Rutemöller: "Erfahrung ist nur teilweise eine Frage des Alters"

Mit einem Festakt in Gravenbruch ist am Montag der 64. Fußball-Lehrer-Lehrgang zu Ende gegangen. Im Rahmen der Gala im Kempinski wurde Erich Rutemöller (73) eine besondere Auszeichnung verliehen. Von DFB-Präsident Reinhard Grindel wurde ihm der "Ehrenpreis Lebenswerk" überreicht. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht Rutemöller über die Stationen seiner Vita, die Zutaten einer erfolgreichen Trainerlaufbahn und die aktuelle Entwicklung bei Fortuna Düsseldorf.

DFB.de: Dettmar Cramer, Udo Lattek, Gero Bisanz, Otto Rehhagel, Jupp Heynckes, Ottmar Hitzfeld, Bernd Schröder. Und jetzt Erich Rutemöller. Mit Blick auf Ihre Vorgänger – und ganz grundsätzlich - was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Erich Rutemöller: Im wahrsten Sinne des Wortes: Ich fühle mich geehrt. Den Preis verbinde ich daneben mit zwei Begriffen – Dankbarkeit und Stolz. Ich bin sehr vielen Menschen dankbar, ich weiß, dass ich in meinem Leben und in meiner Laufbahn auch abhängig war vom Vertrauen und vom Wohlwollen anderer. Ich weiß das sehr zu schätzen. Natürlich bin ich auch ein bisschen stolz, vor allem, wenn ich mir anschaue, welche Persönlichkeiten vor mir diesen Preis erhalten haben.

DFB.de: Sie erhalten die Auszeichnung im Rahmen der Abschlussveranstaltung des Fußball-Lehrer-Lehrgang. Wieder wurden viele junge Trainer zu Fußball-Lehrern. Hat sich deren Job-Perspektive zuletzt ein wenig verschlechtert?

Rutemöller: Warum sollte dies der Fall sein?

DFB.de: Jupp Heynckes ist sehr erfolgreich auf die Trainerbank zurückgekehrt, Ottmar Hitzfeld war bei Borussia Dortmund im Gespräch, Christian Streich galt beim FC Bayern als Heynckes-Nachfolge-Kandidat. Friedhelm Funkel in Düsseldorf ist auch kein Teenager mehr. Erlebt der Fußball in Deutschland im Trainerbereich eine Rückbesinnung auf den Faktor Erfahrung?

Rutemöller: Der Faktor Erfahrung hat große Bedeutung, Erfahrung ist aber nur teilweise eine Frage des Alters. Wenn ich mir die Absolventen des Fußball-Lehrer-Lehrgangs anschaue, dann sind auch in diesem Jahr viele darunter, die bereits über jede Menge Erfahrung verfügen. So war es ja auch bei Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco, die schon bevor sie Fußball-Lehrer wurden, in ihren Vereinen die Möglichkeit hatten, als Trainer in der Junioren-Bundesliga Erfahrungen zu sammeln. Für Hannes Wolf, der ja heute den Trainerpreis erhalten hat, gilt das genauso. Ich finde es im Übrigen bemerkenswert und konsequent vom DFB, dass Hannes Wolf den Preis gerade in der aktuellen Situation erhält.

DFB.de: Weil er vor kurzem vom VfB Stuttgart freigestellt wurde?

Rutemöller: Ja. Und genau das kann ja keinen Einfluss darauf haben, ob man von einem Trainer und dessen Arbeit grundsätzlich überzeugt ist oder nicht. Als ich gehört habe, dass Hannes Wolf Trainer des Jahres werden soll, habe ich spontan an Herbert Widmayer denken müssen. Bei der Verabschiedung von A-Lizenzlern oder Fußball-Lehrern hat er häufig gesagt: "Männer, Ihr seid erst richtige Trainer, wenn Ihr das erste Mal gefeuert wurdet."

DFB.de: Trotz Heynckes und Co. - haben es die Absolventen des Lehrgangs dann heute umgekehrt sogar leichter als zu der Zeit, als Sie noch für die Ausbildung verantwortlich waren?

Rutemöller: Weil mehr auf jüngere Trainer gesetzt wird?

DFB.de: Ja.

