Rehm: "Ruhe und Souveränität ausstrahlen"

Rüdiger Rehm steht kurz vor dem größten Erfolg seiner Trainerkarriere. Über die Relegation gegen den FC Ingolstadt 04 will der 40 Jahre alte Fußball-Lehrer den SV Wehen Wiesbaden zum Aufstieg in die 2. Bundesliga führen. Das Hinspiel steigt am Freitag (ab 18.15 Uhr, live im ZDF und Eurosport Player). Im DFB.de-Interview spricht Rehm mit Mitarbeiter Ralf Debat über das Saisonfinale.

DFB.de: Das 3:2 beim KFC Uerdingen zum Abschluss der regulären Saison war für Ihre Mannschaft der neunte Sieg aus den vergangenen elf Partien. Kommt die Relegation also genau zum richtigen Zeitpunkt, Herr Rehm?

Rüdiger Rehm: Es stimmt, dass wir einen guten Lauf und in den vergangenen Wochen auch viel Selbstvertrauen gesammelt haben. Die Punktspiele und die Partien in der Relegation sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Da zählen die Ergebnisse aus der Liga nicht mehr viel.

DFB.de: Sie hatten Ihre Mannschaft gegenüber dem 1:0-Heimsieg gegen Meister VfL Osnabrück auf insgesamt acht Positionen verändert. Welche Überlegungen haben dabei eine Rolle gespielt?

Rehm: Das hatte unterschiedliche Gründe. Bei einigen Spielern wie etwa Sascha Mockenhaupt oder Maximilian Dittgen wollten wir beispielsweise nicht riskieren, dass sie sich eine Gelbsperre für die Relegation einhandeln. Einigen Jungs tat sicher auch so eine Pause ganz gut. Außerdem hatten wir so die Möglichkeit, jedem die Chance zu geben, sich im Blick auf die weiteren Aufgaben zu zeigen. Das hat nicht nur wegen unseres Sieges gut funktioniert. Es ist klar, dass wir in der Relegation nicht mit elf Spielern auskommen werden.

DFB.de: Ab dem 35. Spieltag ließen Sie Ihre Mannschaft im 4-1-4-1-System auflaufen, anstatt mit zwei Stürmern. Warum?

Rehm: Das hatte jetzt nichts mit einer Systemumstellung zu tun, zumal wir gegen Uerdingen wieder eher ein 4-4-2 gespielt haben. Die Mannschaft kann in beiden taktischen Grundordnungen spielen, dadurch sind wir noch flexibler. Grundsätzlich bin ich aber ohnehin kein Verfechter eines bestimmten Spielsystems. Wir müssen vielmehr immer in der Lage sein, auf bestimmte Gegner oder Situationen zu reagieren.

DFB.de: Nach der Hinrunde betrug der Rückstand des SV Wehen Wiesbaden auf den Relegationsplatz noch zehn Punkte. Was ist danach passiert?

Rehm: Das Team hat sich nicht erst ab diesem Zeitpunkt, sondern über die gesamte Saison unglaublich positiv entwickelt und kontinuierlich gesteigert. Wir waren schlecht gestartet, hatten in dieser Phase allerdings auch erhebliche Verletzungsprobleme. Nach und nach hat sich unser insgesamt sehr junges Team aber immer besser gefunden und auch schon vor der Winterpause gut gepunktet. Im neuen Jahr hat sich das dann fortgesetzt und sich noch mehr in den Ergebnissen widergespiegelt.

DFB.de: Ärgern Sie sich vor diesem Hintergrund noch über den Saisonauftakt mit nur vier Punkten aus den ersten sechs Spielen?

Rehm: Wie gesagt: Der Fehlstart hatte seine Gründe. Außerdem passiert es in dieser äußerst engen 3. Liga jeder Mannschaft, dass sie mal eine schwächere Phase hat. Wir hatten diese eben gleich zu Beginn. Unter dem Strich ist unsere Ausbeute mit 70 Punkten sehr gut. Das hätte in mehreren Spielzeiten sogar zur Meisterschaft oder zumindest zum direkten Aufstieg gereicht. Wir müssen anerkennen, dass es diesmal mit dem VfL Osnabrück und dem Karlsruher SC zwei Mannschaften gab, die noch einen Tick konstanter waren.

DFB.de: Gegen die Konkurrenten auf den ersten vier Plätzen hat Ihre Mannschaft allerdings 15 von 18 möglichen Punkten geholt. War also die Punktausbeute gegen die vermeintlich "kleineren" Gegner entscheidend, dass es nicht zu mehr gereicht hat?

