Ratzeburg: "Der Frauenfußball ist doch in der Pole Position"

Auf dem DFB-Bundestag am Donnerstag und Freitag soll Hannelore Ratzeburg als erste Frau ins DFB-Präsidium einziehen. Zuvor redet die Vorsitzende des DFB-Frauenfußball-Ausschusses im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Redakteur Christian Müller über die Bedeutung der Wahl, die bevorstehende Vergabe der Frauen-WM 2011 und die Situation des Frauenfußballs in Deutschland nach dem zweiten WM-Titelgewinn kürzlich in China.

Frage: Frau Ratzeburg, am Donnerstag und Freitag findet in Mainz der DFB-Bundestag statt, Sie sollen als erste Frau ins DFB-Präsidium einziehen. Was bedeutet dies für Sie persönlich – und was für den Frauen- und Mädchenfußball in Deutschland?

Hannelore Ratzeburg: Persönlich ist es für mich eine Anerkennung meiner langjährigen Tätigkeit - immerhin bin ich seit Oktober 1977, also seit mittlerweile genau 30 Jahren, im Ausschuss für Frauenfußball. Ich sehe mich hier als Stellvertreterin für alle Frauen und Mädchen im DFB, für die meine mögliche Berufung ins Präsidium Signal und Ansporn sind, sich weiter für diesen schönen Sport zu engagieren. Es lohnt sich!

Frage: Der nächste wichtige Termin steht wenige Tage später an: In Zürich vergibt die FIFA am 30. Oktober die Frauen-WM 2011. Mit Kanada ist nur noch ein Konkurrent übrig geblieben. Wie stehen die Chancen der DFB-Bewerbung?

Ratzeburg: Kanada ist ein sehr ernstzunehmender Konkurrent. Der Kanadische Fußball-Verband hat kürzlich die U 20-WM hervorragend ausgerichtet und viele Zuschauer in die Stadien bekommen, was bei U-Turnieren ja nicht immer einfach ist. Ich habe trotzdem große Hoffnung, dass Deutschland als Sieger aus der Bewerbungsphase hervorgeht. Es würde nahtlos passen und nach der WM 2006 Schlag auf Schlag mit einem Großereignis weitergehen.

Frage: Für den DFB und den Frauenfußball hierzulande wäre die Ausrichtung ein weiterer Meilenstein...

Ratzeburg: Wir haben in diesem Jahr soviele Meilensteine, damit können wir ja einen richtigen Erfolgsweg pflastern: Da war das Jubiläum 25 Jahre Frauen-Nationalmannschaft, der EM-Titel unser U 19-Frauen, die Olympia-Qualifikation und natürlich der zweite WM-Titel der DFB-Frauen. Wenn wir jetzt noch den Zuschlag für die WM 2011 in Deutschland bekommen sollten, wäre das schon sensationell für den Frauenfußball hierzulande. Ich bin sicher, die Weltmeisterschaft würde das Topereignis 2011, und schon auf dem Weg dahin würde in den WM-Städten viel passieren.

Frage: Sie waren vor kurzem in China dabei, als die Frauen-Nationalmannschaft ihren WM-Titel ohne Gegentor verteidigt hat. Haben Sie die Eindrücke aus Fernost, aber auch von dem begeisternden Empfang auf dem Frankfurter Römerberg schon einsortieren und verarbeiten können?

Ratzeburg: Unsere Zeit ist so schnellebig, da hat einen bald der Alltag wieder eingeholt. Als ich aber dieser Tage Zeitungsausschnitte sortiert und WM-Fotos angeschaut habe, war das schon ein tolles, ein intensives Gefühl - fast so wie Weihnachten. Bei und nach der WM jagte ein Höhepunkt den anderen bis zum Empfang am Römer - der war einfach grandios. Es war und ist für uns sicher eine Genugtuung für die Anstrengungen der vergangenen Jahre.

Frage: Nach dem WM-Titel 2003 ist die anfängliche Begeisterung relativ schnell abgeebbt. Was kann der DFB jetzt besser machen, um die positive Stimmung in der Öffentlichkeit auf den Alltag – vor allem in der Bundesliga – zu übertragen?

