Popp: "Sind wieder in einer guten Position"

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs – er wurde an diesem Tag vom Deutsche Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert – damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten in den Fokus. Heute: Nationalmannschaftskapitänin Alexandra Popp vom VfL Wolfsburg.

DFB.de: Frau Popp, der Frauenfußball in Deutschland feiert in diesem Jahr 50. Geburtstag. Wie sehen Sie als Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft Ihren Sport?

Alexandra Popp: Wir sind auf dem richtigen Weg und befinden uns gerade in einem echt großen Entwicklungsprozess. Wir sind wieder in einer guten Position. Wir hatten zuletzt keine erfolgreichen Turniere. Aber für jede einzelne, die dabei war, waren das ganz sicher riesige Erfahrungswerte. Das wird uns nicht mehr passieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auch mit der Nationalmannschaft in den kommenden Jahren den einen oder anderen Titel holen werden. Und ich hoffe, meinen Beitrag dazu leisten zu können.

DFB.de: Bevor wir nach vorne schauen, lassen Sie uns mal in die Vergangenheit reisen: Wie sind Sie überhaupt zum Fußball gekommen?

Popp: Ich komme aus einer Fußballerfamilie. Ich habe einen größeren, älteren Bruder, der Fußball spielt. Auch mein Vater und mein Opa waren Fußballer. Ich war eigentlich immer und überall auf den Plätzen mit ihnen unterwegs. Es hat nur gefehlt, dass ich irgendwo in einem Mittelkreis geboren worden wäre - so fußballverrückt war und ist meine Familie.

DFB.de: Sie konnten sich also gar nicht dagegen wehren, ebenfalls eine Faszination für den Fußball zu entwickeln?

Popp: So war es. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir immer und überall einen Fußball dabei hatten. Als ich anfing zu laufen, bin ich immer bei meinem Bruder durchs Training gewuselt. Die Jungs hat das natürlich genervt, mir war es völlig egal. Hauptsache, ich hatte einen Ball am Fuß. So hat sich das entwickelt.

DFB.de: Wie haben Sie den Frauenfußball als Jugendliche wahrgenommen?

Popp: Ich habe lange mit dem echten Frauenfußball absolut nichts zu tun gehabt. Ich habe selbst gespielt, aber alles andere hat mich nicht interessiert. Das hat sich erst geändert, als ich 14 oder 15 Jahre alt war. Mit der Frauen-Bundesliga habe ich mich dann erst ernsthaft auseinandergesetzt, als es absehbar wurde, dass es für mich auch in diese Richtung gehen würde.

DFB.de: Sie haben in einer Eliteschule des Fußballs ihr Fachabitur gemacht. In der Fußballklasse waren Sie die einzige Schülerin. Wie wichtig war diese Zeit für Ihre persönliche Entwicklung?

Popp: Es war eine sehr prägende und wichtige Phase meines Lebens. Das war nämlich auch der Zeitpunkt, als ich zum FCR 2001 Duisburg gegangen bin und damit erstmals in der Frauen-Bundesliga spielen konnte. Es hat mir auf jeden Fall geholfen, dass ich an der Schule noch das regelmäßige Training mit den Jungs hatte. Dadurch war ich das schnelle und körperliche Spiel schon gewohnt und konnte mich besser behaupten. Bis heute sind das wichtige Faktoren für mein Auftreten auf dem Platz, auch Präsenz zähle ich dazu. Es ist im Rückblick natürlich auch spannend zu sehen, welche Spieler meiner damaligen Klasse in Anschluss welchen Weg gegangen sind.

DFB.de: Zum Beispiel?

Popp: Max Meyer und Joel Matip kennen wahrscheinlich alle Fußballinteressierten. Auch Marcel Lenz wird den meisten noch ein Begriff sein. Er steht inzwischen beim MSV Duisburg unter Vertrag. Andreas Wiegel gehört ebenfalls dazu, er spielt mittlerweile in Belgien. Einige haben den Schritt in den Profifußball geschafft, andere haben später andere Wege eingeschlagen.

