Pokalheld Sievers über 96-Triumph 1992: "Es war Glück"

Fast 32 Jahre diente Jörg Sievers in verschiedenen Funktionen seinem Verein Hannover 96. Beim größten Erfolg seiner Karriere stand er zwischen den Pfosten und gewann in Berlin den DFB-Pokal. Das war 1992. Fast 30 Jahre später kommt es heute (ab 18.30 Uhr, live bei Sky) gegen Borussia Mönchengladbach zur Revanche, nun im Achtelfinale - und diesmal ist er für das Fan-Radio dabei. Zeit hat er gerade, als Co-Trainer von Daniel Stendel ist er mit diesem beim AS Nancy freigestellt worden, "wie das so ist, wenn der Erfolg ausbleibt". An den Erfolg seiner 96er glaubt er indes, wie er im DFB.de-Interview mit dem Historiker Udo Muras erzählt, denn der inzwischen 56 Jahre alte Sievers weiß ja, was im Pokal alles möglich ist. Wie am 23. Mai 1992.

DFB.de: Wie oft werden Sie auf den größten Tag Ihrer Karriere angesprochen, Herr Sievers?

Jörg Sievers: Nicht mehr jeden Tag, aber quasi vor jedem Pokalspiel von 96 will jemand etwas von mir wissen. Es war ja nun mal einer der größten Erfolge der Vereinsgeschichte.

DFB.de: Wie war der Durchmarsch nach Berlin überhaupt möglich damals? Am Wegesrand lagen ja lauter Bundesligisten, und Hannover war damals nur ein mittelmäßiger Zweitligist.

Sievers: Das stimmt, wir waren nicht sonderlich erfolgreich damals. Aber wenn man dem grauen Ligaalltag entfliehen kann, hat das auch seinen Reiz. Für uns war jedes Spiel ein Highlight, auch schon gegen Bochum oder den KSC - wir konnten als der Kleinere ja befreit aufspielen. So haben wir sogar in Dortmund gewonnen.

DFB.de: Gab es denn von Runde zu Runde höhere Prämien?

Sievers: Da müsste ich lügen, der finanzielle Anreiz wird auch überschätzt. Unser Anreiz war rein sportlicher Natur, es war doch jedes Mal ein Riesending, einen Bundesligisten zu schlagen.

DFB.de: Im Halbfinale ging es gegen den Titelverteidiger Werder Bremen

Sievers: ... der drauf und dran war, auch Europapokalsieger zu werden. Das war damals unter Otto Rehhagel eine europäische Topmannschaft. Aber wir spielten zu Hause, haben uns riesig darauf gefreut, zumal es ein Nordderby war. Wir hatten uns vorgenommen, sie ein bisschen zu ärgern, Gewinnen war schon eine andere Sache.

DFB.de: Aber es hat geklappt, weil Sie an diesem Tag erstmals zum Elfmeterhelden wurden. Wenn auch nicht nur als Keeper…

Sievers: Stimmt. Nach je fünf Elfmetern rannte plötzlich unser Trainer Michael Lorkowski auf den Platz, was heute sicherlich eine Strafe nach sich gezogen hätte, baute sich vor mir auf und fragte, ob ich den nächsten Elfer schießen wolle.

DFB.de: Und wollten Sie?

Sievers: Na ja, ich war ganz schön überrascht. Ich hatte damit nicht gerechnet und nicht mal im Training Elfmeter geschossen. Ich weiß nicht, wie er auf den Geistesblitz gekommen ist. Aber ich habe dann eben zugestimmt.

DFB.de: Hatten Sie Angst?

Sievers: Schon etwas, in umgekehrter Perspektive habe ich plötzlich gemerkt, dass so ein Tor mit jedem Schritt immer kleiner wird für den Schützen. Ich habe einen ziemlich langen Anlauf genommen und dann voll in die Mitte geschossen - und getroffen.

DFB.de: Weil Sie als Torwart wussten, dass der Kollege sich wohl eine Ecke sucht?

Sievers: Jein. Damals hat man das noch nicht so häufig gemacht, Schüsse in die Mitte waren eher selten. Ich will nicht gerade sagen, dass ich das erfunden habe, aber ich war einer der Ersten. (lacht)

DFB.de: Es kam noch besser. Der Elfmeter von Marco Bode...

