Rutemöller wird 75: "Es ist halt so aus mir rausgesprudelt"

Erich Rutemöller war nur 14 Monate Bundesligatrainer, und das liegt auch schon fast 30 Jahre zurück. Trotzdem hat der Mann, der später lange an der Hennes-Weisweiler-Akademie Fußball-Lehrer ausbildete, seinen Platz in den Geschichtsbüchern. Mit zwei bis drei Worten. Zwei fielen, die Legende machte drei draus. Im DFB.de-Interview spricht Jubilar Erich Rutemöller, der heute 75 wird, über sein Leben mit und für den Fußball, über Jürgen Klopp, Udo Lattek, Pakete an Frank Ordenewitz und einen Spruch, den jeder Fußballfan kennt.

DFB.de: Herr Rutemöller, wie werden Sie Ihren 75. Geburtstag verbringen?

Erich Rutemöller: Meinen 70. habe ich noch im großen Freundeskreis gefeiert. Dazu habe ich diesmal keine Lust. Vielleicht treffe ich mich spontan mit meinen beiden Söhnen, die ja alle in der Nähe wohnen.

DFB.de: Sie sind Westfale, leben in Köln und arbeiten immer noch oder besser gesagt jetzt wieder für den 1. FC, als Berater. Wie muss man sich das vorstellen?

Rutemöller: Ich habe keine festen Arbeitszeiten, aber einen Vertrag. Ich berate den Verein in Trainerfragen, bei Transfers, ob bei den Profis oder der Jugend. Ich bin fast täglich am Geißbockheim und spreche viel mit Horst Heldt und Markus Gisdol. Ich hatte auch zu seinem Vorgänger Achim Beierlorzer ein gutes Verhältnis und war noch kurz vor seiner Entlassung mit ihm essen.

DFB.de: Konnten oder wollten Sie die nicht verhindern? Als ehemaliger Trainer hatten Sie doch sicher Verständnis für ihn?

Rutemöller: Ja, sicher. Ich halte ihn auch für einen guten Trainer und für den Elfmeter gegen Hoffenheim durch den Video-Assistenten in der Nachspielzeit konnte er nichts. Das lief alles sehr blöd für ihn. Ich habe zunächst für ihn plädiert, so wie ich in Düsseldorf zuvor als Berater der Fortuna immer für Friedhelm Funkel plädiert habe. Aber so wie es anfing, waren wir ja für viele schon erster Absteiger. In Köln werden sie eben immer schnell nervös, wenn es nicht so läuft.

DFB.de: Da sprechen Sie aus leidvoller Erfahrung. Wie war es denn vor 30 Jahren als neuer Trainer unter einem Sportdirektor Udo Lattek?

Rutemöller: Es war nicht so einfach, er war ja im Grunde noch immer Trainer. Insgesamt bin ich gut mit ihm klar gekommen. Ich weiß noch: Als wir 1991 das Pokalfinale verloren hatten, hat er mich spontan in sein Haus in Barcelona eingeladen, um die Enttäuschung zu verarbeiten und mal zu entspannen. Da haben wir uns dann besser kennen gelernt. Zurück im Alltag, war es trotzdem schwierig, weil er so präsent in den Medien war. Da wäre manchmal "si tacuisses" (lat.: Hättest Du geschwiegen, Anm.d.Red.) angebracht gewesen.

DFB.de: Das Pokalfinale 1991 erreichten Sie nach dem 3:0 gegen Duisburg. Sie wissen, was jetzt kommt?

Rutemöller: Ach, die Geschichte mit "Otze". Sie gehört zu meinem Leben und ist doch mittlerweile von vielem verdeckt, was danach kam.

DFB.de: Sie erlaubten ihrem Stürmer Frank Ordenewitz, der wegen einer Gelben Karte fürs Finale gesperrt gewesen wäre, sich eine Rote zu holen. Dann schlug er den Ball weg und bekam sie. Nach damaligem Reglement hätte er die Strafe dann in der Liga absitzen können und im Finale gespielt. Das gaben Sie dann im ZDF gegenüber Reporter Wolfram Esser zu, es fiel der Satz "Da hab ich gesagt: Mach et." Übrigens ohne "Otze", wie es die Legende will.

Rutemöller: Darüber habe ich mich danach maßlos geärgert und ein bisschen ärgere ich mich immer noch im Stillen. Man hat mir danach Blauäugigkeit und Naivität vorgeworfen und da war ja auch was Wahres dran. Es ist halt so aus mir rausgesprudelt, ich wollte auch nicht lügen. Danach war die ganze Freude über den Finaleinzug weg.

