainer der Profis beim Zweitligisten VfL Bochum. Wie haben Sie das hinbekommen?

Wagner: Der VfL Bochum suchte damals einen Co-Trainer für seine U 19, die von NLZ-Leiter Jens Rasiejewski betreut wurde. Ich wurde genommen und wir waren recht erfolgreich. Wir waren Tabellenführer in der A-Junioren-Bundesliga West, hatten von den ersten neun Partien sieben gewonnen und zweimal Unentschieden gespielt. Bei den VfL-Profis lief es damals nicht gut und ich bekam während eines Seminars einen Anruf - mit der Bitte, sofort nach Bochum zu kommen. Im VfL-Büro standen der Sportliche Leiter Christian Hochstätter sowie Heiko Butscher und Jens Rasiejewski. Mir war sofort klar, dass der damalige Profi-Cheftrainer Ismail Atalan gehen musste. Rasiejewski, der als Nachfolger präsentiert wurde, wollte mich unbedingt dabeihaben. So wurde ich mit 31 Jahren Co-Trainer einer Zweitligamannschaft.

DFB.de: Warum dauerte die Zusammenarbeit bei den VfL-Profis nur vier Monate?

Wagner: Wir hatten ganz gut begonnen, dann aber einen schlechten Rückrundenstart hingelegt. Im Zuge der Entlassung von Christian Hochstätter mussten auch Jens Rasiejewski und ich gehen. So schnell wie die Zeit kam, so schnell war sie auch zu Ende. Dennoch war es für mich eine sehr lehrreiche Zeit.

DFB.de: Was konnten Sie von Ihrem ehemaligen "Chef" Jens Rasiejewski mitnehmen?

Wagner: Jens Rasiejewski, der zuvor drei Jahre U 17-Trainer bei der TSG Hoffenheim war, hat mir viel beigebracht. Er durchlief die Hoffenheim-Schule unter Ralf Rangnick und Bernhard Peters. Das ist schon das oberste Regal. (lacht) Bei ihm habe ich Ebenen des Fußballs kennengelernt, die mir vorher als Spieler nicht so geläufig waren. Ich würde behaupten, dass ich durch ihn den Fußball jetzt noch ein bisschen mehr verstehe.

DFB.de: Wie kam es zum Engagement beim MSV Duisburg?

Wagner: Waldemar Wrobel bei Rot-Weiss Essen, Andre Pawlak beim KFC Uerdingen 05 und Jens Rasiejewski sind die drei Fußball-Lehrer, die mich am meisten geprägt haben. Alle hatten mir nach meinem Kurz-Intermezzo bei den Bochumer Profis geraten, zunächst mein Lehramtsstudium erfolgreich zu beenden. Parallel wurde eine Stelle beim MSV Duisburg frei. Mein Rucksack als Co-Trainer war durch die drei Jahren beim VfL Bochum voll und ich wollte mich als Cheftrainer beweisen. Erst übernahm ich die U 14 und wurde später mit der U 15 des MSV Meister in der Regionalliga West. Diesen Jugendbereich kannte ich vorher noch nicht. Gleichzeitig konnte ich an der Uni parallel meinen Master machen und so meine berufliche Ausbildung abschließen.

DFB.de: Schon durch Ihre hauptberufliche Tätigkeit als Lehrer sind Sie wieder näher an RWE herangerückt, oder?

Wagner: Das stimmt. Ich unterrichte seit dem 1. Mai 2019 Sport und Geschichte am Leibniz-Gymnasium in Essen, einer Kooperationsschule von Rot-Weiss Essen, wo mir die Arbeit viel Freude bereitet. In dieser Schule hatte ich bereits vor zehn Jahren als RWE-Spieler Schulfußball-AGs geleitet.

DFB.de: Wie kommen Sie mit der Doppelbelastung klar?

Wagner: Schule, Fußball und Familie unter einen Hut zu bekommen, ist eine Herausforderung. Da mir beide Jobs jedoch sehr viel Freude bereiten, hilft es auch, um ein etwas größeres Pensum zu meistern.

DFB.de: Was ist leichter: Schülern die Geschichte des Römischen Reiches nahezubringen oder Fußballern Raumdeckung zu vermitteln?

