"Rassismus ist ein Angriff auf unser friedliches Zusammenleben"

Reem Alabali-Radovan ist Staatsministerin beim Bundeskanzler und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Die Schweriner SPD-Politikerin zog mit einem Direktmandat in den Bundestag ein und übernahm vor knapp einem Monat die Aufgabe als Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus. Im DFB.de-Interview spricht die 31 Jahre alte passionierte Boxerin über den heutigen internationalen Tages gegen Rassismus.

DFB.de: Frau Alabali-Radovan, erst mal herzlichen Glückwunsch zur neuen Aufgabe: Das Amt der Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus wurde erst im Februar geschaffen. Wie kam es dazu, hat das Thema an Bedeutung gewonnen?

Reem Alabali-Radovan: Wir sind uns in der neuen Bundesregierung einig, dass wir mehr tun müssen im Kampf gegen Rassismus. Mehr Prävention, mehr politische Bildung, mehr Opferschutz, aber auch mehr Repression. Rassismus fängt mit Worten an und endet bei den furchtbaren rassistischen Anschlägen in Halle und Hanau und denen des NSU. Wir müssen klare Haltung zeigen und laut sein gegen Hass und Hetze. Wie groß die Bedeutung ist, zeigen jährlich mehr als 20.000 Straftaten der politisch motivierten Kriminalität von rechts. Das Bundeskriminalamt meldete zudem in den vergangenen Jahren einen Anstieg der rassistischen Hasskriminalität um 40 Prozent.

DFB.de: Welche Ursachen und Auslöser stehen aus Ihrer Sicht im Vordergrund?

Alabali-Radovan: Rassismus bewertet Menschen als ungleich, spricht ihnen die Gleichwertigkeit ab. Verstärker sind gezielte Desinformationen und Verschwörungstheorien wie zuletzt während der Corona-Pandemie oder im Zusammenhang der Aufnahme von Geflüchteten. Dagegen müssen wir uns mit aller Kraft wehren. Die Würde des Menschen ist unantastbar - jeder und jedes Einzelnen, das ist universelles Menschenrecht. Darum müssen wir uns einsetzen für gleiche Rechte, Chancen und Teilhabe für alle 83 Millionen Menschen in unserem Land, jeden Tag.

DFB.de: Wo werden Ihre Schwerpunkte im neuen Amt liegen?

Alabali-Radovan: Wir wollen alles dafür tun, gegen Hass und Spaltung vorzugehen. Wir werden die Demokratieförderung in Deutschland stärken und müssen Radikalen und Rassismus den Nährboden entziehen. Wir werden die Betroffenen von Rassismus und ihre Perspektive in den Fokus rücken. Viel zu oft stehen die Täter im Fokus, dabei geht es doch um die Betroffenen: Sie brauchen unsere Wachsamkeit, unseren Schutz, Unterstützung und Respekt. Dafür werde ich ein bundesweites, mehrsprachiges Beratungszentrum einrichten, an das sich alle Betroffenen und Ratsuchende wenden können. Zudem werde ich Tempo machen, die Maßnahmen und Projekte der Bundesregierung gegen Rassismus zu koordinieren und schlagkräftig aufzustellen. Ich werde den Kampf gegen Rassismus mit ganzer Kraft angehen.

DFB.de: Die Bundesregierung und der Deutsche Fußball-Bund kooperieren beim Projekt "Fußball Verein(t) Gegen Rassismus". Welchen Hebel ermöglicht der Sport, insbesondere der Fußball, um Rassismus in der Gesellschaft zu bekämpfen?

Alabali-Radovan: Sport bewegt unser Land und bringt uns zusammen. In rund 90.000 Sportvereinen sind mehr als 27 Millionen Menschen dabei. Beim gemeinsamen Sport, in einer Mannschaft, begegnen wir uns auf Augenhöhe - egal, wer man ist und woher man kommt. Darum ist der Sport ein großer gesellschaftlicher Integrationsmotor. Der Fußball hat natürlich eine große Anziehungs- und Strahlkraft. Millionen Menschen sind auf den Sportplätzen aktiv oder fiebern mit ihrem Lieblingsverein mit. Das verbindet und schweißt zusammen, über Grenzen hinweg. Die Spieler*innen - ob Profi oder Amateur - haben eine große Verantwortung, im Wettkampf jederzeit fair und respektvoll miteinander umzugehen. Und die Verantwortlichen müssen einschreiten und klare Konsequenzen ziehen, wenn es zu rassistischen Vorfällen kommt. Auf dem Platz, im Stadion, im Verein. Ich bin dankbar, dass so viele genau das tun.

