Rekordschütze Klose rettet Remis vs Ghana

Führung, Rückstand, Unentschieden: Alles drin in Fortaleza

Spielbericht:

Das zweite deutsche Gruppenspiel wird in der Heimat zur Samstagabendunterhaltung (21 Uhr), 24,54 Millionen TV-Zuschauer werden gezählt, Public Viewing nicht einbezogen. Für die ARD kommentiert Tom Bartels. In Fortaleza ist es 16 Uhr, man misst 30 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 61 Prozent. Unter den fast 60.000 Zuschauer sind 17.000 Deutsche. Einige von ihnen hängen Transparente auf, die FIFA-Slogans verdecken und von Ordnern abgehängt werden. Das führt zu Unruhe auf den Rängen, später entschuldigt sich der Verband dafür.

Unzufrieden sind die Fans auch mit ihrer Mannschaft, die vom Pressing der Ghanaer überrascht wird und etliche Chancen zulässt. Gyan Asamoah, Christian Atsu und Sulley Muntari haben in der ersten halben Stunde das 1:0 auf dem Fuß, aber auf Manuel Neuer ist auch an diesem Tag Verlass. Sami Khedira ist der erste, der Fatawu Dauda prüft. Zweimal fehlen anschließend Thomas Müller wenige Zentimeter; mal um das Tor, mal um den Ball zu treffen. Heute gibt es kein 4:0, das wird allmählich deutlich. Als Muntari, der beim AC Mailand spielt, aus 23 Metern abzieht, pariert Neuer mit den Fäusten. Dann spielt Mesut Özil einen genialen Pass auf Mario Götze, der aus 16 Metern volley abzieht, Dauda fängt den Ball. Ohne Tore geht es in die Pause, aus der Jerome Boateng nicht wiederkommt. Muskuläre Probleme beenden seinen Einsatz, Shkodran Mustafi bekommt als rechter Verteidiger schon seine zweite WM-Chance.

Nach 51 Minuten ist der Einzug ins Achtelfinale plötzlich greifbar. Thomas Müller ist auch in der Rolle des Vorbereiters von Wert, seine Rechtsflanke erreicht Götze. Der köpft sich den Ball aufs Knie, woraus ein etwas kurioser Torschuss wird – und daraus ein Tor. 1:0 für Deutschland, ist es der Brustlöser? Leider nicht. Die Führung hält nur drei Minuten, da kassiert Neuer sein erstes Tor in Brasilien. Halten kann er den Ball nicht, Jubilar Per Mertesacker (100. Länderspiel) und Mustafi lassen André Ayew ziemlich unbedrängt einköpfen.

Nun ist die Unruhe wieder da, die Mannschaft steht nicht kompakt, im Mittelfeld gibt es große Löcher, weil beide Seiten zur Freude der Zuschauer den offenen Schlagabtausch suchen. Als sogar Philipp Lahm einen Fehlpass spielt, wird es kritisch: Muntari schickt Gyan auf die Reise, der aus halbrechter Position Neuer überwindet – 1:2 nach 63 Minuten. Acht lange Minuten, die einzigen bei dieser WM, liegt die deutsche Elf zurück. Riesenglück, als drei Ghanaer bei einem Konter gegen einen Deutschen auf Neuer zurennen und so ungeschickt spielen, dass der Schiedsrichter auf Abseits erkennt. "Sie verdaddeln es", freut sich der darüber fassungslose Tom Bartels. Fassungslos macht auch die Unordnung. "Wir haben taktisch nicht abgerufen, was wir wollten", wird Sami Khedira, der einen schwachen Tag hat und "körperlich an seine Grenzen gekommen" (Löw) ist, später zugeben.

Retter werden dringend gesucht, und sie kommen von der Bank. Löw bringt erstmals bei dieser WM seine Routiniers Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger, zusammen haben sie 236 Länderspiele. Der Münchner ist eine Minute auf dem Feld, da zirkelt er eine Ecke auf Benedikt Höwedes, der per Kopf an den langen Pfosten verlängert. Und wer steht da? Reporter Tom Bartels klärt auf: "Tor für Deutschland, Klose hat's gemacht!" Mit dem rechten Fuß rutscht der mittlerweile 36-Jährige in die Flugbahn und drückt den Ball über die Linie. Nach seinem 15. WM-Tor, mit dem er Weltrekordhalter Ronaldo von Gastgeber Brasilien einholt, sieht die Welt endlich wieder seinen Jubel-Salto, den er erstmals 2002 aufgeführt hat. Diesmal ist die Landung nicht perfekt, er landet auf dem Hosenboden und denkt sich: "Salto kann ich auch nicht mehr, man sieht, dass ich außer Übung bin."