DFB.de: Den Ordenewitz aufgrund Ihres Geständnisses auch nur in Zivil erlebte. Der DFB statuierte ein Exempel. Wie war Ihr Verhältnis danach?

Rutemöller: Viele haben sich danach über mich aufgeregt. Udo Lattek natürlich, selbst Kollege Winni Schäfer. Wer es am besten verkraftet hat, das war der "Otze", wir haben noch heute ein gutes Verhältnis. Er hat es mir nie übel genommen. Ich hatte mir dennoch damals vorgenommen, ihm eine Miniaturreplik des Pokals zu schenken, falls wir gewinnen. War leider nichts. Aber gerade diese Woche erst hab ich ihm ein Paket geschickt.

DFB.de: Wie das?

Rutemöller: Wir waren neulich gemeinsam bei einem Jugendspiel des 1. FC. Er ist jetzt Scout von Werder und tippte mich plötzlich von hinten an die Schulter. Es war Zufall. Dann erzählte er mir, sein Sohn sei großer FC-Fan und fragte, ob ich ihm nicht ein paar Sachen aus dem Fanshop für ihn schicken könne. Die gingen dann gleich in die Post.

DFB.de: Ihre Karriere in Köln endete im August 1991 nach sechs Spieltagen. Danach waren sie noch für eine halbe Saison bei Zweitligist Hansa Rostock. Sie haben nur bei 76 Profispielen auf der Bank gesessen. Hat Ihnen die "Otze-Affäre" so geschadet, dass es nicht mehr wurden oder wollten Sie nicht mehr?

Rutemöller: Vermutlich beides. Ich war halt nie der coole abgebrühte Typ für das Haifischbecken Bundesliga. Deswegen bin ich dem Berti Vogts noch immer dankbar, dass er mir 1994 den Weg zum DFB geebnet hat. Das war meine schönste Zeit.

DFB.de: Die als Ausbilder?

Rutemöller: Ja. Die hat mir viel gegeben, da fühlte ich mich viel wohler. Sowohl bei der Arbeit mit der U 20 und dem Team 2006 als auch als Trainerausbilder an der Akademie in Köln (vom 1. Juli 2000 bis 31. Dezember 2007; Anm.d.Red.).

DFB.de: Welche großen Trainer erfüllen Sie heute sozusagen mit Vaterstolz?

Rutemöller: Wo soll ich da anfangen? Ein Jürgen Klopp war dabei, der 2019 die Champions League gewonnen hat. Thomas Tuchel, Dieter Hecking, Mirko Slomka oder David Wagner - alle haben sie ihren Weg gemacht.

DFB.de: An der Akademie sind sie seit 2008 nicht mehr: Haben Sie trotzdem noch Kontakt zu den Musterschülern? Gab es mal eine SMS an Klopp nach seinem großen Triumph?

Rutemöller: Das nicht, ich habe seine Nummer gar nicht. Aber ich bekäme sie, wenn ich sie wollte. Am intensivsten war der Kontakt, als er damals schon in Mainz trainierte und seine Lizenz noch machte. Die durfte er in zwei Lehrgängen machen statt einem, da haben wir eine Sonderregelung getroffen.

DFB.de: Der Fußball hat Sie bis heute nicht los gelassen. Sie sind schon lange FIFA-Instructor, bilden im Ausland Trainer und Trainerausbilder aus. Sie waren sogar Scout in Afghanistan, weltweit im Dienste des Fußballs unterwegs. Was kommt als nächstes?

Rutemöller: Ich komme gerade von einem Workshop aus Katar. Die FIFA plant ein großangelegtes Projekt: Kein Talent dieser Welt soll mehr unentdeckt bleiben. Dafür hat sie alle 211 Verbände angeschrieben und sich über die nationalen Strukturen informiert. Das ist quasi eine Bestandsaufnahme, eine ganz tolle Sache. Ich gehöre einer Expertenkommission an, die aus 16 Leuten besteht, die sich die Länder dann aufteilen und die Strukturen vorantreiben.

DFB.de: Mit Verlaub: Lässt das Ihre Gesundheit zu?

Rutemöller: Ich bin noch ganz fit, toi, toi, toi. Ich mache meinen Sport, gehe einmal die Woche joggen. Aber man könnte mehr machen…

DFB.de: Wenn sich das überhaupt sagen lässt nach so vielen Erlebnissen und Eindrücken: Gibt es die eine, schönste Geschichte?

Rutemöller: Die wüsste ich so nicht zu sagen. Wissen Sie, ich war auf allen Kontinenten. Zweimal in Nordkorea, in Bhutan, überall. Ich habe Freundschaften geschlossen in allen Ländern der Welt. Das ist das Schönste.