DFB.de: Alle 21 DFB-Landesverbände haben vor einigen Jahren jeweils eine Anlaufstelle für Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle eingerichtet. Wie kann man aus Ihrer Sicht diese Arbeit noch stärker mit anderen Playern in diesem Bereich vernetzen?

Alabali-Radovan: Für die Anlaufstellen der DFB-Landesverbände könnte der Wissenstransfer und Fachaustausch mit anderen Akteur*innen sehr lohnend sein. Ich denke hier besonders an Migrantenorganisationen, die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die Opferberatungsstellen oder RIAS, den Bundesverband der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus. Gehen Sie aktiv auf diese Player zu, teilen und vermehren Sie damit Ihr Wissen. Das ist dann auch ein starkes Signal, dass wir mit einer Stimme gegen Rassismus und Diskriminierung sprechen.

DFB.de: Wie wichtig ist es, dass auch nicht von Rassismus und Diskriminierung betroffene Menschen sich deutlich dazu positionieren?

Alabali-Radovan: Sehr wichtig! Denn Rassismus geht uns alle an, nicht nur die Betroffenen. Wir müssen laut sein, uns einmischen, wann immer Menschen diskriminiert oder rassistisch beschimpft werden - ob in Bus oder Bahn, im Stadion oder auf dem Sportplatz. Denn Rassismus ist ein Angriff auf unser friedliches Zusammenleben.

DFB.de: Sie selbst spielen nicht Fußball, sondern sind in einem anderen Sport aktiv: Sie boxen. Bleibt Ihnen denn noch genug Zeit dafür?

Alabali-Radovan: Ehrlich gesagt, bleibt in dieser angespannten Lage dafür aktuell kaum Zeit. Aber wann immer ich Zeit finde, bin ich bei meinem Heimatverein BC Traktor Schwerin zu finden.

[th]

Reem Alabali-Radovan ist Staatsministerin beim Bundeskanzler und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Die Schweriner SPD-Politikerin zog mit einem Direktmandat in den Bundestag ein und übernahm vor knapp einem Monat die Aufgabe als Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus. Im DFB.de-Interview spricht die 31 Jahre alte passionierte Boxerin über den heutigen internationalen Tages gegen Rassismus.

DFB.de: Frau Alabali-Radovan, erst mal herzlichen Glückwunsch zur neuen Aufgabe: Das Amt der Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus wurde erst im Februar geschaffen. Wie kam es dazu, hat das Thema an Bedeutung gewonnen?

Reem Alabali-Radovan: Wir sind uns in der neuen Bundesregierung einig, dass wir mehr tun müssen im Kampf gegen Rassismus. Mehr Prävention, mehr politische Bildung, mehr Opferschutz, aber auch mehr Repression. Rassismus fängt mit Worten an und endet bei den furchtbaren rassistischen Anschlägen in Halle und Hanau und denen des NSU. Wir müssen klare Haltung zeigen und laut sein gegen Hass und Hetze. Wie groß die Bedeutung ist, zeigen jährlich mehr als 20.000 Straftaten der politisch motivierten Kriminalität von rechts. Das Bundeskriminalamt meldete zudem in den vergangenen Jahren einen Anstieg der rassistischen Hasskriminalität um 40 Prozent.

DFB.de: Welche Ursachen und Auslöser stehen aus Ihrer Sicht im Vordergrund?

Alabali-Radovan: Rassismus bewertet Menschen als ungleich, spricht ihnen die Gleichwertigkeit ab. Verstärker sind gezielte Desinformationen und Verschwörungstheorien wie zuletzt während der Corona-Pandemie oder im Zusammenhang der Aufnahme von Geflüchteten. Dagegen müssen wir uns mit aller Kraft wehren. Die Würde des Menschen ist unantastbar - jeder und jedes Einzelnen, das ist universelles Menschenrecht. Darum müssen wir uns einsetzen für gleiche Rechte, Chancen und Teilhabe für alle 83 Millionen Menschen in unserem Land, jeden Tag.