Rehm: Auch das muss man relativieren. Gegen die anderen Spitzenmannschaften haben wir jeweils erst gegen Ende der Vorrunde und damit eben auch im Saisonendspurt gespielt. Da war unsere Entwicklung schon weiter fortgeschritten. Das alles spielt jetzt aber ohnehin keine Rolle mehr. Unser Fokus liegt ganz klar auf den Duellen mit dem FC Ingolstadt 04.

DFB.de: In der Statistik der Relegation liegt die 3. Liga deutlich vorne. Oft war wegen der starken Saisonleistung von einem psychologischen Vorteil die Rede. Schließlich hat der beteiligte Zweitligist gerade noch den direkten Abstieg verhindert. Der FC Ingolstadt 04 hat allerdings fünf von sieben Spielen unter seinem neuen Trainer Tomas Oral gewonnen. Ist der psychologische Vorteil als Drittligist nun kleiner?

Rehm: Das will ich gar nicht bewerten. Beide Teams haben einen guten Lauf, werden in diesen beiden Spielen alles in die Waagschale werfen, was möglich ist. Statistiken werden ganz sicher nicht ausschlaggebend sein.

DFB.de: Mit Ihrem früheren Verein SG Sonnenhof Großaspach hatten Sie 2014 zwei Aufstiegsspiele zur 3. Liga gegen die U 23 des VfL Wolfsburg mit Erfolg bestritten. Ist die Situation vergleichbar?

Rehm: Das würde ich schon sagen. Auch vor diesen Spielen war die Anspannung riesengroß. Für das Trainerteam kam es nicht zuletzt darauf an, Ruhe zu bewahren und Souveränität auszustrahlen. Das ist jetzt nicht anders. Wir haben einige Spieler im Kader, die solche Situationen schon erlebt haben. Für viele Jungs ist es allerdings neu. Da wird der eine oder andere schon ein wenig nervös sein. Entsprechend werden wir einwirken.

DFB.de: Sie haben den Gegner zuletzt zweimal beobachtet. Wie schätzen Sie den FC Ingolstadt 04 ein?

Rehm: Ich kannte das Team schon vorher recht gut und war schon während der Saison sehr überrascht, dass Ingolstadt in der Tabelle so weit unten stand. Der Verein verfügt in der 2. Bundesliga über einen der am besten besetzten Kader. Nicht immer in der Saison spiegelte sich das auch auf dem Platz wider. Auf jeden Fall treffen wir auf einen Gegner mit sehr hoher Qualität. Wir haben aber auch eine Menge anzubieten.

DFB.de: Mit Agyemang Diawusie ist einer Ihrer Spieler seit der Winterpause vom FC Ingolstadt 04 ausgeliehen. Wie reagieren Sie auf diese brisante Situation?

Rehm: Da Agy nach aktuellem Stand in der neuen Saison wieder in Ingolstadt unter Vertrag steht, haben wir ihn für die beiden Relegationsspiele freigestellt. Das ist uns alles andere als leichtgefallen, weil wir damit auf einen sehr guten Fußballer verzichten und Agy ein guter Junge ist. Aber in dieser Situation müssen wir ihn auch schützen.

DFB.de: Das Hinspiel bestreitet der SV Wehen Wiesbaden am Freitag vor eigenem Publikum. Vor- oder Nachteil?

Rehm: Weder noch. Klar ist, dass die Entscheidung erst im Rückspiel fallen wird. Am dann als Sieger vom Platz zu gehen, müssen wir in allen vier Halbzeiten - sei es nun zu Hause oder auswärts - unsere beste Leistung auf den Platz bringen. Sonst wird es nicht reichen.

DFB.de: Was wäre ein gutes Ergebnis im Hinspiel?

Rehm: Ein 5:0. (lacht) Aber das wird wohl nicht passieren. Gut wäre ein Ergebnis, das uns alle Möglichkeiten für das Rückspiel lässt. Mit Großaspach sind wir gegen Wolfsburg beispielsweise nach einem 0:0 im eigenen Stadion durch einen 1:0-Auswärtserfolg noch aufgestiegen. Darmstadt 98 hat es gegen Arminia Bielefeld sogar nach einer 1:3-Heimniederlage noch geschafft. Auch die zurückliegenden Spiele in den internationalen Wettbewerben haben wieder einmal gezeigt, dass im Fußball wirklich alles möglich ist.

DFB.de: Wie ist die personelle Lage vor dem Hinspiel?

Rehm: Niklas Dams und Jules Schwadorf sind nach wie vor nicht hundertprozentig fit. Vielleicht könnten sie für das Rückspiel am Dienstag wieder Optionen sein, aber auch das ist noch nicht sicher. Grundsätzlich verfügen wir jedoch über einen breiten Kader, der schon bewiesen hat, dass er auch solche Ausfälle auffangen kann.