DFB.de: Bis Sie 14 Jahre alt waren, haben Sie ausschließlich mit Jungs trainiert. Wie war dann der Übergang zu den Mädchen beziehungsweise Juniorinnen?

Popp: Vor meinem Wechsel in den weiblichen Bereich kamen Gedanken, mit dem Fußball aufzuhören. In meiner neuen Mannschaft hatte ich dann durch das Training mit den Jungs einen großen körperlichen Vorsprung, ich war sehr präsent und sportlich auffallend. Es brauchte eine gewisse Zeit, sich zurechtzufinden und damit umzugehen. Aber dann hat es mir Spaß gemacht.

DFB.de: Warum genau hatten Sie überlegt, mit dem Fußball aufzuhören?

Popp: Weil mir meine Jungs – wie ich immer sage – gefehlt haben. Mit denen habe ich zusammen mit dem Fußball begonnen, mit denen bin ich aufgewachsen. Ich konnte nicht nachvollziehen, dass ich auf einmal meinen Freundeskreis zumindest in sportlicher Hinsicht verlassen musste, der mir sehr wichtig war. Ich wollte da nicht weg, und zu Mädchen schon mal gar nicht. Das mag hart klingen, aber damals habe ich so getickt.

DFB.de: Warum haben Sie für den Fußball entschieden?

Popp: Mein damaliger Trainer und meine Eltern haben mich überzeugt. Heute sage ich: Zum Glück ist ihnen das gelungen. Ich habe einige Zeit gebraucht, um zu merken, dass Frauen- und Mädchenfußball eigentlich doch cool ist und Spaß macht, dabei zu sein. Wenn man sieht, wo ich heute stehe, war es natürlich der richtige Schritt, weiterzumachen.

DFB.de: Hatten Sie damals keine weiblichen Vorbilder, an denen Sie sich bei dem Übergang vom Jungs- zum Mädchenfußball orientieren konnten?

Popp: Mein Vorbild war Pavel Nedved, der damals der Kopf von Juventus Turin war. Erst später hatte ich dann auch eine Spielerin, der ich nachgeeifert habe. Und das war Inka Grings. Sie war eine der prägenden Persönlichkeiten im deutschen Frauenfußball.

DFB.de: Wie haben Sie die Entwicklung des Frauenfußballs erlebt, seitdem Sie 2008 dazu gekommen sind?

Popp: Wir haben große Fortschritte gemacht - und zwar in allen Bereichen. Der Frauenfußball ist viel schneller geworden, die Spielerinnen sind zudem technisch und taktisch deutlich besser ausgebildet. Das sind aus meiner Sicht die wichtigsten sportlichen Veränderungen. Wenn wir über die führenden Mannschaften in Deutschland sprechen, hat es in den vergangenen Jahren eine Wachablösung gegeben. Als ich nach Duisburg kam, haben wir mit dem FCR 2001, dem FFC Frankfurt und Turbine Potsdam um den Titel gespielt - alles reine Frauenfußballvereine. Dieses Bild hat sich verändert. Aktuell stehen mit dem VfL Wolfsburg, dem FC Bayern und der TSG Hoffenheim Klubs an der Spitze der FLYERALARM Frauen-Bundesliga, die auch eine Profimannschaft bei den Männern haben. In dieser Hinsicht hat sich das Blatt gewendet. Was heute wie damals der Fall ist: Drei Mannschaften stehen ganz oben, dann kommt lange nichts und danach die übrigen Teams doch schon mit einem deutlichen Rückstand. Zumindest ist das meine Wahrnehmung. Das ist vielleicht ein Problem, das man ruhig ansprechen kann. Einige Vereine verfügen einfach nicht über die Möglichkeiten, um im Frauenbereich optimale Bedingungen anbieten zu können. Insgesamt ist die Qualität in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga in den vergangenen zehn Jahren dennoch deutlich gestiegen.