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Erich Rutemöller war nur 14 Monate Bundesligatrainer, und das liegt auch schon fast 30 Jahre zurück. Trotzdem hat der Mann, der später lange an der Hennes-Weisweiler-Akademie Fußball-Lehrer ausbildete, seinen Platz in den Geschichtsbüchern. Mit zwei bis drei Worten. Zwei fielen, die Legende machte drei draus. Im DFB.de-Interview spricht Jubilar Erich Rutemöller, der heute 75 wird, über sein Leben mit und für den Fußball, über Jürgen Klopp, Udo Lattek, Pakete an Frank Ordenewitz und einen Spruch, den jeder Fußballfan kennt.

DFB.de: Herr Rutemöller, wie werden Sie Ihren 75. Geburtstag verbringen?

Erich Rutemöller: Meinen 70. habe ich noch im großen Freundeskreis gefeiert. Dazu habe ich diesmal keine Lust. Vielleicht treffe ich mich spontan mit meinen beiden Söhnen, die ja alle in der Nähe wohnen.

DFB.de: Sie sind Westfale, leben in Köln und arbeiten immer noch oder besser gesagt jetzt wieder für den 1. FC, als Berater. Wie muss man sich das vorstellen?

Rutemöller: Ich habe keine festen Arbeitszeiten, aber einen Vertrag. Ich berate den Verein in Trainerfragen, bei Transfers, ob bei den Profis oder der Jugend. Ich bin fast täglich am Geißbockheim und spreche viel mit Horst Heldt und Markus Gisdol. Ich hatte auch zu seinem Vorgänger Achim Beierlorzer ein gutes Verhältnis und war noch kurz vor seiner Entlassung mit ihm essen.

DFB.de: Konnten oder wollten Sie die nicht verhindern? Als ehemaliger Trainer hatten Sie doch sicher Verständnis für ihn?

Rutemöller: Ja, sicher. Ich halte ihn auch für einen guten Trainer und für den Elfmeter gegen Hoffenheim durch den Video-Assistenten in der Nachspielzeit konnte er nichts. Das lief alles sehr blöd für ihn. Ich habe zunächst für ihn plädiert, so wie ich in Düsseldorf zuvor als Berater der Fortuna immer für Friedhelm Funkel plädiert habe. Aber so wie es anfing, waren wir ja für viele schon erster Absteiger. In Köln werden sie eben immer schnell nervös, wenn es nicht so läuft.

DFB.de: Da sprechen Sie aus leidvoller Erfahrung. Wie war es denn vor 30 Jahren als neuer Trainer unter einem Sportdirektor Udo Lattek?

Rutemöller: Es war nicht so einfach, er war ja im Grunde noch immer Trainer. Insgesamt bin ich gut mit ihm klar gekommen. Ich weiß noch: Als wir 1991 das Pokalfinale verloren hatten, hat er mich spontan in sein Haus in Barcelona eingeladen, um die Enttäuschung zu verarbeiten und mal zu entspannen. Da haben wir uns dann besser kennen gelernt. Zurück im Alltag, war es trotzdem schwierig, weil er so präsent in den Medien war. Da wäre manchmal "si tacuisses" (lat.: Hättest Du geschwiegen, Anm.d.Red.) angebracht gewesen.

DFB.de: Das Pokalfinale 1991 erreichten Sie nach dem 3:0 gegen Duisburg. Sie wissen, was jetzt kommt?

Rutemöller: Ach, die Geschichte mit "Otze". Sie gehört zu meinem Leben und ist doch mittlerweile von vielem verdeckt, was danach kam.

DFB.de: Sie erlaubten ihrem Stürmer Frank Ordenewitz, der wegen einer Gelben Karte fürs Finale gesperrt gewesen wäre, sich eine Rote zu holen. Dann schlug er den Ball weg und bekam sie. Nach damaligem Reglement hätte er die Strafe dann in der Liga absitzen können und im Finale gespielt. Das gaben Sie dann im ZDF gegenüber Reporter Wolfram Esser zu, es fiel der Satz "Da hab ich gesagt: Mach et." Übrigens ohne "Otze", wie es die Legende will.

Rutemöller: Darüber habe ich mich danach maßlos geärgert und ein bisschen ärgere ich mich immer noch im Stillen. Man hat mir danach Blauäugigkeit und Naivität vorgeworfen und da war ja auch was Wahres dran. Es ist halt so aus mir rausgesprudelt, ich wollte auch nicht lügen. Danach war die ganze Freude über den Finaleinzug weg.