In der 84. Minute hat Müller sogar das Siegtor auf dem Fuß, doch während gegen Portugal jeder Schuss dringewesen ist, hat auch der Torjäger nun einen gebrauchten Tag. So bleibt es beim gerechten 2:2, das in Deutschland für einige Ernüchterung sorgt. Das ominöse zweite Spiel bleibt ein Phänomen, und alle sind froh, es überstanden zu haben. Den professionellen Bedenkenträgern ruft Toni Kroos in der Mixed Zone zu: "Wir sind stark, macht euch keine Sorgen." Und Kevin-Prince Boateng? Muss kurz nach seinem Bruder ebenfalls raus, hat in 51 Minuten nur 13 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen und ist nun kleinlaut: "Es geht nicht immer nur um mich. Der Trainer muss entscheiden, und ich muss das akzeptieren."

Aufstellung: Neuer – Boateng (46. Mustafi), Hummels, Mertesacker, Höwedes – Khedira (69. Schweinsteiger), Lahm, Kroos – Özil, Müller, Götze (69. Klose).

Tore: 1:0 Götze (51.), 1:1 André Ayew (54.), 1:2 Gyan (63.), 2:2 Klose (71.).

Zuschauer: 59.621 in Fortaleza.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

21. Juni 2014 in Fortaleza - Vorrunde: Deutschland - Ghana 2:2

Vor dem Spiel:

Wie beim deutschen 1:0 bei der WM 2010 begegneten sich die Teams wieder in der Vorrunde, und wieder kam es zum Duell der Boateng-Brüder. Beide spielten mittlerweile für andere Klubs, Jerome vertrat nun die Bayern, Ghanas Kevin-Prince den FC Schalke 04. Damit war er der einzige Bundesliga-Legionär im Team der Afrikaner und ein besonders gefragter Gesprächspartner. "Wir wissen alle, dass es keine leichte Aufgabe gegen Deutschland wird, aber wir bereiten uns intensiv vor und werden alles geben", versprach der ältere der Boateng-Brüder, der sowohl im eigenen als auch im gegnerischen Lager für Unruhe sorgte – oder es jedenfalls versuchte. Gegen seinen Trainer Kwasi Appiah soll er eine Meuterei angeführt haben, wurde kolportiert. Jedenfalls stänkerte er wegen seiner Reservistenrolle beim 1:2 im ersten Spiel gegen die USA: "Normalerweise spielt bei einer WM die beste Mannschaft. Unser Trainer sieht das wohl anders." Den Deutschen hatte er schon vorher attestiert: "Sie haben keine Typen."

Im deutschen Quartier bangte man bis zuletzt um Mats Hummels, der angeschlagen war. Matthias Ginter oder Shkodran Mustafi standen Gewehr bei Fuß, aber die Ärzte bekamen Hummels hin, so dass die siegreiche Elf nicht geändert werden musste. Zudem wurde man medial mit dem Fluch des zweiten Spiels konfrontiert, das in vier der vergangenen fünf Endrunden nicht gewonnen werden konnte. Sie taten alles, ihn zu bannen: Zwei Tage nach dem Auftaktsieg versammelte Bundestrainer Joachim Löw den gesamten Kader, um das 4:0 gegen Portugal aufzuarbeiten, etwas zu relativieren und dann den Blick für Ghana zu schärfen. An der Wand hing ein Banner mit dem Spruch: "Ein guter Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin." Ahnte er etwas schon, was da kommen würde?

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Führung, Rückstand, Unentschieden: Alles drin in Fortaleza

Spielbericht:

Das zweite deutsche Gruppenspiel wird in der Heimat zur Samstagabendunterhaltung (21 Uhr), 24,54 Millionen TV-Zuschauer werden gezählt, Public Viewing nicht einbezogen. Für die ARD kommentiert Tom Bartels. In Fortaleza ist es 16 Uhr, man misst 30 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 61 Prozent. Unter den fast 60.000 Zuschauer sind 17.000 Deutsche. Einige von ihnen hängen Transparente auf, die FIFA-Slogans verdecken und von Ordnern abgehängt werden. Das führt zu Unruhe auf den Rängen, später entschuldigt sich der Verband dafür.