Wagner: In der Schule ist es definitiv schwieriger. Beim Fußball ist die Eigenmotivation der Spieler größer. Alle wollen am liebsten Profi werden und sind bereit, dafür mehr zu investieren. Das ist in der Schule nicht immer so. Wenn der Lehrer jedoch eine persönliche Beziehung zu den Schülern aufbaut und sich für sie interessiert, geht das auch ganz gut.

DFB.de: Wie sehr hilft Ihre pädagogische Ausbildung bei Ihrem Trainerjob?

Wagner: Mein Hauptbeschäftigungsfeld sind Jugendliche. Wenn man berufsbedingt diesen Umgang lernt, hilft das auch als Trainer. Es heißt ja nicht umsonst Fußball-Lehrer, was ich aber - zumindest noch - nicht bin. (lacht) Ich bin ein Schullehrer und Fußballtrainer.

DFB.de: Ist für Sie denn die Ausbildung zum Fußball-Lehrer und die Aussicht, im Profibereich als Cheftrainer arbeiten zu können, ein erstrebenswertes Ziel?

Wagner: Bundesliga darf ich ja schon trainieren. (lacht) Ernsthaft: Ich fühle mich in meiner neuen Rolle sehr wohl. Ich kann mir den Fußball-Lehrer irgendwann vorstellen. Das muss aber nicht morgen und auch nicht übermorgen sein. Wenn man seine Hausaufgaben macht, fleißig ist und einen guten Job macht, dann kommen die Dinge ganz automatisch.

DFB.de: Was reizt Sie grundsätzlich an der Arbeit mit jungen Fußballern?

Wagner: Die individuelle Ausbildung der Spieler und das Messen auf Topniveau. Wenn die Jungs wirklich wollen, sind unglaubliche Entwicklungsschritte möglich. Dafür müssen Fleiß, Wille und ein bisschen Ahnung aufeinandertreffen. Das ist die Erfahrung, die ich in den vergangenen Jahren im Nachwuchsbereich machen konnte. Es bereitet mir sehr viel Freunde, wenn ich beobachten kann, wie sich eine Mannschaft weiterentwickelt.

DFB.de: Welcher Führungsstil ist bei jungen Menschen heute besonders gefragt?

Wagner: Am schönsten ist es, wenn die Jungs mit einem Lächeln zum Training erscheinen und die Platzanlage mit einem Lächeln verlassen. Der Impuls, sich entwickeln zu wollen, muss vom Spieler ausgehen. Ich sehe mich als Begleiter und zeige den Jungs Wege auf.

DFB.de: Wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie ist der Spielbetrieb seit Monaten ausgesetzt. Welche Folgen hat das für die jungen Talente und ihre Ausbildung?

Wagner: Ich bin Vater von drei Kindern und weiß genau, wie schwierig diese Zeiten für Jugendliche sind. Die Gesundheit hat Priorität, ganz klar. Aber den Jungs wurde ein Jahr ihrer fußballerischen Entwicklung genommen. Für viele in diesem Alter ist Fußball alles. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass wir in unserem Nachwuchsleistungszentrum zumindest im Training unserer Leidenschaft nachgehen dürfen.

DFB.de: Wie schwierig gestaltet sich in Corona-Zeiten die Kaderplanung für die nächste Saison?

Wagner: Wir haben das Glück und verfügen über einen guten Jahrgang. Zwölf Spieler werden von der U 17 zur U 19 hochgezogen. Zwei bis drei neue Spieler werden wir noch holen. In dieser Hinsicht haben wir keinen Stress.

DFB.de: Wie wichtig ist für Rot-Weiss Essen der Verbleib in den Junioren-Bundesligen?

Wagner: Es ist nicht das alles Entscheidende, aber schon wichtig. Daher wird der Klassenverbleib auch das sportliche Ziel sein, auf das wir hinarbeiten.

DFB.de: Welche Ziele verfolgen Sie noch?

Wagner: Den Jungs eine Grundhaltung beizubringen, alles aus sich herauszuholen, und auf diesem Wege Spieler für die erste Mannschaft zu entwickeln.