[mspw]

Rüdiger Rehm steht kurz vor dem größten Erfolg seiner Trainerkarriere. Über die Relegation gegen den FC Ingolstadt 04 will der 40 Jahre alte Fußball-Lehrer den SV Wehen Wiesbaden zum Aufstieg in die 2. Bundesliga führen. Das Hinspiel steigt am Freitag (ab 18.15 Uhr, live im ZDF und Eurosport Player). Im DFB.de-Interview spricht Rehm mit Mitarbeiter Ralf Debat über das Saisonfinale.

DFB.de: Das 3:2 beim KFC Uerdingen zum Abschluss der regulären Saison war für Ihre Mannschaft der neunte Sieg aus den vergangenen elf Partien. Kommt die Relegation also genau zum richtigen Zeitpunkt, Herr Rehm?

Rüdiger Rehm: Es stimmt, dass wir einen guten Lauf und in den vergangenen Wochen auch viel Selbstvertrauen gesammelt haben. Die Punktspiele und die Partien in der Relegation sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Da zählen die Ergebnisse aus der Liga nicht mehr viel.

DFB.de: Sie hatten Ihre Mannschaft gegenüber dem 1:0-Heimsieg gegen Meister VfL Osnabrück auf insgesamt acht Positionen verändert. Welche Überlegungen haben dabei eine Rolle gespielt?

Rehm: Das hatte unterschiedliche Gründe. Bei einigen Spielern wie etwa Sascha Mockenhaupt oder Maximilian Dittgen wollten wir beispielsweise nicht riskieren, dass sie sich eine Gelbsperre für die Relegation einhandeln. Einigen Jungs tat sicher auch so eine Pause ganz gut. Außerdem hatten wir so die Möglichkeit, jedem die Chance zu geben, sich im Blick auf die weiteren Aufgaben zu zeigen. Das hat nicht nur wegen unseres Sieges gut funktioniert. Es ist klar, dass wir in der Relegation nicht mit elf Spielern auskommen werden.

DFB.de: Ab dem 35. Spieltag ließen Sie Ihre Mannschaft im 4-1-4-1-System auflaufen, anstatt mit zwei Stürmern. Warum?

Rehm: Das hatte jetzt nichts mit einer Systemumstellung zu tun, zumal wir gegen Uerdingen wieder eher ein 4-4-2 gespielt haben. Die Mannschaft kann in beiden taktischen Grundordnungen spielen, dadurch sind wir noch flexibler. Grundsätzlich bin ich aber ohnehin kein Verfechter eines bestimmten Spielsystems. Wir müssen vielmehr immer in der Lage sein, auf bestimmte Gegner oder Situationen zu reagieren.

DFB.de: Nach der Hinrunde betrug der Rückstand des SV Wehen Wiesbaden auf den Relegationsplatz noch zehn Punkte. Was ist danach passiert?

Rehm: Das Team hat sich nicht erst ab diesem Zeitpunkt, sondern über die gesamte Saison unglaublich positiv entwickelt und kontinuierlich gesteigert. Wir waren schlecht gestartet, hatten in dieser Phase allerdings auch erhebliche Verletzungsprobleme. Nach und nach hat sich unser insgesamt sehr junges Team aber immer besser gefunden und auch schon vor der Winterpause gut gepunktet. Im neuen Jahr hat sich das dann fortgesetzt und sich noch mehr in den Ergebnissen widergespiegelt.

DFB.de: Ärgern Sie sich vor diesem Hintergrund noch über den Saisonauftakt mit nur vier Punkten aus den ersten sechs Spielen?

Rehm: Wie gesagt: Der Fehlstart hatte seine Gründe. Außerdem passiert es in dieser äußerst engen 3. Liga jeder Mannschaft, dass sie mal eine schwächere Phase hat. Wir hatten diese eben gleich zu Beginn. Unter dem Strich ist unsere Ausbeute mit 70 Punkten sehr gut. Das hätte in mehreren Spielzeiten sogar zur Meisterschaft oder zumindest zum direkten Aufstieg gereicht. Wir müssen anerkennen, dass es diesmal mit dem VfL Osnabrück und dem Karlsruher SC zwei Mannschaften gab, die noch einen Tick konstanter waren.

DFB.de: Gegen die Konkurrenten auf den ersten vier Plätzen hat Ihre Mannschaft allerdings 15 von 18 möglichen Punkten geholt. War also die Punktausbeute gegen die vermeintlich "kleineren" Gegner entscheidend, dass es nicht zu mehr gereicht hat?