Unzufrieden sind die Fans auch mit ihrer Mannschaft, die vom Pressing der Ghanaer überrascht wird und etliche Chancen zulässt. Gyan Asamoah, Christian Atsu und Sulley Muntari haben in der ersten halben Stunde das 1:0 auf dem Fuß, aber auf Manuel Neuer ist auch an diesem Tag Verlass. Sami Khedira ist der erste, der Fatawu Dauda prüft. Zweimal fehlen anschließend Thomas Müller wenige Zentimeter; mal um das Tor, mal um den Ball zu treffen. Heute gibt es kein 4:0, das wird allmählich deutlich. Als Muntari, der beim AC Mailand spielt, aus 23 Metern abzieht, pariert Neuer mit den Fäusten. Dann spielt Mesut Özil einen genialen Pass auf Mario Götze, der aus 16 Metern volley abzieht, Dauda fängt den Ball. Ohne Tore geht es in die Pause, aus der Jerome Boateng nicht wiederkommt. Muskuläre Probleme beenden seinen Einsatz, Shkodran Mustafi bekommt als rechter Verteidiger schon seine zweite WM-Chance.

Nach 51 Minuten ist der Einzug ins Achtelfinale plötzlich greifbar. Thomas Müller ist auch in der Rolle des Vorbereiters von Wert, seine Rechtsflanke erreicht Götze. Der köpft sich den Ball aufs Knie, woraus ein etwas kurioser Torschuss wird – und daraus ein Tor. 1:0 für Deutschland, ist es der Brustlöser? Leider nicht. Die Führung hält nur drei Minuten, da kassiert Neuer sein erstes Tor in Brasilien. Halten kann er den Ball nicht, Jubilar Per Mertesacker (100. Länderspiel) und Mustafi lassen André Ayew ziemlich unbedrängt einköpfen.

Nun ist die Unruhe wieder da, die Mannschaft steht nicht kompakt, im Mittelfeld gibt es große Löcher, weil beide Seiten zur Freude der Zuschauer den offenen Schlagabtausch suchen. Als sogar Philipp Lahm einen Fehlpass spielt, wird es kritisch: Muntari schickt Gyan auf die Reise, der aus halbrechter Position Neuer überwindet – 1:2 nach 63 Minuten. Acht lange Minuten, die einzigen bei dieser WM, liegt die deutsche Elf zurück. Riesenglück, als drei Ghanaer bei einem Konter gegen einen Deutschen auf Neuer zurennen und so ungeschickt spielen, dass der Schiedsrichter auf Abseits erkennt. "Sie verdaddeln es", freut sich der darüber fassungslose Tom Bartels. Fassungslos macht auch die Unordnung. "Wir haben taktisch nicht abgerufen, was wir wollten", wird Sami Khedira, der einen schwachen Tag hat und "körperlich an seine Grenzen gekommen" (Löw) ist, später zugeben.

Retter werden dringend gesucht, und sie kommen von der Bank. Löw bringt erstmals bei dieser WM seine Routiniers Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger, zusammen haben sie 236 Länderspiele. Der Münchner ist eine Minute auf dem Feld, da zirkelt er eine Ecke auf Benedikt Höwedes, der per Kopf an den langen Pfosten verlängert. Und wer steht da? Reporter Tom Bartels klärt auf: "Tor für Deutschland, Klose hat's gemacht!" Mit dem rechten Fuß rutscht der mittlerweile 36-Jährige in die Flugbahn und drückt den Ball über die Linie. Nach seinem 15. WM-Tor, mit dem er Weltrekordhalter Ronaldo von Gastgeber Brasilien einholt, sieht die Welt endlich wieder seinen Jubel-Salto, den er erstmals 2002 aufgeführt hat. Diesmal ist die Landung nicht perfekt, er landet auf dem Hosenboden und denkt sich: "Salto kann ich auch nicht mehr, man sieht, dass ich außer Übung bin."

In der 84. Minute hat Müller sogar das Siegtor auf dem Fuß, doch während gegen Portugal jeder Schuss dringewesen ist, hat auch der Torjäger nun einen gebrauchten Tag. So bleibt es beim gerechten 2:2, das in Deutschland für einige Ernüchterung sorgt. Das ominöse zweite Spiel bleibt ein Phänomen, und alle sind froh, es überstanden zu haben. Den professionellen Bedenkenträgern ruft Toni Kroos in der Mixed Zone zu: "Wir sind stark, macht euch keine Sorgen." Und Kevin-Prince Boateng? Muss kurz nach seinem Bruder ebenfalls raus, hat in 51 Minuten nur 13 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen und ist nun kleinlaut: "Es geht nicht immer nur um mich. Der Trainer muss entscheiden, und ich muss das akzeptieren."