Ratzeburg: Wir haben schon einen guten Kontakt zu den Bundesligisten, regelmäßige Treffen und Workshops, wo Probleme aufgegriffen und Weiterentwicklungen vorbereitet werden. Die Bundesligisten haben aus dem Organisationskomitee zur WM 2006 jeweils einen fest angestellten Mitarbeiter zur Unterstützung der vielen Ehrenamtlichen bekommen. Nun gilt es, den Werbeeffekt der WM in den Regionen zu nutzen, wo sich die Spielerinnen und Vereine zeigen müssen. Wir wissen, dass wir dabei auch auf die Medien angewiesen sind. Mein Eindruck ist, dass sich in der öffentlichen Wahrnehmung schon etwas verändert hat im Vergleich zum Nachgang der WM 2003.

Frage: Inwiefern sind konkret die Klubs in der Pflicht, die Nachhaltigkeit des WM-Effektes zu sichern?

Ratzeburg: Sie sollen selbstbewusst und offensiv auftreten. Alle Klubs in der Bundesliga und auch in der 2. Bundesliga, in der viele unserer erfolgreichen U-Nationalspielerinnen spielen, können dazu beitragen. Man sollte sich nicht immer nur an jenen orientieren, die im Rampenlicht stehen, sondern an der guten Leistungsfähigkeit der Ligen.

Frage: Dennoch funktioniert wirksame PR vor allem über Köpfe. Star der Bundesliga ist unumstritten die dreimalige Weltfußballerin Birgit Prinz, die bei der WM als zweitbeste Spielerin ausgezeichnet wurde. Aber braucht die Bundesliga nicht noch mehr markante Gesichter?

Ratzeburg: Birgit Prinz ist seit langer Zeit Weltklasse, eine Ausnahmespielerin, auf die sich alle stürzen. Aber wir haben auch andere, die für tollen Frauenfußball stehen. Sie können, je nach Typ, gute Werbung für den Frauenfußball betreiben. Dabei müssen auch die Vereine dafür sorgen, dass die Spielerinnen bekannter werden.

Frage: Wer käme dafür infrage? Immerhin haben Spielerinnen wie Nadine Angerer oder Simone Laudehr zuletzt in Talkshows, im ZDF-Sportstudio oder bei „Wetten, dass...“ eine gute Figur gemacht.

Ratzeburg: Das stimmt, Nadine Angerer hat sich hervorragend präsentiert, Lira Bajramaj hatte hervorragende Auftritte und Simone Laudehr kam sympathisch rüber. Wir haben aber noch viele andere Persönlichkeiten wie Kerstin Stegemann, Ariane Hingst oder Linda Bresonik. Generell dürfen wir nicht den Fehler machen, den Frauenfußball in Deutschland an den Männern zu messen. Die sind unerreichbar, aber auch für andere Sportarten. Vergleichen wir uns aber mit Frauen-Ballsportarten wie Handball oder Volleyball, dann sind wir ganz vorn in der Leistung und Berichterstattung. Die Kontinuität der Erfolge garantiert, dass der Frauenfußball in der Pole Position ist.

Frage: Aktuelle Frage zum Abschluss: Am kommenden Sonntag spielt die DFB-Auswahl in Lübeck gegen Belgien bereits wieder in der EM-Qualifikation. Ist es schwierig, nach den berauschenden Erlebnissen der jüngsten Wochen nun wieder in die Länderspiel-Normalität zurückzukehren?

Ratzeburg: Das glaube ich nicht. Die Ticket-Nachfrage ist groß, und ich gehe davon aus, dass am Sonntag ab 13 Uhr auch wieder viele vor dem Fernseher sitzen werden, um sich die ARD-Liveübertragung anzuschauen. Die Fans werden die Weltmeisterinnen sicher würdigen und für eine gute Stimmung sorgen. Und die Nationalspielerinnen werden wie immer offensiv spielen und Tore schießen wollen. Sie ruhen sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, das haben sie noch nie gemacht.