Rehm: Auch das muss man relativieren. Gegen die anderen Spitzenmannschaften haben wir jeweils erst gegen Ende der Vorrunde und damit eben auch im Saisonendspurt gespielt. Da war unsere Entwicklung schon weiter fortgeschritten. Das alles spielt jetzt aber ohnehin keine Rolle mehr. Unser Fokus liegt ganz klar auf den Duellen mit dem FC Ingolstadt 04.

DFB.de: In der Statistik der Relegation liegt die 3. Liga deutlich vorne. Oft war wegen der starken Saisonleistung von einem psychologischen Vorteil die Rede. Schließlich hat der beteiligte Zweitligist gerade noch den direkten Abstieg verhindert. Der FC Ingolstadt 04 hat allerdings fünf von sieben Spielen unter seinem neuen Trainer Tomas Oral gewonnen. Ist der psychologische Vorteil als Drittligist nun kleiner?

Rehm: Das will ich gar nicht bewerten. Beide Teams haben einen guten Lauf, werden in diesen beiden Spielen alles in die Waagschale werfen, was möglich ist. Statistiken werden ganz sicher nicht ausschlaggebend sein.

DFB.de: Mit Ihrem früheren Verein SG Sonnenhof Großaspach hatten Sie 2014 zwei Aufstiegsspiele zur 3. Liga gegen die U 23 des VfL Wolfsburg mit Erfolg bestritten. Ist die Situation vergleichbar?

Rehm: Das würde ich schon sagen. Auch vor diesen Spielen war die Anspannung riesengroß. Für das Trainerteam kam es nicht zuletzt darauf an, Ruhe zu bewahren und Souveränität auszustrahlen. Das ist jetzt nicht anders. Wir haben einige Spieler im Kader, die solche Situationen schon erlebt haben. Für viele Jungs ist es allerdings neu. Da wird der eine oder andere schon ein wenig nervös sein. Entsprechend werden wir einwirken.

DFB.de: Sie haben den Gegner zuletzt zweimal beobachtet. Wie schätzen Sie den FC Ingolstadt 04 ein?

Rehm: Ich kannte das Team schon vorher recht gut und war schon während der Saison sehr überrascht, dass Ingolstadt in der Tabelle so weit unten stand. Der Verein verfügt in der 2. Bundesliga über einen der am besten besetzten Kader. Nicht immer in der Saison spiegelte sich das auch auf dem Platz wider. Auf jeden Fall treffen wir auf einen Gegner mit sehr hoher Qualität. Wir haben aber auch eine Menge anzubieten.

DFB.de: Mit Agyemang Diawusie ist einer Ihrer Spieler seit der Winterpause vom FC Ingolstadt 04 ausgeliehen. Wie reagieren Sie auf diese brisante Situation?

Rehm: Da Agy nach aktuellem Stand in der neuen Saison wieder in Ingolstadt unter Vertrag steht, haben wir ihn für die beiden Relegationsspiele freigestellt. Das ist uns alles andere als leichtgefallen, weil wir damit auf einen sehr guten Fußballer verzichten und Agy ein guter Junge ist. Aber in dieser Situation müssen wir ihn auch schützen.

DFB.de: Das Hinspiel bestreitet der SV Wehen Wiesbaden am Freitag vor eigenem Publikum. Vor- oder Nachteil?

Rehm: Weder noch. Klar ist, dass die Entscheidung erst im Rückspiel fallen wird. Am dann als Sieger vom Platz zu gehen, müssen wir in allen vier Halbzeiten - sei es nun zu Hause oder auswärts - unsere beste Leistung auf den Platz bringen. Sonst wird es nicht reichen.

DFB.de: Was wäre ein gutes Ergebnis im Hinspiel?

Rehm: Ein 5:0. (lacht) Aber das wird wohl nicht passieren. Gut wäre ein Ergebnis, das uns alle Möglichkeiten für das Rückspiel lässt. Mit Großaspach sind wir gegen Wolfsburg beispielsweise nach einem 0:0 im eigenen Stadion durch einen 1:0-Auswärtserfolg noch aufgestiegen. Darmstadt 98 hat es gegen Arminia Bielefeld sogar nach einer 1:3-Heimniederlage noch geschafft. Auch die zurückliegenden Spiele in den internationalen Wettbewerben haben wieder einmal gezeigt, dass im Fußball wirklich alles möglich ist.

DFB.de: Wie ist die personelle Lage vor dem Hinspiel?

Rehm: Niklas Dams und Jules Schwadorf sind nach wie vor nicht hundertprozentig fit. Vielleicht könnten sie für das Rückspiel am Dienstag wieder Optionen sein, aber auch das ist noch nicht sicher. Grundsätzlich verfügen wir jedoch über einen breiten Kader, der schon bewiesen hat, dass er auch solche Ausfälle auffangen kann.

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