Sievers: Ja, den habe ich dann gehalten. Ich war noch voller Euphorie und Adrenalin, und als ich ihm in die Augen geschaut habe, habe ich gespürt, dass es für ihn keine leichte Situation war. Er musste treffen, und Werder war der Favorit. Daran ist er gescheitert.

DFB.de: Wussten Sie, wohin er schießt?

Sievers: Nein, ich hatte da keine Informationen - wie man das heute alles so bekommt.

DFB.de: Kommen wir zum Finale gegen die Gladbacher. Eigentlich war es ein fürchterliches Spiel, oder? Nach 120 Minuten stand es immer noch 0:0, das war ein Novum für Berlin.

Sievers: Mag sein. Aber uns war das egal, wir waren als der Underdog doch nicht für die Unterhaltung zuständig.

DFB.de: Für die sorgten Sie im Elfmeterschießen. Sie parierten diesmal sogar zwei Schüsse. Dabei waren Sie gar kein Elfmetertöter, von 40 in der Liga hielten sie sieben. Alles nur Glück im richtigen Moment?

Sievers: Ja, es war Glück! Als Torwart wählst du dir eine Ecke, und wenn der Ball dahin kommt, dann ist es Glück - ohne Frage.

DFB.de: Halten müssen Sie ihn dann immer noch. Holger Fach und Karlheinz Pflipsen scheiterten an Ihnen. Sie wussten wirklich nicht, was die vor hatten?

Sievers: Nein, ich habe mich auf mein Bauchgefühl verlassen, und es hat uns den Pokal gebracht.

DFB.de: Den Sie dann ja auch den Fans gezeigt haben. Da gab es doch die Geschichte auf der Autobahn…

Sievers: Ja, am nächsten Morgen nach der Feier standen wir auf der Rückfahrt im Stau, wie viele unserer Fans auch. Da sind wir eben mal mit dem Pokal ausgestiegen und in das eine oder andere Wohnmobil rein, damit die Fans den Pokal auch mal anfassen konnten.

DFB.de: Und glauben Sie an eine Wiederholung des "Wunders" in diesem Jahr? Zumindest an ein Weiterkommen?

Sievers: Wie damals ist Borussia der klare Favorit, jetzt haben sie auch noch bei den Bayern gewonnen. Aber im Pokal weiß man nie. Ich hoffe auf eine gute Leistung von 96 und wünsche mir ein 1:0.

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Fast 32 Jahre diente Jörg Sievers in verschiedenen Funktionen seinem Verein Hannover 96. Beim größten Erfolg seiner Karriere stand er zwischen den Pfosten und gewann in Berlin den DFB-Pokal. Das war 1992. Fast 30 Jahre später kommt es heute (ab 18.30 Uhr, live bei Sky) gegen Borussia Mönchengladbach zur Revanche, nun im Achtelfinale - und diesmal ist er für das Fan-Radio dabei. Zeit hat er gerade, als Co-Trainer von Daniel Stendel ist er mit diesem beim AS Nancy freigestellt worden, "wie das so ist, wenn der Erfolg ausbleibt". An den Erfolg seiner 96er glaubt er indes, wie er im DFB.de-Interview mit dem Historiker Udo Muras erzählt, denn der inzwischen 56 Jahre alte Sievers weiß ja, was im Pokal alles möglich ist. Wie am 23. Mai 1992.

DFB.de: Wie oft werden Sie auf den größten Tag Ihrer Karriere angesprochen, Herr Sievers?

Jörg Sievers: Nicht mehr jeden Tag, aber quasi vor jedem Pokalspiel von 96 will jemand etwas von mir wissen. Es war ja nun mal einer der größten Erfolge der Vereinsgeschichte.

DFB.de: Wie war der Durchmarsch nach Berlin überhaupt möglich damals? Am Wegesrand lagen ja lauter Bundesligisten, und Hannover war damals nur ein mittelmäßiger Zweitligist.

Sievers: Das stimmt, wir waren nicht sonderlich erfolgreich damals. Aber wenn man dem grauen Ligaalltag entfliehen kann, hat das auch seinen Reiz. Für uns war jedes Spiel ein Highlight, auch schon gegen Bochum oder den KSC - wir konnten als der Kleinere ja befreit aufspielen. So haben wir sogar in Dortmund gewonnen.

DFB.de: Gab es denn von Runde zu Runde höhere Prämien?

Sievers: Da müsste ich lügen, der finanzielle Anreiz wird auch überschätzt. Unser Anreiz war rein sportlicher Natur, es war doch jedes Mal ein Riesending, einen Bundesligisten zu schlagen.