Aufstellung: Neuer – Boateng (46. Mustafi), Hummels, Mertesacker, Höwedes – Khedira (69. Schweinsteiger), Lahm, Kroos – Özil, Müller, Götze (69. Klose).

Tore: 1:0 Götze (51.), 1:1 André Ayew (54.), 1:2 Gyan (63.), 2:2 Klose (71.).

Zuschauer: 59.621 in Fortaleza.

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Kroos: "Wir hätten heute auch verlieren können"

Stimmen zum Spiel:

Joachim Löw: "Es war für alle sehr anstrengend. Die Spieler sind sehr erschöpft. Die erste Halbzeit war sehr taktisch geprägt, die zweite war ein Schlagabtausch. Wir wollten bei diesen Temperaturen einen offenen Schlagabtausch vermeiden. Gerade nach der Führung wollten wir kompakt stehen, dann fielen aus dem Nichts zwei Tore. Darauf hat die Mannschaft aber gut reagiert. Wir wollten Ghana ein bisschen hinten rauslocken. Aber sie haben es gut gemacht und waren schnell wieder hinter dem Ball. Bei Ballgewinn hat uns manchmal der Zug zum Tor gefehlt. Wir sind dann nicht hinter die Abwehrkette gekommen. Ich glaube, dass Schweinsteiger und Klose das Spiel absolut belebt haben. Für uns hat sich die Ausgangsposition nicht entscheidend verändert. Natürlich wollen wir Tabellenführer bleiben."

Mario Götze: "Wir haben zwei Gegentore bekommen, die wir nicht hätten kriegen dürfen. Insgesamt war es sehr schwierig. Wir regenerieren jetzt, dann bereiten wir uns gut vor und holen die drei Punkte gegen die USA."

Mats Hummels: "Die Schwächen heute hatten weniger etwas mit der Taktik als mit leichteren individuellen Fehlern, die wir manchmal mit Ball hatten, zu tun."

Toni Kroos: "Wir sollten uns auf einen solchen Schlagabtausch nicht einlassen. Das haben wir nicht nötig. Wir können die Spiele gewinnen, wenn wir uns aus einer stabilen Defensive heraus bewegen. Wir hätten heute aber auch verlieren können."

Miroslav Klose: "Ich weiß nicht, wie lange ich den Salto nicht mehr gemacht habe. Egal, in welcher Form ich der Mannschaft helfen kann - ich will es tun."

Akwasi Appiah (Trainer Ghanas): "Es war ein gutes Spiel. Deutschland gehört zu den besten Teams der Welt, und wir haben unser Bestes gegeben. Wir hatten unsere Chancen. Leider ist es so, dass wenn man gegen eine starke Mannschaft seine Chancen nicht nutzt, dann kann man nicht gewinnen. Auch gegen die USA haben wir einige Chancen liegen gelassen, um den Ausgleich zu erzielen. Aber das ist schon Vergangenheit. Ich habe immer an uns geglaubt, weil wir bis zum Schluss kämpfen. Ich glaube, der beste Weg zu verteidigen ist anzugreifen. Das haben wir versucht umzusetzen."

"Danke, Alter!" (Bild am Sonntag)

"Dem Jubel-Rausch nach dem 4:0 gegen Portugal folgt der Ghana-Kater. Klar, das Spiel war spannend. Aber es war sportlich kein starker Auftritt." (Bild)

"Drama ohne Mittelfeld - Nach dem 2:2 gegen Ghana hadern die deutschen Spieler mit ihrer taktischen Unreife." (Frankfurter Rundschau)

"Bei der Suche nach Erklärungen musste der Bundestrainer einräumen, dass die Partie außer Kontrolle geraten und sein in wochenlanger Tüftelei mit Chefscout Urs Siegenthaler entworfener Matchplan zur Makulatur geworden war…Allzu leicht gerät diese deutsche Mannschaft aus der Balance, lässt zu viele Chancen zu, ist einfach nicht konstant." (Kicker)

"Normale Menschen brauchen Stunden, um der Gemeinschaft einen nützlichen Dienst zu erweisen, den Außergewöhnlichen reicht eine Minute. Klose ist ein solcher Mensch." (Corriere della Sera/ Italien)

"Die deutschen Jungstars um Mario Götze stehen nun bei dem Altrocker Klose in der Schuld." (El Mundo/Spanien)

"Ghana rockt die Welt." (Sunday Times/England)

"Deutschland ist nicht die unaufhaltsame Maschine, von der viele nach der Demonstration gegen Portugal erwarteten, dass sie die Gruppe G zermalmt." (Le Parisien/Frankreich)

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