DFB.de: Sie selbst waren als Mentalitätsspieler bekannt, hatten einst an der Hafenstraße auch den Spitznamen "Vince-Tier"…

Wagner: Wahrscheinlich hat das etwas mit meinen Verletzungen, Nehmerqualitäten, aber auch mit meiner Spielweise zu tun. Wenn ich auf dem Platz stand, dann kam selten einer an mir vorbei. (lacht)

[mspw]

Ex-Kapitän Vincent Wagner kehrt nach Stationen im Nachwuchsbereich beim VfL Bochum und MSV Duisburg als U 19-Trainer zu "seinem" Verein Rot-Weiss Essen zurück. Der 35-Jährige ist eng mit RWE verbunden, wohnt in Bergeborbeck, nur fünf Minuten vom Stadion entfernt. Im DFB.de-Interview spricht Wagner mit Mitarbeiter Peter Haidinger über Höhen und Tiefen sowie seinen Job als Gymnasiallehrer.

DFB.de: Wie groß ist bei Ihnen bereits die Vorfreude, künftig als Cheftrainer der U 19 in der West-Staffel der A-Junioren-Bundesliga für Ihren "Herzensverein" Rot-Weiss Essen zu arbeiten, Herr Wagner?

Vincent Wagner: Als Christian Flüthmann, der neue Leiter des RWE-Nachwuchsleistungszentrums, und Sportdirektor Jörn Nowak angefragt hatten, war ich sofort Feuer und Flamme. Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich die Zahl zwölf wählen. (lacht) Ich liebe den Fußball und ich liebe es, mit jungen Erwachsenen zu arbeiten. Fortan beides zusammen bei meinem Ruhrgebiets-Heimatverein auf höchstem Level tun zu dürfen, freut mich sehr.

DFB.de: Sie kamen 2007 vom Verbandsligisten Eintracht Schwerin zum damaligen Zweitliga-Absteiger RWE, sind seitdem eng mit dem Verein verwurzelt. Was bedeutet Ihnen Rot-Weiss Essen?

Wagner: Wenn man in sieben Jahren als Spieler alle Höhen und Tiefen bei einem Klub miterlebt hat, dann geht das nicht spurlos an einem vorbei. Ich hätte mir am Ende noch einen Aufstieg mehr gewünscht, bin damals in der dritthöchsten Spielklasse gekommen und wäre auch gerne in der 3. Liga gegangen. Das hat leider nicht mehr geklappt. Sonst war wohl alles dabei: Drohendes Karriereende wegen einer schweren Verletzung, Insolvenz, Ab- und Aufstieg, dazu Erfolge im DFB-Pokal. Eine wahnsinnig intensive Zeit. Ich habe seitdem meinen Lebensmittelpunkt in Essen, lebe mit meiner Frau und unseren drei Kindern in Bergeborbeck, nur fünf Minuten vom Stadion entfernt.

DFB.de: Mit der Insolvenz 2010 und dem Absturz in die damalige NRW-Liga haben Sie auch den absoluten Tiefpunkt der RWE-Vereinsgeschichte miterlebt. An welche Momente erinnern Sie sich auf der anderen Seite besonders gerne?

Wagner: Die Erfolge im DFB-Pokal gegen die damaligen Zweitligisten FC Energie Cottbus und 1. FC Union Berlin, bei denen ich jeweils den entscheidenden Elfmeter verwandelt hatte, bleiben unvergessen. Der Wiederaufstieg von der fünftklassigen NRW-Liga in die Regionalliga West, bei dem rund 4000 RWE-Fans mit nach Siegen fuhren und uns gegen die Sportfreunde unterstützt hatten, war ebenfalls nicht ohne. Auch die Momente im Stadion, die Siege, die ich mit unserer damals noch kleinen Tochter Vivienne auf den Schultern oder auf dem Arm feierte, werde ich nie vergessen.

DFB.de: Wie kam es dazu, dass Sie nach Ihrer Karriere Trainer werden wollten?

Wagner: Nach meinem Abschied als RWE-Spieler bin ich zum Stadtnachbarn FC Kray gewechselt. Im Zuge meines Lehramtsstudiums musste ich ein Praktikum machen, was mir der FC Kray bei seiner A-Jugend ermöglichte. Nach zwei Wochen Hospitation fragte man mich, ob ich nicht bleiben will. So kam es, dass ich gleichzeitig Spieler der ersten Mannschaft und Co-Trainer bei der U 19 war. Anschließend wechselte ich zum KFC Uerdingen 05, stieg mit den Krefeldern in die Regionalliga auf, habe aber parallel in Kray weiterhin die A-Junioren trainiert. Die Aufgabe bereitete mir großen Spaß und es war schnell klar, dass ich das weitermache.