Rutemöller: Beispiele sorgen für Nachahmung. Bei einigen Vereinen hat es zuletzt gut mit einem jungen Trainer funktioniert, dadurch werden andere Vereine ermutigt, ebenfalls einen solchen Weg zu beschreiten. Eine generelle Tendenz kann ich darin aber nicht erkennen. Jupp Heynckes ist aktuell ein Gegenbeispiel, ähnlich gelagert ist die Konstellation bei uns in Düsseldorf mit Trainer Friedhelm Funkel. Für uns war das ein goldener Griff. Er hat den Abstieg verhindert, hat die Mannschaft entwickelt und zu einem Kandidaten für den Aufstieg geformt. Die Entscheidung für den Cheftrainer ist immer sehr individuell, weil Vereine logischerweise auch in unterschiedlichen Situationen stecken. Daher ist es schwer, in diesem Bereich grundsätzliche Aussagen zu machen.

DFB.de: Haben Sie einen Ratschlag für die frischgebackenen Fußball-Lehrer, etwas, dass Sie den Absolventen mit auf den Weg geben können?

Rutemöller: Aus meiner Sicht ist das Wichtigste: Behaltet Eure Neugierde! Voraussetzung für Wissen ist Neugierde. Daneben glaube ich, dass es ohne ein gesundes Maß an Besessenheit ganz schwer wird, im Trainerberuf auf Dauer glücklich zu sein. Und elementar ist auch, dass Trainer demütig bleiben. Ich kann mich noch gut an einen Wettbewerb zu Gymnasialzeiten erinnern – damals haben wir einen Pokal gewonnen und auf dem Sockel war ein Spruch eingraviert: "In der Niederlage nicht verzagen, im Sieg nicht übermütig werden." Das hat mich immer begleitet.



Mit einem Festakt in Gravenbruch ist am Montag der 64. Fußball-Lehrer-Lehrgang zu Ende gegangen. Im Rahmen der Gala im Kempinski wurde Erich Rutemöller (73) eine besondere Auszeichnung verliehen. Von DFB-Präsident Reinhard Grindel wurde ihm der "Ehrenpreis Lebenswerk" überreicht. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht Rutemöller über die Stationen seiner Vita, die Zutaten einer erfolgreichen Trainerlaufbahn und die aktuelle Entwicklung bei Fortuna Düsseldorf.

DFB.de: Dettmar Cramer, Udo Lattek, Gero Bisanz, Otto Rehhagel, Jupp Heynckes, Ottmar Hitzfeld, Bernd Schröder. Und jetzt Erich Rutemöller. Mit Blick auf Ihre Vorgänger – und ganz grundsätzlich - was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Erich Rutemöller: Im wahrsten Sinne des Wortes: Ich fühle mich geehrt. Den Preis verbinde ich daneben mit zwei Begriffen – Dankbarkeit und Stolz. Ich bin sehr vielen Menschen dankbar, ich weiß, dass ich in meinem Leben und in meiner Laufbahn auch abhängig war vom Vertrauen und vom Wohlwollen anderer. Ich weiß das sehr zu schätzen. Natürlich bin ich auch ein bisschen stolz, vor allem, wenn ich mir anschaue, welche Persönlichkeiten vor mir diesen Preis erhalten haben.

DFB.de: Sie erhalten die Auszeichnung im Rahmen der Abschlussveranstaltung des Fußball-Lehrer-Lehrgang. Wieder wurden viele junge Trainer zu Fußball-Lehrern. Hat sich deren Job-Perspektive zuletzt ein wenig verschlechtert?

Rutemöller: Warum sollte dies der Fall sein?

DFB.de: Jupp Heynckes ist sehr erfolgreich auf die Trainerbank zurückgekehrt, Ottmar Hitzfeld war bei Borussia Dortmund im Gespräch, Christian Streich galt beim FC Bayern als Heynckes-Nachfolge-Kandidat. Friedhelm Funkel in Düsseldorf ist auch kein Teenager mehr. Erlebt der Fußball in Deutschland im Trainerbereich eine Rückbesinnung auf den Faktor Erfahrung?