DFB.de: Und wie sehen Sie die Entwicklung im Hinblick auf die Professionalität?

Popp: Da haben wir natürlich gerade in Wolfsburg herausragende Möglichkeiten. Das wirkt sich selbstverständlich auch positiv auf die Zuschauerzahlen aus. Vor zwölf Jahren haben sich vielleicht 150 Menschen die Spiele der VfL-Frauen angeschaut, heute sind es im Schnitt 1800. Wir hätten gerne noch mehr, aber der Weg ist der richtige.

DFB.de: Mit dem VfL Wolfsburg haben Sie in den vergangenen Jahren alles gewonnen, was möglich war. Sticht ein Titel vielleicht besonders heraus?

Popp: Direkt im ersten Jahr, als ich zum VfL kam, haben wir das Triple geholt. Diese Tage am Ende der Saison werden für mich unvergesslich bleiben. Aber es würde der Sache nicht gerecht werden, es auf ein Ereignis oder es sogar nur auf meine Zeit in Wolfsburg zu reduzieren. Mit Duisburg haben wir erstmals in der Vereinsgeschichte international gespielt. Das war sehr besonders und wir haben den damaligen UEFA-Cup holen können. 2009 haben wir dann das letzte DFB-Pokalfinale der Frauen in Berlin gegen Turbine Potsdam gewonnen – mit 7:0. Auch das war ein besonderer Moment. Es gibt viele Ereignisse, an die ich mich erinnere. Vieles positiv, aber einiges auch negativ. Das gehört auch dazu.

DFB.de: Zur Nationalmannschaft sind Sie 2010 gekommen. Inzwischen haben Sie über 100 Begegnungen für die DFB-Auswahl bestritten und sind seit 2019 Kapitänin. Welche Bedeutung hat das für Sie?

Popp: Die Reisen und die Turniere mit dem DFB haben mich geprägt. Sportlich war es auch sehr spannend. Wir hatten in den vergangenen drei bis vier Jahren einen recht großen Umbruch. Nach dem Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2016 haben gestandene Spielerinnen aufgehört. Ich denke spontan an Annike KrahnMelanie Behringer, Saskia Bartusiak und einige andere. Da haben wir etwas gebraucht, um diese Löcher zu stopfen. Es gab einige Trainerwechsel. Aber vor zwei Jahren sind wir Gott sei Dank wieder in die richtige Bahn gestoßen worden. Wir haben eine echt spannende Mischung im Kader. Da sind Spielerinnen dabei, die noch nicht die ganz große Erfahrung haben, dafür aber ein riesiges Potenzial.

DFB.de: Zum Beispiel?

Popp: Lena OberdorfKlara Bühl oder Giulia Gwinn – viele andere aber auch. Die haben wirklich noch einiges vor sich und können den Frauenfußball in Deutschland prägen.

DFB.de: Man sagt immer, dass Nationen wie England oder Spanien aufholen. Wie sehen Sie das?

Popp: Dass das so ist, kann man schon an den jeweiligen Frauen-Fußballligen im Land und den Teams sehen, die dort nach oben kommen. In Spanien beispielsweise haben der FC Barcelona und Real Madrid ihr Engagement verstärkt. In England strebt Manchester City nach oben. Das sind große Vereine, die es ernst meinen und entsprechend Geld investieren. Wir müssen in Deutschland aufpassen, dass wir da den Anschluss halten. Es ist kein Selbstläufer mehr wie vor 15 Jahren, als wir in Deutschland immer in der Vorreiterrolle waren. Das hat sich geändert. Und für den Frauenfußball ist das sicher keine schlechte Entwicklung, weil der Konkurrenzkampf einfach viel höher wird. Es wird spannend, ich freue mich darauf. Wir sind weiterhin ein Team mit hoher Qualität und es ist nicht einfach, uns zu schlagen.

