Rehhagel besucht JVA: "An Regeln halten"

Im Fitnessraum der Justizvollzugsanstalt Groß-Hesepe, 20 Strafgefangene sitzen gereiht vor Otto Rehhagel und der Rekordtrainer der Bundesliga denkt zurück an ein Telefonat vor mehr als 30 Jahren. "Ein Spielerberater rief mich an, der redete und redete, und ich dachte nur: 'Einen Norweger? Brauchen wir wirklich diesen Norweger?'" Rehhagel hatte 1981 zum zweiten Mal Werder Bremen übernommen, der kicker orakelte, dass diese "Ehe wohl nicht gut gehen wird".

Schnell verpflichtete Rehhagel den damals 22-jährigen Rudi Völler. Dann bot ihm ein Spielerberater diesen Norweger an. "Ich wollte schon auflegen, da sagte er: 'Der ist sehr schnell.' Darauf habe ich den Spieler für ein Probetraining einfliegen lassen." Chancen, Gelegenheiten, Zufälle. Rune Bratseth sollte in den folgenden neun Jahren 230 Bundesligaspiele für Werder Bremen absolvieren und eine Ära mitprägen.

Das Beste aus sich herausholen - eine universelle Lektion

Heute hier im Emsland, in einer Außenstelle der JVA Lingen, ringt Rehhagel wie ja eigentlich schon immer darum, das Beste aus seinen Spielern rauszuholen. DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg begleitet ihn. Die Mission von Sepp Herberger, der in den 1970er-Jahren erstmals Strafgefangene im Gefängnis besuchte, um mit ihnen zu reden, ihnen Mut zu machen, um gemeinsam Fußball zu spielen, haben seither viele Nationalspieler fortgesetzt.

"Anstoß für ein neues Leben" ist eine Weiterentwicklung der Idee des Alt-Bundestrainers. In 17 Justizvollzugsanstalten laufen Programme, neun Bundesländer machen mit, die DFB-Stiftung Sepp Herberger kooperiert mit der Bundesagentur für Arbeit und den jeweiligen Justizministerien. Herbergers Anstoß hat sich längst zu einer umfangreichen Resozialisierungsmaßnahme entwickelt. Aktuell gehen für die DFB-Stiftung Ex-Nationalspieler Jens Nowotny, Ex-Bayern-Profi Wolfgang Dremmler und der Weltmeister Horst Eckel ins Gefängnis. Und Otto Rehhagel.

Rehhagel: "Sie müssen den Ball spielen, immer spielen"

Von wegen kontrollierte Offensive. Als Rehhagel mit den strafgefangenen Fußballern auf dem grünen und ziemlich welligen Fußballplatz steht, brennt er vor Begeisterung. "Sie müssen den Ball spielen, immer spielen." Kein Tändeln, kein langes Ballhalten. Rehhagel, der im nächsten Jahr 80 Jahre alt wird, demonstriert einen Querpass. Leichte Beckenkompression, gute Körperspannung.

Vorher im Fitnessraum hat er ein paar Episoden aus seiner beispiellosen Laufbahn erzählt. 832 Spiele saß er in der Bundesliga auf der Bank, viel mehr als jeder andere. Zweimal wurde er mit Werder Meister, zweimal Pokalsieger, 1992 Europapokalsieger. Sein Meistertitel mit dem Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern und der Gewinn der Europameisterschaft 2004 mit Griechenland - Legenden der Fußballgeschichte. Er hat sie ein wenig auf die Reise mitgenommen, aber dreimal sagt er auch diesen einen Satz: "Sie müssen sich an Regeln halten."



Im Fitnessraum der Justizvollzugsanstalt Groß-Hesepe, 20 Strafgefangene sitzen gereiht vor Otto Rehhagel und der Rekordtrainer der Bundesliga denkt zurück an ein Telefonat vor mehr als 30 Jahren. "Ein Spielerberater rief mich an, der redete und redete, und ich dachte nur: 'Einen Norweger? Brauchen wir wirklich diesen Norweger?'" Rehhagel hatte 1981 zum zweiten Mal Werder Bremen übernommen, der kicker orakelte, dass diese "Ehe wohl nicht gut gehen wird".