DFB.de: Wo werden Ihre Schwerpunkte im neuen Amt liegen?

Alabali-Radovan: Wir wollen alles dafür tun, gegen Hass und Spaltung vorzugehen. Wir werden die Demokratieförderung in Deutschland stärken und müssen Radikalen und Rassismus den Nährboden entziehen. Wir werden die Betroffenen von Rassismus und ihre Perspektive in den Fokus rücken. Viel zu oft stehen die Täter im Fokus, dabei geht es doch um die Betroffenen: Sie brauchen unsere Wachsamkeit, unseren Schutz, Unterstützung und Respekt. Dafür werde ich ein bundesweites, mehrsprachiges Beratungszentrum einrichten, an das sich alle Betroffenen und Ratsuchende wenden können. Zudem werde ich Tempo machen, die Maßnahmen und Projekte der Bundesregierung gegen Rassismus zu koordinieren und schlagkräftig aufzustellen. Ich werde den Kampf gegen Rassismus mit ganzer Kraft angehen.

DFB.de: Die Bundesregierung und der Deutsche Fußball-Bund kooperieren beim Projekt "Fußball Verein(t) Gegen Rassismus". Welchen Hebel ermöglicht der Sport, insbesondere der Fußball, um Rassismus in der Gesellschaft zu bekämpfen?

Alabali-Radovan: Sport bewegt unser Land und bringt uns zusammen. In rund 90.000 Sportvereinen sind mehr als 27 Millionen Menschen dabei. Beim gemeinsamen Sport, in einer Mannschaft, begegnen wir uns auf Augenhöhe - egal, wer man ist und woher man kommt. Darum ist der Sport ein großer gesellschaftlicher Integrationsmotor. Der Fußball hat natürlich eine große Anziehungs- und Strahlkraft. Millionen Menschen sind auf den Sportplätzen aktiv oder fiebern mit ihrem Lieblingsverein mit. Das verbindet und schweißt zusammen, über Grenzen hinweg. Die Spieler*innen - ob Profi oder Amateur - haben eine große Verantwortung, im Wettkampf jederzeit fair und respektvoll miteinander umzugehen. Und die Verantwortlichen müssen einschreiten und klare Konsequenzen ziehen, wenn es zu rassistischen Vorfällen kommt. Auf dem Platz, im Stadion, im Verein. Ich bin dankbar, dass so viele genau das tun.

DFB.de: Alle 21 DFB-Landesverbände haben vor einigen Jahren jeweils eine Anlaufstelle für Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle eingerichtet. Wie kann man aus Ihrer Sicht diese Arbeit noch stärker mit anderen Playern in diesem Bereich vernetzen?

Alabali-Radovan: Für die Anlaufstellen der DFB-Landesverbände könnte der Wissenstransfer und Fachaustausch mit anderen Akteur*innen sehr lohnend sein. Ich denke hier besonders an Migrantenorganisationen, die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die Opferberatungsstellen oder RIAS, den Bundesverband der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus. Gehen Sie aktiv auf diese Player zu, teilen und vermehren Sie damit Ihr Wissen. Das ist dann auch ein starkes Signal, dass wir mit einer Stimme gegen Rassismus und Diskriminierung sprechen.

DFB.de: Wie wichtig ist es, dass auch nicht von Rassismus und Diskriminierung betroffene Menschen sich deutlich dazu positionieren?

Alabali-Radovan: Sehr wichtig! Denn Rassismus geht uns alle an, nicht nur die Betroffenen. Wir müssen laut sein, uns einmischen, wann immer Menschen diskriminiert oder rassistisch beschimpft werden - ob in Bus oder Bahn, im Stadion oder auf dem Sportplatz. Denn Rassismus ist ein Angriff auf unser friedliches Zusammenleben.

DFB.de: Sie selbst spielen nicht Fußball, sondern sind in einem anderen Sport aktiv: Sie boxen. Bleibt Ihnen denn noch genug Zeit dafür?

Alabali-Radovan: Ehrlich gesagt, bleibt in dieser angespannten Lage dafür aktuell kaum Zeit. Aber wann immer ich Zeit finde, bin ich bei meinem Heimatverein BC Traktor Schwerin zu finden.

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