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Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs – er wurde an diesem Tag vom Deutsche Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert – damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten in den Fokus. Heute: Nationalmannschaftskapitänin Alexandra Popp vom VfL Wolfsburg.

DFB.de: Frau Popp, der Frauenfußball in Deutschland feiert in diesem Jahr 50. Geburtstag. Wie sehen Sie als Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft Ihren Sport?

Alexandra Popp: Wir sind auf dem richtigen Weg und befinden uns gerade in einem echt großen Entwicklungsprozess. Wir sind wieder in einer guten Position. Wir hatten zuletzt keine erfolgreichen Turniere. Aber für jede einzelne, die dabei war, waren das ganz sicher riesige Erfahrungswerte. Das wird uns nicht mehr passieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auch mit der Nationalmannschaft in den kommenden Jahren den einen oder anderen Titel holen werden. Und ich hoffe, meinen Beitrag dazu leisten zu können.

DFB.de: Bevor wir nach vorne schauen, lassen Sie uns mal in die Vergangenheit reisen: Wie sind Sie überhaupt zum Fußball gekommen?

Popp: Ich komme aus einer Fußballerfamilie. Ich habe einen größeren, älteren Bruder, der Fußball spielt. Auch mein Vater und mein Opa waren Fußballer. Ich war eigentlich immer und überall auf den Plätzen mit ihnen unterwegs. Es hat nur gefehlt, dass ich irgendwo in einem Mittelkreis geboren worden wäre - so fußballverrückt war und ist meine Familie.

DFB.de: Sie konnten sich also gar nicht dagegen wehren, ebenfalls eine Faszination für den Fußball zu entwickeln?

Popp: So war es. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir immer und überall einen Fußball dabei hatten. Als ich anfing zu laufen, bin ich immer bei meinem Bruder durchs Training gewuselt. Die Jungs hat das natürlich genervt, mir war es völlig egal. Hauptsache, ich hatte einen Ball am Fuß. So hat sich das entwickelt.

DFB.de: Wie haben Sie den Frauenfußball als Jugendliche wahrgenommen?

Popp: Ich habe lange mit dem echten Frauenfußball absolut nichts zu tun gehabt. Ich habe selbst gespielt, aber alles andere hat mich nicht interessiert. Das hat sich erst geändert, als ich 14 oder 15 Jahre alt war. Mit der Frauen-Bundesliga habe ich mich dann erst ernsthaft auseinandergesetzt, als es absehbar wurde, dass es für mich auch in diese Richtung gehen würde.

DFB.de: Sie haben in einer Eliteschule des Fußballs ihr Fachabitur gemacht. In der Fußballklasse waren Sie die einzige Schülerin. Wie wichtig war diese Zeit für Ihre persönliche Entwicklung?

Popp: Es war eine sehr prägende und wichtige Phase meines Lebens. Das war nämlich auch der Zeitpunkt, als ich zum FCR 2001 Duisburg gegangen bin und damit erstmals in der Frauen-Bundesliga spielen konnte. Es hat mir auf jeden Fall geholfen, dass ich an der Schule noch das regelmäßige Training mit den Jungs hatte. Dadurch war ich das schnelle und körperliche Spiel schon gewohnt und konnte mich besser behaupten. Bis heute sind das wichtige Faktoren für mein Auftreten auf dem Platz, auch Präsenz zähle ich dazu. Es ist im Rückblick natürlich auch spannend zu sehen, welche Spieler meiner damaligen Klasse in Anschluss welchen Weg gegangen sind.

DFB.de: Zum Beispiel?

Popp: Max Meyer und Joel Matip kennen wahrscheinlich alle Fußballinteressierten. Auch Marcel Lenz wird den meisten noch ein Begriff sein. Er steht inzwischen beim MSV Duisburg unter Vertrag. Andreas Wiegel gehört ebenfalls dazu, er spielt mittlerweile in Belgien. Einige haben den Schritt in den Profifußball geschafft, andere haben später andere Wege eingeschlagen.