DFB.de: Den Ordenewitz aufgrund Ihres Geständnisses auch nur in Zivil erlebte. Der DFB statuierte ein Exempel. Wie war Ihr Verhältnis danach?

Rutemöller: Viele haben sich danach über mich aufgeregt. Udo Lattek natürlich, selbst Kollege Winni Schäfer. Wer es am besten verkraftet hat, das war der "Otze", wir haben noch heute ein gutes Verhältnis. Er hat es mir nie übel genommen. Ich hatte mir dennoch damals vorgenommen, ihm eine Miniaturreplik des Pokals zu schenken, falls wir gewinnen. War leider nichts. Aber gerade diese Woche erst hab ich ihm ein Paket geschickt.

DFB.de: Wie das?

Rutemöller: Wir waren neulich gemeinsam bei einem Jugendspiel des 1. FC. Er ist jetzt Scout von Werder und tippte mich plötzlich von hinten an die Schulter. Es war Zufall. Dann erzählte er mir, sein Sohn sei großer FC-Fan und fragte, ob ich ihm nicht ein paar Sachen aus dem Fanshop für ihn schicken könne. Die gingen dann gleich in die Post.

DFB.de: Ihre Karriere in Köln endete im August 1991 nach sechs Spieltagen. Danach waren sie noch für eine halbe Saison bei Zweitligist Hansa Rostock. Sie haben nur bei 76 Profispielen auf der Bank gesessen. Hat Ihnen die "Otze-Affäre" so geschadet, dass es nicht mehr wurden oder wollten Sie nicht mehr?

Rutemöller: Vermutlich beides. Ich war halt nie der coole abgebrühte Typ für das Haifischbecken Bundesliga. Deswegen bin ich dem Berti Vogts noch immer dankbar, dass er mir 1994 den Weg zum DFB geebnet hat. Das war meine schönste Zeit.

DFB.de: Die als Ausbilder?

Rutemöller: Ja. Die hat mir viel gegeben, da fühlte ich mich viel wohler. Sowohl bei der Arbeit mit der U 20 und dem Team 2006 als auch als Trainerausbilder an der Akademie in Köln (vom 1. Juli 2000 bis 31. Dezember 2007; Anm.d.Red.).

DFB.de: Welche großen Trainer erfüllen Sie heute sozusagen mit Vaterstolz?

Rutemöller: Wo soll ich da anfangen? Ein Jürgen Klopp war dabei, der 2019 die Champions League gewonnen hat. Thomas Tuchel, Dieter Hecking, Mirko Slomka oder David Wagner - alle haben sie ihren Weg gemacht.

DFB.de: An der Akademie sind sie seit 2008 nicht mehr: Haben Sie trotzdem noch Kontakt zu den Musterschülern? Gab es mal eine SMS an Klopp nach seinem großen Triumph?

Rutemöller: Das nicht, ich habe seine Nummer gar nicht. Aber ich bekäme sie, wenn ich sie wollte. Am intensivsten war der Kontakt, als er damals schon in Mainz trainierte und seine Lizenz noch machte. Die durfte er in zwei Lehrgängen machen statt einem, da haben wir eine Sonderregelung getroffen.

DFB.de: Der Fußball hat Sie bis heute nicht los gelassen. Sie sind schon lange FIFA-Instructor, bilden im Ausland Trainer und Trainerausbilder aus. Sie waren sogar Scout in Afghanistan, weltweit im Dienste des Fußballs unterwegs. Was kommt als nächstes?

Rutemöller: Ich komme gerade von einem Workshop aus Katar. Die FIFA plant ein großangelegtes Projekt: Kein Talent dieser Welt soll mehr unentdeckt bleiben. Dafür hat sie alle 211 Verbände angeschrieben und sich über die nationalen Strukturen informiert. Das ist quasi eine Bestandsaufnahme, eine ganz tolle Sache. Ich gehöre einer Expertenkommission an, die aus 16 Leuten besteht, die sich die Länder dann aufteilen und die Strukturen vorantreiben.

DFB.de: Mit Verlaub: Lässt das Ihre Gesundheit zu?

Rutemöller: Ich bin noch ganz fit, toi, toi, toi. Ich mache meinen Sport, gehe einmal die Woche joggen. Aber man könnte mehr machen…

DFB.de: Wenn sich das überhaupt sagen lässt nach so vielen Erlebnissen und Eindrücken: Gibt es die eine, schönste Geschichte?

Rutemöller: Die wüsste ich so nicht zu sagen. Wissen Sie, ich war auf allen Kontinenten. Zweimal in Nordkorea, in Bhutan, überall. Ich habe Freundschaften geschlossen in allen Ländern der Welt. Das ist das Schönste.

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