Rutemöller: Der Faktor Erfahrung hat große Bedeutung, Erfahrung ist aber nur teilweise eine Frage des Alters. Wenn ich mir die Absolventen des Fußball-Lehrer-Lehrgangs anschaue, dann sind auch in diesem Jahr viele darunter, die bereits über jede Menge Erfahrung verfügen. So war es ja auch bei Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco, die schon bevor sie Fußball-Lehrer wurden, in ihren Vereinen die Möglichkeit hatten, als Trainer in der Junioren-Bundesliga Erfahrungen zu sammeln. Für Hannes Wolf, der ja heute den Trainerpreis erhalten hat, gilt das genauso. Ich finde es im Übrigen bemerkenswert und konsequent vom DFB, dass Hannes Wolf den Preis gerade in der aktuellen Situation erhält.

DFB.de: Weil er vor kurzem vom VfB Stuttgart freigestellt wurde?

Rutemöller: Ja. Und genau das kann ja keinen Einfluss darauf haben, ob man von einem Trainer und dessen Arbeit grundsätzlich überzeugt ist oder nicht. Als ich gehört habe, dass Hannes Wolf Trainer des Jahres werden soll, habe ich spontan an Herbert Widmayer denken müssen. Bei der Verabschiedung von A-Lizenzlern oder Fußball-Lehrern hat er häufig gesagt: "Männer, Ihr seid erst richtige Trainer, wenn Ihr das erste Mal gefeuert wurdet."

DFB.de: Trotz Heynckes und Co. - haben es die Absolventen des Lehrgangs dann heute umgekehrt sogar leichter als zu der Zeit, als Sie noch für die Ausbildung verantwortlich waren?

Rutemöller: Weil mehr auf jüngere Trainer gesetzt wird?

DFB.de: Ja.

Rutemöller: Beispiele sorgen für Nachahmung. Bei einigen Vereinen hat es zuletzt gut mit einem jungen Trainer funktioniert, dadurch werden andere Vereine ermutigt, ebenfalls einen solchen Weg zu beschreiten. Eine generelle Tendenz kann ich darin aber nicht erkennen. Jupp Heynckes ist aktuell ein Gegenbeispiel, ähnlich gelagert ist die Konstellation bei uns in Düsseldorf mit Trainer Friedhelm Funkel. Für uns war das ein goldener Griff. Er hat den Abstieg verhindert, hat die Mannschaft entwickelt und zu einem Kandidaten für den Aufstieg geformt. Die Entscheidung für den Cheftrainer ist immer sehr individuell, weil Vereine logischerweise auch in unterschiedlichen Situationen stecken. Daher ist es schwer, in diesem Bereich grundsätzliche Aussagen zu machen.

DFB.de: Haben Sie einen Ratschlag für die frischgebackenen Fußball-Lehrer, etwas, dass Sie den Absolventen mit auf den Weg geben können?

Rutemöller: Aus meiner Sicht ist das Wichtigste: Behaltet Eure Neugierde! Voraussetzung für Wissen ist Neugierde. Daneben glaube ich, dass es ohne ein gesundes Maß an Besessenheit ganz schwer wird, im Trainerberuf auf Dauer glücklich zu sein. Und elementar ist auch, dass Trainer demütig bleiben. Ich kann mich noch gut an einen Wettbewerb zu Gymnasialzeiten erinnern – damals haben wir einen Pokal gewonnen und auf dem Sockel war ein Spruch eingraviert: "In der Niederlage nicht verzagen, im Sieg nicht übermütig werden." Das hat mich immer begleitet.

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DFB.de: Was macht grundsätzlich einen guten Trainer aus?

Rutemöller: Ein guter Trainer bringt seine Spielideen auf den Platz. Wichtig ist dabei der Plural – Ideen. Trainer müssen flexibel sein, sie müssen ihre Mannschaften befähigen, auf Situationen, Spielstände und Ausgangslagen zu reagieren. Gute Trainer müssen scheinbare Widersprüche vereinen: sie müssen sich zwar ständig hinterfragen und trotzdem frei von Zweifeln sein, sie müssen in sich ruhen und trotzdem rastlos sein.

DFB.de: Als eine wichtige Kompetenz von Trainern haben Sie die Vermittlungskompetenz bezeichnet…

Rutemöller: Ja. Es ist unerlässlich, dass ein Trainer in der Lage ist, das, was er weiß, auch rüber zu bringen. Dafür muss er die richtige Methode, die richtigen Inhalte und die richtige Ansprache wählen. Ein Hauptziel des Fußball-Lehrer-Lehrgangs ist es immer, die Teilnehmer handlungsfähig zu machen. Manchen Menschen mag diese Vermittlungskompetenz zufliegen, es gibt aber Methoden, sich diese Kompetenz anzueignen.