DFB.de: Bis Sie 14 Jahre alt waren, haben Sie ausschließlich mit Jungs trainiert. Wie war dann der Übergang zu den Mädchen beziehungsweise Juniorinnen?

Popp: Vor meinem Wechsel in den weiblichen Bereich kamen Gedanken, mit dem Fußball aufzuhören. In meiner neuen Mannschaft hatte ich dann durch das Training mit den Jungs einen großen körperlichen Vorsprung, ich war sehr präsent und sportlich auffallend. Es brauchte eine gewisse Zeit, sich zurechtzufinden und damit umzugehen. Aber dann hat es mir Spaß gemacht.

DFB.de: Warum genau hatten Sie überlegt, mit dem Fußball aufzuhören?

Popp: Weil mir meine Jungs – wie ich immer sage – gefehlt haben. Mit denen habe ich zusammen mit dem Fußball begonnen, mit denen bin ich aufgewachsen. Ich konnte nicht nachvollziehen, dass ich auf einmal meinen Freundeskreis zumindest in sportlicher Hinsicht verlassen musste, der mir sehr wichtig war. Ich wollte da nicht weg, und zu Mädchen schon mal gar nicht. Das mag hart klingen, aber damals habe ich so getickt.

DFB.de: Warum haben Sie für den Fußball entschieden?

Popp: Mein damaliger Trainer und meine Eltern haben mich überzeugt. Heute sage ich: Zum Glück ist ihnen das gelungen. Ich habe einige Zeit gebraucht, um zu merken, dass Frauen- und Mädchenfußball eigentlich doch cool ist und Spaß macht, dabei zu sein. Wenn man sieht, wo ich heute stehe, war es natürlich der richtige Schritt, weiterzumachen.

DFB.de: Hatten Sie damals keine weiblichen Vorbilder, an denen Sie sich bei dem Übergang vom Jungs- zum Mädchenfußball orientieren konnten?

Popp: Mein Vorbild war Pavel Nedved, der damals der Kopf von Juventus Turin war. Erst später hatte ich dann auch eine Spielerin, der ich nachgeeifert habe. Und das war Inka Grings. Sie war eine der prägenden Persönlichkeiten im deutschen Frauenfußball.

DFB.de: Wie haben Sie die Entwicklung des Frauenfußballs erlebt, seitdem Sie 2008 dazu gekommen sind?

Popp: Wir haben große Fortschritte gemacht - und zwar in allen Bereichen. Der Frauenfußball ist viel schneller geworden, die Spielerinnen sind zudem technisch und taktisch deutlich besser ausgebildet. Das sind aus meiner Sicht die wichtigsten sportlichen Veränderungen. Wenn wir über die führenden Mannschaften in Deutschland sprechen, hat es in den vergangenen Jahren eine Wachablösung gegeben. Als ich nach Duisburg kam, haben wir mit dem FCR 2001, dem FFC Frankfurt und Turbine Potsdam um den Titel gespielt - alles reine Frauenfußballvereine. Dieses Bild hat sich verändert. Aktuell stehen mit dem VfL Wolfsburg, dem FC Bayern und der TSG Hoffenheim Klubs an der Spitze der FLYERALARM Frauen-Bundesliga, die auch eine Profimannschaft bei den Männern haben. In dieser Hinsicht hat sich das Blatt gewendet. Was heute wie damals der Fall ist: Drei Mannschaften stehen ganz oben, dann kommt lange nichts und danach die übrigen Teams doch schon mit einem deutlichen Rückstand. Zumindest ist das meine Wahrnehmung. Das ist vielleicht ein Problem, das man ruhig ansprechen kann. Einige Vereine verfügen einfach nicht über die Möglichkeiten, um im Frauenbereich optimale Bedingungen anbieten zu können. Insgesamt ist die Qualität in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga in den vergangenen zehn Jahren dennoch deutlich gestiegen.