DFB.de: Sie hatten beim FC Kray als Co-Trainer der U 19 begonnen. Nur zwei Jahre und vier Monate später waren Sie bereits Co-Trainer der Profis beim Zweitligisten VfL Bochum. Wie haben Sie das hinbekommen?

Wagner: Der VfL Bochum suchte damals einen Co-Trainer für seine U 19, die von NLZ-Leiter Jens Rasiejewski betreut wurde. Ich wurde genommen und wir waren recht erfolgreich. Wir waren Tabellenführer in der A-Junioren-Bundesliga West, hatten von den ersten neun Partien sieben gewonnen und zweimal Unentschieden gespielt. Bei den VfL-Profis lief es damals nicht gut und ich bekam während eines Seminars einen Anruf - mit der Bitte, sofort nach Bochum zu kommen. Im VfL-Büro standen der Sportliche Leiter Christian Hochstätter sowie Heiko Butscher und Jens Rasiejewski. Mir war sofort klar, dass der damalige Profi-Cheftrainer Ismail Atalan gehen musste. Rasiejewski, der als Nachfolger präsentiert wurde, wollte mich unbedingt dabeihaben. So wurde ich mit 31 Jahren Co-Trainer einer Zweitligamannschaft.

DFB.de: Warum dauerte die Zusammenarbeit bei den VfL-Profis nur vier Monate?

Wagner: Wir hatten ganz gut begonnen, dann aber einen schlechten Rückrundenstart hingelegt. Im Zuge der Entlassung von Christian Hochstätter mussten auch Jens Rasiejewski und ich gehen. So schnell wie die Zeit kam, so schnell war sie auch zu Ende. Dennoch war es für mich eine sehr lehrreiche Zeit.

DFB.de: Was konnten Sie von Ihrem ehemaligen "Chef" Jens Rasiejewski mitnehmen?

Wagner: Jens Rasiejewski, der zuvor drei Jahre U 17-Trainer bei der TSG Hoffenheim war, hat mir viel beigebracht. Er durchlief die Hoffenheim-Schule unter Ralf Rangnick und Bernhard Peters. Das ist schon das oberste Regal. (lacht) Bei ihm habe ich Ebenen des Fußballs kennengelernt, die mir vorher als Spieler nicht so geläufig waren. Ich würde behaupten, dass ich durch ihn den Fußball jetzt noch ein bisschen mehr verstehe.

DFB.de: Wie kam es zum Engagement beim MSV Duisburg?

Wagner: Waldemar Wrobel bei Rot-Weiss Essen, Andre Pawlak beim KFC Uerdingen 05 und Jens Rasiejewski sind die drei Fußball-Lehrer, die mich am meisten geprägt haben. Alle hatten mir nach meinem Kurz-Intermezzo bei den Bochumer Profis geraten, zunächst mein Lehramtsstudium erfolgreich zu beenden. Parallel wurde eine Stelle beim MSV Duisburg frei. Mein Rucksack als Co-Trainer war durch die drei Jahren beim VfL Bochum voll und ich wollte mich als Cheftrainer beweisen. Erst übernahm ich die U 14 und wurde später mit der U 15 des MSV Meister in der Regionalliga West. Diesen Jugendbereich kannte ich vorher noch nicht. Gleichzeitig konnte ich an der Uni parallel meinen Master machen und so meine berufliche Ausbildung abschließen.

DFB.de: Schon durch Ihre hauptberufliche Tätigkeit als Lehrer sind Sie wieder näher an RWE herangerückt, oder?

Wagner: Das stimmt. Ich unterrichte seit dem 1. Mai 2019 Sport und Geschichte am Leibniz-Gymnasium in Essen, einer Kooperationsschule von Rot-Weiss Essen, wo mir die Arbeit viel Freude bereitet. In dieser Schule hatte ich bereits vor zehn Jahren als RWE-Spieler Schulfußball-AGs geleitet.

DFB.de: Wie kommen Sie mit der Doppelbelastung klar?

Wagner: Schule, Fußball und Familie unter einen Hut zu bekommen, ist eine Herausforderung. Da mir beide Jobs jedoch sehr viel Freude bereiten, hilft es auch, um ein etwas größeres Pensum zu meistern.

DFB.de: Was ist leichter: Schülern die Geschichte des Römischen Reiches nahezubringen oder Fußballern Raumdeckung zu vermitteln?