Schnell verpflichtete Rehhagel den damals 22-jährigen Rudi Völler. Dann bot ihm ein Spielerberater diesen Norweger an. "Ich wollte schon auflegen, da sagte er: 'Der ist sehr schnell.' Darauf habe ich den Spieler für ein Probetraining einfliegen lassen." Chancen, Gelegenheiten, Zufälle. Rune Bratseth sollte in den folgenden neun Jahren 230 Bundesligaspiele für Werder Bremen absolvieren und eine Ära mitprägen.

Das Beste aus sich herausholen - eine universelle Lektion

Heute hier im Emsland, in einer Außenstelle der JVA Lingen, ringt Rehhagel wie ja eigentlich schon immer darum, das Beste aus seinen Spielern rauszuholen. DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg begleitet ihn. Die Mission von Sepp Herberger, der in den 1970er-Jahren erstmals Strafgefangene im Gefängnis besuchte, um mit ihnen zu reden, ihnen Mut zu machen, um gemeinsam Fußball zu spielen, haben seither viele Nationalspieler fortgesetzt.

"Anstoß für ein neues Leben" ist eine Weiterentwicklung der Idee des Alt-Bundestrainers. In 17 Justizvollzugsanstalten laufen Programme, neun Bundesländer machen mit, die DFB-Stiftung Sepp Herberger kooperiert mit der Bundesagentur für Arbeit und den jeweiligen Justizministerien. Herbergers Anstoß hat sich längst zu einer umfangreichen Resozialisierungsmaßnahme entwickelt. Aktuell gehen für die DFB-Stiftung Ex-Nationalspieler Jens Nowotny, Ex-Bayern-Profi Wolfgang Dremmler und der Weltmeister Horst Eckel ins Gefängnis. Und Otto Rehhagel.

Rehhagel: "Sie müssen den Ball spielen, immer spielen"

Von wegen kontrollierte Offensive. Als Rehhagel mit den strafgefangenen Fußballern auf dem grünen und ziemlich welligen Fußballplatz steht, brennt er vor Begeisterung. "Sie müssen den Ball spielen, immer spielen." Kein Tändeln, kein langes Ballhalten. Rehhagel, der im nächsten Jahr 80 Jahre alt wird, demonstriert einen Querpass. Leichte Beckenkompression, gute Körperspannung.

Vorher im Fitnessraum hat er ein paar Episoden aus seiner beispiellosen Laufbahn erzählt. 832 Spiele saß er in der Bundesliga auf der Bank, viel mehr als jeder andere. Zweimal wurde er mit Werder Meister, zweimal Pokalsieger, 1992 Europapokalsieger. Sein Meistertitel mit dem Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern und der Gewinn der Europameisterschaft 2004 mit Griechenland - Legenden der Fußballgeschichte. Er hat sie ein wenig auf die Reise mitgenommen, aber dreimal sagt er auch diesen einen Satz: "Sie müssen sich an Regeln halten."

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Gehlenborg: "Wir Fußballer müssen Optimisten sein"

Oliver ist 47 und noch bis 2021 dauert seine Haftstrafe. Draußen warten auf ihn seine Frau und seine zwei Kinder. Rund 1,70 Meter groß, etwas muskulös, er spielt rechter Verteidiger im Team. Er sagt: "Wir trainieren zweimal die Woche, dazu das Spiel. Die Abwechslung ist wichtig, man denkt mal an etwas anderes." Das JVA-Team spielt sogar im regulären Wettbewerb, in der Kreisliga D. Die NDR-Reportage über sie heißt "Das ewige Heimspiel", die Gegner aus dem Kreis müssen alle in den Knast kommen.