DFB.de: Und wie sehen Sie die Entwicklung im Hinblick auf die Professionalität?

Popp: Da haben wir natürlich gerade in Wolfsburg herausragende Möglichkeiten. Das wirkt sich selbstverständlich auch positiv auf die Zuschauerzahlen aus. Vor zwölf Jahren haben sich vielleicht 150 Menschen die Spiele der VfL-Frauen angeschaut, heute sind es im Schnitt 1800. Wir hätten gerne noch mehr, aber der Weg ist der richtige.

DFB.de: Mit dem VfL Wolfsburg haben Sie in den vergangenen Jahren alles gewonnen, was möglich war. Sticht ein Titel vielleicht besonders heraus?

Popp: Direkt im ersten Jahr, als ich zum VfL kam, haben wir das Triple geholt. Diese Tage am Ende der Saison werden für mich unvergesslich bleiben. Aber es würde der Sache nicht gerecht werden, es auf ein Ereignis oder es sogar nur auf meine Zeit in Wolfsburg zu reduzieren. Mit Duisburg haben wir erstmals in der Vereinsgeschichte international gespielt. Das war sehr besonders und wir haben den damaligen UEFA-Cup holen können. 2009 haben wir dann das letzte DFB-Pokalfinale der Frauen in Berlin gegen Turbine Potsdam gewonnen – mit 7:0. Auch das war ein besonderer Moment. Es gibt viele Ereignisse, an die ich mich erinnere. Vieles positiv, aber einiges auch negativ. Das gehört auch dazu.

DFB.de: Zur Nationalmannschaft sind Sie 2010 gekommen. Inzwischen haben Sie über 100 Begegnungen für die DFB-Auswahl bestritten und sind seit 2019 Kapitänin. Welche Bedeutung hat das für Sie?

Popp: Die Reisen und die Turniere mit dem DFB haben mich geprägt. Sportlich war es auch sehr spannend. Wir hatten in den vergangenen drei bis vier Jahren einen recht großen Umbruch. Nach dem Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2016 haben gestandene Spielerinnen aufgehört. Ich denke spontan an Annike KrahnMelanie Behringer, Saskia Bartusiak und einige andere. Da haben wir etwas gebraucht, um diese Löcher zu stopfen. Es gab einige Trainerwechsel. Aber vor zwei Jahren sind wir Gott sei Dank wieder in die richtige Bahn gestoßen worden. Wir haben eine echt spannende Mischung im Kader. Da sind Spielerinnen dabei, die noch nicht die ganz große Erfahrung haben, dafür aber ein riesiges Potenzial.

DFB.de: Zum Beispiel?

Popp: Lena OberdorfKlara Bühl oder Giulia Gwinn – viele andere aber auch. Die haben wirklich noch einiges vor sich und können den Frauenfußball in Deutschland prägen.

DFB.de: Man sagt immer, dass Nationen wie England oder Spanien aufholen. Wie sehen Sie das?

Popp: Dass das so ist, kann man schon an den jeweiligen Frauen-Fußballligen im Land und den Teams sehen, die dort nach oben kommen. In Spanien beispielsweise haben der FC Barcelona und Real Madrid ihr Engagement verstärkt. In England strebt Manchester City nach oben. Das sind große Vereine, die es ernst meinen und entsprechend Geld investieren. Wir müssen in Deutschland aufpassen, dass wir da den Anschluss halten. Es ist kein Selbstläufer mehr wie vor 15 Jahren, als wir in Deutschland immer in der Vorreiterrolle waren. Das hat sich geändert. Und für den Frauenfußball ist das sicher keine schlechte Entwicklung, weil der Konkurrenzkampf einfach viel höher wird. Es wird spannend, ich freue mich darauf. Wir sind weiterhin ein Team mit hoher Qualität und es ist nicht einfach, uns zu schlagen.

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