DFB.de: Wie abhängig ist die Vermittlungskompetenz von Sprache?

Rutemöller: Sehr stark.

DFB.de: Wie passt das zusammen mit Ihren internationalen Engagements? Sie haben in der ganzen Welt gearbeitet? Wie haben Sie beispielsweise im Iran und für die afghanische Nationalmannschaft tätig sein können?

Rutemöller: Das passt auf den ersten Blick gar nicht zusammen. Daher müssen wir an dieser Stelle auch genau sein. Ich sage immer wieder: "Ich möchte keine Mannschaft eigenverantwortlich übernehmen, wenn ich die Sprache nicht spreche." Im Iran war ich Berater von Ali Daei, für die Nationalmannschaft war ich nicht primär zuständig. Ich habe die Mannschaft nicht vorbereitet, habe keine Einzelgespräche geführt, habe nicht an der Seitenlinie gecoacht. In Afghanistan war ich kurzzeitig auch zuständig für die Nationalmannschaft, aber das war eine Ausnahme. Ich war dort auf Vermittlung des DFB, die Situation war, dass sowohl der afghanische Trainer als auch der Co-Trainer von der FIFA für fünf Spiele gesperrt worden waren. In der Vorbereitung auf ein großes Turnier wollten sie einen deutschen Trainer – und ich bin gefragt worden, ob ich das übernehmen will.

DFB.de: Sie wollten...

Rutemöller: Weil von vornherein klar war, dass es nur von kurzer Dauer sein würde. Ich hatte damals großes Glück mit meinem Co-Trainer. Das war Ali Askar Lali, ein Deutsch-Afghane, der die Mannschaft auswendig kannte, der die ganzen Bedingungen kannte, der meine Sprache und die Sprache der Mannschaft sprach. Er war für mich und meine Arbeit mit der Mannschaft ungemein wertvoll. In dieser Konstellation kann es dann kurzzeitig funktionieren. Ansonsten bleibe ich dabei, dass zu viel verloren geht, wenn man in der täglichen Arbeit mit einem Team auf einen Dolmetscher angewiesen ist.

DFB.de: In den meisten Fällen waren Sie als Trainer-Ausbilder und nicht als Trainer im Ausland. In dieser Rolle ist die Landessprache weniger wichtig?

Rutemöller: Genau. Im klassischen Unterricht, bei der reinen Vermittlung von Wissen, gibt es mit einem Dolmetscher bzw. mit Englisch oder Französisch keine Probleme. Am schwierigsten wird es mit der Sprache, wenn es um die Zwischentöne geht, um Nuancen oder darum, auch mal persönlich und unter vier Augen sprechen zu können. Das ist in der Arbeit mit einem Kurs nicht derart von Belang, in der Arbeit mit einer Mannschaft aber unerlässlich.

DFB.de: Es war zu lesen, dass Sie in 80 unterschiedlichen Ländern tätig waren. Stimmt diese Zahl?

Rutemöller: Ich habe mir schon häufig vorgenommen, mich mal hinzusetzen und es genau durchzuzählen. Bislang habe ich das aber noch nicht geschafft. Es waren viele, und wahrscheinlich geht es auch in die Richtung. Aber die genaue Zahl kann ich leider nicht sicher nennen. Ich finde es auch nicht entscheidend, ob es jetzt 60, 70 oder 80 sind.

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DFB.de: Sie haben auf allen Stationen Fußball gelehrt, Sie waren aber auch ein Lernender. Gibt es eine Erkenntnis, eine Idee vom Fußball, ein Detail, das Sie am meisten überrascht hat?

Rutemöller: Ich finde es immer schwierig, einzelne Ereignisse oder einzelne Erlebnisse oder Erkenntnisse zu isolieren. Jede Erfahrung ist wertvoll, jedes Erlebnis bringt einen weiter. Man wird nicht dümmer. Eigentlich gibt es keine einzige Reise, kein Engagement, das nicht auch für mich eine Bereicherung gewesen wäre.