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Auf dem DFB-Bundestag am Donnerstag und Freitag soll Hannelore Ratzeburg als erste Frau ins DFB-Präsidium einziehen. Zuvor redet die Vorsitzende des DFB-Frauenfußball-Ausschusses im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Redakteur Christian Müller über die Bedeutung der Wahl, die bevorstehende Vergabe der Frauen-WM 2011 und die Situation des Frauenfußballs in Deutschland nach dem zweiten WM-Titelgewinn kürzlich in China.

Frage: Frau Ratzeburg, am Donnerstag und Freitag findet in Mainz der DFB-Bundestag statt, Sie sollen als erste Frau ins DFB-Präsidium einziehen. Was bedeutet dies für Sie persönlich – und was für den Frauen- und Mädchenfußball in Deutschland?

Hannelore Ratzeburg: Persönlich ist es für mich eine Anerkennung meiner langjährigen Tätigkeit - immerhin bin ich seit Oktober 1977, also seit mittlerweile genau 30 Jahren, im Ausschuss für Frauenfußball. Ich sehe mich hier als Stellvertreterin für alle Frauen und Mädchen im DFB, für die meine mögliche Berufung ins Präsidium Signal und Ansporn sind, sich weiter für diesen schönen Sport zu engagieren. Es lohnt sich!

Frage: Der nächste wichtige Termin steht wenige Tage später an: In Zürich vergibt die FIFA am 30. Oktober die Frauen-WM 2011. Mit Kanada ist nur noch ein Konkurrent übrig geblieben. Wie stehen die Chancen der DFB-Bewerbung?

Ratzeburg: Kanada ist ein sehr ernstzunehmender Konkurrent. Der Kanadische Fußball-Verband hat kürzlich die U 20-WM hervorragend ausgerichtet und viele Zuschauer in die Stadien bekommen, was bei U-Turnieren ja nicht immer einfach ist. Ich habe trotzdem große Hoffnung, dass Deutschland als Sieger aus der Bewerbungsphase hervorgeht. Es würde nahtlos passen und nach der WM 2006 Schlag auf Schlag mit einem Großereignis weitergehen.

Frage: Für den DFB und den Frauenfußball hierzulande wäre die Ausrichtung ein weiterer Meilenstein...

Ratzeburg: Wir haben in diesem Jahr soviele Meilensteine, damit können wir ja einen richtigen Erfolgsweg pflastern: Da war das Jubiläum 25 Jahre Frauen-Nationalmannschaft, der EM-Titel unser U 19-Frauen, die Olympia-Qualifikation und natürlich der zweite WM-Titel der DFB-Frauen. Wenn wir jetzt noch den Zuschlag für die WM 2011 in Deutschland bekommen sollten, wäre das schon sensationell für den Frauenfußball hierzulande. Ich bin sicher, die Weltmeisterschaft würde das Topereignis 2011, und schon auf dem Weg dahin würde in den WM-Städten viel passieren.

Frage: Sie waren vor kurzem in China dabei, als die Frauen-Nationalmannschaft ihren WM-Titel ohne Gegentor verteidigt hat. Haben Sie die Eindrücke aus Fernost, aber auch von dem begeisternden Empfang auf dem Frankfurter Römerberg schon einsortieren und verarbeiten können?

Ratzeburg: Unsere Zeit ist so schnellebig, da hat einen bald der Alltag wieder eingeholt. Als ich aber dieser Tage Zeitungsausschnitte sortiert und WM-Fotos angeschaut habe, war das schon ein tolles, ein intensives Gefühl - fast so wie Weihnachten. Bei und nach der WM jagte ein Höhepunkt den anderen bis zum Empfang am Römer - der war einfach grandios. Es war und ist für uns sicher eine Genugtuung für die Anstrengungen der vergangenen Jahre.

Frage: Nach dem WM-Titel 2003 ist die anfängliche Begeisterung relativ schnell abgeebbt. Was kann der DFB jetzt besser machen, um die positive Stimmung in der Öffentlichkeit auf den Alltag – vor allem in der Bundesliga – zu übertragen?