DFB.de: Im Halbfinale ging es gegen den Titelverteidiger Werder Bremen

Sievers: ... der drauf und dran war, auch Europapokalsieger zu werden. Das war damals unter Otto Rehhagel eine europäische Topmannschaft. Aber wir spielten zu Hause, haben uns riesig darauf gefreut, zumal es ein Nordderby war. Wir hatten uns vorgenommen, sie ein bisschen zu ärgern, Gewinnen war schon eine andere Sache.

DFB.de: Aber es hat geklappt, weil Sie an diesem Tag erstmals zum Elfmeterhelden wurden. Wenn auch nicht nur als Keeper…

Sievers: Stimmt. Nach je fünf Elfmetern rannte plötzlich unser Trainer Michael Lorkowski auf den Platz, was heute sicherlich eine Strafe nach sich gezogen hätte, baute sich vor mir auf und fragte, ob ich den nächsten Elfer schießen wolle.

DFB.de: Und wollten Sie?

Sievers: Na ja, ich war ganz schön überrascht. Ich hatte damit nicht gerechnet und nicht mal im Training Elfmeter geschossen. Ich weiß nicht, wie er auf den Geistesblitz gekommen ist. Aber ich habe dann eben zugestimmt.

DFB.de: Hatten Sie Angst?

Sievers: Schon etwas, in umgekehrter Perspektive habe ich plötzlich gemerkt, dass so ein Tor mit jedem Schritt immer kleiner wird für den Schützen. Ich habe einen ziemlich langen Anlauf genommen und dann voll in die Mitte geschossen - und getroffen.

DFB.de: Weil Sie als Torwart wussten, dass der Kollege sich wohl eine Ecke sucht?

Sievers: Jein. Damals hat man das noch nicht so häufig gemacht, Schüsse in die Mitte waren eher selten. Ich will nicht gerade sagen, dass ich das erfunden habe, aber ich war einer der Ersten. (lacht)

DFB.de: Es kam noch besser. Der Elfmeter von Marco Bode...

Sievers: Ja, den habe ich dann gehalten. Ich war noch voller Euphorie und Adrenalin, und als ich ihm in die Augen geschaut habe, habe ich gespürt, dass es für ihn keine leichte Situation war. Er musste treffen, und Werder war der Favorit. Daran ist er gescheitert.

DFB.de: Wussten Sie, wohin er schießt?

Sievers: Nein, ich hatte da keine Informationen - wie man das heute alles so bekommt.

DFB.de: Kommen wir zum Finale gegen die Gladbacher. Eigentlich war es ein fürchterliches Spiel, oder? Nach 120 Minuten stand es immer noch 0:0, das war ein Novum für Berlin.

Sievers: Mag sein. Aber uns war das egal, wir waren als der Underdog doch nicht für die Unterhaltung zuständig.

DFB.de: Für die sorgten Sie im Elfmeterschießen. Sie parierten diesmal sogar zwei Schüsse. Dabei waren Sie gar kein Elfmetertöter, von 40 in der Liga hielten sie sieben. Alles nur Glück im richtigen Moment?

Sievers: Ja, es war Glück! Als Torwart wählst du dir eine Ecke, und wenn der Ball dahin kommt, dann ist es Glück - ohne Frage.

DFB.de: Halten müssen Sie ihn dann immer noch. Holger Fach und Karlheinz Pflipsen scheiterten an Ihnen. Sie wussten wirklich nicht, was die vor hatten?

Sievers: Nein, ich habe mich auf mein Bauchgefühl verlassen, und es hat uns den Pokal gebracht.

DFB.de: Den Sie dann ja auch den Fans gezeigt haben. Da gab es doch die Geschichte auf der Autobahn…

Sievers: Ja, am nächsten Morgen nach der Feier standen wir auf der Rückfahrt im Stau, wie viele unserer Fans auch. Da sind wir eben mal mit dem Pokal ausgestiegen und in das eine oder andere Wohnmobil rein, damit die Fans den Pokal auch mal anfassen konnten.

DFB.de: Und glauben Sie an eine Wiederholung des "Wunders" in diesem Jahr? Zumindest an ein Weiterkommen?

Sievers: Wie damals ist Borussia der klare Favorit, jetzt haben sie auch noch bei den Bayern gewonnen. Aber im Pokal weiß man nie. Ich hoffe auf eine gute Leistung von 96 und wünsche mir ein 1:0.

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