Rostock feiert letzte DDR-Meisterschaft

Die Wiedervereinigung brachte für die Klubs im Osten Deutschlands nicht nur Gutes, daran besteht kein Zweifel. Aber der Beginn war vielversprechend, denn der erste Westimport sorgte gleich für ein Double. Ex-Nationalspieler Uwe Reinders führte Hansa Rostock heute vor 29 Jahren zur letzten Meisterschaft im ostdeutschen Fußball und damit direkt in die Bundesliga. Pokalsieger wurden sie auch – einmalig in der Klubgeschichte der Rostocker. DFB.de blickt zurück.

Die Saison 1990/1991 begannen die Mannschaften der NOFV-Oberliga noch als Organe des DDR-Sports, nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 waren sie Teil der Bundesrepublik Deutschland. Es wurde vereinbart, dass die ersten beiden Mannschaften ab 1991/1992 in der Bundesliga mitspielen durften, die anderen wurden auf die unteren Ligen verteilt.

Reinders: "In drei Jahren ist der Ostfußball kaputt"

Hansa war noch nie Meister geworden und zählte deshalb auch nicht zu den Favoriten, die sich einen der beiden Bundesligaplätze ergattern würden können. Aber der Vorstand, der im Februar 1990 eine Kooperation mit Werder Bremen einging, verpflichtete einen Trainer, der schon bewiesen hatte, dass er aufsteigen konnte. Uwe Reinders, damals erst 35 Jahre alt, hatte Eintracht Braunschweig in die 2. Bundesliga geführt und dort gehalten. Für ihn war es eine gewaltige Umstellung: Seine Trainerkabine hatte nur zehn Quadratmeter, es gab nur einen Arzt. Zu Beginn wollte er eine Telefonliste der Spieler erstellen und erfuhr zu seinem Entsetzen, dass keiner einen Anschluss hatte.

Trotzdem lief es sportlich glänzend, und schon bald verlor die Konkurrenz den Anschluss. Hansa wurde Herbstmeister und hatte bereits vier Spiele vor Schluss in der 14er-Liga den ersten Matchball. Ausgerechnet gegen Dynamo Dresden, den schärfsten Verfolger, sollte am 4. Mai 1991 der Aufstieg perfekt gemacht werden. Die Euphorie im Umfeld war riesig, nur Reinders teilte sie nicht. Er gab dem kicker ein Interview, das zwei Tage vor dem Spiel erschien, und zeichnete eine düstere Prognose: "In drei Jahren ist der Ostfußball kaputt. Dann gibt es hier nur noch Amateurklubs." Seiner eigenen Mannschaft gab er "keine Chance, in der Bundesliga zu bestehen".

Schlünz arbeitet am Kultstatus

Diese Aussagen fielen unter dem Eindruck der ersten Monate nach der Wiedervereinigung, als die besten DDR-Spieler von der Bundesliga abgeworben wurden und die Spielerberater aller Couleur über den Ostfußball herfielen. Reinders war ernüchtert, gerade erst hatte er Henri Fuchs an den 1. FC Köln verloren und in der Kabine würden alle "nur noch übers Geld quatschen". Aber dann gab es doch etwas zu feiern. 17.500 Zuschauer füllten das Ostseestadion, durch das immer wieder La Ola, die Welle der Begeisterung, schwappte.

Juri Schlünz tat an diesem Tag viel für seinen Kultstatus, der Kapitän zimmerte gleich zwei Freistöße ins Dresdner Netz, die jeweils die Führung bedeuteten (15., 67.). Dazwischen lag Torsten Gütschows Ausgleich (51.). Nach Ralf Hauptmanns Platzverweis schlug das Pendel noch stärker in Richtung Hansa aus, für die Entscheidung sorgte ausgerechnet der künftige Kölner Fuchs (83.). Auf der Tribüne überkam Gerd Kische, der langjährige Hansa-Spieler und damalige Vizepräsident, Wehmut: "Ich hätte heute einiges dafür gegeben, selbst auf dem Platz zu stehen."

Die Helden waren überwältigt von ihren Gefühlen. Hilmar Weilandt sagte: "Herrlich, so habe ich das Stadion noch nie erlebt. Von den kühlen Norddeutschen so eine Begeisterung – einfach toll." Uwe Reinders, als Spieler bei Feiern weniger zurückhaltend, lenkte schon den Blick aufs Pokalfinale und wollte nur "ein Gläschen Sekt trinken, die große Feier kommt später". Aber das Sonntagstraining sagte er ab, "denn was soll ich mit besoffenen Spielern auf dem Platz?"

Sieg bei Bayern, Bundesliga-Tabellenführer und doch Abstieg

Am Montag erschien die Ostsee-Zeitung mit der kühnen Behauptung: "Die Münchner Bayern studieren bereits den Weg ins Ostseestadion. Und auf den Traversen des Stadions proben die jubelnden Fans schon den Bundesliga-Aufstand: Wir ziehen den Bayern die Lederhose aus."

Tatsächlich gewannen sie ihr erstes Spiel gegen die Bayern sogar in München mit 2:1 und waren bis zum 7. Spieltag Tabellenführer. Am Ende stand doch der Abstieg und Reinders, der für die Meisterschaft 350.000 Mark bekam, überstand die Saison 1991/1992 nicht. Aber Hansa kam noch mal wieder und spielte bis 2008 immerhin zwölf Jahre in der Bundesliga. Da war Reinders doch etwas zu pessimistisch gewesen.

Am 4. Mai 1991 gab es ohnehin nur Optimisten in Rostock, erst recht nach dem Pokalsieg am 2. Juni gegen Stahl Eisenhüttenstadt. Heute spielt der FC Hansa in der 3. Liga.