DFB.de: Sie haben gesagt, dass es Ihnen schwer fällt, zu benennen, wo es am Schönsten gewesen ist. Der Grund ist ein wenig ernüchternd – weil Sie kaum mehr als Flughafen, Hotel und Trainingsplatz gesehen hätten.

Rutemöller: Das habe ich gesagt?

DFB.de: Ja.

Rutemöller: Es stimmt und stimmt wieder nicht und ist auch abhängig von der Art der Aufgabe, die ich übernommen habe. Wenn ich in einem Land nur für eine Woche bin, um einen Trainerkurs zu übernehmen, dann kann es durchaus vorkommen, dass ich mich nicht viel außerhalb der vorgezeichneten Wege bewege. Ganz einfach, weil ich mich dann sehr auf meinen Auftrag fokussiere.

DFB.de: Und was stimmt nicht?

Rutemöller: Meine Projekte waren nicht immer nur so kurz. Außerdem nimmt man dann doch immer ein paar Dinge aus dem jeweiligen Land wahr. Meistens war es so, dass die Gastgeber sich für mich ein paar Sachen haben einfallen lassen, um mir einen Eindruck von Land und Leuten zu vermitteln.

DFB.de: Wie kam es dazu, dass Sie damit begonnen haben, Ihr Wissen im Ausland zu vermitteln? Was war Ihre Motivation: Neugierde? Fernweh? Abenteuerlust?

Rutemöller: Nach meinem Sportstudium in Köln war ich zwei Jahre in den USA und habe dort mit einem Stipendium für ein College Fußball gespielt. Das war der Beginn. Ich habe dabei gemerkt, wie viel Spaß ich an internationalen Kontakten habe, wie gut es mir bekommt, neue Situationen anzunehmen und zu meistern. Ich hatte und habe einen Erlebnisdrang in mir. Das war damals alles andere als normal, auch für meine Familie nicht. Ich weiß noch, wie schwer es für meine Mutter war, mich zwei Jahre lang in die USA gehen zu lassen. Meinem Vater ist das leichter gefallen. Aus dieser ersten Erfahrung im Ausland habe ich gelernt, dass ich mich in der Fremde gut zurecht finde, dass es mir liegt, mich auf andere Menschen und Kulturen einzulassen. Und aus dieser Erkenntnis hat sich dann alles Weitere ergeben.

DFB.de: Zu den außergewöhnlichsten Stationen Ihrer Vita gehört Nordkorea. Welche Erfahrungen haben Sie in diesem isolierten Land gemacht?

Rutemöller: Ich war zweimal da, und natürlich gab es dort Dinge, die seltsam waren. Man bekommt schon ein komisches Gefühl, wenn man bei der Einreise sofort sein Handy abgeben muss. Viel bedeutsamer war für mich aber alles, was sich unterhalb der Ebene des Staates abgespielt. Mit Nordkorea verbinde ich eine große Herzlichkeit und sehr wertvolle zwischenmenschliche Kontakte zu den Teilnehmern der Kurse und auch zu den Dolmetschern.

DFB.de: Herzlichkeit und zwischenmenschliche Kontakte sind nicht unbedingt die ersten Begriffe, die die Menschen außerhalb Nordkoreas mit Nordkorea verbinden.

Rutemöller: Das stimmt. Aber auch in Nordkorea ist es so, dass sich das Bild wandelt, wenn man längere Zeit im Land ist. Es war schön zu erleben, wie die Teilnehmer auftauen, wie sie zugänglicher werden. Am Anfang sitzen sie regungslos vor einem und hören einfach nur zu. Es würde ihnen nie einfallen, Fragen zu stellen oder gar etwas zu hinterfragen. Aber das ändert sich schnell. Vielleicht hatte es etwas mit dem Dolmetscher zu tun oder mit meiner Art des Unterrichtens – es war immer so, dass die Kurse am Ende wirklich locker gewesen sind.

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DFB.de: Wenn man so viel erlebt hat – ist es Ihnen möglich, einzelne Begebenheiten oder Höhepunkte zu benennen?