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Ratzeburg: Wir haben schon einen guten Kontakt zu den Bundesligisten, regelmäßige Treffen und Workshops, wo Probleme aufgegriffen und Weiterentwicklungen vorbereitet werden. Die Bundesligisten haben aus dem Organisationskomitee zur WM 2006 jeweils einen fest angestellten Mitarbeiter zur Unterstützung der vielen Ehrenamtlichen bekommen. Nun gilt es, den Werbeeffekt der WM in den Regionen zu nutzen, wo sich die Spielerinnen und Vereine zeigen müssen. Wir wissen, dass wir dabei auch auf die Medien angewiesen sind. Mein Eindruck ist, dass sich in der öffentlichen Wahrnehmung schon etwas verändert hat im Vergleich zum Nachgang der WM 2003.

Frage: Inwiefern sind konkret die Klubs in der Pflicht, die Nachhaltigkeit des WM-Effektes zu sichern?

Ratzeburg: Sie sollen selbstbewusst und offensiv auftreten. Alle Klubs in der Bundesliga und auch in der 2. Bundesliga, in der viele unserer erfolgreichen U-Nationalspielerinnen spielen, können dazu beitragen. Man sollte sich nicht immer nur an jenen orientieren, die im Rampenlicht stehen, sondern an der guten Leistungsfähigkeit der Ligen.

Frage: Dennoch funktioniert wirksame PR vor allem über Köpfe. Star der Bundesliga ist unumstritten die dreimalige Weltfußballerin Birgit Prinz, die bei der WM als zweitbeste Spielerin ausgezeichnet wurde. Aber braucht die Bundesliga nicht noch mehr markante Gesichter?

Ratzeburg: Birgit Prinz ist seit langer Zeit Weltklasse, eine Ausnahmespielerin, auf die sich alle stürzen. Aber wir haben auch andere, die für tollen Frauenfußball stehen. Sie können, je nach Typ, gute Werbung für den Frauenfußball betreiben. Dabei müssen auch die Vereine dafür sorgen, dass die Spielerinnen bekannter werden.

Frage: Wer käme dafür infrage? Immerhin haben Spielerinnen wie Nadine Angerer oder Simone Laudehr zuletzt in Talkshows, im ZDF-Sportstudio oder bei „Wetten, dass...“ eine gute Figur gemacht.

Ratzeburg: Das stimmt, Nadine Angerer hat sich hervorragend präsentiert, Lira Bajramaj hatte hervorragende Auftritte und Simone Laudehr kam sympathisch rüber. Wir haben aber noch viele andere Persönlichkeiten wie Kerstin Stegemann, Ariane Hingst oder Linda Bresonik. Generell dürfen wir nicht den Fehler machen, den Frauenfußball in Deutschland an den Männern zu messen. Die sind unerreichbar, aber auch für andere Sportarten. Vergleichen wir uns aber mit Frauen-Ballsportarten wie Handball oder Volleyball, dann sind wir ganz vorn in der Leistung und Berichterstattung. Die Kontinuität der Erfolge garantiert, dass der Frauenfußball in der Pole Position ist.

Frage: Aktuelle Frage zum Abschluss: Am kommenden Sonntag spielt die DFB-Auswahl in Lübeck gegen Belgien bereits wieder in der EM-Qualifikation. Ist es schwierig, nach den berauschenden Erlebnissen der jüngsten Wochen nun wieder in die Länderspiel-Normalität zurückzukehren?

Ratzeburg: Das glaube ich nicht. Die Ticket-Nachfrage ist groß, und ich gehe davon aus, dass am Sonntag ab 13 Uhr auch wieder viele vor dem Fernseher sitzen werden, um sich die ARD-Liveübertragung anzuschauen. Die Fans werden die Weltmeisterinnen sicher würdigen und für eine gute Stimmung sorgen. Und die Nationalspielerinnen werden wie immer offensiv spielen und Tore schießen wollen. Sie ruhen sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, das haben sie noch nie gemacht.