Schon seit 1985 setzt man in Lingen auf Fußball. Spielerpässe brauchen sie nicht, so können auch neue Gefangene schnell mitspielen. Mal sind sie bärenstark, gewinnen jedes Spiel 10:0, dann werden zwei entlassen und sie stapfen gesenkten Hauptes zurück in die Zellen. "Entscheidend ist, dass man lernt, mit anderen klar zu kommen", meint Oliver: "Dass uns Otto Rehhagel heute besucht, ist ein tolles Erlebnis. Denkanstöße sind wichtig." Schließlich wollen alle hier ihren Lebensweg neu ausrichten. Neue Laufwege erlernen. "Wir Fußballer müssen Optimisten sein", sagt Eugen Gehlenborg: "Wir rennen aufs Tor zu, verballern mal einen, dann versuchen wir's erneut." Mut und Zuversicht brauchen die hier Inhaftierten tatsächlich, denn der Weg zurück ins bürgerliche Leben ist weit.

Fußball auch beim Drogenentzug wertvoll

Resozialisierung ist ein Thema, auch weil die Zahl der Gewaltdelikte um 6,7 Prozent zugenommen hat. Bei den schweren Körperverletzungen musste sogar ein Anstieg um 9,9 Prozent auf bundesweit 140.033 Fälle verzeichnet werden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sprach bei der Präsentation der jüngsten Kriminalitätsstatistik im April von einem "Weckruf an uns alle". Im vierten Jahr in Folge ist die Zahl der Drogentoten in Deutschland gestiegen. 2016 zählte das Bundeskriminalamt bundesweit 1333 Drogentote, knapp neun Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und Gefängnisse überall in Deutschland sind voll belegt, auch in Groß-Hesepe ist mit 230 Inhaftierten die Kapazitätsgrenze erreicht.

Melanie Krieger kennt die Zahlen, die junge Sozialpädagogin betreut die Entlassungsvorbereitung. Seit knapp 20 Monaten arbeitet sie hier. "Wir betreiben hier auch Opferschutz. Die Leute einfach nur wegsperren und abwarten, das kann man nicht machen", sagt sie. Gerade mit Blick auf den Drogenentzug sei Fußball so wertvoll. Über "Anstoß" können die Gefangenen sich auch zum Schiedsrichter oder Trainer ausbilden lassen. Neue Kontakte, ein neuer Bekanntenkreis steigern die Chancen, den Teufelskreis "Alte Kumpels, Drogen, Gewalt" zu durchbrechen. "Wir haben Gefangene", sagt Krieger, "die haben überhaupt kein Freizeitverhalten eingeübt, die können nur chillen."

Rehhagel: "Der liebe Gott hat uns nur ein Leben gegeben"

Fünfmal wählte der kicker Rehhagel zum Trainer des Jahres. 2014 verlieh ihm der DFB den Trainerpreis für sein Lebenswerk. "Für uns", sagt Stiftungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski, "war Otto Rehhagel bestimmt schon zehnmal im Knast." Er will sie erreichen. "Ich bin der Trainer, der die meisten Spiele gegen Bayern gewonnen hat." Da klatschen wirklich alle. So ist der Norden, ein Werder-Banner hängt an der Wand. Dann drängt er wieder. "Der liebe Gott hat uns nur ein Leben gegeben und du hast die Pflicht, etwas Vernünftiges daraus zu machen. Freundschaften, Familie."

Immer war er ein Spielertrainer. Nach Bremen holte er den fast 36-jährigen Manfred Burgsmüller, mit 38 war "Manni" dann mit Werder Deutscher Meister. Die griechische Abwehr baute er rund um Traianos Dellas, den kannte niemand, bis "Rehakles" 2004 mit Dellas, Charisteas und wie sie alle hießen Europameister wurde. Otto Rehhagel hatte ein Händchen für die "longshots", diejenigen, die schon aussortiert waren oder die noch niemand kannte. Immer hat er das Beste aus seinen Spielern herausgeholt. Hoffentlich klappt es auch diesmal.

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