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Die Wiedervereinigung brachte für die Klubs im Osten Deutschlands nicht nur Gutes, daran besteht kein Zweifel. Aber der Beginn war vielversprechend, denn der erste Westimport sorgte gleich für ein Double. Ex-Nationalspieler Uwe Reinders führte Hansa Rostock heute vor 29 Jahren zur letzten Meisterschaft im ostdeutschen Fußball und damit direkt in die Bundesliga. Pokalsieger wurden sie auch – einmalig in der Klubgeschichte der Rostocker. DFB.de blickt zurück.

Die Saison 1990/1991 begannen die Mannschaften der NOFV-Oberliga noch als Organe des DDR-Sports, nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 waren sie Teil der Bundesrepublik Deutschland. Es wurde vereinbart, dass die ersten beiden Mannschaften ab 1991/1992 in der Bundesliga mitspielen durften, die anderen wurden auf die unteren Ligen verteilt.

Reinders: "In drei Jahren ist der Ostfußball kaputt"

Hansa war noch nie Meister geworden und zählte deshalb auch nicht zu den Favoriten, die sich einen der beiden Bundesligaplätze ergattern würden können. Aber der Vorstand, der im Februar 1990 eine Kooperation mit Werder Bremen einging, verpflichtete einen Trainer, der schon bewiesen hatte, dass er aufsteigen konnte. Uwe Reinders, damals erst 35 Jahre alt, hatte Eintracht Braunschweig in die 2. Bundesliga geführt und dort gehalten. Für ihn war es eine gewaltige Umstellung: Seine Trainerkabine hatte nur zehn Quadratmeter, es gab nur einen Arzt. Zu Beginn wollte er eine Telefonliste der Spieler erstellen und erfuhr zu seinem Entsetzen, dass keiner einen Anschluss hatte.

Trotzdem lief es sportlich glänzend, und schon bald verlor die Konkurrenz den Anschluss. Hansa wurde Herbstmeister und hatte bereits vier Spiele vor Schluss in der 14er-Liga den ersten Matchball. Ausgerechnet gegen Dynamo Dresden, den schärfsten Verfolger, sollte am 4. Mai 1991 der Aufstieg perfekt gemacht werden. Die Euphorie im Umfeld war riesig, nur Reinders teilte sie nicht. Er gab dem kicker ein Interview, das zwei Tage vor dem Spiel erschien, und zeichnete eine düstere Prognose: "In drei Jahren ist der Ostfußball kaputt. Dann gibt es hier nur noch Amateurklubs." Seiner eigenen Mannschaft gab er "keine Chance, in der Bundesliga zu bestehen".

Schlünz arbeitet am Kultstatus

Diese Aussagen fielen unter dem Eindruck der ersten Monate nach der Wiedervereinigung, als die besten DDR-Spieler von der Bundesliga abgeworben wurden und die Spielerberater aller Couleur über den Ostfußball herfielen. Reinders war ernüchtert, gerade erst hatte er Henri Fuchs an den 1. FC Köln verloren und in der Kabine würden alle "nur noch übers Geld quatschen". Aber dann gab es doch etwas zu feiern. 17.500 Zuschauer füllten das Ostseestadion, durch das immer wieder La Ola, die Welle der Begeisterung, schwappte.

Juri Schlünz tat an diesem Tag viel für seinen Kultstatus, der Kapitän zimmerte gleich zwei Freistöße ins Dresdner Netz, die jeweils die Führung bedeuteten (15., 67.). Dazwischen lag Torsten Gütschows Ausgleich (51.). Nach Ralf Hauptmanns Platzverweis schlug das Pendel noch stärker in Richtung Hansa aus, für die Entscheidung sorgte ausgerechnet der künftige Kölner Fuchs (83.). Auf der Tribüne überkam Gerd Kische, der langjährige Hansa-Spieler und damalige Vizepräsident, Wehmut: "Ich hätte heute einiges dafür gegeben, selbst auf dem Platz zu stehen."

Die Helden waren überwältigt von ihren Gefühlen. Hilmar Weilandt sagte: "Herrlich, so habe ich das Stadion noch nie erlebt. Von den kühlen Norddeutschen so eine Begeisterung – einfach toll." Uwe Reinders, als Spieler bei Feiern weniger zurückhaltend, lenkte schon den Blick aufs Pokalfinale und wollte nur "ein Gläschen Sekt trinken, die große Feier kommt später". Aber das Sonntagstraining sagte er ab, "denn was soll ich mit besoffenen Spielern auf dem Platz?"

Sieg bei Bayern, Bundesliga-Tabellenführer und doch Abstieg

Am Montag erschien die Ostsee-Zeitung mit der kühnen Behauptung: "Die Münchner Bayern studieren bereits den Weg ins Ostseestadion. Und auf den Traversen des Stadions proben die jubelnden Fans schon den Bundesliga-Aufstand: Wir ziehen den Bayern die Lederhose aus."

Tatsächlich gewannen sie ihr erstes Spiel gegen die Bayern sogar in München mit 2:1 und waren bis zum 7. Spieltag Tabellenführer. Am Ende stand doch der Abstieg und Reinders, der für die Meisterschaft 350.000 Mark bekam, überstand die Saison 1991/1992 nicht. Aber Hansa kam noch mal wieder und spielte bis 2008 immerhin zwölf Jahre in der Bundesliga. Da war Reinders doch etwas zu pessimistisch gewesen.

Am 4. Mai 1991 gab es ohnehin nur Optimisten in Rostock, erst recht nach dem Pokalsieg am 2. Juni gegen Stahl Eisenhüttenstadt. Heute spielt der FC Hansa in der 3. Liga.

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