Rutemöller: Das ist tatsächlich schwer. Ein paar sehr spezielle Engagements haben wir ja bereits angerissen. Wenn ich sonst ein Erlebnis heraussuchen müsste, dann wäre es Bhutan, ein Staat im Himalaya. Ich war dort von vielen Dingen beeindruckt, am meisten vom Einsatz der Lehrgangsteilnehmer. Es ist unfassbar, was sie zum Teil an Mühen auf sich genommen haben, nur um an einem FIFA-Kurs teilzunehmen. Sie waren zum Teil mehrere Tage im Himalaya unterwegs, per Mofa oder zu Fuß. Besonders schön ist es dann, wenn ich Leute aus solchen Kursen später bei anderen Gelegenheiten wiedertreffe und sehe, dass sie einen erfolgreichen Weg im Fußball gegangen sind. Ich gebe auch gerne zu, dass mir die Dankbarkeit, die ich bei solchen Gelegenheiten erlebe, sehr gut tut.

DFB.de: Sie werden für Ihr Lebenswerk geehrt, dabei ist es noch gar nicht beendet. Seit fast zwei Jahren sind Sie Sportvorstand bei Fortuna Düsseldorf. Stimmt es, dass Sie diese Tätigkeit ehrenamtlich ausüben? Warum wollen Sie kein Geld für diese Arbeit?

Rutemöller: Für mich war das Finanzielle noch nie der Haupt-Antrieb. Ich wollte meine Projekte in der ganzen Welt für die FIFA und andere Verbände nicht aufgeben, daher habe ich in Düsseldorf gesagt, dass ich mir die Freiheiten dafür erhalten will, dass ich nicht ständig vor Ort sein will. Auch daher hätte es nicht gepasst, finanzielle Forderungen zu stellen. Außerdem: Ich arbeite zwar ehrenamtlich, aber nicht ohne Lohn, schließlich gibt mir die Arbeit viel. Ich erweitere meinen Horizont in vielen Bereichen. Wir haben in Düsseldorf mittlerweile eine richtig gute Konstellation, mit dem neuen Nachwuchsleistungszentrum wird es noch besser, die Mannschaft ist gut aufgestellt, der Scouting-Bereich funktioniert sehr gut. Die Option des Aufstiegs wirkt sich natürlich auch auf die Atmosphäre aus – es ist eine große Freude in diesem Verein tätig zu sein.

DFB.de: Wie sieht ein regulärer Arbeitstag im Leben von Erich Rutemöller aus?

Rutemöller: Für gewöhnlich bin ich ab etwa 10 Uhr im Büro. Bei Vorstandssitzungen bin ich dabei, halte Kontakt zum Aufsichtsrat. Ich schaue beim Training vorbei, führe viele Gespräche. Wenn mir etwas auffällt, suche ich den Kontakt zum Spieler oder zum Trainer, es kommt auch vor, dass Friedhelm Funkel zu mir kommt und meine Meinung hören will. Darüber hinaus bin ich in einem engen Austausch mit unsere NLZ-Leiter Frank Schaefer. Dass wir ihn damals für die Fortuna gewinnen konnten, macht mich sehr stolz. Das NLZ gehört zu meinen Hauptaufgabenfeldern.

DFB.de: Funkels Co-Trainer, Thomas Kleine, ist Absolvent des Fußball-Lehrer-Lehrgangs. Können Sie erzählen, wie das mit ihm genau gelaufen ist.

Rutemöller: Das ist ja kein Geheimnis. Letztlich kann man sagen, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen ist. Wobei er sich das natürlich vollkommen verdient hat. Thomas Kleine war als Teilnehmer des Fußball-Lehrer-Lehrgangs Hospitant in Düsseldorf, dabei hat er einen exzellenten Eindruck gemacht, er war sehr engagiert, fachlich top, und es hat zudem menschlich gepasst.

DFB.de: Und dann kam die Situation, dass Jupp Heynckes erneut Bayern-Trainer wurde und Funkels Co-Trainer Peter Hermann nach München lockte.

Rutemöller: Wir wollten Peter Hermann nicht gehen lassen, aber es war irgendwann klar, dass wir ihm – nach allem was er für die Fortuna geleistet hat – diesen ausdrücklichen Wunsch nicht abschlagen konnten. Wir haben schließlich eine Lösung gefunden, mit der wir sehr gut leben können. Unser Vorstandsvorsitzender Robert Schäfer hat sehr gut verhandelt. Dann kam Friedhelm Funkel auf die Idee mit Thomas Kleine. Funkel hat gesagt, dass er sich sehr gut vorstellen könnte, dass Thomas Kleine den Part von Peter Hermann übernimmt.