Wagner: In der Schule ist es definitiv schwieriger. Beim Fußball ist die Eigenmotivation der Spieler größer. Alle wollen am liebsten Profi werden und sind bereit, dafür mehr zu investieren. Das ist in der Schule nicht immer so. Wenn der Lehrer jedoch eine persönliche Beziehung zu den Schülern aufbaut und sich für sie interessiert, geht das auch ganz gut.

DFB.de: Wie sehr hilft Ihre pädagogische Ausbildung bei Ihrem Trainerjob?

Wagner: Mein Hauptbeschäftigungsfeld sind Jugendliche. Wenn man berufsbedingt diesen Umgang lernt, hilft das auch als Trainer. Es heißt ja nicht umsonst Fußball-Lehrer, was ich aber - zumindest noch - nicht bin. (lacht) Ich bin ein Schullehrer und Fußballtrainer.

DFB.de: Ist für Sie denn die Ausbildung zum Fußball-Lehrer und die Aussicht, im Profibereich als Cheftrainer arbeiten zu können, ein erstrebenswertes Ziel?

Wagner: Bundesliga darf ich ja schon trainieren. (lacht) Ernsthaft: Ich fühle mich in meiner neuen Rolle sehr wohl. Ich kann mir den Fußball-Lehrer irgendwann vorstellen. Das muss aber nicht morgen und auch nicht übermorgen sein. Wenn man seine Hausaufgaben macht, fleißig ist und einen guten Job macht, dann kommen die Dinge ganz automatisch.

DFB.de: Was reizt Sie grundsätzlich an der Arbeit mit jungen Fußballern?

Wagner: Die individuelle Ausbildung der Spieler und das Messen auf Topniveau. Wenn die Jungs wirklich wollen, sind unglaubliche Entwicklungsschritte möglich. Dafür müssen Fleiß, Wille und ein bisschen Ahnung aufeinandertreffen. Das ist die Erfahrung, die ich in den vergangenen Jahren im Nachwuchsbereich machen konnte. Es bereitet mir sehr viel Freunde, wenn ich beobachten kann, wie sich eine Mannschaft weiterentwickelt.

DFB.de: Welcher Führungsstil ist bei jungen Menschen heute besonders gefragt?

Wagner: Am schönsten ist es, wenn die Jungs mit einem Lächeln zum Training erscheinen und die Platzanlage mit einem Lächeln verlassen. Der Impuls, sich entwickeln zu wollen, muss vom Spieler ausgehen. Ich sehe mich als Begleiter und zeige den Jungs Wege auf.

DFB.de: Wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie ist der Spielbetrieb seit Monaten ausgesetzt. Welche Folgen hat das für die jungen Talente und ihre Ausbildung?

Wagner: Ich bin Vater von drei Kindern und weiß genau, wie schwierig diese Zeiten für Jugendliche sind. Die Gesundheit hat Priorität, ganz klar. Aber den Jungs wurde ein Jahr ihrer fußballerischen Entwicklung genommen. Für viele in diesem Alter ist Fußball alles. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass wir in unserem Nachwuchsleistungszentrum zumindest im Training unserer Leidenschaft nachgehen dürfen.

DFB.de: Wie schwierig gestaltet sich in Corona-Zeiten die Kaderplanung für die nächste Saison?

Wagner: Wir haben das Glück und verfügen über einen guten Jahrgang. Zwölf Spieler werden von der U 17 zur U 19 hochgezogen. Zwei bis drei neue Spieler werden wir noch holen. In dieser Hinsicht haben wir keinen Stress.

DFB.de: Wie wichtig ist für Rot-Weiss Essen der Verbleib in den Junioren-Bundesligen?

Wagner: Es ist nicht das alles Entscheidende, aber schon wichtig. Daher wird der Klassenverbleib auch das sportliche Ziel sein, auf das wir hinarbeiten.

DFB.de: Welche Ziele verfolgen Sie noch?

Wagner: Den Jungs eine Grundhaltung beizubringen, alles aus sich herauszuholen, und auf diesem Wege Spieler für die erste Mannschaft zu entwickeln.

DFB.de: Sie selbst waren als Mentalitätsspieler bekannt, hatten einst an der Hafenstraße auch den Spitznamen "Vince-Tier"…

Wagner: Wahrscheinlich hat das etwas mit meinen Verletzungen, Nehmerqualitäten, aber auch mit meiner Spielweise zu tun. Wenn ich auf dem Platz stand, dann kam selten einer an mir vorbei. (lacht)

###more###