DFB.de: Als Leiter des Fußball-Lehrer-Lehrgangs haben Sie Trainer wie Jürgen Klopp, Thomas Tuchel oder Christian Streich ausgebildet. Wie deutlich war damals zu erkennen, dass diese Herrschaften große Trainer-Karrieren vor sich haben würden?

Rutemöller: Es wäre vermessen, wenn ich behaupten würde, dass ich Karrieren vorhersagen könnte. Bei den genannten Trainer müssen die Fälle individuell betrachtet werden. Als Jürgen Klopp zu uns kam, war er schon ein arrivierter Trainer in Mainz. Thomas Tuchel war Akademiker, er kam von der Hochschule, war Jugendtrainer in Augsburg. Im Grunde können wir das abkürzen. Die Antwort ist: nein. Man kann vielleicht ein Gefühl haben, aber Gewissheit, aus welchen der Kandidaten etwas wird, die gibt es nicht.

DFB.de: Wobei es zuletzt nicht selten so war, dass besonders gute Absolventen auch besonders gute Rollen bei Profivereinen gespielt haben. Nagelsmann und Tedesco sind dafür ja nur besonders prominente Beispiele.

Rutemöller: Das stimmt und das spricht auch für Frank Wormuth und sein Dozententeam. Mit ihrer Einschätzung der Qualität eines Trainers haben sie eine ziemlich gute Quote. Mich freut das sehr, es ist ja auch ein gutes Zeichen für die Qualität der Ausbildung. Wobei ich es auch unangebracht finde, nur auf die Profiligen zu schauen und danach zu urteilen, ob ein Absolvent im Berufsleben erfolgreich gewesen ist. Fußball-Lehrer haben viele Betätigungsmöglichkeiten auf anderen Ebenen als der der Bundesliga. Es wäre völlig falsch, es darauf zu reduzieren. Nicht jeden zieht es ins Rampenlicht.

DFB.de: Vor zehn Jahren haben Sie den Lehrgang an Frank Wormuth übergeben. Wie intensiv haben Sie beobachtet, wie sich die Ausbildung unter ihm geändert hat?

Rutemöller: Die größte Änderung ist die räumliche. Es war ein großer Schritt von der Sporthochschule in Köln nach Hennef. Und natürlich hat Frank Wormuth eigene Ideen und Vorstellung entwickelt und umgesetzt. Mein Kontakt zu ihm und der Ausbildung ist nicht intensiv, aber er ist vorhanden. Ich schätze sehr, dass die Türen für mich in Hennef offen sind. Wenn ich mit internationalen Kursen in Deutschland bin, wird meinen Teilnehmern beispielsweise immer die Chance gegeben, in Hennef zu hospitieren und bei Praxiseinheiten dabei zu sein. Enger ist der Kontakt zu einzelnen Dozenten, dem Sportpsychologen Werner Mickler etwa. Mit ihm arbeite ich auch noch zusammen, beispielsweise zuletzt bei Projekten im Bahrain oder den Emiraten.

DFB.de: Ihr Lebenswerk ist noch nicht vollendet – gleichwohl: wenn Sie auf Ihre lange Laufbahn blicken – an welche Zeit, an welchen Abschnitt, erinnern Sie sich am liebsten?

Rutemöller: Sehr gerne erinnere ich mich an meine Zeit als Dozent an der Sporthochschule Köln. Ich war selbst dort Student, für mich war es sehr speziell, schön und prägend, dort später als Dozent vor Studenten zu stehen. 1994 kam der Schritt zum DFB, das war ein entscheidender Schritt, mein Leben hat sich enorm verändert. Eigentlich gibt es keine Zeit und keine Aufgabe im DFB, an die ich nicht sehr gerne zurückdenke. Die Arbeit mit Mannschaften, die Arbeit für die Ausbildung – mir hat das alles sehr viel gegeben. Exponiert stehen natürlich die sportlichen Erfolge. Die WM 2002 im Trainerteam von Rudi Völler. Und ganz besonders die EM 96 an der Seite von Berti Vogts mit dem Triumph im alten Wembley-Stadion. Das werde ich nie vergessen.

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